Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: XI ZB 24/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZB 24/06

vom 13. Februar 2007

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger, Prof. Dr. Schmitt und Dr. Grüneberg

am 13. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 23. Juni 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Klägerin und über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Landgericht Darmstadt zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 900 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe zweier Bürgschaftsurkunden geltend gemacht. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 29. Oktober 2004, zugestellt am 22. November 2004, die Klage abgewiesen. Nachdem die Beklagte bereits mit Schreiben vom 16. November 2004 die beiden Bürgschaftsurkunden an die Klägerin übersandt hatte, hat die Klägerin am 6. Dezember 2004 Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 23. Juni 2006 hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Die Berufung der Klägerin sei bereits im Zeitpunkt der Berufungseinlegung unzulässig gewesen, weil die Beschwer der Klägerin lediglich in ihrem Kosteninteresse bestanden habe. Dieses setze sich aus den Kosten für ihren Prozessbevollmächtigten einschließlich ihres Korrespondenzanwalts und den Gerichtskosten zusammen und betrage lediglich 550 €. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren oder aufgrund eines im Einzelfall offenkundigen Verstoßes gegen Verfahrensgrundrechte zu versagen (vgl. dazu BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227).

Indem das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unter 2.) die Beschwer der Klägerin lediglich nach den ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten und den Gerichtskosten berechnet hat, ohne auch die ihr in dem erstinstanzlichen Urteil auferlegten außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu berücksichtigen, hat es der Klägerin den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes i.S. des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Berufungssumme von 600 €. Dabei kann dahinstehen, ob der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, infolge der Erledigung der Hauptsache bestehe die Beschwer der Klägerin nur noch in ihrem Kosteninteresse, zutreffend ist oder ob die Erledigung der Hauptsache "zwischen den Instanzen" die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebende Beschwer des unterlegenen Klägers nicht beseitigt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. April 1992 - XII ZR 221/90, NJW-RR 1992, 1032, 1033; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. Vor § 511 Rdn. 23). Das Kosteninteresse der Klägerin bildet jedenfalls die Untergrenze für ihre Beschwer.

Dieses übersteigt die Berufungssumme von 600 €. Entgegen der Berechnung des Berufungsgerichts sind hierbei nicht nur die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin von zusammen 550 €, sondern auch die ihr in dem erstinstanzlichen Urteil auferlegten außergerichtlichen Kosten der Beklagten über 282,50 € zu berücksichtigen, so dass die Beschwer der Klägerin mehr als 600 € beträgt. Weshalb das Berufungsgericht letztere trotz des Hinweises der Klägerin im Schriftsatz vom 8. Juni 2005 nicht einbezogen hat, ist nicht nachvollziehbar; eine Begründung hat es hierfür nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück