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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.03.1999
Aktenzeichen: X ZR 76/95
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 76/95

Verkündet am: 2. März 1999

Schanz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt, Dipl.-Ing. Frhr. v. Maltzahn, Scharen und Keukenschrijver

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Juni 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 432 388 (Klagepatents), das am 27. September 1990 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 14. Dezember 1989 angemeldet wurde. Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin des am 14. Dezember 1989 angemeldeten und am 30. August 1990 eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 89 14 705.7.

Beide Klageschutzrechte betreffen Flügelzellenpumpen zum Fördern von pastösen Massen, insbesondere von Wurstbrät.

Der erteilte Patentanspruch 1 des Klagepatents hatte ursprünglich folgende Fassung:

"Flügelzellenpumpe zum Fördern von pastösen Massen, insbesondere von Wurstbrät, die aus einem Pumpengehäuse und einem darin exzentrisch angeordneten, in Drehung versetzten Rotor und in diesem radial verschiebbar gelagerten Flügeln besteht, die mit der Wandung des Pumpengehäuses Förderzellen bilden und im abdichtenden Sinne zusammenwirken, wobei auf die Flügel im Druckbereich der Pumpe vor dem Auslaß Druck in radialer Richtung ausgeübt wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß der Radialdruck auf die Flügel im Druckbereich der Pumpe vor dem Auslaß von einem in einer radialen Ausnehmung der Wandung des Pumpengehäuses gelagerten Druckstück ausgeübt wird, welches mit seiner den Flügeln zugewandten Fläche die Kontur der Innenwandung des Pumpengehäuses ersetzt, und daß ferner die Flügel radial durchgehend ausgebildet sind."

Gegen die Patenterteilung hat die Beklagte Einspruch eingelegt. Sie hat vorgetragen, der kennzeichnende Teil des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber der ursprünglichen Offenbarung unzulässig abgeändert worden. Ursprünglich offenbart sei nur gewesen, daß der Radialdruck auf die Flügel im Druckbereich der Pumpe vor dem Auslaß von einem Druckstück ausgeübt werde, das in einer radialen Ausnehmung der Wandung des Pumpengehäuses radial anstellbar gelagert sei.

Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hat das Klagepatent mit Beschluß vom 8. November 1995 teilweise widerrufen und die Worte "radial anstellbar" hinter den Worten "radialen Ausnehmung der Wandung des Pumpengehäuses" in den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 eingefügt. Der erteilte Patentanspruch 1 sei insoweit im Hinblick auf die ursprüngliche Offenbarung unzulässig abgeändert worden (Art. 100 lit. c i.V.m. Art. 123 Abs. 2 EPÜ). Die dagegen von der Klägerin eingelegte Beschwerde hat die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mit Beschluß vom 10. April 1997 zurückgewiesen.

Die Beklagte stellt eine Vakuumfüllmaschine her, die sie unter der Bezeichnung "Robby" vertreibt. Wegen der Ausgestaltung dieser Maschine wird auf den Prospekt der Beklagten (Anl. K 4) und die von der Klägerin vorgelegten Fotografien (Anl. K 5 - K 8, jeweils l. S.) verwiesen.

Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb der Vakuumfüllmaschine "Robby" eine Verletzung der Klageschutzrechte und hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung von Entschädigung sowie Schadensersatz begehrt.

Die Beklagte hat eine Verletzung der Klageschutzrechte in Abrede gestellt und die Abweisung der Klage begehrt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen.

Mit der Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

I. Das Berufungsgericht führt aus, bei der von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Vakuumfüllmaschine "Robby" sei von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 wortlautgemäß (identisch) Gebrauch gemacht. Dabei ist das Berufungsgericht von dem im Tatbestand wiedergegebenen erteilten Patentanspruch 1 ausgegangen, denn es kannte weder die im Tatbestand bezeichnete Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 8. November 1995 noch die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 10. April 1997, die beide zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (23. März 1995) noch nicht ergangen waren. Durch diese Entscheidungen ist dem Berufungsurteil die Grundlage entzogen, denn der nunmehr maßgebliche Patentanspruch 1 des Klagepatents beschreibt in gegliederter Darstellung:

a) Eine Flügelzellenpumpe zum Fördern von pastösen Massen, insbesondere von Wurstbrät,

b) die Pumpe besteht aus einem Pumpengehäuse und einem darin exzentrisch angeordneten, in Drehung versetzten Rotor und in diesem radial verschiebbar gelagerten Flügeln,

c) die Flügel bilden mit der Wandung des Pumpengehäuses Förderzellen und wirken mit ihr in abdichtendem Sinne zusammen,

d) auf die Flügel im Druckbereich der Pumpe wird vor dem Auslaß Druck in radialer Richtung ausgeübt,

e) der Radialdruck auf die Flügel im Druckbereich der Pumpe vor dem Auslaß wird von einem Druckstück ausgeübt, das in einer radialen Ausnehmung der Wandung des Pumpengehäuses radial anstellbar gelagert ist;

f) das Druckstück ersetzt mit seiner den Flügeln zugewandten Fläche die Kontur der Innenwandung des Pumpengehäuses,

g) die Flügel sind radial durchgehend ausgebildet.

In Merkmal e ist nunmehr (insoweit in Übereinstimmung mit der Anspruchsfassung des Klagegebrauchsmusters gemäß Anl. K 2 a) festgelegt, daß das in einer radialen Ausnehmung der Wandung des Pumpengehäuses vorgesehene Druckstück "radial anstellbar" gelagert sein muß.

Die angeführte erstinstanzliche Entscheidung des Europäischen Patentamts im Einspruchsverfahren versteht unter radialer Anstellbarkeit, daß je nach Bedarf durch Positionieren, Einstellen bzw. Verstellen des Druckstücks eine baulich einfache Wirkungsgradverbesserungsmöglichkeit der Flügelzellenpumpe gewährleistet ist.

Zu dem Merkmal der radialen Anstellbarkeit des Druckstücks enthält das Berufungsurteil keine Ausführungen, weil dazu im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keine Veranlassung bestand. Folglich fehlen Feststellungen, ob dieses Merkmal bei der angegriffenen Ausführungsform "Robby" verwirklicht ist. Das Berufungsurteil ist schon aus diesem Grund aufzuheben.

Ein weiteres kommt hinzu. Die Parteien haben zu der angegriffenen Vakuumfüllmaschine "Robby" vorgetragen, daß dort ein der Form der Gehäusewand angepaßtes Verschleißstück vorgesehen sei, welches nicht durch radiale Verstellung nachjustiert werden könne, sondern demontiert und durch ein neues Verschleißteil ersetzt werde, wenn es verschlissen sei.

Bei dieser Sachlage muß revisionsrechtlich unterstellt werden, daß eine Patentverletzung mit identischen Mitteln nicht vorliegt. Dann aber ist der von der Beklagten erhobene sogenannte "Formstein"-Einwand (BGHZ 98, 12 ff. - Formstein) zu prüfen, Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzten die Klageschutzrechte nicht, weil die angegriffene Ausführungsform nur eine naheliegende Abwandlung des dem Fachmann am Anmeldetag bereits Bekannten sei.

II. Da der Rechtsstreit wegen fehlender Feststellungen zur abschließenden Entscheidung noch nicht reif ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird. Falls das Berufungsgericht wiederum zu der Auffassung gelangt, daß eine Patentverletzung vorliegt, wird der Urteilstenor entsprechend anzupassen sein.

Ende der Entscheidung

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