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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.02.2004
Aktenzeichen: XI ZR 36/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 599
ZPO § 600
a) Bei einem Urkundenprozeß sind diejenigen Teile des Streitverhältnisses, die im Vorbehaltsurteil beschieden werden mußten, damit es überhaupt ergehen konnte, als endgültig beschieden dem Streit im Nachverfahren entzogen.

b) Der Beklagte kann im Nachverfahren die Echtheit einer Privaturkunde nicht nur dann bestreiten, wenn er sich dazu im Urkundenprozeß nicht erklärt hat, sondern auch dann, wenn das Gericht sein Bestreiten im Urkundenprozeß nicht als ausreichend angesehen und die Echtheit der Urkunde daher keiner Prüfung unterzogen hat.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 36/03

Verkündet am: 10. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem angeblichen Schuldanerkenntnis in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist im Besitz einer von dem Rechtsbeistand S. "beglaubigten" Ablichtung einer angeblich vom Beklagten am 16. Januar 1984 unterschriebenen Urkunde des Inhalts, daß der Beklagte anerkenne, ihr 250.000 DM nebst 8% Zinsen seit dem 1. Januar 1983 zu schulden. Diese Ablichtung ist ihr von dem Rechtsbeistand S. mit einem Begleitschreiben vom 17. Januar 1984 übersandt worden. Sie forderte den Beklagten erstmals im Jahre 2001 zur Zahlung der 250.000 DM nebst 8% Zinsen seit dem 1. Januar 1983 in Höhe von insgesamt 365.041,10 DM auf.

Da der Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, hat die Klägerin im Urkundenprozeß ein rechtskräftig gewordenes Vorbehaltsurteil des Landgerichts über 250.000 DM zuzüglich Zinsen erwirkt. Im Nachverfahren streiten die Parteien insbesondere über die Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses, wobei der Beklagte unter anderem die Echtheit seiner Unterschrift bestreitet und hilfsweise behauptet, nur zum Schein unterschrieben zu haben. Der Beklagte macht ferner geltend, im Falle der Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses sei dieses ohne Rechtsgrund abgegeben worden. Er hat außerdem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat sein Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht des Landgerichts gefolgt, daß die Klägerin die Voraussetzungen eines wirksamen Schuldanerkenntnisses nicht dargetan habe, und hat dies im wesentlichen wie folgt begründet:

§ 781 Satz 1 BGB setze für die Gültigkeit eines Schuldanerkenntnisses die schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung voraus. Die bloße Unterschrift unter eine entsprechende Urkunde genüge dafür nicht. Erforderlich seien vielmehr Übergabe und Zugang der Urkunde an den Gläubiger mit Willen des Schuldners. Dabei müsse es sich - ebenso wie in dem gleichgelagerten Fall der Bürgschaftserteilung - um die Urschrift der Urkunde oder zumindest - im Anwendungsbereich der §§ 45, 47 BeurkG - um eine beglaubigte Ausfertigung handeln.

Diesen Erfordernissen genüge die der Klägerin übersandte, von einem Rechtsbeistand beglaubigte Ablichtung der Anerkenntnisurkunde nicht. Die Urschrift der Urkunde sei der Klägerin nicht zugegangen und auch nicht von dem Rechtsbeistand als Vertreter der persönlich nicht anwesenden Klägerin entgegengenommen worden.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob das Berufungsurteil bereits deshalb aufgehoben werden müßte, weil es die Berufungsanträge nicht enthält, deren Aufnahme durch den neuen § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht entbehrlich geworden und daher auch nach neuem Recht unverzichtbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, NJW 2003, 1743, zum Abdruck in BGHZ 154, 99 vorgesehen, vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02, WM 2003, 2424, 2425 und vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; Senatsurteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03, Umdruck S. 5). Selbst wenn man diesen Fehler mit der Begründung für unschädlich hielte, daß das Petitum der Berufungsklägerin aus dem übrigen Inhalt des Berufungsurteils hinreichend deutlich erkennbar sei (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003, vom 6. Juni 2003, vom 30. September 2003 und vom 13. Januar 2004, jeweils aaO), könnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben.

2. Dieses Urteil ist jedenfalls deshalb rechtsfehlerhaft, weil es - ebenso wie bereits das klageabweisende landgerichtliche Urteil - auf einer Verkennung der Bindungswirkung des rechtskräftigen Vorbehaltsurteils des Landgerichts beruht.

a) Ein Vorbehaltsurteil im Urkundenprozeß entfaltet insoweit Bindungswirkung für das Nachverfahren, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozeß beruht. Daraus folgt, daß diejenigen Teile des Streitverhältnisses, die im Vorbehaltsurteil beschieden werden mußten, damit es überhaupt ergehen konnte, als endgültig beschieden dem Streit entzogen sind (BGHZ 82, 115, 117 ff.; BGH, Urteile vom 1. Oktober 1987 - III ZR 134/86, WM 1987, 1416, 1417 und vom 13. Februar 1989 - II ZR 110/88, WM 1989, 868, 870; Senatsurteil vom 24. November 1992 - XI ZR 86/92, WM 1993, 99, 100).

b) Zu diesen Teilen gehört hier die Frage, ob der Gültigkeit des Schuldanerkenntnisses der Umstand entgegensteht, daß die Urschrift der Anerkenntnisurkunde der Klägerin nicht zugegangen ist. Die insoweit bedeutsamen Tatsachen waren bereits im Vorverfahren von der Klägerin vorgetragen und dort unter dem Gesichtspunkt der Schlüssigkeit der Klage von Amts wegen zu prüfen. Wenn dies nicht geschehen ist, so ändert das an der Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils nichts. Dieses beruht insoweit nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozeß, sondern, falls die von beiden Vorinstanzen im Nachverfahren vertretene Rechtsansicht zutreffend sein sollte, auf einem Fehler bei der Rechtsanwendung. Die Klage hätte dann bereits im Urkundenprozeß als unbegründet abgewiesen werden müssen.

Da dies nicht geschehen ist, war das Landgericht durch die Bindungswirkung seines rechtskräftigen Vorbehaltsurteils gehindert, die Klage mit der Begründung abzuweisen, die Urschrift der Schuldanerkenntnisurkunde sei der Klägerin nicht zugegangen. Das Berufungsurteil, das diese Klageabweisung mit der gleichen Begründung bestätigt hat, beruht deshalb auf einem Rechtsfehler.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird sich mit den zahlreichen von der Bindungswirkung des landgerichtlichen Vorbehaltsurteils nicht betroffenen Einwänden des Beklagten gegen die Klageforderung zu befassen und dabei die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben. Das gilt auch für die umstrittene Frage der Echtheit der Unterschrift des Beklagten unter der Anerkenntnisurkunde, die der Prüfung im Nachverfahren nicht durch die Bindungswirkung des landgerichtlichen Vorbehaltsurteils entzogen ist. Der Bundesgerichtshof hat anerkannt, daß ein Beklagter, der die Echtheit seiner Unterschrift im Urkundenprozeß nicht bestritten hat, dies im Nachverfahren wirksam nachholen kann, weil im Urkundenprozeß für das Gericht noch kein Anlaß bestand, die Echtheit der Unterschrift zu prüfen (BGHZ 82, 115, 116 ff.). Dasselbe muß dann gelten, wenn das Gericht, wie hier, im Urkundenprozeß deshalb nicht in eine Prüfung der Echtheit der Unterschrift eingetreten ist, weil es das Bestreiten des Beklagten als nicht ausreichend und die Echtheit der Unterschrift daher als zugestanden angesehen hat.

Die Bindungswirkung des Berufungsurteils schließt die erstmals im Nachverfahren erhobene und daher früher nicht zu prüfende Einrede der Verjährung, der jedenfalls für einen erheblichen Teil der umfangreichen Zinsforderung der Klägerin Bedeutung zukommen kann (§ 197 BGB a.F.), ebenfalls nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1991 - IX ZR 18/91, WM 1992, 159, 161).



Ende der Entscheidung

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