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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.01.2002
Aktenzeichen: XI ZR 31/01
Rechtsgebiete: VerbrKrG


Vorschriften:

VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2
VerbrKrG § 7
Das Widerrufsrecht nach § 7 VerbrKrG ist auch dann durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen, wenn nicht bereits der Abschluß des Kreditvertrages, sondern erst die tatsächliche Gewährung des Kredits von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht ist.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 31/01

Verkündet am: 22. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. November 2000 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 11. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren als Gesamtschuldner zu tragen. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Realkreditvertrages. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Anfang April 1996 schlossen die Beklagten zur Finanzierung eines Bauvorhabens mit der klagenden Hypothekenbank einen Darlehensvertrag über 4 Millionen DM. Bis zum Ende der Festschreibungszeit am 31. März 1997 wurden als Konditionen u.a. ein Zinssatz von 6,15% jährlich sowie Bereitstellungszinsen von 0,25% pro Monat ab 15. April 1996 vereinbart. Als Sicherheiten sollten die Eintragung einer vollstreckbaren Grundschuld über 2.920.000 DM im Grundbuch des Beleihungsobjekts sowie die Abtretung einer dort bereits - zugunsten der K. Bank eG - eingetragenen Grundschuld von 1.080.000 DM dienen. Ferner war vereinbart, daß der Klägerin vor Auszahlung eines Darlehensteilbetrages von 1 Million DM zur Ablösung der Finanzierung bei der K. Bank eG eine Reihe von Unterlagen vorzulegen waren.

Nach mehreren erfolglosen Aufforderungen, alle im Darlehensvertrag genannten Dokumente vorzulegen, forderte die Klägerin Bereitstellungszinsen. Die Beklagten kündigten daraufhin mit Schreiben vom 27. Januar 1997 den Darlehensvertrag ohne Angabe von Gründen fristlos aus wichtigem Grund, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Termin.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 20.527,45 DM sowie die vereinbarten Bereitstellungszinsen für die Zeit vom 15. April 1996 bis 31. Januar 1997 in Höhe von 95.333,33 DM. Die Beklagten haben geltend gemacht, sie hätten den Darlehensvertrag mit ihrer Kündigung vom 27. Januar 1997 rechtzeitig widerrufen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in WM 2001, 1859 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagten hätten ihre Darlehensvertragserklärung am 27. Januar 1997 gemäß § 7 VerbrKrG wirksam widerrufen. Die Anwendbarkeit von § 7 VerbrKrG sei nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen, weil der Kredit nicht von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht worden sei. Die Bestellung eines Grundpfandrechts sei nicht Voraussetzung für den wirksamen Abschluß des Vertrages, sondern nur für die Auszahlung des Darlehens gewesen. Der Darlehensvertrag habe auch ohne vorherige Bestellung von Grundpfandrechten wirksam abgeschlossen werden sollen. Dann aber liege kein "Abhängigmachen" des Kredits von der Bestellung von Grundpfandrechten im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG vor. Wäre § 7 VerbrKrG bereits dann ausgeschlossen, wenn die Bestellung von Grundpfandrechten erst für die Auszahlung des Kredits erforderlich sei, wäre die Warnfunktion bzw. der Übereilungsschutz, der der - vorherigen - Bestellung von Grundpfandrechten zukommen und den Ausschluß des Widerrufsrechts rechtfertigen solle, nicht gegeben. Denn die Bestellung des Grundpfandrechts erfolge dann unter Umständen erst, wenn der Vertrag bereits wirksam geschlossen sei, so daß für den Verbraucher keine Überlegungszeit mehr bestehe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Widerrufsrecht der Beklagten aus § 7 VerbrKrG sei nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen, weil ein "Abhängigmachen" des Kredits von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht nicht vorliege, wenn die Bestellung des Grundpfandrechts erst für die Auszahlung des Kredits, nicht aber für den Abschluß des Kreditvertrages erforderlich sei, ist rechtsfehlerhaft.

1. Der erkennende Senat ist bisher als selbstverständlich davon ausgegangen, daß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG eingreift, wenn die tatsächliche Gewährung des Kredits vereinbarungsgemäß von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht worden ist (Senatsbeschluß vom 29. November 1999 - XI ZR 91/99, WM 2000, 26; Senatsurteil vom 18. April 2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247). Dies entspricht auch der einhelligen Meinung der Literatur (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Bearb. 2001 § 3 VerbrKrG Rdn. 32; MünchKomm/Ulmer, BGB 3. Aufl. § 3 VerbrKrG Rdn. 27; Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 3 VerbrKrG Rdn. 27; Erman/Rebmann, BGB 10. Aufl. § 3 VerbrKrG Rdn. 8; Bülow, VerbrKrG 4. Aufl. § 3 Rdn. 80; ders. WM 2001, 2225, 2226; Graf v. Westphalen in: Graf v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl. § 3 Rdn. 86; Münstermann/Hannes, VerbrKrG § 3 Rdn. 159). Daran ist festzuhalten.

2. Die - soweit ersichtlich - bisher nur vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, bereits der wirksame Abschluß des Realkreditvertrages müsse von der Bestellung eines Grundpfandrechts abhängig gemacht werden, ist mit dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG sowie dessen Sinnzusammenhang unvereinbar und wird auch von der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht gestützt.

a) § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG unterscheidet ausdrücklich zwischen "Kreditverträgen" und "Krediten". Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 VerbrKrG ist ein Kreditvertrag ein Vertrag, durch den ein Kreditgeber einem Verbraucher einen entgeltlichen Kredit - u.a. - in Form eines Darlehens gewährt oder zu gewähren verspricht. Nichts spricht dafür, daß der Begriff "Kreditvertrag" in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht in diesem Sinn zu verstehen ist. Als Kreditvertrag ist danach nur der schuldrechtliche Verpflichtungsvertrag, nicht aber die tatsächliche Auszahlung der Kreditvaluta anzusehen (Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 1 VerbrKrG Rdn. 36). Diese stellt die Gewährung des Kredits im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrKrG dar. Schon dies spricht dagegen, den Begriff "Kredit" in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG dahingehend auszulegen, daß es sich hierbei um den - schuldrechtlichen - "Kreditvertrag" handele.

b) Insbesondere aber ist die Ansicht des Berufungsgerichts mit der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 g VerbrKrG a.F. unvereinbar. Danach muß bei Kreditverträgen die vom Verbraucher zu unterzeichnende Erklärung Angaben über "zu bestellende Sicherheiten" enthalten. Die Sicherheiten müssen also erst in der Zukunft, d.h. nach dem Abschluß des Kreditvertrages bestellt werden. Es entspricht deshalb einhelliger Meinung in der Literatur, daß die Bestellung der Sicherheiten in dem Kreditvertrag selbst nicht enthalten sein muß, sondern daß es ausreicht, wenn nur die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung der Sicherheiten hier aufgenommen wird (MünchKomm/Ulmer, BGB 3. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 54; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Bearb. 2001 § 4 VerbrKrG Rdn. 65; Soergel/Häuser, BGB § 4 VerbrKrG Rdn. 56; Erman/Rebmann, BGB 10. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 20; Bülow VerbrKrG 4. Aufl. § 4 Rdn. 109; Wagner-Wieduwilt in: Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 122; v. Rottenburg in: Graf v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 148; Münstermann/Hannes, VerbrKrG § 4 Rdn. 227; Metz, VerbrKrG § 4 Rdn. 31).

c) Hiervon ging auch bereits der Regierungsentwurf für ein Verbraucherkreditgesetz aus dem Jahre 1989 aus (BT-Drucks. 11/5462, S. 20). Das Berufungsgericht vermag sich für seine Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und die Gesetzesmaterialien zu stützen. Es ist allerdings richtig, daß in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 2 VerbrKrG (jetzt § 3 VerbrKrG) u.a. davon die Rede ist (BT-Drucks. 11/5462, S. 18), daß die Sicherstellung durch einzutragende Pfandrechte zusätzlich warnend wirke, so daß jeder Nachfrager zu besonderer Umsicht gemahnt sei. Diese Ausführungen sind jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, daß nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Regierungsentwurfs das Verbraucherkreditgesetz auf zu üblichen Bedingungen gewährte grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite insgesamt nicht anwendbar sein sollte (BT-Drucks. 11/5462, S. 4), weil eine wesentliche Gefährdung der Verbraucherinteressen hier nicht zu befürchten sei. Der Bundesrat sowie ihm folgend der Rechtsausschuß des Bundestages erachteten den vollständigen Ausschluß der Realkredite aus dem Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes jedoch nicht für sachgerecht; statt dessen sollten lediglich die insoweit nicht passenden Vorschriften - darunter die über den Widerruf - keine Anwendung finden (BT-Drucks. 11/5462, S. 35; BT-Drucks. 11/8274, S. 21). Mit diesem Inhalt ist das Verbraucherkreditgesetz dann verabschiedet worden. Die vom Berufungsgericht als maßgebend angesehene Erwägung hat damit im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens ihre Bedeutung verloren.

d) Es kann danach keinem Zweifel unterliegen, daß den Beklagten das Widerrufsrecht aus § 7 VerbrKrG nicht zustand.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da die Höhe der Bereitstellungszinsen und der Nichtabnahmeentschädigung unstreitig und weitere Feststellungen nicht zu treffen waren, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die Berufung der Beklagten zurückweisen.

Ende der Entscheidung

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