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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: XII ZB 155/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 236 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 155/01

vom

23. Januar 2002

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. Juni 2001 aufgehoben.

Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts war dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Notfrist zur Einlegung der Berufung einzuhalten. Die Versäumung beruht nicht auf einem ihm zuzurechnenden Organisationsverschulden seiner Prozeßbevollmächtigten erster Instanz (§ 85 Abs. 2 ZPO); sie ist vielmehr auf einen Fehler des Büropersonals der Prozeßbevollmächtigten zurückzuführen, das vom Beklagten nicht zu vertreten ist.

Der Beklagte hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch unter Glaubhaftmachung vorgetragen, daß die am 20. März 2001 abgelaufene Berufungsfrist von der in der Kanzlei seiner Prozeßbevollmächtigten tätigen Büroangestellten, Frau P., im Fristenkalender versehentlich für den 21. März 2001 notiert worden und deshalb bei der Fristenkontrolle am 20. März 2001 nicht aufgefallen sei. Der im Jahr 2001 verwandte Fristenkalender sehe für jeden Tag eine Seite des Kalenderbuchs vor, auf der unten rechts die Fristen eingetragen würden. Im Vorjahr sei erstmals in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten ein Fristenkalender verwandt worden, der für jeden Tag eine Doppelseite vorgesehen habe; dabei hätten die Fristen für jeden Tag auf der zweiten (rechten) Seite eingetragen werden müssen. Vermutlich aus der Gewöhnung an diesen früheren Kalender habe die Büroangestellte P. die am 20. März 2001 ablaufende Berufungsfrist im neuen Kalender nicht auf der dem 20. März 2001 zugeordneten linken Kalenderbuchseite, sondern auf der bereits dem 21. März 2001 zugeordneten rechten Kalenderbuchseite eingetragen. Bei Frau P. handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die, wie regelmäßige Kontrollen ergeben hätten, den Fristenkalender in der Vergangenheit stets sorgfältig und fehlerlos geführt habe.

Das Oberlandesgericht hat die Versagung der Wiedereinsetzung darauf gestützt, daß die Einführung eines neuen Fristenkalenders jedenfalls eine allgemeine Belehrung der Büroangestellten P. "dahin, Fristen in den in jenem neuen Kalender dafür vorgesehenen Spalten einzutragen", erfordert hätte. Eine solche Belehrung durch seine Prozeßbevollmächtigte habe der Beklagte nicht vorgetragen. Auf die Aufforderung des Oberlandesgerichts darzulegen, "wie die Umstellung des Kalendersystems zum Jahreswechsel 2000/2001 organisatorisch abgelaufen sei", habe sich der Beklagte vielmehr auf den Hinweis beschränkt, daß ein anderer Kalendervordruck bei der H.-S.-GmbH bestellt worden sei, der zudem kostengünstiger als der im Vorjahr verwandte, jedem Tag eine Doppelseite zuweisende Kalender sei.

In seiner sofortigen Beschwerde hat der Beklagte vorgetragen, seine Prozeßbevollmächtigte habe bereits im Zusammenhang mit der Bestellung des Kalenders für das Jahr 2001 die Auswahl eines sinnvollen Kalendervordrucks erörtert; sodann sei wieder ein Kalender des bereits bis 1999 in der Kanzlei verwandten Typs angeschafft worden. Die Prozeßbevollmächtigte habe die Bürokraft am 3. Januar 2001 zusätzlich darauf hingewiesen, daß nunmehr wieder ein Kalender des früheren Typs genutzt werde, deshalb nur eine Seite pro Tag zur Verfügung stehe und insofern sorgfältig auf die Eintragung von Fristen und Terminen zu achten sei.

Es kann offen bleiben, ob diese Darlegungen der sofortigen Beschwerde einen neuen nachgeschobenen Vortrag darstellen oder ob es sich dabei lediglich um eine zulässige Ergänzung des bereits zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragenen Sachverhalts handelt, die nicht als verspätet im Sinne der §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden kann (vgl. dazu etwa Senatsbeschlüsse vom 25. März 1987 - IVb ZB 39/87 - und vom 20. Mai 1992 - XII ZB 43/92 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 1 und 6 m.w.N.). Die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist nämlich bereits für sich genommen geeignet, ein dem Beklagten zuzurechnendes Organisationsverschulden seiner Prozeßbevollmächtigten auszuschließen. Der von der Prozeßbevollmächtigten für das Jahr 2001 angeschaffte Fristenkalender ist ausweislich der zu den Akten gereichten Kalenderseiten übersichtlich. Kalender dieses Typs hatten, wie der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde in zulässiger Weise klarstellt, auch schon vor dem Jahr 2000 regelmäßig in der Kanzlei seiner Prozeßbevollmächtigten Verwendung gefunden. Die Prozeßbevollmächtigte durfte deshalb davon ausgehen, daß eine ausgebildete Bürofachkraft ohne Mühe in der Lage ist, den einfach strukturierten Aufbau eines solchen Kalenders zu erfassen und den Kalender dementsprechend sachgerecht zu verwenden. Einer besonderen Einweisung durch die Prozeßbevollmächtigte bedurfte es dazu nicht, erst recht nicht des vom Oberlandesgericht geforderten Hinweises auf die selbstverständliche Pflicht, die notwendigen Kalendereintragungen in den jeweils dafür vorgesehenen Spalten vorzunehmen.

Ende der Entscheidung

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