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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: XI ZR 360/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 765
Zur Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers im Verhältnis zum Bürgen, wenn die Hauptverbindlichkeit aus einem Kontokorrent-Konto resultiert.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 360/00

Verkündet am: 18. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Joeres

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. November 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 24. April 1997 auch hinsichtlich eines Betrages von 76.389,38 DM nebst 12,875% Zinsen hieraus seit dem 28. Januar 1994 zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 15. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der beklagten Volksbank die Rückzahlung von Beträgen, die diese aus der Zwangsvollstreckung dreier Versäumnisurteile erlangt hat, sowie Schadensersatz wegen angeblich nicht vereinbarungsgemäßer Gewährung eines Kredits. Die Beklagte hat gegen einen Teil der Klageansprüche mit Bürgschaftsforderungen aufgerechnet. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte war die Hausbank der R. GmbH + Co. KG (im folgenden: R. KG). Der Kläger war der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der R. KG. Er verbürgte sich gegenüber der Beklagten selbstschuldnerisch für alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten der R. KG bis zum Betrag von 530.000 DM. Nach Kündigung sämtlicher Kredite nahm die Beklagte den Kläger als Bürgen in drei Parallelverfahren vor dem Landgericht H. (1 O 171/87, 1 O 172/87 und 1 O 173/87) auf Zahlung von Teilbeträgen in Höhe von jeweils 100.000 DM in Anspruch und erwirkte entsprechende Versäumnisurteile, die formell rechtskräftig wurden.

Auf der Grundlage des Versäumnisurteils 1 O 172/87 ließ die Beklagte die Ansprüche des Klägers gegen die D.-bank auf Rückgewähr von freien Sicherheiten pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Daraufhin erhielt sie den Rückkaufwert einer Lebensversicherung in Höhe von 76.389,38 DM ausbezahlt.

Mit Urteil vom 18. November 1993 (BGHZ 124, 164) erklärte der Bundesgerichtshof die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts H. 1 O 173/87 für unzulässig, weil dieses Urteil wegen Unbestimmbarkeit des Streitgegenstands nicht der materiellen Rechtskraft fähig sei. Die Parteien sind sich inzwischen darüber einig, daß Entsprechendes auch für die anderen beiden Versäumnisurteile gilt.

Im Hinblick darauf verlangt der Kläger von der Beklagten Rückzahlung der 76.389,38 DM und anderer bei ihm beigetriebener bzw. in der Zwangsversteigerung erlöster Beträge nebst Zinsen. Gegen diese Klageansprüche hat die Beklagte mit Bürgschaftsforderungen aufgerechnet.

Das Landgericht hat der Klage teilweise, unter anderem wegen des Anspruchs von 76.389,38 DM, stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat in seinem ersten Berufungsurteil die beiderseitigen Berufungen im wesentlichen zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11. Mai 1999 (IX ZR 423/97, WM 1999, 1499) dieses Berufungsurteil hinsichtlich des Anspruchs von 76.389,38 DM nebst Zinsen aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Danach hat der Kläger im Wege einer als Anschlußberufung zu wertenden Klageerweiterung die Zahlung weiterer 2.219.332,40 DM nebst Zinsen als Schadensersatz wegen einer angeblich nicht vereinbarungsgemäßen Gewährung eines Kredits verlangt. Das Oberlandesgericht hat in seinem zweiten Berufungsurteil die Berufung der Beklagten auch hinsichtlich des noch im Streit befindlichen Anspruchs auf 76.389,38 DM nebst Zinsen sowie die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Senat hat nur die Revision der Beklagten angenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zu dem Anspruch auf 76.389,38 DM im wesentlichen ausgeführt:

Dieser Anspruch, der dem Kläger gegen die Beklagte als bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zustehe, sei nicht durch die Aufrechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 12. September 1994 mit dem behaupteten Saldo auf dem Kontokorrentkonto Nr. 9... erloschen. Die Aufrechnung sei nicht wirksam, weil es sich bei dem seitens der Beklagten vorgelegten Kontoauszug vom 30. Juni 1986 lediglich um einen Tagesauszug und nicht um einen periodischen Rechnungsabschluß im Sinne des § 355 Abs. 2 HGB, der Gegenstand eines Saldoanerkenntnisses hätte sein können, gehandelt habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Unzutreffend spricht das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen von einer Aufrechnung der Beklagten mit dem Saldo des Kontokorrentkontos Nr. 9.... Tatsächlich hat die Beklagte, wie im Tatbestand des Berufungsurteils zutreffend wiedergegeben, mit Bürgschaftsforderungen gegen den Kläger aufgerechnet. Dabei hat sie in ihrem Schriftsatz vom 12. September 1994 gegen die hier interessierende Forderung des Klägers von 76.389,38 DM ihre Bürgschaftsforderung gegen den Kläger wegen des behaupteten Sollsaldos auf dem Konto Nr. 9... zur Aufrechnung gestellt. Diese Saldoforderung richtet sich gegen die R. KG, für deren Verbindlichkeiten der Kläger sich verbürgt hatte.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Aufrechnung mit der Begründung die Wirksamkeit abgesprochen, der von der Beklagten vorgelegte Kontoauszug vom 30. Juni 1986 sei kein periodischer Rechnungsabschluß im Sinne des § 355 Abs. 2 HGB.

a) Wie der Bundesgerichtshof in seinem ersten Revisionsurteil in dieser Sache vom 11. Mai 1999 (aaO S. 1500 f.) im einzelnen dargelegt hat, gilt zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger dieselbe Beweislastverteilung wie zwischen diesem und dem Hauptschuldner. Der Gläubiger hat daher auch im Verhältnis zum Bürgen die tatsächlichen Voraussetzungen für das Entstehen und die Fälligkeit der Verbindlichkeit des Hauptschuldners darzulegen und zu beweisen, während es dem Bürgen obliegt, Gründe für einen etwaigen - vollständigen oder teilweisen - Untergang dieser Verbindlichkeit darzutun und nachzuweisen.

Resultiert die Verbindlichkeit des Hauptschuldners aus einem im Kontokorrent geführten Konto, so kommt dem Gläubiger ein vom Hauptschuldner anerkannter Abschlußsaldo auch im Verhältnis zum Bürgen zugute. Er kann sich auf das abstrakte Saldoanerkenntnis berufen und braucht die Einzelpositionen nicht darzulegen und zu beweisen, die dem anerkannten Saldo zugrunde liegen. Unabhängig vom Vorliegen eines anerkannten Abschlußsaldos kann der Gläubiger jedoch gegenüber dem Bürgen ebenso wie im Verhältnis zum Hauptschuldner seine Kontoforderung auch dadurch dartun, daß er die einzelnen Positionen darlegt und beweist, die zu der Kontoforderung geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 1991 - XI ZR 214/90, WM 1991, 1294, 1295).

b) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, nicht berücksichtigt, daß die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. September 1999 behauptet und durch Benennung ihres Kreditsachbearbeiters Ha. als Zeugen unter Beweis gestellt hat, daß der Kläger als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin den Rechnungsabschluß des Kontos 9... zum 30. Juni 1986 mit einem Sollsaldo von 127.865 DM erhalten und innerhalb der Monatsfrist nicht widersprochen habe. In diesem Vortrag liegt die Darlegung eines Saldoanerkenntnisses, mit der das Berufungsgericht sich hätte auseinandersetzen müssen.

Der unstreitige Umstand, daß die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 22. August 2000 vorgelegte Kontoübersicht zum 30. Juni 1986 keinen Rechnungsabschluß darstellt, ändert daran entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts. Die Beklagte hat diesen Tagesauszug in ihrem Schriftsatz nicht als Rechnungsabschluß bezeichnet, sondern nur vorgetragen, er entspreche dem Rechnungsabschluß.

c) Mit Recht rügt die Revision auch, daß das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 9. September 1999 übergangen hat, mit dem sie unter Beifügung umfangreicher Aufstellungen und unter Benennung ihres Kreditsachbearbeiters Ha. als Zeugen die Entwicklung des Kontos 9... unabhängig von dem behaupteten Saldoanerkenntnis im einzelnen dargelegt hat. Da der Gläubiger aus einem Kontokorrentverhältnis seine Forderung sowohl mit Hilfe eines Saldoanerkenntnisses als auch durch die Darlegung der einzelnen ihr zugrunde liegenden Positionen begründen kann, hätte das Berufungsgericht der Aufrechnung nicht die Anerkennung versagen dürfen, ohne sich auch mit diesem Vorbringen der Beklagten auseinandergesetzt zu haben.

Daran ändert es nichts, daß der Bundesgerichtshof in seinem ersten Revisionsurteil in dieser Sache (aaO S. 1501 unter D) den Hinweis gegeben hatte, die Frage, ob die Aufrechnung der Beklagten durchgreife, hänge davon ab, ob die Beklagte dem Kläger per 30. Juni 1986 einen unwidersprochen gebliebenen Rechnungsabschluß erteilt habe und ob der Saldo vom 8. August 1996 mit dem anerkannten Saldo übereinstimme. Dieser Hinweis bezog sich auf den damaligen Sach- und Streitstand. Er konnte weder die Beklagte daran hindern, im weiteren Verlauf des Rechtsstreits auch unabhängig von der umstrittenen Frage des Saldoanerkenntnisses zum Zustandekommen ihrer Kontoforderung vorzutragen, noch das Berufungsgericht davon entbinden, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, soweit die Berufung der Beklagten hinsichtlich eines Betrages von 76.389,38 DM nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist (§ 564 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif, weil tatrichterliche Feststellungen zu den vom Kläger bestrittenen Behauptungen der Beklagten sowohl über das Vorhandensein eines das Konto Nr. 9... betreffenden Saldoanerkenntnisses als auch über die Einzelheiten der Entwicklung des genannten Kontos fehlen. Im Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Ende der Entscheidung

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