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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: XII ZB 127/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 139
ZPO § 234 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 127/00

vom

10. Januar 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Mai 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Wert: 40.242 DM.

Gründe:

I.

Das Urteil des Landgerichts vom 22. Februar 2000 wurde dem Beklagten zu Händen seiner Prozeßbevollmächtigten am 25. Februar 2000 zugestellt. Mit einem am 23. März 2000 per Telefax übermittelten Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten hat der Beklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 2. Mai 2000, eingegangen an diesem Tage, hat er die Berufung begründet und gleichzeitig wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er in diesem Schriftsatz ausgeführt, sein Prozeßbevollmächtigter habe sofort bei Zustellung des Urteils am 25. Februar 2000 seine erfahrene Rechtsanwaltsgehilfin angewiesen, im Fristenkalender die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist zu notieren. Sie habe zwar die Berufungsfrist eingetragen, versehentlich aber die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist versäumt. Erst am 28. April 2000 sei "im Zuge der allgemeinen Bearbeitung der im Sekretariat liegenden Akten" das Versehen aufgefallen.

Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 15. Mai 2000 hat der Kläger darauf hingewiesen, bei Zustellung des Urteils am 25. Februar 2000 habe die Berufungsbegründungsfrist noch nicht zuverlässig ermittelt werden können, da diese nicht ab Zustellung des Urteils, sondern erst ab Einlegung der Berufung zu laufen beginne.

Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 24. Mai 2000, bei Gericht per Telefax eingegangen an diesem Tage, hat der Beklagte erwidert, sein Prozeßbevollmächtigter pflege die Berufungsfrist voll auszuschöpfen, so daß schon bei Zustellung des Urteils die Frist für die Berufungsbegründung berechnet werden könne. Dies habe die Rechtsanwaltsgehilfin auch getan und sie mit einer entsprechenden Vorfrist in den Fristenkalender eingetragen. Da in diesem Falle die Berufung jedoch zwei Tage vor Fristablauf am 23. Februar 2000 eingelegt worden sei, habe sein Prozeßbevollmächtigter die Rechtsanwaltsgehilfin ausdrücklich angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist und die Vorfrist entsprechend zu korrigieren. Das habe die Rechtsanwaltsgehilfin jedoch versäumt.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten. Er macht nunmehr geltend, die Rechtsanwaltsgehilfin habe auf die Anweisung seines Prozeßbevollmächtigten hin, die eingetragenen Fristen zu korrigieren, zwar die eingetragene Berufungsbegründungsfrist gestrichen, es aber versäumt, die neue Frist einzutragen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 519 b Abs. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung begründet worden ist (§§ 519 Abs. 2, 519 b Abs. 1 ZPO). Den Antrag des Beklagten, ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat es zu Recht zurückgewiesen.

Nach § 233 ZPO darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten (nicht: ein Verschulden von dessen Büropersonal) ist der Partei zuzurechnen (§ 85 ZPO).

Nach § 236 Abs. 2 ZPO muß der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung die Angaben enthalten, aus denen sich ergibt, daß die Versäumung der Frist unverschuldet war. Aus der Darstellung, die der Beklagte in seiner Antragsschrift vom 2. Mai 2000 gegeben hat, läßt sich das jedoch nicht herleiten. Aus ihr ergibt sich lediglich, daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten sein Büropersonal angewiesen habe, schon bei der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils nicht nur die Berufungsfrist, sondern auch die Berufungsbegründungsfrist zu berechnen und einzutragen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß eine zu diesem Zeitpunkt durchgeführte hypothetische Berechnung der Berufungsbegründungsfrist, die davon ausgegangen wäre, daß die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist eingelegt würde, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht verhindert hätte, weil die Berufung zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden ist und die Berufungsbegründungsfrist von da an lief. Die Eintragung solcher hypothetischer Berufungsbegründungsfristen im Fristenkalender birgt eine besondere Gefahrenquelle und es ist erforderlich, durch besondere organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß die eingetragene Frist anhand der gerichtlichen Bestätigung über den Eingang der Berufung überprüft wird (st.Rspr. des Senats, vgl. Beschluß vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99 - BGHR-ZPO § 233 Fristverlängerung 19 m.N.). Die Begründung des Beklagten in dem Wiedereinsetzungsgesuch vom 2. Mai 2000 enthält (noch) keinen Hinweis darauf, daß in dem Büro seines Prozeßbevollmächtigten solche organisatorischen Maßnahmen vorgesehen waren. Hätte eine solche Überprüfung stattgefunden, wäre der damals behauptete Fehler aufgedeckt worden.

Ob die spätere Sachdarstellung des Beklagten in dem Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 24. Mai 2000 und in der Begründung der sofortigen Beschwerde die Versäumung der Frist hinreichend entschuldigen könnte und ob der Beklagte diesen neuen Vortrag, der - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - im eindeutigen Widerspruch zu seinem früheren Vortrag steht, hinreichend glaubhaft gemacht hat, kann dahingestellt bleiben. Die darin enthaltene neue Sachdarstellung kann nämlich nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht rechtzeitig in das Verfahren eingeführt worden ist. Alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, müssen innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO). Ein Nachschieben von Gründen nach Fristablauf ist unzulässig. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (Senatsbeschluß vom 20. Mai 1992 - XII ZB 43/92 - BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 6; BGH, Beschluß vom 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90 - BGHR aaO Begründung 4; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. § 236 Rdn. 6 a, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

Die ursprüngliche Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs enthielt eine in sich geschlossene Darstellung und erschien in keinem Punkt ergänzungsbedürftig. Die neue Sachdarstellung des Beklagten ergänzt sie nicht, sondern erklärt sie in einem entscheidenden Punkt für unrichtig und fügt neue Vorgänge hinzu, die nicht an die ursprüngliche Sachdarstellung anknüpfen.

Nach der ursprünglichen Schilderung hat die Anwaltsgehilfin nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils trotz einer ausdrücklichen Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten es versäumt, die hypothetisch berechnete Berufungsbegründungsfrist einzutragen. Nach der neuen Sachdarstellung hat sie sie eingetragen und ist später - nach der Einlegung der Berufung - angewiesen worden, sie zu korrigieren, hat sie aber aus Versehen lediglich gestrichen.

Für eine solche wesentliche Änderung des Vortrags nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO läßt das Gesetz keinen Raum (BGH, Beschluß vom 28. Februar 1991 aaO).

Der Beklagte trägt selbst vor, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 28. April 2000 festgestellt, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei. Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an lief die Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO, innerhalb derer die Wiedereinsetzung beantragt werden muß. Diese Frist war abgelaufen, als der Beklagte mit Schriftsatz vom 24. Mai 2000 seine neue Sachdarstellung erstmals in den Prozeß eingeführt hat.



Ende der Entscheidung

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