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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: XI ZR 297/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 667
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

TEILVERSÄUMNIS-URTEIL

XI ZR 297/06

Verkündet am: 29. Juli 2008

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Ellenberger, Dr. Grüneberg und Maihold

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers zu 1) und der Kläger zu 3) bis 40) wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juli 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger begehren aus eigenem und abgetretenem Recht die Herausgabe von Kapitalanlagebeträgen.

In den Jahren 1989/90 beteiligten sich die Kläger auf der Grundlage eines Prospektes an einem von der N. GmbH (nachfolgend: N. ) initiierten Kapitalanlagemodell. Diesem lag nach dem von der N. herausgegebenen Prospekt folgendes Konzept zugrunde:

Die Anleger sollten Gesellschafter von - für jeden Kalendermonat neu gegründeten und nach Ablauf von 60 Monaten endenden - Gesellschaften bürgerlichen Rechts (nachfolgend: GbR) werden, deren Gegenstand die gemeinsame Geldanlage in Termindirekt- und Terminoptionsgeschäften, namentlich in Devisen, Wertpapieren und Waren war. Mit der Geschäftsführung und mit der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens wurde jeweils die N. beauftragt, die ihrerseits für die anlagemäßige Verwaltung des Gesellschaftsvermögens einen oder mehrere "Vermögensverwalter" auszuwählen hatte. Zur Begrenzung des Anlagerisikos war die Vermögensverwaltung verpflichtet, pro Abrechnungszeitraum eine Barreserve von - je nach vereinbarter "Risikogruppe" - 80 % bzw. 60 % des jeweiligen Gesellschaftsvermögens auf dem Broker-Konto zurückzuhalten, wobei die Barreserve in festverzinslichen Wertpapieren angelegt werden konnte. 20 % bzw. 40 % des jeweiligen Gesellschaftsvermögens sollten pro Abrechnungszeitraum spekulativ angelegt werden.

Zu dem im Prospekt angebotenen Sicherheitssystem gehörte die Einschaltung eines Mittelverwendungs-Treuhänders, als der - auf der Grundlage eines von der jeweiligen GbR mit dem Treuhänder abzuschließenden entgeltlichen Treuhandvertrags - der Beklagte zu 2 (nachfolgend: Beklagter) fungierte. Auf ein von ihm anzulegendes Anderkonto waren die Zeichnungsgelder einzuzahlen. Von der eingegangenen Einzahlung hatte der Treuhänder ein von den Gesellschaftern in der Beitragserklärung übernommenes Agio in Höhe von 7 % zur Deckung der Vertriebskosten an die Geschäftsführung der jeweiligen GbR auszubezahlen. Die verbleibenden Zeichnungsgelder hatte er auf ein ihn als Inhaber ausweisendes Konto bei einem Broker-Haus weiterzuleiten. Im Übrigen hatte der Treuhänder nach Weisungen der Geschäftsführung der jeweiligen GbR Verfügungen über das Gesellschaftskapital vorzunehmen, sofern diese im Einklang mit dem Gesellschaftsvertrag und dem Treuhandvertrag standen. Haftungsansprüche gegen den Treuhänder sollten nach § 3 Nr. 3 des im Anlageprospekt vorgegebenen Formulartreuhandvertrages auf die Leistungen seiner Haftpflichtversicherung beschränkt sein und nach § 3 Nr. 4 dieses Vertrages in 2 Jahren nach Anspruchsentstehung verjähren.

Im Mai und September 1989 richtete der Beklagte, bei der Rechtsvorgängerin der früheren Beklagten zu 1) zwei Treuhandkonten auf seinen Namen ein und erteilte zunächst den Dauerauftrag, täglich 93 % des verfügbaren Saldos an ein Brokerhaus und 7 % an die N. zu überweisen. Im November 1989 wurden die Konten unter Beibehaltung der Kontonummern auf die von dem Beklagten als Alleingesellschafter und -geschäftsführer gegründete G. Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH (nachfolgend: GmbH) umgeschrieben. Die Anleger wurden hierüber nicht informiert. Die weiterhin an den Beklagten persönlich überwiesenen Einlagen wurden dem Konto der GmbH gutgeschrieben. Ab Januar 1990 leitete er von dem nach Abzug des Agios von 7 % für die N. verbleibenden Beträgen 50 % und ab Februar 1990 100 % auf ein von ihm eingerichtetes weiteres Treuhandunterkonto um. Von dort überwies er ab Anfang 1990 größere Beträge an nicht als Broker zu qualifizierende Dritte.

Die Anlagegelder der Kläger wurden - mit Ausnahme anfänglicher vorgetäuschter Renditezahlungen, die aus Beiträgen neu geworbener Anleger stammten - nicht zurückgezahlt. Die N. ist insolvent. Einer der N. -Geschäftsführer wurde wegen der vertragswidrigen Verwendung der Anlagegelder wegen gemeinschaftlicher Untreue zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Strafverfahren gegen den Beklagten wurde gemäß § 153a StPO eingestellt.

Die Kläger haben mit ihrer im Jahr 2000 erhobenen Klage sowohl die frühere Beklagte zu 1) als auch den Beklagten auf Erstattung bzw. Herausgabe ihrer Einlagen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision, die der Senat beschränkt auf die Klage gegen den Beklagten zugelassen hat, verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren gegen ihn weiter.

Entscheidungsgründe:

Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, war über die Revision der Kläger durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.).

Die Revision ist begründet; sie führt in dem Umfang, in dem der Senat sie zugelassen hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht (OLG-Report Frankfurt 2007, 66 ff.) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Gegen den Beklagten sei ein Anspruch aus §§ 675, 667 BGB wegen Widersprüchlichkeit des Klagevortrags bereits nicht schlüssig dargelegt. Einerseits beanstandeten die Kläger die Gutschriften auf den Konten der GmbH gegenüber der früheren Beklagten zu 1) als weisungswidrig, andererseits aber wollten sie den Beklagten aus Auftragsrecht in Anspruch nehmen, was jedoch dessen Verfügungsmacht über die Gelder und damit den Eintritt des Überweisungszwecks voraussetze. Außerdem seien etwaige Ansprüche der Kläger gegen den Beklagten verjährt. Nach § 3 Nr. 4 der Treuhandverträge betrage die Verjährungsfrist zwei Jahre, die bei Klageerhebung verstrichen gewesen seien. Die Verjährungsklausel erfasse nicht nur verschuldensabhängige, sondern auch verschuldensunabhängige Ansprüche gegen den Beklagten und damit auch etwaige Ansprüche aus § 667 BGB. Dieser Auslegung stehe das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Oktober 2003 (III ZR 344/02, WM 2003, 2382) in einem Parallelverfahren nicht entgegen. In dem dortigen Verfahren seien die Vertragsbedingungen vom Beklagten gestellt worden, der damit als Verwender gemäß § 5 AGBG das Risiko einer unklaren Klauselformulierung habe tragen müssen. Vorliegend sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch nicht der Beklagte, sondern die N. als Verwender der Klausel anzusehen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Kläger einen Herausgabeanspruch gegen den Beklagten aus den jeweiligen Treuhandverträgen gemäß §§ 675, 667 BGB schlüssig vorgetragen.

a) Zwischen den Klägern und dem Beklagten ist jeweils ein Treuhandvertrag über die eingezahlten Beträge zustande gekommen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagte persönlich, nicht die später von ihm gegründete GmbH, Vertragspartner der schriftlichen Treuhandverträge ist und persönlich als Treuhänder verpflichtet war, für eine vertragsgemäße Verwendung der eingezahlten Anlegergelder zu sorgen. Berechtigt aus diesen Verträgen sind jedenfalls auch die Kläger persönlich, auch wenn die N. als vertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GbR die Verträge unterzeichnet hat. Die Auslegung der Formularverträge (§§ 133, 157 BGB) ergibt, dass das Treuhandverhältnis in Bezug auf die geleistete Einlage unmittelbar zwischen den einzelnen Gesellschaftern und dem Treuhänder begründet worden ist. Der Treuhänder hat nach den Verträgen ausdrücklich die Pflicht, die Gelder eines jeden Gesellschafters entgegenzunehmen und zu diesem Zweck ein Treuhandkonto einzurichten. Dementsprechend hat die N. auch einem jeden Anleger mitgeteilt, der eingezahlte Betrag sei auf seinem Treuhandkonto eingezahlt worden. Hinzu kommt, dass bei der Regelung über die Haftungsbegrenzung in den Treuhandverträgen ausdrücklich von Ansprüchen der Gesellschafter gegen den Treuhänder die Rede ist (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, WM 2003, 2382, 2383).

b) Die Kläger haben auch schlüssig eine Verletzung des Treuhandvertrages durch vertragswidrige Weiterleitung der Gelder vorgetragen.

aa) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht den Sachvortrag der Kläger wegen widersprüchlichen Vortrags unberücksichtigt gelassen hat. Die Kläger haben nicht gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) verstoßen, indem sie einerseits den Beklagten auf Rückzahlung der erhaltenen Anlagegelder in Anspruch genommen und andererseits gegenüber der früheren Beklagten zu 1) einen Verstoß gegen das Prinzip der formalen Auftragsstrenge geltend gemacht haben, weil die Anlagegelder auf das nicht auf einem persönlichen Konto des Beklagten, sondern auf dem Konto der GmbH gebucht worden sind. Zum einen bedeutet die Gutschrift der Gelder auf einem Konto der GmbH nicht, dass der Beklagte nicht die Verfügungsmacht über sie erlangt hat, was das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zur Unbeachtlichkeit des Verstoßes der früheren Beklagten zu 1) gegen die formale Auftragsstrenge noch richtig gesehen hat. Zum anderen liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein sich widersprechender Tatsachenvortrag vor, sondern die Kläger haben lediglich aufgrund der unstreitigen Gutschrift der Gelder auf dem Konto der GmbH in Bezug auf die beiden Beklagten unterschiedliche rechtliche Argumente zur vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Verfügungsmacht des Beklagten vorgebracht. Das fällt nicht unter § 138 Abs. 1 ZPO.

bb) Nach dem schlüssigen Vortrag der Kläger hat der Beklagte ab Januar 1990 eingehende Gelder, über die er als Alleingesellschafter der GmbH die Verfügungsmacht erlangt hatte, unstreitig nicht mehr nach den im Treuhandvertrag festgelegten Grundsätzen nur an Broker weitergeleitet, sondern auch an andere Dritte überwiesen und damit seine gegenüber den Klägern bestehenden Pflichten aus dem Treuhandvertrag nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, WM 2003, 2382, 2383 f.). Den Klägern stehen deshalb Ansprüche aus §§ 675, 667 BGB auf Herausgabe der nicht auftragsgemäß weitergeleiteten Gelder gegen den Beklagten zu.

2. Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, die Ansprüche der Kläger gegen den Beklagten seien nach § 3 Nr. 4 der Treuhandverträge verjährt. Die Ansprüche der Kläger aus §§ 675, 667 BGB unterliegen der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährung (§ 195 BGB a.F.), die bei Klageerhebung im Jahr 2000 noch nicht eingetreten war. Die objektive Auslegung der Verjährungsklausel in den Treuhandverträgen ergibt, dass sie Herausgabeansprüche der Kläger nicht erfasst. In § 3 des Treuhandvertrages wird unter der Überschrift "Haftung des Mittelverwendungs-Treuhänders" nach dem klaren Wortlaut der Klausel lediglich die Verjährung von Haftungsansprüchen gegen den Treuhänder geregelt. Unter Haftungsansprüchen sind Schadensersatzansprüche zu verstehen, nicht aber vertragliche Ansprüche auf Herausgabe des zur Ausführung des Auftrages Erhaltenen und des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten nach § 667 BGB. Das ergibt sich eindeutig aus dem Zusammenhang der Verjährungsklausel in § 3 Nr. 4 mit der Regelung des § 3 Nr. 2, nach der der Treuhänder bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet, aber auch aus dem mit § 3 Nr. 3 des Treuhandvertrages. Danach sind bei einem Haftungsfall die Ansprüche der Gesellschafter auf die Leistungen beschränkt, die der Treuhänder aufgrund der Inanspruchnahme seiner Haftpflichtversicherung erhält. Eine Haftpflichtversicherung tritt indes nur bei Schadensersatzansprüchen aus schuldhafter Pflichtverletzung, nicht aber bei Herausgabeansprüchen nach § 667 BGB ein.

Auf die Frage, ob eine Erstreckung der Klausel auf Herausgabeansprüche nach § 667 BGB auch wegen der Unklarheitenregel des § 5 AGBG ausscheidet (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, WM 2003, 2382, 2384), kommt es danach nicht an.

III.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird nun zu klären haben, in welchem Umfang der Beklagte über die Gelder der Kläger entgegen den Bestimmungen des Treuhandvertrages verfügt hat.



Ende der Entscheidung

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