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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: X ZR 48/99
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 121 Abs. 2
ZPO § 91
ZPO § 97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 48/99

Verkündet am: 25. März 2003

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 1. Dezember 1998 abgeändert:

Das deutsche Patent 43 32 497 wird in vollem Umfang für nichtig erklärt.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagten sind Inhaber des deutschen Patents 43 32 497 (Streitpatent), das am 24. September 1993 angemeldet worden ist und ein chirurgisches Instrument betrifft. Patentanspruch 1 lautet:

"Chirurgisches Instrument mit zwei ineinander verschiebbaren Elementen (6, 7), wobei mit einem verschiebbaren Element (7) zumindest ein Maulteil (10, 11) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß beide Elemente (6, 7) über eine Rasteinrichtung (19, 20) lösbar miteinander verbunden sind und ein Abstand zwischen dem Ende des einen verschiebbaren Elements (7) und dem Maulteil (10, 11) veränderbar, jedoch durch ein Festlegen des zumindest einen Maulteils (10, 11) unveränderbar ist."

Wegen der Patentansprüche 2 bis 11 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 8 sei durch die am 10. März 1993 angemeldete und am 15. September 1994 veröffentlichte ältere deutsche Patentanmeldung (Offenlegungsschrift 43 07 539) vorweggenommen. Sie hat weiter behauptet, die als Anlage M 6 zu den Akten gereichte Zange der G. nehme den Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 9 vorweg und habe die Merkmale der Patentansprüche 10 und 11 nahegelegt. Derartige chirurgische Instrumente seien ihr

- der Klägerin - vor dem Prioritätstag des Streitpatents geliefert und von ihr Ende 1992 an die A. E. (B... ) weiterverkauft worden. Ferner habe sie diese Instrumente vom 15. bis 18. Juni 1993 auf der Messe "I. " in H. ausgestellt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat die Klägerin eine weitere offenkundige Vorbenutzung (S... ) geltend gemacht und dazu Fotokopien aus dem Firmenprospekt "P. UND F. " vorgelegt.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 9 für nichtig erklärt. Patentanspruch 10 hat es für nichtig erklärt, soweit dieser nicht sämtliche Merkmale aus den Patentansprüchen 1 bis 9 enthält. Patentanspruch 11 hat es für nichtig erklärt, soweit er nicht auf den so beschränkten Patentanspruch 10 zurückbezogen ist. Im übrigen hat das Bundespatentgericht die Klage abgewiesen.

Dagegen wenden sich die Klägerin und die Beklagten mit ihren Berufungen.

Die Klägerin möchte mit ihrer Berufung die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents erreichen und beruft sich ergänzend zu ihrem bisherigen Sachvortrag auf ein zerlegbares chirurgisches Instrument, das die M. eG ... in T. zusammen mit der T. M. GmbH in W. bereits Ende 1992 entwickelt, am 5. März 1993 an die W. in S. vertrieben und mit dem Katalog p 8... " mit dem Druckdatum 1993 noch im Mai 1993 sowie auf der Messe "I. " im Juni 1993 angeboten haben soll. Die Beklagten erstreben mit ihrer Berufung die Abweisung der Nichtigkeitsklage und verteidigen das Streitpatent hilfsweise in folgender Fassung seines Patentanspruchs 1:

"Chirurgisches Instrument mit einem verschiebbaren Zug- bzw. Druckelement (7) in einem Rohr (6), wobei mit einem Zug- bzw. Druckelement (7) zumindest ein Maulteil (10, 11) verbunden ist und beide Elemente (6, 7) über eine Rasteinrichtung (19, 20) lösbar miteinander verbunden sind und ein Abstand zwischen dem Ende des Zug- und Druckelements (7) und dem Maulteil (10, 11) veränderbar, jedoch durch ein Festlegen des zumindest einen Maulteils (10, 11) unveränderbar ist, wobei das Rohr (6) mit einem Zangengriff (1) und das Zug- bzw. Druckelement (7) lösbar über eine Halterung (22) mit einem weiteren Zangengriff (2) und beide Zangengriffe (1, 2) wiederum über ein Gelenk (3) miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Rasteinrichtung (19, 20) durch ein Halten des zumindest einen Maulteils in Schließlage und ein Bewegen der Zangengriffe 1, 2 lösbar ist."

Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr.-Ing. U. B. , , eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Außerdem hat der Senat durch Vernehmung der Zeugen G. und H. über die von der Klägerin behauptete offenkundige Vorbenutzung des als Anlage M 6 zu den Akten gereichten chirurgischen Instruments auf der Messe "I. " 1993 Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Dagegen hat die Berufung der Klägerin Erfolg und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents, da dieses nicht patentfähig ist (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 4 PatG).

I. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft ein chirurgisches Instrument mit zwei ineinander verschiebbaren Elementen, von denen eines mit mindestens einem Maulteil verbunden ist. Bei den Maulteilen kann es sich um Schneiden, Zangen, Klemmen, Pinzetten und dergleichen handeln (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 11 - 13). Derartige chirurgische Instrumente werden, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten (S. 3 bis 7) dargelegt hat, im Bereich der minimal-invasiven Chirurgie wie laparoskopischen und thorakoskopischen Operationen eingesetzt, bei denen die chirurgischen Instrumente durch Trokarhülsen geführt und zum Einsatz gebracht werden.

Instrumente dieser Art werden entweder als Einmaltrokare oder als wiederverwendbare Metalltrokare hergestellt und angeboten, wobei wiederverwendbare Trokare nach der Operation gereinigt und sterilisiert werden müssen. Bei einem Teil derartiger Instrumente ist es erforderlich, bereits während der Operation Maßnahmen wie das Spülen von Kanälen mit steriler Lösung, Entfernen von Geweberesten und unmittelbar nach dem Eingriff das Zerlegen und Reinigen des Instruments durchzuführen. Wie sich aus der Beschreibung (Spalte 1, Zeilen 14 - 21) des Streitpatents ergibt, bezieht sich sein Gegenstand auf wiederverwendbare Instrumente, die diesem Erfordernis entsprechend auf einfache Art und Weise in Einzelteile zerlegt und gereinigt werden können.

1. Der Beschreibung des Streitpatents zufolge war am Prioritätstag das zerlegbare Instrument nach der europäischen Patentanmeldung 0 513 471 bekannt, bei dem zumindest ein Maulteil mit dem Zugelement verbunden und im Zusammenwirken mit einem umfangenden Rohr bewegt wird. An diesem Instrument wird bemängelt, daß das Maulteil mit dem Zugelement aus dem Rohr entfernt werden kann (Beschreibung Spalte 1, Zeilen 22 - 27). Bei dem aus der US-Patentschrift 5 147 357 bekannten Instrument werden der Beschreibung des Streitpatents zufolge zwei ineinander verschiebbare Elemente über ein Zwischenstück und einen Verbindungsstift miteinander verbunden; bei diesem chirurgischen Instrument sieht es die Beschreibung als nachteilig an, daß das Zwischenstück dem Außenrohr durch eine Schraubverbindung aufgesetzt ist, so daß ein Lösen des Zwischenstücks von dem Außenrohr zeitaufwendig ist (Spalte 1, Zeilen 28 - 35). Dies gilt der Beschreibung zufolge auch für das aus dem deutschen Gebrauchsmuster 92 02 132 bekannte Instrument, bei dem die beiden Instrumententeile durch eine zwei Teilhülsen verbindende Überwurf- oder Bajonettverbindung und eine Schraubverbindung lösbar verbunden werden (Spalte 1, Zeilen 36 - 41). An den aus der GB-Patentschrift 2 140 735 und aus den US-Patentschriften 4 813 407 und 2 113 246 bekannten Instrumenten bemängelt die Beschreibung des Streitpatents, daß die dort vorgeschlagenen lösbaren Verbindungen aufwendig zu handhaben und jeweils gesonderte Mechanismen für das Festlegen vorgesehen sind (Spalte 1, Zeilen 42 - 47).

2. Den genannten Mängeln und Nachteilen will das Streitpatent abhelfen und ein chirurgisches Instrument schaffen, bei dem ein Lösen der Maulteile zusammen mit dem mit ihnen verbundenen Element von dem anderen der beiden ineinander verschiebbaren Elemente leicht möglich ist. Außerdem soll das Öffnen bzw. Schließen des Instruments nicht mehr von dem anderen Element abhängen (Spalte 1, Zeilen 48 - 53).

Dieses Problem wird nach Patentanspruch 1 des Streitpatents gelöst, indem das chirurgische Instrument wie folgt gestaltet wird:

1. Das Instrument weist zwei ineinander verschiebbare Elemente (6, 7) auf.

2. Mit dem einen Element (7)

a) ist mindestens ein Maulteil (10, 11) verbunden;

b) zwischen dem Ende des Elements (7) und dem Maulteil besteht ein Abstand;

c) der Abstand ist veränderbar,

d) jedoch durch Festlegen des zumindest einen Maulteils (10, 11) unveränderbar.

3. Die Elemente (6, 7) werden durch eine Rasteinrichtung lösbar miteinander verbunden.

Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, ist Fachmann auf dem hier einschlägigen Gebiet ein Fachhochschulabsolvent mit einem Schwerpunkt der Ausbildung auf dem Gebiet der Medizin-Mechanik und mit Kenntnissen in den Fächern Konstruktionslehre und Fertigungstechnik, der mehrjährig Erfahrung im Entwicklungsbereich gesammelt hat und mit der medizinischen Anwendung von Instrumenten der minimal-invasiven Chirurgie vertraut ist (Gutachten S. 12).

Über den Aufbau und die Funktionsweise eines mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 ausgebildeten chirurgischen Instruments entnimmt der Fachmann der Beschreibung des Streitpatents zunächst, daß es sich bei den ineinander verschiebbaren Elementen (Merkmal 1) um ein Zug-/Druckelement (7) und ein dieses umgreifendes Rohr (6) handeln kann (Beschreibung Spalte 2, Zeilen 32 - 34; Spalte 4, Zeilen 47 - 49).

Die Beschreibung des Streitpatents weist den Fachmann ferner darauf hin, daß die Verbindung des Zug-/Druckelements (7) mit zumindest einem Maulteil (10, 11; Merkmal 2) bevorzugt durch einen als Kniehebelmechanismus (Scherenanordnung) ausgebildeten Öffnungs-/Schließmechanismus erfolgen kann, der einerseits durch ein Gelenk an dem Zug-/Druckelement befestigt (Spalte 2, Zeilen 12 - 18; Spalte 3, Zeilen 47 - 52) und andererseits mit einer Drehachse (13) in einem Maulhalter (12) gelagert wird, so daß sich eine auf das Zug-/Druckelement ausgeübte Kraft in eine Bewegung dieses Elements umsetzt, die die Scherenanordnung zusammendrückt oder auseinanderzieht, und auf diese Weise das zumindest eine Maulteil um die Drehachse (13) im Maulhalter (12) verschwenkt (Beschreibung Spalte 3, Zeilen 56 - 65). Wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten dargelegt und in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat, sieht der Fachmann daraus, daß es sich bei der Drehachse (13) um eine im Maulhalter ortsfest gelagerte Drehachse handeln muß, da eine in der Schubrichtung des Zug-/Druckelements verschiebbare Drehachse (13) nicht in der Lage wäre, die von der Stange ausgehende Bewegung in eine Schwenkbewegung des Maulteils umzusetzen (Gutachten S. 14). Eine solche Ausbildung der Verbindung zwischen Zug-/Druckstange und Maulteil wird nach der Beschreibung des Streitpatents zwar bevorzugt, das Streitpatent soll hierauf aber nicht beschränkt sein (Spalte 2, Zeilen 15 - 18).

Durch die Verbindung des Endes des Zug-/Druckelements mit dem Maulteil durch einen zwischen ihnen gelagerten Kniehebelmechanismus (Merkmal 2 a) weisen diese beiden Teile einen den Bewegungen des Zug-/Druckelements folgenden und mithin sich ändernden Abstand auf (Merkmal 2 b, c). Wird der Kniehebelmechanismus gesperrt, indem das Maulteil - z.B. von Hand - festgehalten wird, ist nicht nur das Maulteil festgelegt (nicht mehr verschwenkbar), sondern auch der Abstand festgelegt (unveränderbar; Merkmal 2 d).

Zur Ausbildung der Rasteinrichtung (Merkmal 3) zieht der Fachmann nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich mehrere Möglichkeiten in Betracht. Dazu gehören Renkeinrichtungen, die - wie etwa Bajonettverschlüsse - durch eine axiale und eine Schwenkbewegung eine form- und/oder kraftschlüssige Verbindung zwischen den zu verbindenden Elementen herzustellen in der Lage sind; dazu gehören aber auch Sperrvorrichtungen, die die zu verbindenden Elemente nur in axialer Richtung form- und/oder kraftschlüssig lösbar miteinander verbinden. Allerdings weist die Beschreibung des Streitpatents den Fachmann an, die Anordnung so zu wählen, daß einerseits bei einem ungestörten Bewegen des Maulteils das Zug-/Druckelement in Raststellung verbleibt und andererseits dann, wenn ein Maulteil festgehalten (festgelegt) und damit auch der Abstand zwischen dem Maulteil und dem Ende des Zug-/Druckelements festgelegt (unveränderbar) wird, das Zug-/Druckelement und das andere Element aus ihrer Rastlage gelangen (Spalte 2, Zeilen 4 - 11). Dies kann nach der Beschreibung in bevorzugter Weise durch die Verwendung des bereits genannten Kniehebelverschlusses als Öffnungs-/Schließmechanismus geschehen. Für den Fall der Verwendung anderer Öffnungs-/Schließmechanismen ist nach der Beschreibung allein wesentlich, daß in Gebrauchslage des Instruments der Abstand zwischen dem Gelenk, mit dem die Scherenanordnung an der Zugstange befestigt ist, und der Drehachse, mit der die Scherenanordnung am Maulhalter festgelegt ist, veränderbar ist, daß jedoch bei einem Festlegen des Maulteils dieser Abstand ebenfalls festgelegt wird und damit bei einer Kraftausübung auf das eine verschiebbare Element dieses aus seiner Raststellung gelangt (Spalte 2, Zeilen 18 - 23).

Nach den überzeugenden Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung erkennt der Fachmann aus diesen Angaben, daß das Lösen der Elemente des chirurgischen Instruments auf einfache Weise dadurch erreicht wird, daß durch das Festlegen eines Maulteils ein auf das Zug-/Druckelement wirkender Druck auf die Rasteinrichtung gelenkt wird und diese löst, wenn der Druck die Haltekraft der Rasteinrichtung überschreitet (Gutachten S. 15). Das deckt sich mit den Angaben der Beschreibung zur Funktionsweise des Instruments. Danach befindet sich das Instrument mit geschlossener Rasteinrichtung in Gebrauchslage; das Zug-/Druckelement betätigt die Maulteile über den Öffnungs-/Schließmechanismus. Soll das Instrument auseinandergenommen werden, werden die Maulteile in Schließlage gehalten. Dadurch wird der Öffnungs-/Schließmechanismus festgelegt und die Kniehebelanordnung gesperrt. Werden jetzt die Zangengriffe bewegt und dadurch ein Druck (Zug) auf die Zugstange ausgeübt, wirkt dieser auf die Drehachse (13). Da die Drehachse im Maulteil festgelegt ist, überträgt sich dieser Druck auf das Maulteil und über dieses auf die mit dem Maulteil verbundene Rasteinrichtung. Diese wird mithin durch die von der Betätigungsvorrichtung ausgehende Kraft gelöst. Der Fachmann entnimmt diesen Wirkungsangaben, daß die Rasteinrichtung so auszubilden ist, daß sie durch axiale Bewegungen ein- und ausrastet.

II. Der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents ist nicht patentfähig, da das Streitpatent in diesem Umfang durch das offenkundig vorbenutzte und als Anlage M 6 zu den Akten gereichte chirurgische Instrument der G. vorweggenommen ist (§ 3 Abs. 1 PatG).

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die G. das als M 6 zu den Akten gereichte chirurgische Instrument Ende 1992 entwickelt und Anfang 1993 an die Klägerin ausgeliefert hat, die ihrerseits im Juni 1993 entsprechende Instrumente auf der Messe "I. " angeboten hat. Dies ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in einer Weise geschehen, die es erlaubt hat, daß beliebige Dritte und damit auch die Fachkreise von der technischen Ausbildung dieser Instrumente Kenntnis nehmen konnten.

Der Zeuge G. hat glaubhaft bekundet, daß er als Inhaber der G. die Klägerin seit 1990 mit chirurgischen Instrumenten beliefert hat und von der Klägerin 1992 auf die Entwicklung zerlegbarer chirurgischer Instrumente für minimal-invasive Chirurgie angesprochen worden ist. Der Zeuge hat dargelegt, daß er auf die Anregung durch die Klägerin 1992 mit der Entwicklung entsprechender Instrumente begonnen hat und Anfang 1993 mit dieser Entwicklung soweit vorangeschritten war, daß die ersten Prototypen des fertig entwickelten Instruments gefertigt und einem Professor für klinische Tests übergeben werden konnten. Der Zeuge hat die technische Ausbildung dieses Instruments dem Senat zeichnerisch dargestellt, wobei der Vergleich mit dem als Anlage M 6 vorgelegten Instrument zur Überzeugung des Senats ergeben hat, daß es sich bei der vom Zeugen zeichnerisch dargestellten Entwicklung und dem Instrument nach der Anlage M 6 um ein und dasselbe chirurgische Instrument handelt. Die Anlage M 6 wurde dem Zeugen nach der zeichnerischen Darstellung seiner Entwicklung vorgelegt und von diesem als von ihm auf der Grundlage der Entwicklungsarbeiten 1992 gefertigtes und der Klägerin geliefertes Instrument identifiziert.

Der Zeuge hat weiter glaubhaft bekundet, daß die Klägerin dieses von ihm entwickelte Instrument auf der Messe "I. " im Juni 1993 ausstellen wollte und ihn deshalb gedrängt hat, einen Satz derartiger Instrumente rechtzeitig herzustellen und an sie auszuliefern, obwohl der Zeuge das Instrument als Gebrauchsmuster anmelden wollte und dies bis zur Messe nicht mehr möglich war. Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang eindringlich geschildert, daß er von der Klägerin bedrängt wurde, ein komplettes Sortiment entsprechender Instrumente für den Messebesuch der Klägerin anzufertigen und auszuliefern, was er schließlich auch getan hat, weil die Klägerin ein guter Kunde war. Der Zeuge hat schließlich auch bekundet, daß nach der Messe im Spätsommer 1993 in erheblichem Umfang Aufträge der Klägerin eingingen, so daß er, um die Aufträge ausführen zu können, Material - wie sich der Zeuge ausgedrückt hat - "im Eilgang" bestellen mußte.

Diese in sich schlüssigen und glaubhaften Bekundungen des Zeugen G. sind durch den Zeugen H. bestätigt worden.

Der Zeuge H. konnte sich zwar an technische Einzelheiten der auf der Messe "I. " 1993 in H. von der Klägerin ausgestellten chirurgischen Instrumente nicht mehr erinnern; die von ihm bei seiner Vernehmung im Senatstermin angefertigte Skizze stellte allenfalls in Teilen ein chirurgisches Instrument von der Art des als Anlage M 6 zu den Akten gereichten Instruments dar. Der Zeuge konnte sich aber deutlich und in glaubhafter Weise daran erinnern, daß die Klägerin auseinandernehmbare chirurgische Instrumente für die minimal-invasive Chirurgie zur Messe "I. " 1993 durch die G. hatte entwickeln und anfertigen lassen, daß diese Instrumente rechtzeitig zur Messe geliefert, auf der Messe ausgestellt und Kunden auf der Theke des Messestandes gezeigt worden sind. Der Zeuge konnte sich insbesondere in zeitlicher Hinsicht daran erinnern, daß die Instrumente auf der "I. " 1993 gezeigt wurden, denn nach seiner Erinnerung waren chirurgische Instrumente für endoskopische und laparoskopische Verfahren auf dieser Messe ein aktuelles Thema, so daß die von der Klägerin angebotenen Instrumente Aufsehen erregten, was sich dem Zeugen eingeprägt hat. Die zeitlich genaue Einordnung dieser Messe hat der Zeuge auch dadurch vorgenommen, daß er im Vorfeld seiner Vernehmung in die Firmenunterlagen Einblick genommen hat. Insbesondere konnte er sich daran erinnern, daß es wegen der für die Messe zu druckenden Kataloge wegen der Abbildungen der Instrumente zeitliche Schwierigkeiten gegeben hatte.

Die Aussagen der Zeugen G. und H. stimmen in ihrem Kern überein und sind in sich stimmig. Der Zeuge G. , der inzwischen sein einzelkaufmännisches Unternehmen G. aufgegeben hat und anderweit beschäftigt ist, hat kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Anhaltspunkte, die zu Zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit Anlaß geben könnten, sind bei seiner Vernehmung nicht hervorgetreten. Zwar ist ein wirtschaftliches Interesse des Zeugen H. am Ausgang des Rechtsstreits nicht von der Hand zu weisen, da er Gesellschafter der Klägerin ist. Darüber hinaus sind aber keine Anhaltspunkte, die Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit begründen könnten, in seiner Vernehmung hervorgetreten; solche sind von den Beklagten auch nicht geltend gemacht worden. Der Senat hat daher keine Bedenken, den Aussagen der Zeugen G. und H. zu folgen. Deshalb ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen, daß die chirurgischen Instrumente nach der zu den Akten gereichten Anlage M 6 jedenfalls infolge des Zeigens auf der Messe "I. " am Prioritätstag offenkundig vorbenutzt waren und daher zum Stand der Technik zählten (§ 3 Abs. 1 PatG).

2. Der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents ist durch das chirurgische Instrument nach Anlage M 6 vorweggenommen.

a) Das mit M 6 bezeichnete Instrument offenbart dem Fachmann zwei gegeneinander verschiebbare Elemente in Form eines Rohres und einer Zug-/Druckstange (Patentanspruch 1, Merkmal 1).

Am Ende der gesondert als M 4 vorgelegten Zug-/Druckstange des Instruments M 6 erkennt der Fachmann zwei Maulteile, die mit der Zug-/Druckstange über einen scherenförmigen Öffnungs-/Schließmechanismus verbunden sind. Daraus folgt, daß sich zwischen dem Ende der Zug-/Druckstange und den Maulteilen ein Abstand befindet, der infolge der Verwendung eines Scherenelements beim Öffnen und Schließen der Maulteile verändert und durch Festlegen der Maulteile ebenfalls festgelegt (= unveränderbar) wird (Patentanspruch 1, Merkmal 2).

Mit dem Maulhalter dieses Instruments und den Abstand zwischen Maulhalter und Zug-/Druckstange teilweise übergreifend ist ein geschlitzter rohrförmiger und mit einer Bohrung versehener Fortsatz des Maulhalters angeordnet, der in einen Kegelstumpf mit einem gegenüber dem Durchmesser der Zug-/Druckstange etwas größeren Durchmesser übergeht. Dieses Bauteil steht mit dem Rohr des Instruments in Eingriff, wenn sich das Instrument in zusammengebautem Zustand befindet. Setzt man das Instrument zusammen, rastet das Bauteil mit seinem kegelstumpfförmigen Ansatz am Rohr ein. Wird das Maulteil geöffnet und in diesem Zustand festgelegt, verändert sich infolge der im Maulteil angeordneten Scherenanordnung der Abstand zwischen dem Ende der Zug-/Druckstange und dem Maulteil. Dabei wird der durch die Schlitze federnd ausgebildete kegelstumpfförmige Fortsatz am Maulteil in eine korrespondierende Ausnehmung am Ende der Zug-/Druckstange gedrückt. Dies hat zur Folge, daß sich der Umfang des kegelstumpfförmigen Endes des Maulhalterfortsatzes verringert, wodurch das bei geschlossenem Instrument bestehende Hintergreifen des kegelstumpfförmigen Endes des Maulhalters hinter eine Verdickung im umgebenden Rohr freigegeben wird und das Mauteil mit der Zug-/Druckstange aus dem Rohr entnommen werden kann. Beim Freigeben der Festlegung öffnet sich das kegelstumpfförmige Ende infolge der Federwirkung im Rohr und greift in seiner von der Spitze abgewandten Seite hinter diese Verdickung. Damit tritt eine Rastwirkung ein.

Das Instrument verfügt damit über eine Rasteinrichtung, durch die die gegeneinander verschiebbaren Elemente des chirurgischen Instruments linear über eine Rasteinrichtung lösbar miteinander verbunden sind (Patentanspruch 1, Merkmal 3). Wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats dargelegt hat, ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents demzufolge durch die offenkundige Vorbenutzung des chirurgischen Instruments der G. vorweggenommen.

b) Dieses Instrument verfügt, wie ein Blick in den Öffnungs- und Schließmechanismus zeigt, über eine Kniehebelanordnung zwischen den Maulteilen und dem Ende des Zug-/Druckelements, der die Maulteile öffnet und schließt (Patentanspruch 2). An der als M 4 vorgelegten Zugstange sind ein Gelenk und eine Drehachse zu erkennen, wobei das Zug-/Druckelement mittels eines Gelenks mit dem Schließmechanismus verbunden ist und die Maulteile durch eine Drehachse, um die sie schwenken, im Maulhalter festgelegt sind (Patentansprüche 3 und 4). Die als M 4 vorgelegte Druckstange befindet sich im Gebrauchszustand des Instruments zudem in seinem Rohr (Patentanspruch 5).

Das Instrument weist insbesondere eine Zange auf, deren einer Zangengriff mit dem Rohr und deren anderer Zangengriff lösbar mit der Zug-/Druckstange verbunden sind; beide Zangengriffe sind durch ein Gelenk verbunden (Patentanspruch 6).

Wie bereits ausgeführt, ist die das Rohr und das Zug-/Druckelement verbindende Rasteinrichtung an dem den Schließmechanismus umgreifenden Bauteil ausgebildet und geht mit dem Rohr eine lösbare Rastverbindung ein (Patentanspruch 7).

Danach ist der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents durch die von der G. entwickelten und von der Klägerin auf der Messe "I. " Juni 1993 ausgestellten chirurgischen Instrumente nach Anlage M 6 vorweggenommen.

III. Das Streitpatent ist auch im übrigen für nichtig zu erklären.

Zwar unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents dadurch von dem chirurgischen Instrument nach Anlage M 6, daß die am Maulhalter angeordneten Rastmittel nach Patentanspruch 8 des Streitpatents aus Zapfen bestehen, die in am Rohr ausgebildete Rastmulden eingreifen sollen. Demgegenüber ist das am Maulhalter angeordnete Rastmittel bei dem Instrument M 6 ein auf das Rohr gerichteter, geschlitzter Kegelstumpf, der demzufolge nicht in Mulden, sondern in eine ringförmige Ausnehmung am Ende des Rohres eingreift. Das chirurgische Instrument nach dem Streitpatent ist daher neu, soweit eine Rasteinrichtung in der Form des Patentanspruchs 8 am Maulhalter beansprucht ist.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 8 des Streitpatents beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG). Wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bestätigt hat, ist die Ausbildung einer Rastverbindung mittels Rastzapfen, die in Rastmulden eingreifen, eine dem Fachmann naheliegende handwerkliche Maßnahme, wenn er eine Rasteinrichtung ausbilden will, die sich auf eine linear wirkende Kraft hin öffnen oder schließen soll.

Nichts anderes gilt für den Gegenstand nach den Patentansprüchen 9 bis 11 des Streitpatents.

Die Patentansprüche 9 und 10 betreffen die Halterung des proximalen Endes des Zug-/Druckelements in dem beweglichen Teil der Greifzange mittels eines längenveränderbaren Lochs, in das eine Kugel eingreift, die am Ende der Stange angeordnet ist (Teil 27 in Fig. 4 des Streitpatents), das auf eine unter ihm angeordnete Feder abgesenkt werden kann, wobei diese Vorrichtungen im Handgriff des Zangenteils anzuordnen sind. Die Anordnung von Kugeln am proximalen Ende des Zug-/Druckelements, die in einen Schlitz eingreifen, um das Zug-/Druckelement mit einem Zangengriff zu halten, ist beispielsweise aus der US-Patentschrift 5 147 357 (Fig. 13), der GB-Patentschrift 2 140 735 (Fig. 1) aber auch von dem offenkundig vorbenutzten chirurgischen Instrument der Anlage M 6 bekannt. Das Bauteil, in das die Kugel eingreift, verschiebbar anzuordnen und die Verschiebung durch einen federbeaufschlagten (Patentanspruch 11) Druckknopf zu ermöglichen, stellt, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten dargelegt und in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats näher erläutert hat, eine dem Fachmann naheliegende Maßnahme dar, die einen eigenen erfinderischen Gehalt nicht erkennen läßt.

IV. Die Beklagten verteidigen das Streitpatent auch in der Fassung des Hilfsantrags ohne Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags bereits in den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents als zur Erfindung gehörend offenbart ist, denn er beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).

Der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags ist zwar neu, denn bei dem offenkundig vorbenutzten chirurgischen Instrument der Anlage M 6 wird der Abstand zwischen dem Ende des Zug-/Druckelements und den Maulteilen durch Verschwenken der Maulteile in geöffneten Zustand festgelegt und sodann die Rasteinrichtung gelöst, während die Festlegung des Abstands beim Gegenstand des Streitpatents nach dem Hilfsantrag bei geschlossenem Maulteil erfolgen soll. Die Umkehrung der Bewegungsrichtung der Maulteile beim Festlegen des Abstands ist jedoch eine naheliegende Maßnahme, sobald erkannt ist, daß durch das Festlegen des Abstands ein auf das Zug-/Druckelement ausgeübter Druck die Rasteinrichtung löst, denn eine im Maulhalter vorgesehene Scherenanordnung ist auch dann festgelegt, wenn die Maulteile in geschlossener Stellung festgehalten werden, so daß ein auf das Zug-/Druckelement ausgeübter Druck auf die Rasteinrichtung wirkt. Besondere Mittel, die das Lösen der Rasteinrichtung bei geschlossenen Maulteilen bewirken und deren Ausbildung auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnte, werden in Patentanspruch 1 des Streitpatents in der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung nicht beansprucht. Das Rohr des chirurgischen Instruments mit dem einen Zangengriff und das Zug-/Druckelement mit dem anderen Zangengriff lösbar zu verbinden und die Zangengriffe um ein Gelenk schwenkbar zu verbinden, ist aus dem Stand der Technik bekannt und läßt auch in Kombination mit den sonstigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung keine erfinderische Tätigkeit erkennen.

V. Die Berufung der Beklagten ist demzufolge zurückzuweisen und das Streitpatent auf die Berufung der Klägerin in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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