Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: XII ZB 185/01
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, VAHRG


Vorschriften:

EGBGB Art. 17 Abs. 3
EGBGB Art. 220 Abs. 2
BGB § 1587
VAHRG § 10 a
a) Zwischen ehemaligen jugoslawischen Staatsangehörigen, deren Ehe noch vor dem Inkrafttreten des neuen Kollisionsrechts zum 1. September 1986 im ehemaligen Jugoslawien geschieden wurde, findet kein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht statt.

b) Ein entgegen den Kollisionsregeln rechtskräftig durchgeführter Versorgungsausgleich kann im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 10 a VAHRG nicht rückgängig gemacht werden.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 185/01

vom 25. Mai 2005

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2001 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 595 € (= 1.163,16 DM)

Gründe:

I.

Die beiden 1940 geborenen Ehegatten besaßen die frühere jugoslawische Staatsangehörigkeit und schlossen am 10. März 1962 miteinander die Ehe. Seit 1969 hatten sie ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland und erwarben hier Versorgungsanrechte. Ihre Ehe wurde am 7. Oktober 1977 von einem Gericht im ehemaligen Jugoslawien rechtskräftig geschieden.

Auf den Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) hat das Amtsgericht - Familiengericht - mit Beschluß vom 18. Februar 2000 den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts haben die Ehegatten in der Ehezeit, deren Ende (§ 1587 Abs. 2 BGB) das Amtsgericht mit dem 30. April 1977 angenommen hat, gesetzliche Rentenanwartschaften erworben, und zwar die Ehefrau bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz in Höhe von (richtig:) 91,36 DM, der Ehemann (Antragsgegner) bei der Bahnversicherungsanstalt Abt. A in Höhe von 273,84 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende. Außerdem hat der Ehemann danach bei der Zusatzversorgung der Bahnversicherungsanstalt Abt. B eine unverfallbare Anwartschaft auf die statische Versicherungsrente in Höhe von (richtig:) 88,44 DM, monatlich und bezogen auf das Ehezeitende, erworben, die das Amtsgericht in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von 11,37 DM umgerechnet hat. Die Anwartschaft des Ehemannes auf eine Versorgungsrente der Zusatzversorgung war noch nicht unverfallbar.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es im Wege des Splittings gesetzliche Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesbahnversicherungsanstalt Abt. A in Höhe von monatlich 91,24 DM, bezogen auf das Ehezeitende, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz übertragen hat. Außerdem hat es durch analoges Quasi-Splitting zu Lasten des Versicherungskontos des Ehemannes bei der Bundesbahnversicherungsanstalt Abt. B gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 5,69 DM, bezogen auf das Ehezeitende, auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz begründet.

Das vorliegende Verfahren ist durch einen Antrag der Bahnversicherungsanstalt Abt. B eingeleitet worden, mit dem diese gemäß § 10 a VAHRG begehrt hat, das inzwischen unverfallbar gewordene Anrecht des Ehemannes auf Versorgungsrente in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen. Diesem Antrag hat sich die Ehefrau angeschlossen. Der Ehemann hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen, die Entscheidung des Amtsgerichts vom 18. Februar 2000 aufzuheben und auszusprechen, daß ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfinde.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Bahnversicherungsanstalt als unzulässig zurückgewiesen, da die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. unzulässig sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Ehemannes zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde des Ehemannes, mit der er sein Begehren, die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich aufzuheben und festzustellen, daß ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfinde, weiterverfolgt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 614 veröffentlicht ist, geht davon aus, daß der Versorgungsausgleich zwischen den Parteien zu Unrecht durchgeführt wurde. Maßgebend sei insoweit das vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts geltende Kollisionsrecht (vgl. Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F.). Danach habe sich die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nach dem gemeinsamen - jugoslawischen - Heimatrecht der Parteien bestimmt. Dieses habe zwar den Versorgungsausgleich als Rechtsinstitut nicht gekannt. Die Unrichtigkeit der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich könne jedoch nicht im Wege der Abänderung nach § 10 a VAHRG dahin korrigiert werden, daß nunmehr die Erstentscheidung aufgehoben werde und ein Versorgungsausgleich unterbleibe. Diese Vorschrift eröffne, wie ihr Absatz 1 verdeutliche, nur eine "entsprechende", d.h. eine den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfaßten Umständen angepaßte Abänderung der Erstentscheidung nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung neu ermittelten Wertunterschieds. Im übrigen bleibe die Bestandskraft von Entscheidungen über den Versorgungsausgleich jedoch gewahrt.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Durchführung des Versorgungsausgleichs - hier: der Abänderung der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich - ergibt sich aus § 606 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

b) Die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich war unrichtig; denn zwischen den Parteien findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.

Die Frage nach der Durchführbarkeit eines Versorgungsausgleichs bestimmt sich hier nach dem früheren, bis zum 31. August 1986 geltenden Kollisionsrecht. Das folgt aus Art. 220 Abs. 1 EGBGB. Danach bleibt das bisherige Internationale Privatrecht auf vor dem 1. September 1986 abgeschlossene Vorgänge weiterhin anwendbar. Ein solcher Vorgang liegt hier vor. Das Scheidungsverfahren der Parteien ist bereits 1977 rechtshängig geworden. Dementsprechend bestimmte sich das Scheidungsstatut nach dem bisherigen Kollisionsrecht. Dessen Anknüpfungsregeln gelten nicht nur für die Scheidung selbst, sondern, wie der Senat wiederholt entschieden hat, auch für die Frage, ob zwischen geschiedenen Ehegatten in Fällen mit Auslandsberührung ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist oder nicht (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 1989 - IVb ZB 179/88 - FamRZ 1990, 142 und vom 30. September 1992 - XII ZB 44/89 - FamRZ 1993, 416). Der Versorgungsausgleich ist insoweit nicht als selbständiger Vorgang anzusehen; Scheidung und Scheidungsfolgen stellen vielmehr einen umfassenden, in den Einzelheiten aufeinander abgestimmten Regelungskomplex dar, aus dem grundsätzlich nicht Einzelfolgen herausgenommen und anderen Statuten unterstellt werden dürfen. Der Versorgungsausgleich folgt deshalb in intertemporaler Hinsicht der Scheidung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versorgungsausgleich im Verbund mit der Scheidung oder, wie hier, in einem selbständigen Verfahren durchgeführt werden soll. Aus Art. 220 Abs. 2 EGBGB, der für die Wirkungen familienrechtlicher Rechtsverhältnisse auf das seit dem 1. September 1986 geltende neue Kollisionsrecht verweist, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor: Im Unterschied etwa zum Unterhalt, der als fortdauerndes familienrechtliches Rechtsverhältnis weitere Rechtswirkungen hervorbringt und daher ex nunc den neuen Vorschriften unterliegt, hat der Versorgungsausgleich als nur punktuelle Maßnahme keine von Art. 220 Abs. 2 EGBGB erfaßte fortdauernde Wirkung (Senatsbeschluß vom 30. September 1992 aaO 417).

Nach dem bis zum 31. August 1986 geltenden und - wie dargelegt - für den vorliegenden Fall weiterhin maßgebenden Kollisionsrecht beurteilt sich die Frage, ob zwischen Ehegatten in Fällen mit Auslandsberührung ein Versorgungsausgleich stattfindet, nach den Anknüpfungsregeln, die der Senat zur Ersetzung der geschlechtsbezogenen Anknüpfung des früheren Scheidungsstatuts entwickelt hat und auf die insoweit nach der Nichtigerklärung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. durch das Bundesverfassungsgericht (FamRZ 1985, 463) weiter abgestellt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 1989 aaO 142 und vom 30. September 1992 aaO 417). Danach ist für die Frage nach der Durchführbarkeit eines Versorgungsausgleichs ausschließlich das Recht des Staates maßgebend, dem beide Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören; für eine differenzierende Anknüpfung, wie sie nunmehr Art. 17 Abs. 3 EGBGB n.F. für den Versorgungsausgleich vorsieht, bleibt kein Raum. Da das jugoslawische Heimatrecht der Parteien einen Versorgungsausgleich nicht kennt, war im vorliegenden Fall zwischen den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Inwieweit sich durch die zwischenzeitlichen politischen Veränderungen in Jugoslawien Veränderungen in der Staatsangehörigkeit der Parteien und der Frage ihres Heimatrechts ergeben haben, kann offenbleiben, da ein etwaiger Statutenwechsel nach erfolgter Scheidung den hier zu beurteilenden abgeschlossenen Sachverhalt nicht mehr berühren kann (Senatsbeschluß vom 30. September 1992 aaO 417).

c) Diese Unrichtigkeit der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich führt allerdings nicht dazu, daß diese Entscheidung, wie vom Antragsgegner begehrt, nunmehr im Abänderungsverfahren nach § 10 a VAHRG aufgehoben und ausgesprochen werden könnte, daß ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfindet.

aa) Als Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erwachsen Entscheidungen über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich sowohl in formelle wie in materielle Rechtskraft. Daran hat sich auch nach Einführung der Abänderungsmöglichkeit in § 10 a VAHRG im Grundsatz nichts geändert. Allerdings erlaubt § 10a VAHRG eine weitgehende Durchbrechung der Rechtskraft, indem er - neben den anderen in Abs. 1 genannten Fällen - nach Abs. 1 Nr. 1 eine Abänderung immer dann zuläßt, wenn ein im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung ermittelter Wertunterschied der ausgleichspflichtigen Anrechte von dem in der abzuändernden Entscheidung zugrunde gelegten Wertunterschied wesentlich abweicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unterschied auf einer erst nachträglich eingetretenen Wertveränderung beruht oder seine Ursache bereits in einem Ermittlungsfehler des Erstverfahrens hat. Vielmehr werden auch solche Abweichungen erfaßt, die sich aus der Korrektur früherer Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler ergeben (sog. Totalrevision). Auch solche Fehler knüpfen aber an die in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen an, ermöglichen also eine Abänderung insbesondere nach Nr. 1, 2 nur dann, wenn sich durch ihre Berücksichtigung der dem Ausgleich bisher zugrunde gelegte Wertunterschied der beiderseitigen Anrechte ändert (zum Ganzen ausführlich Senatsbeschluß vom 13. Dezember 1995 - XII ZB 95/93 - FamRZ 1996, 282, 283).

bb) Dagegen werden Fälle von der Abänderungsmöglichkeit von vornherein nicht erfaßt, in denen der Versorgungsausgleich ohne eine Ermittlung etwaiger auszugleichender Anrechte bereits dem Grunde nach ausgeschlossen wurde. So hat der Senat eine Abänderung in einem Fall versagt, in dem das Amtsgericht den Versorgungsausgleich aus kollisionsrechtlichen Gründen zu Unrecht ausgeschlossen hatte (Senatsbeschluß aaO 282 ff.). Hier liegen die Dinge zwar umgekehrt: Das Amtsgericht hat im Erstverfahren - in fehlerhafter Anwendung des Kollisionsrechts - den Versorgungsausgleich zu Unrecht durchgeführt. Auch dieser Rechtsfehler kann jedoch nicht im Verfahren nach § 10 a VAHRG korrigiert werden. Denn er beruht nicht auf einer veränderten oder fehlerhaften Ermittlung der in § 10 a Abs. 1 genannten Umstände, die sich auf die Ermittlung des Wertunterschieds (Abs. 1 Nr. 1, 2) oder auf die Wahl der Augleichsform (Abs. 1 Nr. 3) in der Erstentscheidung auswirken (so auch Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 4. Aufl., § 10 a VAHRG Rdn. 6; Wick, Der Versorgungsausgleich 2004, Rdn. 292).

Der Umstand, daß im vorliegenden Fall möglicherweise - zusätzlich - die Voraussetzungen des § 10 a Abs. 1 Nr. 2 VAHRG erfüllt sind, weil das Anrecht des Ehemannes auf die Versorgungsrente nachträglich unverfallbar geworden ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine Einbeziehung dieses nunmehr unverfallbaren Anrechts des Ehemannes und Beschwerdeführers kommt (losgelöst vom Verbot, die Erstentscheidung zu seinem Nachteil abzuändern) schon aus kollisionsrechtlichen Gründen nicht in Betracht: Da ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht durchgeführt werden durfte, darf der der Ehefrau bereits gutgebrachte Ausgleichsbetrag jedenfalls nicht erhöht werden; das wäre aber der Fall, wenn der Versorgungsausgleich zugunsten der Ehefrau auf weitere, bislang nicht einbezogene Anrechte des Ehemannes - hier auf die Versorgungsrente - erstreckt und damit erweitert würde. Ebensowenig kann aber die zwischenzeitlich eingetretene Unverfallbarkeit des Anrechts des Ehemannes auf Versorgungsrente dazu führen, daß die Erstentscheidung über den zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleich nunmehr vollends in Wegfall gerät. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 10 a Abs. 1 VAHRG, der nur eine "entsprechende", d.h. den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Wertverschiebungen Rechnung tragende Abänderung der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich zuläßt. Die vom Antragsgegner begehrte Aufhebung der Erstentscheidung "entspräche" der zwischenzeitlich eingetretenen Unverfallbarkeit seines Anrechts auf Versorgungsrente nicht; sie liefe ihr sogar zuwider. Für eine solche Abänderung bietet § 10 a VAHRG keine Handhabe.

cc) Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 10 a VAHRG, die dem Anliegen des Antragsgegners Rechnung tragen würde, kommt nach Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht in Betracht. Die im Senatsbeschluß vom 13. Dezember 1995 (aaO 283 f.) angestellten Überlegungen zu einer ausweitenden Handhabung gelten insoweit entsprechend. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zu einer solchen Handhabung, wie sie die weitere Beschwerde geltend macht, hält der Senat nicht für gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück