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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: X ZR 41/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO a.F. § 212a
ZPO a.F. § 187 Satz 1
ZPO a.F. § 187 Satz 2
ZPO § 212a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 41/02

Verkündet am: 30. September 2003

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2003 durch die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das am 23. Januar 2002 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger haben von dem Beklagten, ihrem Sohn, die Rückübertragung von im Weg vorweggenommener Erbfolge schenkungshalber überlassenen Grundstücken verlangt, nachdem sie die Schenkung wegen groben Undanks widerrufen hatten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht mit auf am 19. Dezember 2001 durchgeführte mündliche Verhandlung ergangenem Urteil als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, der in erster Linie sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Verfahrensrecht zu behandelnde, unbeschränkt statthafte Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO; § 547 ZPO in der vor dem 1.1.2002 geltenden Fassung - nachfolgend: a.F.). Diesem ist auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens zu übertragen.

I. 1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden sei. Das Urteil des Landgerichts sei dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 24. März 2000 zugestellt worden, die Berufungsschrift aber erst am 28. April 2000 eingegangen. Zwar befinde sich kein Empfangsbekenntnis bei den Akten, jedoch habe der als Zeuge vernommene Justizangestellte H. in den Akten vermerkt, daß die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 24. März 2000 erfolgt sei. Es beständen keine vernünftigen Zweifel daran, daß der Justizangestellte bei der Fertigung des Vermerks den auf dem zurückgereichten Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungszeitpunkt zutreffend übertragen habe. Wiedereinsetzung scheide aus, weil ein Wiedereinsetzungsantrag nicht rechtzeitig nach Wegfall des Hindernisses angebracht worden sei.

2. Die angefochtene Entscheidung ist, wie die Revision mit Recht geltend macht, von Rechtsfehlern beeinflußt.

Das Urteil des Landgerichts war den Parteien von Amts wegen zuzustellen (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Erst durch die Zustellung wurde die einmonatige Berufungsfrist in Lauf gesetzt (§ 516 ZPO a.F.). Diese konnte nur dann vor dem 28. April 2000 abgelaufen sein, wenn das Urteil vor dem 28. März 2000 wirksam zugestellt worden war. Das hat das Berufungsgericht nicht fehlerfrei festgestellt. Ein urkundlicher Zustellungsnachweis befindet und befand sich jedenfalls bei Eingang der Berufung nicht bei den Gerichtsakten. Zwar gilt für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Einlegung geht, der sogenannte Freibeweis (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.1987 - VII ZB 10/86 - NJW 1987, 2875, 2876, v. 30.10.1997 - VII ZB 19/97 - VersR 1998, 1439 m.w.N., und v. 7.12.1999 - VI ZB 30/99 - NJW 2000, 814). Auch wenn der Nachweis der Aufnahme einer Zustellungsurkunde dabei mit Hilfe anderer Beweismittel erbracht werden kann (BGH, Urt. v. 13.1.1981 - VI ZR 180/79, NJW 1981, 1613, 1614, insoweit in BGHZ 80, 8 ff. nicht abgedruckt), werden dadurch aber die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht herabgesetzt; hinsichtlich des Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels ist vielmehr voller Beweis zu erbringen (BGH, Beschl. v. 7.12.1999 - VI ZB 30/99 - NJW 2000, 814).

Allerdings begegnet die auf bestimmte Indiztatsachen gestützte Feststellung des Berufungsgerichts, es sei eine Ausfertigung und nicht nur eine Abschrift des erstinstanzlichen Urteils zum Zweck der Zustellung an den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten übermittelt worden, entgegen der Auffassung der Revision keinen durchgreifenden Bedenken. Zur Wirksamkeit der hier allein in Betracht kommenden vereinfachten Zustellung war es aber weiter erforderlich, daß ein ordnungsgemäßes Empfangsbekenntnis im Sinn des § 212a ZPO a.F. einmal ausgestellt worden war (vgl. BGHZ 35, 236, 237 m.w.N.; BGH, Beschl. v.12.6.1986 - IX ZB 39/86, VersR 1986, 1102). Das setzte wiederum voraus, daß das Empfangsbekenntnis mit Datum und mit der Unterschrift des Zustellungsadressaten versehen war. Ob das der Fall ist, kann zwar ebenfalls im Freibeweis festgestellt werden. Ausreichende Feststellungen darüber, ob das nach Auffassung des Berufungsgerichts dem Justizangestellten H. bei Fertigung seines Vermerks Bl. 82 Rs. d.A. vorliegende Empfangsbekenntnis den Anforderungen des § 212 ZPO a.F. entsprach, sind aber hinsichtlich der Unterschrift des Zustellungsadressaten nicht getroffen. Sie liegen insbesondere nicht in der pauschalen Feststellung, daß der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten ein vollzogenes Empfangsbekenntnis zurückgegeben habe, weil dies über Form und Inhalt des Empfangsbekenntnisses nichts aussagt. Konkrete Feststellungen darüber, daß und gegebenenfalls von wem das Empfangsbekenntnis unterschrieben war, hat das Berufungsgericht nicht getroffen; auch aus den Akten ergeben sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte hierfür, was der Senat selbst zu prüfen hatte, da es um die Prüfung einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Zulässigkeitsvoraussetzung geht.

Eine Feststellung, daß das Landgerichtsurteil am 24. März 2000 dem Vertreter des Beklagten wirksam zugestellt worden ist, kann somit nach dem derzeitigen Sachstand nicht getroffen werden. Damit kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Befassung zu prüfen haben, ob diese fehlenden Feststellungen noch nachgeholt werden können. Es wird dabei zur weiteren Aufklärung die Parteien zur Mitwirkung heranziehen können, die im Rahmen der sie treffenden Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) und der sie treffenden Mitwirkungsobliegenheiten verpflichtet sind, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Sofern sie diesen Verpflichtungen und Obliegenheiten nicht ausreichend nachkommen sollten, wird das Berufungsgericht hieraus die entsprechenden Schlüsse ziehen können.

Sofern eine Einhaltung der Voraussetzungen des § 212a ZPO nach alledem nicht festgestellt werden kann, kommt allerdings eine Heilung der Unwirksamkeit der Zustellung nach § 187 Satz 1 ZPO a.F. ist nicht in Betracht. Nach § 187 Satz 2 ZPO a.F. ist sie nämlich deshalb ausgeschlossen, weil durch die Zustellung die Berufungsfrist als Notfrist (§ 516 ZPO a.F.) in Gang gesetzt werden sollte (vgl. Sen.Urt. v. 4.11.1993 - X ZR 91/92, NJW 1994, 526; BGH, Urt. v. 19.4.1994 - VI ZR 269/93, NJW 1994, 2295).



Ende der Entscheidung

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