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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.1999
Aktenzeichen: XII ZB 175/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
Wird ein Anwalt am letzten Tag der Berufungsfrist beauftragt, Rechtsmittel einzulegen, so muß er die Notfrist nicht im Kalender eintragen, um sie im gleichen Atemzug wieder zu löschen.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 175/99

vom

17. November 1999

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Dr. Wagenitz

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Oktober 1999 aufgehoben.

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Beschwerdewert: 29.773 DM.

Gründe:

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts war dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden gehindert war, die Notfrist zur Einlegung der Berufung einzuhalten. Die Versäumung beruht nicht auf einem ihm zuzurechnenden Organisationsverschulden seines Rechtsanwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO), sondern ist auf einen Fehler des Büropersonals seines Rechtsanwalts zurückzuführen, das von ihm nicht zu vertreten ist.

Der Kläger hat hierzu bereits in seinem Wiedereinsetzungsantrag unter Glaubhaftmachung vorgetragen, daß sein Rechtsanwalt den am Tag des Fristablaufs gefertigten und von diesem unterschriebenen Berufungsschriftsatz der Büroangestellten H. gegen 17.30 Uhr übergeben habe mit dem ausdrücklichen Hinweis, ihn zusammen mit dem beigefügten anzufechtenden Urteil durch Telefax an das Oberlandesgericht Naumburg zu übermitteln, da am selben Tag die Berufungsfrist ablaufe. Sie habe auch die ausdrückliche Arbeitsanweisung erhalten, bei einer Übersendung von Schriftstücken per Telefax die Anzahl der übermittelten Blätter mit dem Sendebericht zu vergleichen. Sie habe dementsprechend gegen 17.50 Uhr mit dem Sendevorgang begonnen, der um 18.02 Uhr abgeschlossen gewesen sei, jedoch dann entgegen der Anweisung den Sendebericht, der nur acht Seiten statt der erforderlichen neun Seiten ausgewiesen habe, nicht mehr mit der Anzahl der zu sendenden Blätter verglichen. Dadurch sei übersehen worden, daß Seite 2 des Berufungsschriftsatzes mit der Unterschrift des Rechtsanwaltes nicht mitgesendet worden sei. Eine - sonst in der Kanzlei übliche - fernmündliche Überprüfung bei der Eingangsstelle des Oberlandesgerichts sei wegen der späten Stunde nicht mehr möglich gewesen.

Diesen Vortrag hat er in der sofortigen Beschwerde in zulässiger Weise noch dahin ergänzt, daß sein erstinstanzlicher Rechtsanwalt den zweitinstanzlichen Rechtsanwalt am Tag des Fristablaufs gegen 17.15 Uhr in der Kanzlei aufgesucht und den Rechtsmittelauftrag erteilt habe, woraufhin dieser wegen des drohenden Fristablaufs die Berufungsschrift sofort durch die Büroangestellte H. habe anfertigen lassen, unterschrieben habe und Anweisung zur unverzüglichen Übermittlung durch Telefax gegeben habe. Zu einer Aufnahme in den Notfristenkalender sei es deshalb nicht gekommen. Man habe auch darauf vertrauen können, daß die schon langjährig in der Kanzlei angestellte und zuverlässige Frau H. die Ausgangskontrolle im gleichen Arbeitsgang ordnungsgemäß durchführen werde.

Das Oberlandesgericht hat die Versagung der Wiedereinsetzung darauf gestützt, daß nicht vorgetragen worden sei, daß eine Weisung bestanden habe, Notfristen aus dem Fristenkalender erst nach Überprüfung der Vollständigkeit der Übermittlung zu streichen. Wäre dies der Fall gewesen, wäre der Fehler bemerkt worden. Es stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 1996 (VII ZB 13/96 - NJW 1996, 2513 f.), die indes mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht in allen Punkten vergleichbar ist. Dort ging es um die Übermittlung einer Berufungsbegründung, für die - nach ordnungsgemäß eingelegter Berufung und Fristverlängerung - eine Frist im Fristenkalender eingetragen war. Es bestand aber im Büro keine allgemeine Anweisung, die Frist bei der Übermittlung von Schriftsätzen durch Telefax erst zu löschen, wenn die Vollständigkeit der Übersendung geprüft war.

Hier indessen hat es im Büro des Prozeßbevollmächtigten zum einen eine allgemeine Anweisung gegeben, bei Telefaxübermittlungen die Anzahl der gesendeten Seiten stets mit dem Sendebericht zu vergleichen. Zum anderen war hier die besondere Situation gegeben, daß die Arbeitsvorgänge, nämlich die Fertigung der Berufungsschrift, deren Unterzeichnung und sofortige Absendung wegen des bevorstehenden Fristablaufs in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgten und auf der ausdrücklichen Einzelanweisung des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beruhten. Dieser durfte in dieser Situation darauf vertrauen, daß die Büroangestellte H. bei der Übermittlung die erforderliche Seitenüberprüfung vornimmt. Eine Notwendigkeit, die Notfrist im Kalender einzutragen, um sie im gleichen Atemzug wieder zu löschen, bestand bei dieser Sachlage nicht, da damit die Hinweis- und Kontrollfunktion der Fristeneintragung und Löschung nicht erfüllt werden konnte (vgl. BGH, Beschluß vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - NJW 1996, 130).

Ende der Entscheidung

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