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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: XI ZB 5/02
Rechtsgebiete: BGB, GVG, ZPO, FGO, AO


Vorschriften:

BGB § 812
GVG § 13
GVG § 17 a
ZPO §§ 574 ff.
FGO § 33
AO § 37
a) Die Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG an den Bundesgerichtshof ist seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) am 1. Januar 2002 eine Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 574 ff. ZPO (vgl. BAG ZIP 2002, 1963).

b) Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben, wenn ein Kreditinstitut den Steuerfiskus auf Rückzahlung eines zur Einlösung eines Schecks aufgewandten Betrages mit der Begründung in Anspruch nimmt, der der Bezahlung einer Steuerschuld dienende Scheck sei auf der Grundlage eines unwirksamen Girovertrages von einem vollmachtlosen Vertreter des Kontoinhabers ausgestellt worden.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZB 5/02

vom

12. November 2002

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

am 12. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 44.312 €.

Gründe:

I.

Die klagende Sparkasse nimmt das beklagte Land als Steuerfiskus auf Rückzahlung eines Betrages in Anspruch, den sie zur Einlösung eines Schecks aufgewandt hat.

Ein Direktor der P. AG, D., eröffnete für diese am 21. Dezember 1993 ein Girokonto bei der Klägerin und erteilte einem Mitarbeiter Kontovollmacht. Der Mitarbeiter stellte am 18. Januar 1994 einen Scheck in Höhe von 260.000 DM aus und übergab ihn dem Finanzamt V. zur Bezahlung von Grunderwerbssteuer, die das Finanzamt durch Bescheid vom selben Tag festgesetzt hatte. Die Klägerin löste den Scheck zu Lasten des Girokontos der P. AG ein.

Die Klägerin hat behauptet, der Direktor der P. AG sei bei Eröffnung des Kontos und Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig gewesen. Sie nimmt den Beklagten auf Rückzahlung des Scheckbetrages nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte, der seine Zahlungspflicht in Abrede stellt, hat schon in erster Instanz geltend gemacht, für den erhobenen Anspruch sei der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht durch den angefochtenen Beschluß den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Mit seiner zugelassenen "sofortigen Beschwerde (Rechtsbeschwerde)" verfolgt der Beklagte sein Ziel, eine Sachentscheidung des Finanzgerichts herbeizuführen, weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. a) Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Oberlandesgericht gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG statthaft. Das Oberlandesgericht hat zwar nicht die Rechtsbeschwerde, sondern die sofortige Beschwerde zugelassen. Bei diesem Rechtsmittel handelt es sich aber seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1887) am 1. Januar 2002 um eine Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 574 ff. ZPO (Begr.RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 116 f.; BAG ZIP 2002, 1963, 1964).

b) Der Senat ist an die Zulassung gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG gebunden, obwohl das Oberlandesgericht erstmalig und nicht als Beschwerdeinstanz in dem Vorabverfahren gemäß § 17 a Abs. 2 bis 4 GVG entschieden hat (BGHZ 120, 198, 199 f.; 131, 169, 170 f.). Da das Landgericht trotz einer entsprechenden Rüge des Beklagten entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab über die Rechtswegfrage befunden hatte, ist das Oberlandesgericht zutreffend selbst in das Vorabverfahren eingetreten und hat auch zu Recht über die Zulassung der Rechtsbeschwerde entschieden (Senat, Beschluß vom 7. Dezember 1999 - XI ZB 7/99, WM 2000, 185, 186).

c) Das Rechtsmittel ist im übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 574 ff. ZPO).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit angenommen, für die gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte zuständig sind.

a) Welcher Rechtsweg für eine Streitigkeit eröffnet ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 f.; BGHZ 102, 280, 283; Senat, Beschluß vom 7. Dezember 1999 - XI ZB 7/99, aaO). Bei Rückforderungen gegen den Steuerfiskus ist zwischen zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB und öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen gemäß § 37 Abs. 2 AO, für die gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO der Finanzrechtsweg gegeben ist (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO 16. Aufl. § 33 FGO Rdn. 8), zu unterscheiden.

aa) Der Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO ist ein Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO). Er setzt voraus, daß eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, und steht demjenigen zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO).

bb) Wer hingegen nicht selbst Beteiligter eines Steuerrechtsverhältnisses ist und mit seiner Zahlung keine eigene Steuerpflicht erfüllen will, kann nicht Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches gemäß § 37 Abs. 2 AO (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1983 - III ZR 149/82, ZIP 1984, 312, 314; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO 10. Aufl. § 37 Rdn. 24), sondern nur eines zivilrechtlichen Bereicherungsanspruches sein (vgl. BFH, Urteil vom 18. August 1983 - V R 23/78, UStR 1983, 210, 211; vgl. auch FG Dessau EFG 1998, 1023; Seer, aaO Rdn. 17 bis 18).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Klageforderung ein zivilrechtlicher Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

aa) Die Klägerin begründet ihre Forderung damit, daß die Zahlung, die sie zurückverlangt, der Einlösung eines Schecks gedient habe, der von einem vollmachtlosen Vertreter auf der Grundlage eines unwirksamen Girovertrages ausgestellt worden sei. Die Zahlung bezog sich mithin nicht auf ein Steuerrechtsverhältnis, an dem die Klägerin selbst beteiligt war, und diente nicht der Erfüllung einer eigenen Steuerschuld der Klägerin.

bb) Der Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, er habe den Scheck entsprechend der Zweckbestimmung des Mitarbeiters der P. AG als Leistung auf deren Steuerschuld entgegengenommen. Ob die Klägerin den Beklagten gleichwohl auf Rückzahlung in Anspruch nehmen kann, ist eine Frage der sachlichen Begründetheit der Klage (vgl. hierzu Senat BGHZ 147, 145, 149). Der für die Klage gegebene Rechtsweg hingegen richtet sich nicht nach dem Rechtsverhältnis des Beklagten zur P. AG, sondern nach seinem Rechtsverhältnis zur Klägerin. Daß diese mit der Zahlung keine eigene Steuerschuld erfüllen wollte, wußte der Beklagte.

cc) Eine andere Beurteilung ist, entgegen der Ansicht des Beklagten, auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin sich nicht im Sinne des § 192 AO verpflichtet hatte, für die Steuer der P. AG einzustehen. Derartige Verpflichtungen und Bereicherungsansprüche in Fällen unwirksamer Verpflichtungen sind zwar zivilrechtlicher Natur (Boeker, aaO Rdn. 24). Dies bedeutet aber nicht, daß Rückzahlungsansprüche, die in keinem Zusammenhang mit Verpflichtungen im Sinne des § 192 AO stehen, stets öffentlich-rechtlicher Natur sind. Sie sind vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen einzuordnen. Danach ist die Klageforderung - wie dargelegt - ein zivilrechtlicher Bereicherungsanspruch.

III.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist gemäß § 3 ZPO auf ein Drittel des Wertes der Hauptsache festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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