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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: XII ZB 121/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1821
BGB § 1829 Abs. 1 Satz 2
FGG § 28 Abs. 2
FGG § 55
FGG § 62
a) Zur Beurteilung der Frage, ob sich die weitere Beschwerde gegen eine gemäß § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam gewordene und damit dem Änderungsverbot der §§ 55, 62 FGG unterliegende Genehmigungsentscheidung richtet, ist nicht auf die erstinstanzliche Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, sondern auf die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts abzustellen.

b) Hat das Landgericht der Beschwerde gegen die Erteilung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung stattgegeben, also die Genehmigung verweigert, so wird diese Entscheidung dem Vertragsgegner gegenüber erst unter den Voraussetzungen des § 1829 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 BGB wirksam und damit unabänderbar i.S.v. § 55 FGG.

c) Die Unvereinbarkeit der §§ 62 und 55 FGG mit Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfG, Beschluß v. 18. Januar 2000 - 1 BvR 321/96 - NJW 2000, 1709) kann für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nur von Bedeutung sein, soweit sie sich gegen eine unabänderbare vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsentscheidung richtet.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 121/01

vom 19. März 2003

in der Pflegschaftssache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird an das Oberlandesgericht Köln zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.

Gründe:

I.

Die Betroffene ist - wie sich erst nach Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof herausgestellt hat - bereits am 9. April 1986 in C./USA gestorben. Sie war US-amerikanische Staatsangehörige. Mit Beschluß vom 1. September 1997 ordnete das Amtsgericht - Rechtspfleger - für die Betroffene eine Abwesenheitspflegschaft an und bestellte die Beteiligte zu 2 zur Pflegerin. Diese belastete in notarieller Urkunde vom 26. Juni 1998 namens der Betroffenen zwei dieser gehörende Grundstücke zugunsten der (vormals) Beteiligten zu 5 mit einer Grunddienstbarkeit. Der Rechtspfleger genehmigte dieses Rechtsgeschäft durch Beschluß vom 2. Juli 1998. Mit Beschluß vom 20. Mai 1999 richtete das Amtsgericht - Rechtspfleger - wiederum eine Abwesenheitspflegschaft für die Betroffene ein und bestellte erneut die Beteiligte zu 2 zur Pflegerin. Mit notariellem Vertrag vom 3. August 1999 veräußerte die Pflegerin die vorgenannten Grundstücke der Betroffenen in deren Namen an die (vormals) Beteiligten zu 5. Diesen Vertrag genehmigte der Rechtspfleger mit Beschluß vom 16. August 1999. Die vorgenannten Genehmigungen sind den Beteiligten zu 5 von der Beteiligten zu 2 mitgeteilt worden, wobei insoweit der jeweils beurkundende Notar aufgrund allseits erteilter Vollmacht zur Entgegennahme, Mitteilung und Empfangnahme handelte.

Nachdem die Beteiligten zu 3 und 4 von den Grundstücksgeschäften nebst Genehmigungen erfuhren, legten sie gegen alle obengenannten Beschlüsse Beschwerde ein. Das Landgericht hat die Beschwerden im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2000 (u.a. NJW 2000, 1709) für zulässig erachtet und die angefochtenen Beschlüsse des Rechtspflegers aufgehoben. Hiergegen hat (u.a.) die Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde eingelegt.

Das Oberlandesgericht Köln hält dieses Rechtsmittel für zulässig, sieht sich jedoch durch die in FamRZ 2001, 710 f. veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. August 2000 gehindert, eine sachliche Entscheidung zu treffen. Es hat deshalb gemäß § 28 Abs. 2 FGG die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (OLGR Köln 2001, 369 f.).

Nachdem nachträglich der Tod der Betroffenen aktenkundig wurde, haben das Amtsgericht die Abwesenheitspflegschaft und das Oberlandesgericht die für das Verfahren der weiteren Beschwerde angeordnete Verfahrenspflegschaft aufgehoben.

II.

Die Sache ist dem vorlegenden Oberlandesgericht zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben, denn die Vorlage ist nicht zulässig.

Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG gehört, daß das vorlegende Oberlandesgericht von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichen will. Die Abweichung muß dieselbe Rechtsfrage betreffen und die Beantwortung dieser Rechtsfrage muß für beide Entscheidungen erheblich sein. Der Bundesgerichtshof ist an die für die Entscheidungserheblichkeit maßgebliche rechtliche Beurteilung des Falles, wie sie dem Vorlagebeschluß zugrunde gelegt ist, gebunden. Er prüft aber, ob unter Zugrundelegung dieser Beurteilung Entscheidungserheblichkeit und Abweichung vorliegen (st.Rspr. vgl. etwa Senatsbeschluß vom 1. Juli 1998 - XII ZB 181/97 - FamRZ 1999, 22, 23). Danach ist die Vorlage insbesondere dann unzulässig, wenn schon aus dem Inhalt des vorgelegten Beschlusses - aus dem dort mitgeteilten Sachverhalt und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung - folgt, daß es der Klärung der Vorlagefrage nicht bedarf (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 16. Juli 1997 - XII ZB 97/96 - NJW-RR 1997, 1162).

So liegt der Fall hier.

1. Die Vorlagefrage betrifft die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde (§ 27 FGG) gegen vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsentscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 18. Januar 2000 (aaO) die §§ 62 und 55 FGG mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar erklärt, soweit sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers der Prüfung durch den Richter zu unterziehen.

Das vorlegende Oberlandesgericht ist der Ansicht, in einem solchen Fall, in dem eine Genehmigungsentscheidung des Rechtspflegers entgegen §§ 62, 55 FGG anfechtbar bleibt, müsse den Beteiligten insoweit der regelmäßige Beschwerderechtszug offenstehen, d.h. einschließlich der im Regelfall statthaften weiteren Beschwerde.

Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Hamm in dem genannten Beschluß die Auffassung, die weitere Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts bleibe ausgeschlossen, wenn es die Beschwerde gegen eine wirksam gewordene Genehmigungsentscheidung des Rechtspflegers nach sachlicher Prüfung zurückweist. Denn in diesen Fällen sei dem Betroffenen eine richterliche Überprüfung der Entscheidung des Rechtspflegers nicht verwehrt worden. Für das Verfahren der weiteren Beschwerde bleibe es daher bei der Anwendung des § 62 FGG.

Von dieser Entscheidung will das vorlegende Gericht abweichen.

2. Diese Abweichung ist für die beabsichtigte Entscheidung nicht erheblich. Das vorlegende Oberlandesgericht bräuchte sich von seinem Rechtsstandpunkt aus nur dann mit der Frage zu befassen, ob dem Oberlandesgericht Hamm zu folgen ist oder nicht, wenn sich die weitere Beschwerde gegen eine im Sinne von § 55 FGG wirksam gewordene Genehmigungsentscheidung richten würde, mithin die Anwendung des § 62 FGG (i.V. mit § 63 FGG) in Frage stünde. Das ist hier aber nicht der Fall.

a) Soweit sich die weitere Beschwerde gegen die Aufhebung der die Abwesenheitspflegschaft anordnenden Beschlüsse des Rechtspflegers vom 1. September 1997 und 20. Mai 1999 durch das Landgericht richtet, steht ihrer Zulässigkeit das gesetzliche Änderungsverbot des § 55 FGG (§§ 62, 63 FGG) ersichtlich nicht entgegen. Weder die Anordnung der Pflegschaft und die Pflegerbestellung noch die Aufhebung dieser Maßnahmen durch das Beschwerdegericht sind Genehmigungsentscheidungen im Sinne von § 55 FGG.

b) Aber auch was die Aufhebung der Beschlüsse des Rechtspflegers vom 2. Juli 1998 und 16. August 1999 (Genehmigung der vorgenannten Rechtsgeschäfte) durch das Landgericht anbelangt, liegt der weiteren Beschwerde keine nach § 55 FGG unabänderbar gewordene Entscheidung zugrunde.

Insoweit ist nicht auf die erstinstanzliche Entscheidung des Vormundschaftsgerichts abzustellen, sondern auf den landgerichtlichen Beschluß selbst (vgl. Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 63 Rdn. 8). Denn in den Grenzen des Rechtsmittels tritt das Landgericht vollständig an die Stelle der ersten Instanz und hat in der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit die gleichen Befugnisse wie diese (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 25 Rdn. 2 mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung). Der angefochtene Beschluß hat - im Unterschied zu der im Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vorausgegangenen landgerichtlichen Entscheidung - nicht die sachliche Bestätigung einer wirksam gewordenen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, sondern die Aufhebung solcher Genehmigungen zum Inhalt.

Die in der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts zugleich enthaltene Verweigerung der fraglichen Genehmigungen unterliegt nicht dem Änderungsverbot des § 55 FGG. Die hierfür erforderliche Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung hätte nur unter den hier nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB (§ 1915 Abs. 1 BGB) eintreten können. Nach dieser Bestimmung wird die Verweigerung (oder Erteilung) der (hier nach §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1915 Abs. 1 BGB) erforderlichen Genehmigung dem Vertragsgegner gegenüber erst wirksam, wenn sie ihm durch den Vormund bzw. Pfleger mitgeteilt wird, wobei die Mitteilung in der Absicht erfolgen muß, den durch den Mangel der Genehmigung verursachten Schwebezustand zu beseitigen (vgl. hierzu etwa Keidel/Engelhardt, aaO, § 55 Rdn. 21 m.w.N.). Die Beteiligte zu 2 hat jedoch insoweit nichts veranlaßt. Sie hat vielmehr im Gegenteil weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung mit dem Begehren eingelegt, die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 gegen die erteilten Genehmigungen des Rechtspflegers zu verwerfen bzw. zurückzuweisen. Ohnehin wäre eine etwa erfolgte Mitteilung rechtlich wirkungslos geblieben, weil die Beteiligte zu 2 nicht wirksam zur Pflegerin bestellt wurde und sie daher die Betroffene bzw. deren Erben nicht vertreten konnte. Die Anordnung der Abwesenheitspflegschaft war - da die Betroffene Ausländerin war - nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG dem Richter vorbehalten; die insoweit gleichwohl durch den unzuständigen Rechtspfleger getroffenen Maßnahmen waren gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG unwirksam. Die Unwirksamkeit der Pflegschaftsanordnung hatte auch die Nichtigkeit der hierauf aufbauenden Pflegerbestellung zur Folge (vgl. etwa Erman/H. Holzhauer, BGB, 10. Aufl. § 1774 Rdn. 9).



Ende der Entscheidung

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