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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.05.1999
Aktenzeichen: XI ZR 137/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 609
BGB § 609a Abs. 1
BGB §§ 609, 609a Abs. 1

Zur Möglichkeit der Teilkündigung bei Darlehen.

BGH, Urteil vom 4. Mai 1999 - XI ZR 137/98 - OLG Koblenz LG Trier


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 137/98

Verkündet am: 4. Mai 1999

Bartholomäus Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 1999 durch die Richter Dr. Siol, Dr. Schramm, Dr. Bungeroth, Nobbe und Dr. Müller

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. April 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Kredits in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kreissparkasse T., deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, räumte mit Vertrag vom 25. November 1980 der S. + Co. GmbH (im folgenden: GmbH) sowie dem Beklagten einen unbefristeten und jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbaren Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 150.000 DM ein, der vereinbarungsgemäß auf dem Girokonto der GmbH zur Verfügung gestellt wurde. Der Beklagte war damals Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH, aus der er Ende 1992 ausgeschieden ist. Für den Kredit bestand eine Bürgschaft der Mutter des Beklagten in Höhe von 75.000 DM.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1991 an die GmbH zu Händen des Beklagten kündigte die Kreissparkasse T. "den nicht abgesicherten Teilbetrag von 75.000,-- DM" der Kreditlinie. Ende 1992 entließ sie die Mutter des Beklagten aus der Bürgschaft für den Kredit.

Im Juli 1993 fiel die GmbH in Konkurs. Ihr Girokonto, das beim Ausscheiden des Beklagten noch ein Guthaben von mehr als 63.000 DM aufgewiesen hatte, stand bei Konkurseröffnung mit 70.000 DM im Soll und war am 2. Mai 1996 mit 79.737,03 DM belastet.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung von 79.737,03 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.

I.

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Darlehensrückzahlung bejaht und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Das aufgrund des Vertrages vom 25. November 1980 zwischen der Kreissparkasse T. auf der einen Seite sowie der GmbH und dem Beklagten auf der anderen Seite bestehende Kreditverhältnis sei zwar am 21. Oktober 1991 gekündigt worden, zugleich sei aber zwischen denselben Vertragsparteien ein neuer, auf eine Kreditlinie von 75.000 DM begrenzter Kreditvertrag geschlossen worden.

Aus seiner Haftung als Darlehensnehmer sei der Beklagte nicht entlassen worden. Sein Ausscheiden aus der GmbH habe seine Haftung nicht beendet. Die Entlassung der Mutter des Beklagten aus ihrer Bürgenhaftung für das Kreditkonto habe ebenfalls nicht zur Enthaftung des Beklagten geführt. Die vom Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht ergeben, daß bei dieser Gelegenheit von einer Entlassung des Beklagten aus seiner Haftung gesprochen worden sei. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin sei auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, nach dem Ausscheiden des Beklagten zu verhindern, daß die Kreditmarge von der GmbH ausgeschöpft wurde.

Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Beklagte im September 1995 auf die mündliche Frage eines Mitarbeiters der Klägerin nach dem hier streitigen Kreditkonto sinngemäß geantwortet habe, die Sache werde bis Ende 1995 geregelt. Darin liege ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das auch ohne Einhaltung einer besonderen Form wirksam sei.

II.

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Berufungsgericht einen entscheidenden Punkt übergangen hat.

1. Dem Berufungsgericht ist allerdings im Ergebnis darin zuzustimmen, daß die Haftung des Beklagten ungeachtet der Kündigung vom 21. Oktober 1991 zunächst fortbestanden hat. Dabei ist abweichend von der rechtlichen Bewertung durch das Berufungsgericht davon auszugehen, daß das eindeutig auf eine Reduzierung der Kreditlinie von 150.000 DM auf 75.000 DM gerichtete Schreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine zulässige Teilkündigung des Kreditvertrages vom 25. November 1980 enthielt, die diesen Vertrag in eingeschränktem Umfang fortbestehen ließ. Der Grundsatz, daß ein Rechtsverhältnis durch einseitige Kündigungserklärungen im allgemeinen nur insgesamt beendet werden kann, kennt verschiedene Ausnahmen (vgl. BGHZ 96, 275, 280 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Einf. vor § 346 Rdn. 8). Eine solche Ausnahme gilt auch für Darlehensverhältnisse. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob aus § 609a Abs. 1 BGB zu folgern ist, daß immer dann, wenn eine Seite das Darlehen kündigen kann, auch eine auf die Reduzierung des Darlehensumfangs gerichtete Teilkündigung ohne weiteres zulässig ist. Jedenfalls bei einem beiderseits jederzeit kündbaren Kontokorrentkredit, wie er hier vorliegt, ist kein Grund ersichtlich, der einer auf die Reduzierung der Kreditlinie gerichteten Teilkündigung entgegenstünde.

Da der Kreditvertrag vom 25. November 1980 somit nach der Teilkündigung vom 21. Oktober 1991 in eingeschränktem Umfang fortbestand, kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob im Oktober 1991 ein neuer Kreditvertrag geschlossen wurde. Es bedarf daher keines Eingehens auf die Einwendungen, die die Revision gegen die Annahme eines erneuten Vertragsschlusses durch das Berufungsgericht sowie gegen die Vereinbarkeit eines etwa zustande gekommenen neuen Vertrags mit den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes vorgebracht hat.

2. Mit Recht rügt die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht erhebliches Vorbringen des Beklagten zu einer späteren Kündigung des Kreditvertrags durch die Klägerin übergangen hat.

a) Der Beklagte hat im Berufungsrechtszug mit Schriftsatz vom 3. März 1998 vorgetragen, aus einer Stellungnahme eines B. vom 28. Februar 1998 ergebe sich, daß Vertreter der Klägerin im Mai/Juni 1993 in Gesprächen mit B., der damals Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, erklärt hätten, das hier interessierende Konto der GmbH dürfe nur noch auf Guthabenbasis geführt werden und künftig würden keinerlei Kredite mehr eingeräumt; so sei dann auch verfahren worden. Zum Beweis dafür hat er B. als Zeugen benannt.

b) Sollte diese von der Klägerin bestrittene Darstellung zutreffen, so könnte in den Erklärungen der Vertreter der Klägerin eine Kündigung des Kreditvertrags vom 25. November 1980 liegen, die formlos gültig war und nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags nicht nur gegenüber der GmbH, sondern auch gegenüber dem Beklagten Wirkungen entfaltete. Der auf dem Konto der GmbH inzwischen entstandene Sollsaldo würde dann auf einer späteren Kreditaufnahme seitens der GmbH beruhen, die mit dem genannten Kreditvertrag nichts mehr zu tun hätte und keine Haftung des Beklagten begründen könnte. Darauf könnte der Beklagte sich ungeachtet seines vom Berufungsgericht angenommenen deklaratorischen Schuldanerkenntnisses vom September 1995 berufen, weil es hier um Vorgänge geht, die nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung waren und von denen er erst im Jahre 1998 Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1998 - II ZR 374/96, WM 1998, 656, 657).

c) Es war daher verfahrensfehlerhaft, daß das Berufungsgericht sich mit dem Vorbringen des Beklagten nicht auseinandergesetzt hat. Auf die Frage, ob dieses Vorbringen wegen Verspätung im Sinne von § 528 ZPO hätte zurückgewiesen werden können, kommt es nicht an, weil das Berufungsurteil keine solche Zurückweisung enthält. Der Bundesgerichtshof als im Rechtszug übergeordnetes Gericht darf eine Zurückweisung nicht einmal auf eine andere als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift stützen und erst recht eine von der Vorinstanz unterlassene Zurückweisung nicht nachholen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 - VIII ZR 204/82, NJW 1990, 1302, 1304 m.w.Nachw.).

III.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Ende der Entscheidung

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