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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.01.2002
Aktenzeichen: XI ZR 331/00
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 826
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263
StGB § 265 b
ZPO a.F. § 554 Abs. 3 Nr. 3
ZPO a.F. § 539
ZPO a.F. § 543 Abs. 2
ZPO a.F. § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO a.F. § 565 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 5
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 331/00

Verkündet am: 22. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten zu 2) wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 2. November 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Gerichtskosten des Revisionsverfahrens werden nicht erhoben. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges dem Berufungsgericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Sparkasse macht gegen die beklagte Steuerberatungsgesellschaft (Beklagte zu 1) und deren Büroleiter (Beklagter zu 2) als Gesamtschuldner Schadensersatzansprüche geltend. Sie wirft ihnen nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils insbesondere vor, sie hätten für die später in Konkurs gefallene B. GmbH & Co. Immobilien KG (im folgenden: Gemeinschuldnerin) einen falschen Jahresabschluß zum 31. Dezember 1995 erstellt. Auf dessen Grundlage habe sie der Gemeinschuldnerin Kredite gewährt und dadurch Verluste erlitten.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen, da Schadensersatzansprüche gegen ihn unter keinem rechtlichen Gesichtpunkt begründet seien. Das Oberlandesgericht hat das Teilurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte zu 2) weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten zu 2) ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil keinen Tatbestand enthält, hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Der Rechtsstreit sei nicht nur im Hinblick auf die Beklagte zu 1) sondern auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) nicht entscheidungsreif. Deshalb sei der Erlaß eines klageabweisenden Teilurteils nicht zulässig gewesen, so daß die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen sei. In Frage kämen quasi-vertragliche Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo. Die Klägerin trage vor, der Beklagte zu 2) sei als eine Art Geschäftsleiter in sämtliche Geschäftsvorfälle der Gemeinschuldnerin eingebunden gewesen. Er sei über deren Geschicke bestens informiert gewesen und habe sie umfassend steuerlich und betriebswirtschaftlich beraten. Insbesondere habe er die Kreditverhandlungen mit der Klägerin für die Gemeinschuldnerin geführt. Dazu habe die Klägerin Schriftwechsel vorgelegt, der dies belege. Sei dieses Vorbringen richtig, so komme eine Eigenhaftung des Beklagten zu 2) als Sachwalter oder Verhandlungsgehilfe in Betracht; denn er habe gegenüber der Klägerin als Vertragspartnerin der Gemeinschuldnerin besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen beeinflußt. Das gehe insbesondere aus den von ihm gefertigten und unterschriebenen Schreiben der Beklagten zu 1) an die Klägerin hervor. Darin seien die verschiedenen Projekte der Gemeinschuldnerin, für die Kreditmittel benötigt worden seien, als erfolgversprechend dargestellt worden.

Die Klägerin habe auch deliktische Anspruchsgrundlagen schlüssig dargelegt. Seien die Jahresabschlüsse fehlerhaft gewesen, habe dies der Beklagte zu 2) gewußt. Da ihm klar gewesen sei, daß die Jahresabschlüsse als Unterlage für die Kreditgewährung hätten dienen sollen, und die Klägerin bei der Kreditgewährung auf die Richtigkeit der Jahresabschlüsse vertraut habe, hafte der Beklagte zu 2) sowohl nach § 826 BGB als auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 263, 265 b StGB.

Die Sache sei deshalb zwecks Beweiserhebung an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

1. Die Revision ist zulässig.

a) Der Beklagte zu 2) ist durch die zurückverweisende Entscheidung des Berufungsgerichts beschwert, da seinem Antrag auf sachliche Entscheidung nicht entsprochen worden ist (BGHZ 59, 82, 83).

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beklagte zu 2) die Revision in einer den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO a.F. genügenden Form begründet. Sie beanstandet, das Berufungsgericht habe den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, obwohl dieses die gegen den Beklagten gerichtete Klage zu Recht mangels Schlüssigkeit durch Teilurteil (§ 301 ZPO) abgewiesen habe. Das läßt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß die fehlerhafte Anwendung des § 539 ZPO a.F. gerügt wird. Einer ausdrücklichen Erwähnung dieser Vorschrift bedurfte es zur Bezeichnung des mit der Revision gerügten Verfahrensmangels nicht (BGHZ 18, 107, 108; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1989 - I ZR 22/88, WRP 1990, 274, 275).

2. Die Revision beanstandet das Berufungsurteil zu Recht.

Das Berufungsurteil muß schon deshalb aufgehoben werden, weil es entgegen § 543 Abs. 2 a.F., § 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO keinen Tatbestand enthält und ein solcher hier auch nicht nach § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. entbehrlich war. Obwohl das Berufungsgericht den Wert der Beschwer (§ 546 Abs. 2 ZPO a.F.) auf über 60.000 DM festgesetzt und damit das Berufungsurteil für revisibel gehalten hat, hat es auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet. Es hat auch nicht auf das Urteil des Landgerichts und die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es entgegen den gesetzlichen Bestimmungen keinen Tatbestand enthält (vgl. BGHZ 73, 248, 249 ff.; BGH, Urteile vom 1. Juli 1997 - VI ZR 313/96, NJW-RR 1997, 1486, vom 5. Mai 1998 - VI ZR 24/97, NJW 1998, 2368, 2369 und vom 1. Februar 1999 - II ZR 176/97, WM 1999, 871, jeweils m.w.Nachw.); denn einem solchen Urteil kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so daß diese einer Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht zugänglich ist. Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt (BGH, Urteil vom 1. Februar 1999 - II ZR 176/97, WM 1999, 871 m.w.Nachw.). Ein solcher Ausnahmefall ist um so weniger anzunehmen, wenn es im Berufungsurteil bereits an einer Wiedergabe der gestellten Anträge fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1998 - VI ZR 24/97 aaO). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich anhand der Akten selbst ein Bild vom Sach- und Streitstand zu verschaffen (BGHZ 73, 248, 250).

b) Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Es fehlt schon an der Wiedergabe der gestellten Anträge im Berufungsurteil. Überdies sind die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils aus sich heraus nicht hinreichend verständlich. Ihnen ist nicht einmal zu entnehmen, welches Unternehmen die Gemeinschuldnerin betrieben hat und in welche konkreten Geschäftsvorfälle der Gemeinschuldnerin der Beklagte zu 2) eingebunden gewesen sein soll. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte zu 2) über das gewöhnliche Auftreten eines Abschluß- oder Verhandlungsgehilfen hinaus durch Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens oder wegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses gleichsam in eigener Sache tätig geworden ist, so daß eine Eigenhaftung in Betracht zu ziehen wäre (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Oktober 1989 - XI ZR 173/88, NJW 1990, 506; BGH, Urteil vom 29. Januar 1997 - VIII ZR 356/95, WM 1997, 1431, 1432, jeweils m.w.Nachw.).

Soweit sich das ohne einen Tatbestand nach Aktenlage beurteilen läßt, fehlt ein solches Vorbringen ebenso wie substantiierter Vortrag der Klägerin zu den subjektiven Voraussetzungen einer deliktischen Haftung des Beklagten zu 2) nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 263, 265 b StGB jedenfalls in erster Instanz, so daß die Zurückverweisung der Sache jeder Grundlage entbehrt.

III.

Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und, da der Senat nicht selbst entscheiden kann, zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).

Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch gemacht.

Von der Erhebung der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens hat der Senat gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 76/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 2).



Ende der Entscheidung

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