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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: XII ZB 142/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Zur Beschwer eines selbständig tätigen Auskunftspflichtigen, der zur Vorlage von Jahresabschlüssen in Form von Bilanzen verurteilt wurde, obwohl er nicht bilanzierungspflichtig ist, sondern Einnahme-Überschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 EStG erstellt.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 142/05

vom 20. Juni 2007

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Familiensenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 21. Juni 2005 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: bis 300 €

Gründe:

I.

Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Trennungsunterhalt in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts verurteilt, der Klägerin Auskunft über sein Einkommen in den Jahren 2001 bis 2003 durch eine systematische Aufstellung der Einkünfte zu erteilen. Die Einkünfte waren unter anderem zu belegen durch "die Anlage N (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit", die Anlage "GSE (Gewerbetreibende und Selbständige) nebst den zugrunde liegenden Einnahme-Überschussrechnungen" und "den Jahresabschluss, bestehend aus Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzerläuterungen".

Gegen das Teilurteil legte der Beklagte Berufung ein. Mit Verfügung des Vorsitzenden des Berufungssenats vom 30. Mai 2005 wurde er darauf hingewiesen, dass der Beschwerdewert 600 € nicht erreiche; er erhalte Gelegenheit, sich hierzu binnen vier Wochen zu äußern. Vor Ablauf dieser Frist verwarf das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig. Am 28. Juni 2005 - und damit innerhalb der zur Stellungnahme gesetzten Frist - ging ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein, mit dem geltend gemacht wurde, die Beschwer übersteige den Betrag von 2.000 €; allein die Erstellung von Bilanzen verursache Kosten von 2.094,96 €. Da der Beklagte nicht bilanzierungspflichtig sei, müsse er die Bilanzen allein zur Erteilung der Auskunft anfertigen lassen.

Gegen den die Berufung verwerfenden Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht vorliegt.

1. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Rechtsbeschwerde u.a. dann zulässig, wenn einem Gericht bei der Rechtsanwendung Fehler unterlaufen, die die Wiederholung durch dasselbe Gericht oder die Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen, und wenn dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohen, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist. Dabei muss es sich um einen Rechtsfehler von symptomatischer Bedeutung handeln (BGHZ 152, 182, 187). Diese Voraussetzungen sind also nicht schon dann erfüllt, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts, gemessen an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, fehlerhaft ergangen ist (BGHZ 154, 288, 293). Ein schwerer, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine funktionierende Rechtsprechung gefährdender Rechtsfehler liegt erst dann vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deswegen von Verfassungs wegen der Korrektur bedarf. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers - insbesondere des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) - beruht (BGHZ 154, 288, 296). Das ist hier nicht der Fall.

2. Die Rechtsbeschwerde rügt zwar zu Recht, dass das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten vor Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Stellungnahme zu der Frage der Beschwer verworfen und damit dessen Ausführungen, er sei als Prüfingenieur nicht bilanzierungspflichtig und verfüge demgemäß nicht über Jahresabschlüsse in Form von Bilanzen, nicht zur Kenntnis genommen hat. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden wäre, weil seine Beschwer selbst unter Zugrundelegung seines Vortrags den Betrag von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht übersteigt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist - von dem vorliegend nicht hinreichend dargelegten Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 10. August 2005 ­ XII ZB 63/05 ­ FamRZ 2005, 1986, 1987) - auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (BGHZ - GSZ - 128, 85, 87 f.).

Das hat allerdings nicht zur Folge, dass die Kosten der Bilanzerstellung, die der Beklagte mit 2.094,96 €, nämlich dem an seine Steuerberaterin hierfür zu zahlenden Honorar, beziffert hat, für die Bemessung der Beschwer maßgebend wären. Die Rechtsbeschwerde versteht das Teilurteil des Amtsgerichts dahin, der Beklagte sei verurteilt worden, Bilanzen für den in Rede stehenden Zeitraum zu erstellen. In diesem Sinne ist jedoch weder der Klageantrag noch das Teilurteil des Amtsgerichts, das jenen Antrag wörtlich übernommen hat, zu verstehen. Die Verurteilung, die Einkünfte durch "den Jahresabschluss bestehend aus Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzerläuterungen" zu belegen, ist vielmehr dahin zu verstehen, dass der Beklagte diese Unterlagen vorzulegen, nicht aber herzustellen hat. Dieses Verständnis wird zum einen durch die Urteilsgründe, die für die Auslegung herangezogen werden können, bestätigt. Darin führt das Amtsgericht aus, der Selbständige müsse für einen Zeitraum von drei Jahren Belege wie Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Steuererklärungen, dazugehörige Bescheide usw. vorlegen. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Vorlage vorhandener, nicht dagegen erst zu erstellender Bilanzen geschuldet ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. Juni 1992 ­ XII ZB 56/92 ­ FamRZ 1992, 45, 46). Zum anderen folgt diese Betrachtungsweise aber auch aus der Urteilsformel, durch die dem Beklagten auch aufgegeben wird, Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit zu belegen sowie Einnahme-Überschussrechnungen vorzulegen. Es ist unwahrscheinlich, dass derartige Nachweise kumulativ zur Verfügung stehen. Auch daraus erhellt das Verständnis, der Beklagte habe nur vorhandene Belege über sein Einkommen zur Verfügung zu stellen und nicht entsprechende Unterlagen erst herstellen zu lassen.

b) Ungeachtet dessen musste der Beklagte aufgrund der Fassung des Tenors des Teilurteils zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung, auf den es für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels im Grundsatz ankommt (BGHZ 1, 29; Senatsbeschluss vom 8. Juli 1987 ­ IVb ZB 73/87 ­ BGHR ZPO § 511 a Wertberechnung 2), gewärtigen, von der Klägerin zur Erfüllung der titulierten Verpflichtung angehalten zu werden und etwaigen Vollstreckungsversuchen unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe entgegentreten zu müssen. Sein Rechtsmittelinteresse ist deshalb zusätzlich nach den hierdurch anfallenden Kosten zu bemessen (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 2001 ­ XII ZR 14/00 ­ FamRZ 2002, 666, 667 m.w.N.). Das rechtfertigt indessen nicht die Bemessung der Beschwer mit einem 600 € übersteigenden Betrag.

Das von der Klägerin verfolgte Interesse an der Auskunftserteilung ist grundsätzlich mit einem Bruchteil des Werts des Anspruchs zu bemessen, dessen Geltendmachung vorbereitet werden soll (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 3 Rdn. 21). Mangels ausreichender Anhaltspunkte für die Höhe des in Frage kommenden Unterhalts kann insofern an sich nur der Mindestwert von 300 € zugrunde gelegt werden. Das gilt auch deshalb, weil für die Klägerin durch die Einsicht in die Bilanzen keine über die Einnahme-Überschussrechnungen hinausgehenden Erkenntnisse zu erwarten sind. Aber selbst wenn als Wert die geltend gemachten Kosten der Bilanzerstellung von 2.094,96 € zugrunde gelegt werden, errechnen sich lediglich Anwaltskosten von 67,23 € (0,3 der vollen Verfahrensgebühr von 161 € nach VV 3309 zuzüglich Pauschale von 20 % nach VV 7002 zuzüglich MWSt von seinerzeit 16 %). Zusammen mit den Kosten der Auskunftserteilung, die das Berufungsgericht von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet mit rund 200 € angenommen hat, ergibt sich mithin allenfalls eine Beschwer von rund 270 €.

Mit der vorliegenden Entscheidung ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO erledigt.

Ende der Entscheidung

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