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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: XI ZR 74/05
Rechtsgebiete: BGB, AGB-Banken


Vorschriften:

BGB § 676f
BGB § 1812
BGB § 1813
AGB-Banken F. 04/2002 Nr. 19 Abs. 1
a) Die Teilkündigung einzelner Leistungselemente (hier: Lastschriften abzubuchen, Daueraufträge auszuführen und in Bankbriefkästen eingeworfene Überweisungen zu bearbeiten) eines zu banküblichen Bedingungen geschlossenen Girovertrages ist unzulässig, weil durch sie einseitig der Inhalt des Vertrages verändert werden soll, ohne dass es sich bei den gekündigten Leistungen um abtrennbare Geschäftsbeziehungen im Sinne von Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken handelt.

b) Der gesondert zum Girovertrag abgeschlossene Bankkartenvertrag, der dem Bankkunden die Nutzung einer Bank-/EC-Karte mit PIN ermöglicht, wird nicht durch den Ablauf des Gültigkeitsdatums der ausgegebenen Karte automatisch beendet; er kann aber unabhängig vom Girovertrag gekündigt werden.

c) Die Pflichten aus §§ 1812, 1813 BGB zum Schutz von betreuten Menschen treffen grundsätzlich nicht die beteiligten Kreditinstitute.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 74/05

Verkündet am: 8. November 2005

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 25. Mai 2004 abgeändert und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. Februar 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin festgestellt ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, Geldabhebungen mit der Bank-/EC-Karte samt Geheimnummer an Geldautomaten zu gewährleisten. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Rechtsmittel der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Girovertrages. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht seit 1988 ein Girovertrag. Die Klägerin ist seit 1998 unter Betreuung gestellt, welche auch die Vermögenssorge umfasst. Dem Betreuer, einem Rechtsanwalt, stellte die Beklagte im Jahr 1999 für das Girokonto der Klägerin eine "BankCard online" mit PIN zur Verfügung. Im Jahr 2001 übersandte die Beklagte ihm eine neue Karte, gültig bis zum 31. Dezember 2004.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2003 forderte die Beklagte den Betreuer auf, er solle ihr binnen vier Wochen mitteilen, ob er befreiter oder nicht befreiter Betreuer sei. Bei einem nicht befreiten Betreuer müsse sie jede Kontoverfügung manuell überprüfen, um sicherstellen zu können, dass für Kontoverfügungen bei einem Kontostand über 3.000 € die erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung vorliege. Sie werde nach Ablauf von vier Wochen die maschinelle Kontoführung einstellen, wenn er ihr bis dahin nicht nachgewiesen habe, dass er ein befreiter Betreuer sei oder über eine entsprechende allgemeine vormundschaftliche Befreiung verfüge. Lastschriften und Daueraufträge seien dann anders als bisher nicht mehr durchführbar. Weiterhin möglich blieben Überweisungen und Bargeldabhebungen nach manueller Prüfung durch eine Schalterkraft.

Eine vom Betreuer daraufhin beantragte allgemeine Befreiung oder Ermächtigung im Sinne von §§ 1817 und 1825 BGB wurde vom zuständigen Vormundschaftsgericht abgelehnt. Dem Betreuer sind von der Beklagten daher Verfügungen über das Konto mittels Daueraufträgen, Lastschriften, Überweisungen per Einwurf in den Bankbriefkasten und mittels "BankCard online" sowie Geldabhebungen am Geldausgabeautomaten versagt worden. Das Konto der Klägerin, einer Sozialhilfeempfängerin, wies während der gesamten Zeit der Betreuung nie einen Guthabenbetrag von mehr als 3.000 € auf.

Mit der Klage begehrt der Kläger Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Kontodeckung den bestehenden Girokontovertrag mit der Klägerin unter Beachtung der gesetzlichen (betreuungsrechtlichen) Bestimmungen voll umfänglich zu erfüllen, insbesondere Lastschriften und Daueraufträge auszuführen, Überweisungen auch durch Einwurf in die vorgesehenen Behältnisse (Briefkästen) zu akzeptieren und zu bearbeiten sowie die Geldabhebung mit der Bank-/EC-Karte samt Geheimnummer an den Geldautomaten zu gewährleisten.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nur teilweise begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 676f BGB zur Fortführung des Girovertrages zu den ursprünglichen Konditionen verpflichtet. Die maschinelle Kontoführung sei Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages geworden. Die Durchführung des Lastschriftverfahrens obliege der Beklagten gemäß § 676f BGB als Hauptleistungspflicht. Zur Durchführung von Daueraufträgen sei die Beklagte aufgrund der bis zum 7. Oktober 2003 unbeanstandeten Praxis zwischen den Parteien verpflichtet. Hierin liege eine stillschweigende Vereinbarung der Zulässigkeit dieser Kontoführungsfunktion. Gleiches gelte für die Ausführung von Überweisungen per EC-Karte bzw. Einwurf in den Bankbriefkasten. Bei diesen handele es sich überdies um übliche Formen der Überweisung, die das Kreditinstitut mangels abweichender Vereinbarung stets zuzulassen habe. Zur Gestattung von Geldabhebungen per Bank-/EC-Karte sei die Beklagte zwar nicht unmittelbar aufgrund des Girovertrages verpflichtet. Durch Ausgabe der "BankCard online" zu Händen des Betreuers habe die Beklagte mit der Klägerin jedoch eine ergänzende Abrede getroffen und müsse ihr demzufolge auch die maschinelle Kontobedienung ermöglichen.

Von diesen vertraglichen Verpflichtungen habe die Beklagte sich nicht einseitig lösen können. Ein Teilkündigungsrecht der Beklagten bestehe nicht. Eine Änderungskündigung scheitere am Fehlen eines die Beklagte zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes. Der Beklagten sei eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der Fortführung des Girovertrages zu den ursprünglichen Konditionen. Dem stehe kein überwiegendes Interesse der Beklagten an einer Rücknahme der maschinellen Kontoführungsfunktionen gegenüber. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Einhaltung betreuungsrechtlicher Vorschriften zu prüfen. Ein Pflichtenverstoß könne der Beklagten daher auch im Falle eines Verstoßes gegen die sich aus §§ 1812, 1813 BGB ergebenden Verfügungsbeschränkungen nicht vorgeworfen werden, so dass ein Interesse der Beklagten an einer Kontrolle der vom Betreuer vorgenommenen Verfügungen nicht anzuerkennen sei. Dass eine gegen §§ 1812, 1813 BGB verstoßende Verfügung unwirksam und zu einem Rückbuchungsanspruch der Betreuten gegen die Beklagte führe, ändere nichts.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der im Jahr 1988 zwischen der Klägerin und der Beklagten zu banküblichen Bedingungen geschlossene Girovertrag die Beklagte verpflichtet, Lastschriften abzubuchen, Schecks einzuziehen, Überweisungsaufträge und Daueraufträge durchzuführen (vgl. dazu Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 47 Rdn. 4; Singer, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und internationalen Bankrecht § 31 Rdn. 15).

Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Pflichten der Beklagten aus dem Girovertrag durch das Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 2003 nicht wirksam eingeschränkt worden sind. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei diesem Schreiben nicht um eine Änderungskündigung. Eine solche Änderungskündigung liegt nur dann vor, wenn die Bank den Girovertrag insgesamt kündigt und dem Kunden gleichzeitig den Abschluss eines neuen Vertrages mit reduzierten Leistungen anbietet und der Kunde darauf eingeht. So liegt der Fall hier nicht. Die Beklagte hat einseitig Sonderregelungen für Konten nicht befreiter Betreuer bei sonst fortbestehendem Girovertrag aufgestellt. Rechtlich handelt es sich bei dem Schreiben der Beklagten um eine Teilkündigung des Girovertrages, die unzulässig ist, weil durch sie einseitig der Inhalt des bestehenden Girovertrages verändert werden soll, ohne dass es sich bei den gekündigten Leistungen um abtrennbare Geschäftsbeziehungen im Sinne von Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken handelt.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch eine wirksame Kündigung des "BankCard online"-Vertrages verneint.

a) Entgegen der Ansicht der Revision ist der Bankkartenvertrag nicht automatisch mit Ablauf der Gültigkeit der im Jahr 2001 ausgegebenen "BankCard online" am 31. Dezember 2004 erloschen. Grundlage für die Rechtsbeziehung eines Kunden zu seiner Bank für die Nutzung einer Bankkarte mit PIN, die dem Kunden die Bedienung von Bankautomaten ermöglicht, ist ein entsprechender Bankkartenvertrag, der durch Übersendung der Bankkarte gesondert zum Girovertrag abgeschlossen wird (vgl. Werner, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 6/1307; Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 63 Rdn. 13; Singer aaO Rdn. 16). Dieser Bankkartenvertrag ist nicht durch das Gültigkeitsdatum der ausgegebenen Bankkarte begrenzt. Vielmehr bedarf es zu seiner Beendigung der Kündigung (vgl. Werner aaO 6/1310; Nobbe aaO Rdn. 18).

b) Der Bankkartenvertrag ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durch das als Kündigung auszulegende Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 2003 beendet worden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich hierbei um eine Kündigung aus wichtigem Grund (Nr. 19 Abs. 3 Satz 1 AGB-Banken) gehandelt hat und ob die angeführten betreuungsrechtlichen Besonderheiten eine solche Kündigung rechtfertigen könnten. Denn da die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, den Bankkartenvertrag vor dem Hintergrund einer nicht befreiten Betreuung der Klägerin auf keinen Fall fortsetzen zu wollen, wäre eine etwaige unwirksame fristlose Kündigung gemäß § 140 BGB in eine fristgemäße Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken umzudeuten. Eine solche Kündigung ist jederzeit, auch als Teilkündigung bei sonst fortbestehendem Girovertrag und vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Bankkarte, zulässig (vgl. Nobbe aaO Rdn. 19). Dabei kann dahinstehen, ob die im Schreiben vom 8. Oktober 2003 gesetzte Frist von vier Wochen angemessen im Sinne von Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken ist (siehe dazu Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 24 Rdn. 11) oder ob die nach Nr. 19 Abs. 1 Satz 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erforderliche sechswöchige Kündigungsfrist hätte eingehalten werden müssen. Denn auch im letzteren Fall wäre der Bankkartenvertrag jedenfalls nach Ablauf von sechs Wochen und damit vor Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage beendet worden.

c) Die Kündigung der Beklagten ist auch nicht rechtsmissbräuchlich (vgl. dazu Bunte aaO § 24 Rdn. 20, 24; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht 2. Aufl. § 14 Rdn. 259). Zwar kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie müsse zum Schutz der Klägerin die Einhaltung betreuungsrechtlicher Vorschriften überprüfen. Wie das Berufungsgericht insofern zu Recht ausgeführt hat, treffen die Pflichten aus §§ 1812, 1813 BGB zum Schutz des Betreuten grundsätzlich nicht die beteiligten Kreditinstitute, sondern allein die Betreuer und das Vormundschaftsgericht. Jedoch besteht für die Beklagte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bei Verfügungen nicht befreiter Betreuer ein erhöhtes Ausfallrisiko. Wenn eine Bank entgegen §§ 1812, 1813 BGB eine Auszahlung an einen Betreuer vornimmt, ohne dass die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vorliegt, wird sie gegenüber dem Betreuten nicht frei (Schramm, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 32 Rdn. 18 m.w.Nachw.). Der Betreute behält seine Einlagenforderung und die Bank ist darauf verwiesen, den angewiesenen Betrag zurückzubuchen und trägt das Risiko der Uneinbringlichkeit des Rückforderungsanspruchs gegen den Empfänger.

III.

Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben, soweit es den "BankCard online"-Vertrag betrifft (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insofern war die Klage abzuweisen. Die weitergehende Revision war zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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