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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: XI ZR 90/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 812
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 544 Abs. 7
ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2
GmbHG § 30
GmbHG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZR 90/04

vom 31. Mai 2005

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt

am 31. Mai 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 30. Januar 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 389.230,68 €

Gründe:

I.

Der Kläger ist Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der E. GmbH i.G. (nachfolgend: Gemeinschuldnerin). Die Beklagte gewährte der Gemeinschuldnerin und deren in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen Geschäftsführern Darlehen, die durch eine Grundschuld an einem Grundstück der Gemeinschuldnerin in A. gesichert wurden. Nach Kündigung der Geschäftsverbindung und Gutschrift eines Betrages von 1,57 Millionen DM aus der Verwertung eines mit einer Grundschuld der Beklagten belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in F. wies deren Konto ein Debet von 5.071.830,07 DM auf.

Am 24./25. Juni 1997 trafen die Parteien eine Vereinbarung über den freihändigen Verkauf des Grundstücks in A. durch den Kläger. Danach sollte der über den festgelegten und nach einem bestimmten Schlüssel zu verteilende Mindestpreis von 5.825.000 DM erzielte Erlös zwischen den Parteien hälftig geteilt werden. Weitergehende Ansprüche der Beklagten gegen die Masse sollten ausgeschlossen sein. Am 29. Juli 1997 veräußerte der Kläger das Grundstück zu einem Preis von 7.150.000 DM. Der erzielte Erlös wurde gemäß der Verwertungsvereinbarung vom 24./25. Juni 1997 verteilt. Den auf die Beklagte entfallenden Betrag schrieb sie dem Konto der Gemeinschuldnerin gut, so daß sich rechnerisch ein Guthabenbetrag in Höhe von 897.677,78 DM ergab. Davon buchte die Beklagte ohne Anweisung des Klägers insgesamt 761.269,04 DM auf ein für die ehemaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin (GbR) geführtes Konto zur teilweisen Tilgung eines erheblichen Schuldsaldos.

Der Kläger begehrt die Herausgabe der umgebuchten Beträge in Höhe von 389.230,68 Euro an die Masse. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur Begründung seiner von der Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus § 812 BGB (Eingriffskondiktion) zu. Der Eingriff der Beklagten in das Konto der Gemeinschuldnerin sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Auf das Kontoguthaben habe die Beklagte nur zugreifen dürfen, wenn die umgebuchten Guthabenbeträge aus der Verwertung des Grundstücks in A. herrührten. Dies könne jedoch nicht festgestellt werden. In dem von der Beklagten errechneten Saldo sei nämlich auch der Erlös von 1,57 Millionen DM eingerechnet worden, auf den sich die Verwertungsvereinbarung vom 24./25. Juni 1997 nicht beziehe. Diesen Betrag habe die Beklagte nicht einfach zur Tilgung des aus ihrer Sicht bestehenden Debets der Gemeinschuldnerin verwenden dürfen. Denn nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens habe sie für die Gemeinschuldnerin eingehende Zahlungen nicht mehr mit dem Schuldsaldo auf deren Konto verrechnen dürfen.

II.

Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt und deshalb die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen wäre (vgl. Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 f., zur Veröffentlichung in BGHZ 159, 135 bestimmt; siehe auch BGH, Beschluß vom 5. April 2005 - VIII ZR 160/04, Umdr. S. 2 f.).

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 60, 247, 249; 70, 288, 293; 83, 24, 35; BVerfG NJW-RR 2001, 1006, 1007). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverweigerung voraus, das heißt im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, daß das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfGE 22, 267, 274; 79, 51, 61; 86, 133, 146; 96, 205, 216 f.; BVerfG NJW 2000, 131).

a) So liegt der Fall, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, hier. Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers resultiert die Gutschrift von 1.570.000 DM auf dem Konto der Gemeinschuldnerin aus dem Erlös aus dem Verkauf des mit einer Grundschuld der Beklagten belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in F. . Dieser Erlös diente nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers "in vollem Umfange zur Tilgung der Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin und ist so von der Beklagten auch verbucht worden" mit der Folge, daß sich der Debetsaldo auf dem Konto der Gemeinschuldnerin vor der Gutschrift aus dem weiteren Erlös aus dem Verkauf des belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in A. auf 5.071.830,07 DM ermäßigte.

Angesichts dieses Vorbringens entbehren die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Erlös von 1.570.000 DM habe von der Beklagten nicht einfach zur Tilgung des Sollsaldos der Gemeinschuldnerin verwendet werden dürfen, einer Grundlage. Sie sind nur dadurch zu erklären, daß das Berufungsgericht unstreitiges Vorbringen der Parteien nicht zur Kenntnis genommen hat. Dafür spricht auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1979 (BGHZ 74, 253, 255) über die Unzulässigkeit der Verrechnung eines für die Gemeinschuldnerin eingehenden Überweisungsbetrages im Kontokorrent nach Eröffnung des Konkursverfahrens. Auch dieser Hinweis offenbart, daß das Berufungsgericht weder die Anlage K 12 noch das Gutachten des Klägers (Anlage B 5 Seite 19 ff.) noch dessen Vorbringen in den Schriftsätzen vom 17. April 2003 und 5. Januar 2004 zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen hat.

b) Läßt sich das Berufungsurteil danach mit der gegebenen Begründung nicht halten, kann die Kausalität der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG für das Entscheidungsergebnis nicht verneint werden. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Auslegung der Verwertungsvereinbarung durch das Landgericht, der für die Befriedigung der Ansprüche der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin nicht benötigte Erlösanteil aus dem Verkauf des belasteten Grundstücks der Gemeinschuldnerin in A. habe ohne Rücksicht auf die Abrede vom 3. August 1993 über die Absicherung von Darlehensansprüchen der Beklagten gegen die GbR der Gemeinschuldnerin zustehen sollen, ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Nichts spricht dafür, daß die Beklagte auf ihre Rechte aus der Sicherungsabrede verzichten wollte. Der Ausschluß weitergehender Ansprüche gegen die Masse in der Verwertungsvereinbarung vom 24./25. Juni 1997 bezieht sich ersichtlich nicht auf die Sicherungsabrede vom 3. August 1993, sondern auf etwaige weitere Ansprüche der Beklagten aus der Verwertung des Vermögens der Gemeinschuldnerin.

Ob die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung des streitigen Betrages auf die Verbindlichkeiten der Gesellschafter den §§ 30, 31 GmbHG zuwiderläuft und im Verhältnis zum Kläger unwirksam ist, kann der Senat nicht entscheiden, da das Berufungsgericht insoweit nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

2. Die Verletzung der Beklagten in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Ende der Entscheidung

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