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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: X ZR 7/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 631 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 7/02

Verkündet am: 8. Juni 2004

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Ambrosius und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das am 18. Dezember 2001 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte, Inhaber eines Unternehmens für Sicherheitstechnik, hatte im Herbst 1995 in den Räumen einer von der Beklagten betriebenen Boutique für exklusive Designerbekleidung eine Einbruchmeldeanlage nach den Richtlinien des Verbandes der Sachversicherer für gewerbliche Risiken eingebaut, die mittels Bewegungsmelder den gesamten Innenraum der Boutique abdecken sollte. In der Folgezeit kam es mehrfach zu Einbrüchen in das Geschäft bzw. zu Einbruchsversuchen, ohne daß die Alarmanlage, obgleich sie scharf geschaltet war, Alarm auslöste. Nach den entsprechenden Vorfällen wurde die Anlage von Mitarbeitern des Beklagten jeweils überprüft und neu eingestellt. Diese Arbeiten fanden mehrfach statt, zuletzt am 25. April 1997. In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1997 kam es zu einem weiteren Einbruch in die Boutique. Auch hier wurde ein Alarm nicht ausgelöst.

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin, die nicht gegen Einbruchdiebstahl versichert war, den Beklagten für Schäden, die ihr durch den Einbruch in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1997 entstanden sind, in Anspruch. Mit der Behauptung, die Alarmanlage sei falsch konzipiert und fehlerhaft montiert worden, verlangt sie Wertersatz für entwendete Kleidungsstücke in Höhe von 225.756,06 DM nebst 10% Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht durch Grundurteil vom 27. November 2001 die Klage für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klageforderung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gegen dieses Grundurteil richtet sich die Revision des Beklagten, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, erstrebt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß es sich bei dem Vertrag der Parteien über die Durchführung von Arbeiten, mit denen die Alarmanlage am 25. April 1997 wieder instand gesetzt werden sollte, um einen Werkvertrag gehandelt hat, auf den die §§ 631 ff. BGB in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (a.F.) anzuwenden sind. Es hat den Beklagten als Unternehmer für verpflichtet gehalten, das Werk so herzustellen, daß es nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern (§§ 631 Abs. 1, 633 Abs. 1 BGB a.F.). Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung weiter die Auffassung zu Grunde gelegt, daß dann, wenn das Werk nicht von dieser Beschaffenheit, sondern mangelhaft ist, der Besteller unter dem Gesichtspunkt positiver Vertragsverletzung Schadensersatz begehren kann, sofern es sich bei dem durch den Fehler verursachten Schaden um einen sogenannten entfernten Mangelfolgeschaden handelt.

Dieser Ausgangspunkt des Berufungsurteils ist rechtsfehlerfrei. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist insbesondere anerkannt, daß es sich bei einem durch ein mangelhaftes Sicherheitssystem bedingten Schaden um einen entfernten Mangelfolgeschaden handelt, für den unter dem Gesichtspunkt positiver Vertragsverletzung Schadensersatz verlangt werden kann (BGHZ 115, 32, 35). Die Revision zieht diesen rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts auch nicht in Zweifel.

II. Dagegen ist die Annahme des Berufungsgerichts, der umstrittene Einbruchschaden sei durch eine mangelhafte Werkleistung des Beklagten bedingt, nicht frei von Rechtsfehlern, da das Berufungsgericht einen Mangel des Werks des Beklagten nicht festgestellt hat.

1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe nicht geklärt, was Gegenstand des von den Parteien geschlossenen Werkvertrages gewesen sei. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, Gegenstand des Werkvertrages sei nicht nur die Installation von Glasbruchsensoren an der Tür des Hauptverkaufsraumes gewesen, sondern darüber hinaus diverse Reparatur-, Überprüfungs- und Einstellungsarbeiten an der Einbruchmeldeanlage. Es hat für bewiesen erachtet, daß sich der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag nicht auf eine Überprüfung, Reparatur und gegebenenfalls auf einen Austausch bestimmter einzelner Sensoren beschränkt, sondern vielmehr die Inspektion aller in den fraglichen Räumen befindlicher Melder und auch die Überprüfung der Schaltzentrale als solcher umfaßt habe.

Mit der Rüge, das Berufungsgericht habe bei der Beweiswürdigung die Bekundung des Zeugen E. , der Monteur des Beklagten habe sich die Sensoren auf dem Weg zur Toilette angesehen, unberücksichtigt gelassen, durch ein bloßes Ansehen der Sensoren werde deren Funktionsfähigkeit nicht überprüft, kann die Revision ebenfalls keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat die Aussage des Zeugen gewürdigt. Seine Bekundungen, sämtliche Sensoren und die Funktion der Alarmanlage seien überprüft worden, hat das Berufungsgericht dahin gewürdigt, Auftragsgegenstand seien die Inspektion und Überprüfung der Gesamtanlage gewesen.

2. Dagegen greifen die gegen die Beurteilung der Mangelhaftigkeit des Werks des Beklagten erhobenen Rügen der Revision durch.

a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung, ob das Werk des Beklagten mangelhaft war, den unstreitigen Umstand zu Grunde gelegt, daß die vom Beklagten installierte und vor dem fraglichen Einbruch reparierte Anlage bei dem Einbruch keinen Alarm ausgelöst hat. Es hat sodann ausgeführt, seiner Ansicht nach sei davon auszugehen, daß die Anlage seiner Zeit scharfgeschaltet gewesen sei und auch die Übertragung zu dem angeschlossenen Bewachungsunternehmen funktioniert habe, so daß, wäre die Anlage in Ordnung gewesen, Alarm hätte ausgelöst werden müssen. Dies sei in dem von der Klägerin zu den Akten gereichten Privatgutachten detailliert, nachvollziehbar und überzeugend dargetan und festgestellt worden. Mit seinem pauschalen Bestreiten, die Anlage sei nicht scharfgeschaltet gewesen, habe der Beklagte die gegenteiligen Feststellungen und Schlußfolgerungen des Privatgutachters nicht in Frage stellen können, so daß von der Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin auszugehen sei. Da die Anlage als solche zur Zeit des Einbruchs nicht funktionstüchtig gewesen sei, sei sie für die Klägerin wertlos gewesen, wobei dahingestellt bleiben könne, ob dieser Mangel bereits von Anfang an seit Installation der Anlage vorhanden gewesen sei oder auf späteren mangelhaften Reparaturen des Beklagten beruhe. Der Beklagte habe jedenfalls dafür einzustehen, daß die Anlage bei den dem Schadensereignis unmittelbar vorausgegangenen Arbeiten wieder in einen funktionstüchtigen Zustand versetzt werde. Dem Vorbringen des Beklagten, als Ursache des Nichtreagierens der Anlage könne ein Bedienungsfehler oder eine Manipulation an der Anlage nicht ausgeschlossen werden, so daß es an der Kausalität zwischen einer Pflichtverletzung des Beklagten und dem Schaden fehle, hat das Berufungsgericht für unerheblich gehalten, weil es sich um Mutmaßungen und Spekulationen des Beklagten handle, für deren Berechtigung es an jeglichem substantiellen Vortrag seitens des Beklagten fehle. Auch wenn der Geschädigte und Anspruchsteller grundsätzlich die Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe, seien ihm in Fällen wie dem vorliegenden gewisse Erleichterungen zuzubilligen, die im Einzelfall bis zur Umkehr der Beweislast führen könnten. Würde man von der Klägerin verlangen, alle denkbaren Gründe für das Versagen der Anlage auszuschließen, dann stelle dies eine nicht gerechtfertigte Überspannung ihrer Darlegungspflichten dar. Es könne nicht außer Acht gelassen werden, daß die Installation einer Einbruchmeldeanlage den Zweck habe, ein Schadensereignis wie das hier streitgegenständliche zu verhindern.

b) Zwar ist der Auffassung des Berufungsgerichts beizutreten, zur Funktionstüchtigkeit einer Alarmanlage der vorliegenden Art gehöre es, daß sie Alarm auslöst, wenn sie scharf gestellt ist, hingegen keinen Alarm auslöst, wenn sie entschärft ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten und vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Privatgutachten ergibt sich, daß die Alarmanlage zwischen ihrer Schärfung am 10. Mai 1997 um 14.07 Uhr und ihrer Entschärfung am 12. Mai 1997 um 10.50 Uhr scharfgestellt war und in dieser Zeit der Scharfstellung die Routineanrufe bei dem Überwachungsunternehmen angekommen sind. Nach dem Schadensfall ist die Anlage vom Privatgutachter scharfgeschaltet worden und hat bei ihrer Prüfung durch den Privatgutachter auch Alarm ausgelöst. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Anlage sei nach dem Vorbringen der Klägerin funktionstüchtig gewesen, eine Entschärfung vor dem Einbruch sei nicht erfolgt, begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken und ist vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt worden.

Hat bis zu diesem Zeitpunkt keine Manipulation an der Anlage stattgefunden, die das Berufungsgericht nicht feststellt, fehlt es bei diesem Sachverhalt an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, die Anlage sei fehlerhaft konzipiert oder hergestellt worden. Ebensowenig lassen sich auf dieser Grundlage Feststellungen zu einer Mangelhaftigkeit der Reparaturleistungen treffen. Hat die Anlage nach dem Einbruch funktioniert, spricht dies - solange zuvor keine Veränderungen vorgenommen worden sind - für ein einwandfreies Arbeiten auch in der Zeit davor. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist daher für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß die Alarmanlage fehlerfrei konzipiert worden ist und sich nach den Reparaturen des Beklagten in einem funktionstüchtigen Zustand befand. Bei dieser Sachlage kann allein aus dem Umstand, daß die Anlage gleichwohl keinen Alarm ausgelöst hat, nicht ohne weiteres geschlossen werden, die Arbeiten des Beklagten müßten mangelhaft gewesen sein. Hat der Beklagte die Reparaturarbeiten wie vom Berufungsgericht festgestellt so ausgeführt, daß nach ihrem Abschluß wieder eine funktionsfähige Alarmanlage bestand, dann hat er den nach den verschiedenen Verträgen geschuldeten Erfolg, nämlich die zunächst mangelfrei erstellte Anlage nach ihren Beschädigungen so zu reparieren, daß sie wieder funktionstüchtig ist, herbeigeführt. Der unstreitige Umstand, daß die Alarmanlage zu einem späteren und nach Abschluß der Reparaturarbeiten, die zur Wiederherstellung ihrer Funktionstüchtigkeit geführt haben, liegenden Zeitpunkt keinen Alarm ausgelöst hat, kann verschiedene Ursachen haben, zu denen die Mangelhaftigkeit der Werkleistung gehören kann, aber nicht gehören muß. Demzufolge fehlt es an tatsächlichen Feststellungen, die den Schluß zulassen könnten, bei dem eingetretenen Schaden handle es sich um einen solchen, der durch ein mangelhaftes Sicherheitssystem oder mangelhafte Reparatur- und Überprüfungsarbeiten des Beklagten bedingt ist. Das Berufungsurteil kann daher auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keinen Bestand haben.

c) Das Berufungsurteil kann auch nicht mit der Begründung aufrecht erhalten werden, der Beklagte habe nicht dargelegt, die ihm in Auftrag gegebenen Werkleistungen mangelfrei ausgeführt zu haben.

Zwar schuldet der Unternehmer ein mangelfreies Werk und hat vor der Abnahme (§ 640 BGB a.F.) die mangelfreie und vollständige Erbringung der geschuldeten Werkleistung darzulegen und zu beweisen, wenn der Besteller das Vorhandensein eines Mangels substantiiert vorträgt (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 24.10.1996 - VII ZR 98/94, BGH NJW-RR 1997, 347, 349; Sen.Beschl. v. 24.11.1998 - X ZR 21/96, NJW-RR 1999, 347). Mit Abnahme des Werks und Fehlen eines Vorbehalts trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelhaftigkeit des Werks und die Ursächlichkeit des Mangels für den Schaden jedoch den Besteller (§ 640 Abs. 2 BGB a.F.; vgl. z.B. BGH, Urt. v. 24.10.1996 - VII ZR 98/94, aaO). An der Darlegung der Mangelhaftigkeit des Werks und ihrer Ursächlichkeit für den Schaden fehlt es, wenn der Schaden nicht auf eine fehlerhafte Leistung des in Anspruch genommenen Auftragnehmers zurückzuführen ist, sondern ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers fällt (BGH, Urt. v. 2.10.1997 - VII ZR 30/97, BauR 1998, 172). Der Beklagte hatte, wie die Revision zu Recht geltend macht, im Einzelnen dargelegt und unter Beweis gestellt, die Anlage sei ordnungsgemäß geplant und ausgeführt worden. Er hat weiter vorgetragen, das Ausbleiben des Alarms könne darauf zurückzuführen sein, daß der Erfassungsbereich der Bewegungsmelder verstellt gewesen sei. Er hat schließlich geltend gemacht, die Anlage habe sich am Tag der Begutachtung seitens des Privatgutachters der Klägerin in einem Zustand - geöffneter Bewegungsmelder mit herausschauenden Anschlußdrähten, nicht angeschlossenem Sabotagekontakt - befunden, in dem sie nach der Reparatur nicht übergeben worden sei. Dem hätte das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus im übrigen zumindest gegenbeweislich - nachgehen müssen. Die Revision rügt daher zu Recht, das Berufungsgericht habe diese in Betracht kommenden Schadensursachen nicht ausgeschlossen. Solange diese auch im Privatgutachten der Klägerin angesprochenen und vom Beklagten aufgezeigten Möglichkeiten der Schadensverursachung nicht ausgeschlossen sind, ist der nach Abnahme der Werkleistung der Klägerin obliegende Beweis, das Ausbleiben des Alarms sei auf eine fehlerhafte Werkleistung des Beklagten zurückzuführen, nicht erbracht.

III. Im erneuten Berufungsverfahren werden die erforderlichen Feststellung einschließlich Feststellungen zu der Frage, ob das Werk abgenommen worden ist, zu treffen sein, wobei den Parteien gegebenenfalls Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben sein wird.

Ende der Entscheidung

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