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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.03.2002
Aktenzeichen: X ZR 73/01
Rechtsgebiete: PatG 1981, EPÜ


Vorschriften:

PatG 1981 § 14
EPÜ Art. 69
Die Rechtsprechung, nach der die Schutzwirkung eines Patents, dessen Patentanspruch Zahlen- und Maßangaben enthält, nicht in Bereiche erstreckt werden kann, die wesentlich von denen des Patentanspruchs abweichen, wenn in den Zahlen- und Maßangaben das erfinderisch Neue der Lehre des Patents zu erblicken ist (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425, 427 - Bierklärmittel m.w.N), betrifft lediglich Patente, deren Schutzbereich noch nicht nach Art. 69 EPÜ oder nach § 14 PatG 1981 zu beurteilen war. Die Verbindlichkeit von Zahlen- oder Maßangaben im Patentanspruch ist nach geltendem Recht grundsätzlich nicht danach zu beurteilen, in welcher Beziehung diese zum Stand der Technik stehen. Dies hindert es allerdings nicht, auch Angaben zum Stand der Technik in der Beschreibung zur Auslegung solcher Angaben heranzuziehen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 73/01

Verkündet am: 12. März 2002

in dem Rechtsstreit

Custodiol II

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten werden das am 22. Februar 2001 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben und das am 11. November 1998 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts München I im Kostenausspruch aufgehoben und im übrigen abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin war eingetragene Inhaberin des im Lauf des Revisionsverfahrens durch Ablauf der Schutzdauer erloschenen europäischen Patents 0 054 635 (Klagepatents). Das Klagepatent betrifft eine protektive Lösung für Herz und Niere und ein Verfahren zu dessen Herstellung. Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:

"Protektive Lösung zur Verhinderung von Ischämie-Schäden an Herz und Nieren, sowie anderen Organen bei Operationen und Transplantationen der Organe, dadurch gekennzeichnet, daß sie pro Liter folgende Zusätze enthält:

Kalium- oder Natrium-hydrogen-(-ketoglutarat 4 +/- 3 Millimol Natriumchlorid 15 +/- 8 Millimol Kaliumchlorid 10 +/- 8 Millimol Magnesiumchlorid 10 +/- 2 Millimol Tryptophan 2 +/- 1 Millimol Histidin 150 +/- 100 Millimol Histidin-Hydrochlorid 16 +/- 11 Millimol Mannitol 50 +/- 50 Millimol Fruktose 50 +/- 50 Millimol Ribose 50 +/- 50 Millimol Inosin 50 +/- 50 Millimol,

wobei die Osmolarität der Lösung etwa 300 bis 350 mosm beträgt und das pH der Lösung zwischen 6,8 und 7,4 liegt."

In der Krankenhausapotheke des Städtischen Krankenhauses M. der Beklagten wird eine organprotektive Lösung hergestellt und verwendet, die in ihrer Zusammensetzung der des Patentanspruchs 1 des Klagepatents mit folgenden Abweichungen entspricht: Der Zusatz von Magnesiumchlorid beträgt 4 mmol/l; das Histidin-Hydrochlorid ist durch Salzsäure 25 % ersetzt. Auch das von der Klägerin vertriebene, von ihr als patentgemäß angesehene Präparat "Custodiol" weist nur 4 mmol/l Magnesiumchlorid auf. Den auf der Grundlage der arzneimittelrechtlichen Zulassung dieses Erzeugnisses und des Klagepatents gestellten Antrag auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel hat das Deutsche Patent- und Markenamt zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen; über die Rechtsbeschwerde der Klägerin war bei Schluß der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren noch nicht entschieden; sie ist Gegenstand des gleichzeitig mit dieser Entscheidung verkündeten, zur Veröffentlichung vorgesehenen Senatsbeschlusses X ZB 12/00 - Custodiol I.

Die Klägerin sieht in der Herstellung des Präparats durch die Beklagte eine Verletzung des Klagepatents. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf das Apothekerprivileg nach § 11 Nr. 3 PatG sowie darauf berufen, daß sie - insbesondere wegen des Unterschieds beim Anteil an Magnesiumchlorid - in den Schutzbereich des Klagepatents nicht eingreife. Die sachverständig beratenen Vorinstanzen haben der auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Rechnungslegung gerichteten Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die die vollständige Abweisung der Klage begehrt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen, sie hat die Klage wegen des Unterlassungsantrags für erledigt erklärt, die Beklagte hat sich dem widersetzt. Die Klägerin beantragt nunmehr, insoweit die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt, weil die von der Beklagten hergestellte und verwendete kardioplegische Lösung nicht in den Schutzbereich des Klagepatents fällt (Art. 69 EPÜ).

I. Das Klagepatent betrifft eine verbesserte Lösung zum Schutz von Herz, Niere und anderen Organen bei Operationen, bei denen die Durchblutung des Organs für eine gewisse Zeit vollständig unterbrochen ist. Dabei sollen die Toleranz des Organs gegen eine vollständige Unterbrechung seiner Blut- und Sauerstoffversorgung (Ischämie-Toleranz) und die für die Operation zur Verfügung stehende Toleranzzeit verbessert werden. Weiter soll die Erholungszeit nach Beendigung der Operation und neuer Durchblutung abgekürzt werden, um den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine möglichst kurz zu halten.

Hierzu stellt Patentanspruch 1 des Klagepatents eine Lösung mit 11 im Patentanspruch näher genannten Zusätzen unter Schutz, deren Anteile durch Maßangaben in Millimol je Liter und jeweils zusätzliche Toleranzangaben definiert sind, so daß sich jeweils Unter- und Obergrenzen der Anteile ergeben. Weiter legt der Patentanspruch zwei physikalische Eigenschaften durch weitere Maßangaben fest; diese sind auch bei der angegriffenen Ausführungsform erfüllt. Unstreitig ist bei dieser der Zusatz Histidin-Hydrochlorid durch einen für den Fachmann erkennbar gleichwirkenden anderen Zusatz ersetzt, wodurch der Schutzbereich des Klagepatents nach übereinstimmender Auffassung der Parteien, der die Vorinstanzen gefolgt sind, nicht verlassen wird. Im Streit steht allein, ob Patentanspruch 1 des Klagepatents auch hinsichtlich des Merkmals

Magnesiumchlorid 10 +/- 2 mmol/l

benutzt wird. Unstreitig beträgt der Zusatz bei der angegriffenen Ausführungsform nur 4 mmol/l und damit die Hälfte des unteren Grenzwerts nach Patentanspruch 1 des Klagepatents.

II. 1. Die Vorinstanzen haben in dem Zusatz von 4 mmol/l Magnesiumchlorid eine in den Schutzbereich des Klagepatents fallende äquivalente Benutzung des Klagepatents gesehen. Das Berufungsgericht hat sich dabei im wesentlichen die Ausführungen des Landgerichts zu eigen gemacht, das ausgeführt hat, der Fachwelt sei zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bekannt gewesen, daß Magnesiumchlorid-Konzentrationen von 10 mmol/l und solche von 4 mmol/l im Bereich der Kardioplegie und Organprotektion eine weitgehend vergleichbare Wirkung erzielten, auch wenn die niedrigere Konzentration im Hinblick auf eine kalziumantagonistische Wirkung als weniger effektiv angesehen worden sei. Es sei auch nicht gerechtfertigt, den Schutzbereich des Klagepatents hinsichtlich der Mengenbereiche auf den Wortlaut zu beschränken, weil der im Klagepatent neue Bestandteil ausschließlich das (-Ketoglutarat sei, während die Patentschrift zu den angegebenen Mengenbereichen keine Erläuterung enthalte und der Fachmann wisse, daß ihm bei den Konzentrationen je nach Bestandteil ein mehr oder weniger großer Spielraum zur Verfügung stehe. Das Berufungsgericht hat hinzugefügt, daß durch den Zusatz von (-Ketoglutarat eine weitere signifikante Verbesserung der Organprotektion gegenüber einer organprotektiven Lösung erreicht werde, wie sie aus der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 012 272 bekannt gewesen sei, weil durch diese Zugabe der aerobe Stoffwechsel während der Perfusion des Organs mit der protektiven Lösung verbessert werde. Der Fachmann habe zum Prioritätszeitpunkt gewußt, daß eine gewisse Magnesiumkonzentration erforderlich sei, um die körpereigenen Enzyme arbeitsfähig zu halten, diese Konzentration aber auch nicht zu hoch sein dürfe, weil Magnesium als Kalziumantagonist bekannt gewesen sei. Anhaltspunkt sei der Anteil von Magnesium im Blut gewesen, der extrazellulär bei 1 mmol/l und intrazellulär bei 16 mmol/l liege, woraus sich der zur Verfügung stehende Bereich ergeben habe. Aus einer weiteren, allgemein akzeptierten Veröffentlichung sei bekannt gewesen, daß Konzentrationen in kardioplegischen Lösungen von weniger als 2,4 mmol/l und mehr als 10 mmol/l zu abweichenden Ergebnissen bezüglich der Erholungsfähigkeit des Herzens führten, die Ergebnisse innerhalb dieses Bereichs aber identisch seien.

Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage Gleichwirkung zwischen einem Zusatz von 10 +/- 2 mmol/l Magnesiumchlorid und einem solchen von 4 mmol/l angenommen.

2. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, die Schutzwirkung eines Patents, dessen Patentanspruch Zahlen- und Maßangaben enthalte, könne nicht in Bereiche erstreckt werden, die wesentlich von denen des Patentanspruchs abwichen, wenn in den Zahlen- und Maßangaben das erfinderisch Neue der Lehre des Patents zu sehen sei. Im vorliegenden Fall liege das erfinderisch Neue jedoch allein im Zusatz von (-Ketoglutarat. Somit sei der Schutzbereich nicht von vornherein auf die angegebenen Konzentrationen beschränkt. Habe aber der Fachmann die Abweichungen der angegriffenen Ausführungsform der Patentschrift als gleichwirkende Lösung entnehmen können, sei auch dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ausreichend Rechnung getragen.

3. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand.

a) Nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. - Formstein; 105, 1, 10 - Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fachmann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. - Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daß der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 - X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 - Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daß sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muß, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daß der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaß. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. - Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29. November 2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daß bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.

b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden, wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maßangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, daß sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. - pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 - I 238/27, GRUR 1928, 481 - Preßhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. - künstliche Wursthüllen).

c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maßangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Zahlen- und Maßangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.

d) Schon diese Umstände schließen es aus, daß der Fachmann Zahlen-, Maß- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäßen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden, den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimißt; die Patentschrift kann insoweit ihr "eigenes Wörterbuch" bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube; v. 13.4.1999 - X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maßangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daß der objektive, erfindungsgemäß zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt wird, als dies bei bloß verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daß in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 - X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 - Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 - X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 - mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daß diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaß hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.

Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).

Andererseits schließt dies nicht aus, daß der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maßgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Größe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. - Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich - insoweit - unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis, daß ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daß es sich um einen "kritischen" Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maßangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.

d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daß im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maßangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maßangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert auf Grund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muß vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingrenzung des objektiven, erfindungsgemäß zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines - im Anspruch zahlenmäßig eingegrenzten - Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige, die nach seinem Verständnis anspruchsgemäß der zahlenmäßigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaßt.

Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daß es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 - Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. ("Epilady"-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschließlich wortsinngemäß benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 - Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maßangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 - Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).

Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäße Wirkung nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daß nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäße Wirkung im übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäße Wirkung des zahlenmäßig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daß der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.

Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daß der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daß die erfindungsgemäße Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.

4. a) Im vorliegenden Fall ist schon mangels abweichender tatrichterlicher Feststellungen davon auszugehen, daß der Sinngehalt des Patentanspruchs 1 des Klagepatents hinsichtlich der Magnesiumchlorid-Konzentration durch die Grenzwerte 8 mmol/l und 12 mmol/l beschränkt ist. Eine wortsinngemäße Benutzung der Lehre des Klagepatents scheidet angesichts des Ausmaßes der Abweichung mithin aus. Auch das Berufungsgericht hat dies nicht anders gesehen.

b) Nicht beigetreten werden kann dem Berufungsgericht dagegen in seiner Auffassung, daß die angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents falle.

aa) Allerdings ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß die angegriffene Ausführungsform hinsichtlich der Zugabe von Magnesiumchlorid als solchem gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents gleichwirkend ist, indem sie die mit der Zugabe dieser Substanz an sich erzielte kalziumantagonistische Wirkung ebenfalls erzielt, und daß die Gleichwirkung für den Fachmann auch (auf Grund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt des Patentanspruchs orientieren) erkennbar war. Auch die Revision erhebt insoweit keine Angriffe.

bb) Dies genügt nach den vorstehenden Ausführungen jedoch nicht für die Annahme, daß die angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents fällt.

Nicht tragfähig ist zunächst schon die Überlegung des Berufungsgerichts, da das erfinderisch Neue der Lehre des Streitpatents allein in der Zugabe von (-Ketoglutarat liege, sei es für den Fachmann auf die Konzentrationen bei den bekannten Zusätzen wie dem Magnesiumchlorid nicht angekommen. Die Rechtsprechung, nach der die Schutzwirkung eines Patents, dessen Patentanspruch Zahlen- und Maßangaben enthält, nicht in Bereiche erstreckt werden kann, die wesentlich von denen des Patentanspruchs abweichen, wenn in den Zahlen- und Maßangaben das erfinderisch Neue der Lehre des Patents zu erblicken ist, auf die sich das Berufungsgericht hierbei stützt (Sen.Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425, 427 - Bierklärmittel m.w.N.; vgl. auch OLG Düsseldorf Mitt. 1996, 393), betrifft lediglich Patente, deren Schutzbereich noch nicht nach Art. 69 EPÜ oder nach § 14 PatG 1981 zu beurteilen war. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte zur früheren Rechtslage noch nicht die enge Bindung des Schutzbereichs des Patents an die Patentansprüche wie nach geltendem Recht zu beachten, vielmehr konnte selbst ein "allgemeiner Erfindungsgedanke" in den Schutz einbezogen werden, der lediglich aus den Patentansprüchen herleitbar war, aber selbst im Anspruchswortlaut nicht hervortrat (vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 29.4.1997 - X ZR 101/93, GRUR 1998, 133, 136 - Kunststoffaufbereitung). Für das geltende Recht trifft dies, wie sich aus den Ausführungen oben unter II. 3. ergibt, nicht mehr zu; die Verbindlichkeit von Zahlen- oder Maßangaben im Patentanspruch ist nach geltendem Recht grundsätzlich nicht danach zu beurteilen, in welcher Beziehung diese zum Stand der Technik stehen. Dies hindert es allerdings nicht, auch Angaben zum Stand der Technik in der Beschreibung zur Auslegung des Merkmals heranzuziehen.

Mit Recht verweist die Revision darauf, daß in der Beschreibung des Klagepatents als "letzter Stand der Technik" eine Vergleichslösung genannt ist, bei der der Anteil an Magnesiumchlorid lediglich bei 1 mmol/l liegt (Beschreibung S. 4 Z. 58). Auch ihr Hinweis darauf, daß die nach den Angaben im Patentanspruch zulässige Schwankungsbreite gegenüber dem Wert von 10 mmol/l von ± 2 mmol/l absolut und ± 20 % bezogen auf die Mengenangabe deutlich kleiner ist als bei den meisten der übrigen Bestandteile der Lösung, ist in der Sache berechtigt. Lediglich bei Tryptophan ist eine prozentual größere, absolut allerdings geringere Abweichung zugelassen. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß das Klagepatent von vornherein für den Zusatz Magnesiumchlorid nur eine verhältnismäßig geringe Variationsbreite mit einem bevorzugten Mittelwert von 10 mmol/l vorsieht. Dies legt es nahe, in den Bereichsgrenzen wenn schon keine absolute Begrenzung des Schutzbereichs zu sehen, doch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit nur eine geringe Breite zulässiger Überschreitungen in den Schutzbereich einzubeziehen.

Nähere Angaben, warum sich die Lösung nach dem Klagepatent derart stark von dem in ihr angegebenen "letzten Stand der Technik" unterscheidet und warum bei ihr anders als bei anderen Lösungsbestandteilen nur geringe Abweichungen zugelassen werden, die den beanspruchten Bereich vom "letzten Stand der Technik" weit wegführen, enthält die Patentschrift nicht. Der Fachmann mußte daher zunächst davon ausgehen, daß hier eine sehr erhebliche Abweichung gegenüber dem im Grundpatent selbst mitgeteilten Stand der Technik vorlag. Er wußte zudem auch aus der Beschreibung des Klagepatents, daß die patentgemäße kardioplegische Lösung zum Einsatz in einem sensiblen Bereich (Verhinderung irreversibler Ischämie-Schäden am menschlichen Herzen) vorgesehen war. Er mußte deshalb jedenfalls die Möglichkeit als naheliegend ins Auge fassen, daß es aus pharmakologischen Gründen auf die jedenfalls annähernd genaue Einhaltung der Toleranzen bei einzelnen Bestandteilen der Lösung ankommen konnte; zudem mußte er die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß sich nicht ohne weiteres überschaubare Kombinationseffekte einstellen konnten (vgl. Beschreibung S. 6 Z. 60).

cc) Auch wenn dies auf der Grundlage der tatrichterlich getroffenen Feststellungen keine Aussage darüber zuläßt, ob die als patentverletzend angegriffene Lösung die spezielle Wirkung des Zusatzes Magnesiumchlorid in dem im Klagepatent angegebenen Mengenbereich erreicht, weshalb eine hinreichende objektive Gleichwirkung nicht verneint werden kann, scheidet damit im vorliegenden Fall eine Einbeziehung der angegriffenen Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents aus.

Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß eine Ausführungsform dann nicht in den Schutzbereich des Patents fallen kann, wenn sie auf ein Anspruchsmerkmal verzichtet, das für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend ist (BGHZ 113, 1, 11 - Autowaschvorrichtung m. Anm. von Falck in GRUR 1991, 447, der darauf hinweist, daß es auf die dem Fachmann erkennbare Tragweite der Erfindung ankommt; vgl. schon zur früheren Rechtslage Sen.Urt. v. 23.4.1991 - X ZR 41/89, GRUR 1991, 744, 746 - Trockenlegungsverfahren; v. 17.10.1985 - X ZR 31/82, GRUR 1986, 238, 240 - Melkstand). Dies ist demnach jedenfalls dann der Fall, wenn wesentliche Unterschiede in der Wirkung zu dieser Beurteilung führen. Allerdings hat die Senatsrechtsprechung bisher die Fälle nicht in diese Beurteilung einbezogen, bei denen die Erwartung der Fachwelt nicht an den technischen Gehalt des Merkmals ("wesentlich und bestimmend"), sondern an die Fassung der Patentschrift als solche anknüpft, d.h. solche Fälle, in denen durch Formulierungen in der Patentschrift - unabhängig von der erkennbaren technischen Bedeutung des Merkmals - der Fachwelt der Eindruck vermittelt wird, es komme für die Verwirklichung der durch das Patent unter Schutz gestellten Lehre darauf an, daß das Merkmal gemäß seinem Wortsinn oder doch jedenfalls nicht in der gesamten Breite (unterstellt) objektiv gleichwirkender Lösungen benutzt werde.

Die bereits angesprochene Verantwortung des Patentinhabers, dafür zu sorgen, daß das, wofür er Schutz begehrt, in den Merkmalen des Patentanspruchs niedergelegt ist, beschränkt daher auch in solchen Fällen, in denen dieser das - aus welchen Gründen auch immer - versäumt hat und das Patent bei objektiver Betrachtung hinter einem weitergehenden technischen Gehalt der Erfindung zurückbleibt, den Schutz auf das, was noch mit dem Sinngehalt seiner Patentansprüche in Beziehung zu setzen ist.

Angesichts der vorstehend näher erläuterten Umstände und der hier vorliegenden großen, mit der im Patentanspruch enthaltenen Mengenangabe zum Magnesiumchloridanteil nicht mehr in Beziehung zu setzenden Abweichung kann die angegriffene Ausführungsform nicht mehr in den Schutzbereich des Klagepatents einbezogen werden. Weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf es zur Begründung dieses Ergebnisses nicht. Es steht angesichts der sorgfältigen Sachaufklärung in den Vorinstanzen auch nicht zu erwarten, daß eine weitere Sachaufklärung noch zu erheblichen Erkenntnissen führen könnte. Der Senat kann deshalb selbst in der Sache entscheiden und die Klage insgesamt abweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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