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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.09.2001
Aktenzeichen: XII ZB 38/97
Rechtsgebiete: VAÜG, BGB


Vorschriften:

VAÜG § 2 Abs. 1
VAÜG § 3 Abs. 2
VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 1587 o
BGB § 1587 o Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 o Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 38/97

vom

5. September 2001

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Brandenburg wird der Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. Dezember 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 1.000 DM.

Gründe:

I.

Die am 20. April 1990 geschlossene Ehe der Parteien ist durch Urteil des Familiengerichts vom 12. Juli 1995 rechtskräftig geschieden worden. Das Versorgungsausgleichsverfahren ist abgetrennt worden.

Der Scheidungsantrag der Ehefrau, dessen formgerechte Zustellung sich nicht aus den Akten erkennen läßt, ist dem Ehemann nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen am 29. oder 30. März 1995 tatsächlich zugegangen. Während der Ehezeit (1. April 1990 bis 28. Februar 1995, §§ 1587 Abs. 2 BGB, 187 ZPO) haben die Parteien nach den vom Oberlandesgericht aufgrund der Auskünfte der Landesversicherungsanstalt Brandenburg (im folgenden: LVA) getroffenen Feststellungen Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar jeweils angleichungsdynamische Anrechte im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG. Die von der Ehefrau erlangten Anrechte betragen monatlich 52,12 DM, diejenigen des Ehemannes monatlich 202,45 DM. Die Ehefrau hat in der Ehezeit darüber hinaus (nichtangleichungsdynamische) Rentenanwartschaften im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB in Höhe von monatlich 57,74 DM erworben.

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht vom 3. April 1996 haben die Parteien folgende Vereinbarung geschlossen:

"Wir vereinbaren, daß die nichtangleichungsdynamischen Anrechte der Ehefrau (ausweislich der Berechnungen der LVA Brandenburg vom 25.10.1995 in Höhe von 57,74 DM) wie angleichungsdynamische Anrechte behandelt werden. Hierin liegt ein Teilverzicht der Antragstellerin, den wir jedoch vereinbaren."

Das Amtsgericht hat daraufhin den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, daß es von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der LVA angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 46,29 DM, bezogen auf den 28. Februar 1995, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat.

Hiergegen hat die LVA Beschwerde eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Vereinbarung der Parteien nichtig sei, weshalb der Versorgungsausgleich nicht habe durchgeführt werden dürfen, sondern das Verfahren habe ausgesetzt werden müssen. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten - zugelassenen - weiteren Beschwerde verfolgt die LVA das Ziel einer Aussetzung des Verfahrens weiter.

II.

Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Das Oberlandesgericht hat die Auffassung vertreten, daß der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der vom Familiengericht in seiner Entscheidung stillschweigend genehmigten Vereinbarung zutreffend durchgeführt worden sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Vereinbarung verstoße nicht gegen die "systemimmanenten Schranken" des Versorgungsausgleichs. Durch sie sei weder die Form des Ausgleichs (Splitting) noch dessen Richtung geändert worden, vielmehr sei lediglich der zugunsten der Ehefrau auszugleichende Betrag verringert worden. Die Einhaltung der Form des Versorgungsausgleichs ergebe sich schon daraus, daß beide Parteien ausschließlich dynamische, nämlich angleichungs- bzw. nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten erworben hätten und deshalb nur das Splitting gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB als Ausgleichsform in Betracht komme. Die Ehefrau sei auch ohne die Vereinbarung ausgleichsberechtigt, wie eine Berechnung für den angenommenen Fall zeige, daß der Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG durchzuführen sei. In diesem Fall seien - unter Heranziehung der nach § 3 Abs. 2 VAÜG für die Wertermittlung der auszugleichenden Anrechte geltenden Regeln - bei einer Berechnung zum zweiten Halbjahr 1996 1,3572 Entgeltpunkte (Ost) zugunsten der Ehefrau zu übertragen, während das Amtsgericht im Ergebnis 1,3058 Entgeltpunkte (Ost) zugunsten der Ehefrau übertragen habe. Auch wenn berücksichtigt werde, daß die auf der Vereinbarung der Parteien beruhende Schlechterstellung der Ehefrau mit jeder Rentenerhöhung geringfügig zunehmen könne, sei angesichts des geringen Unterschiedes auszuschließen, daß sich die Ausgleichsrichtung ändern werde. Deshalb liege die Vereinbarung im Rahmen der Dispositionsbefugnis der Parteien und sei wirksam. Ausgehend hiervon sei es nicht zu beanstanden, daß das Familiengericht die nichtangleichungsdynamische Anwartschaft der Ehefrau einer nominal gleich hohen angleichungsdynamischen Anwartschaft gleichgesetzt, den Betrag von 57,74 DM der angleichungsdynamischen Anwartschaft von 52,12 DM hinzugerechnet und in Höhe der Hälfte des Wertunterschiedes (202,45 DM - 109,86 DM = 92,59 DM : 2 = 46,29 DM) den Versorgungsausgleich durchgeführt habe.

2. Die weitere Beschwerde hält die Vereinbarung der Parteien für unwirksam. Sie vertritt die Auffassung, daß das Amtsgericht den Versorgungsausgleich nicht habe durchführen dürfen, weil weder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VAÜG noch diejenigen der Nr. 2 der Bestimmung erfüllt gewesen seien. Bei dieser Sachlage habe das Verfahren zwingend ausgesetzt werden müssen. Die Vereinbarung der Parteien laufe auf eine unzulässige Umgehung des § 2 Abs. 1 VAÜG hinaus. Bei Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen hätten derzeit keine Rentenanwartschaften übertragen werden dürfen.

3. Damit vermag die weitere Beschwerde nicht durchzudringen. Das Oberlandesgericht ist zu Recht von der Wirksamkeit der am 3. April 1996 von den Parteien geschlossenen Vereinbarung ausgegangen.

a) Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde begegnet die Vereinbarung keinen formellen Bedenken. Zwar setzt die Wirksamkeit einer zu gerichtlichem Protokoll erklärten Vereinbarung über den Versorgungsausgleich regelmäßig voraus, daß beide Ehegatten dabei durch bei dem Gericht zugelassene Rechtsanwälte vertreten werden (Senatsbeschluß vom 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - FamRZ 1991, 679, 680). Das war vorliegend indessen der Fall. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 3. April 1996 hat sich Rechtsanwalt B. zum Abschluß der Vereinbarung nach § 1587 o BGB für den Ehemann bestellt.

Daß das Familiengericht die Vereinbarung nicht ausdrücklich genehmigt hat, ist im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat, enthält der Beschluß des Familiengerichts jedenfalls eine stillschweigende Genehmigung der Vereinbarung, da sie die wesentliche Grundlage der getroffenen Entscheidung darstellt.

b) Auch im übrigen ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Vereinbarung sei wirksam, nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Der Senat hat in einem Parallelverfahren entschieden, daß § 2 Abs. 1 VAÜG der Wirksamkeit einer von den Parteien nach § 1587 o Abs. 1 BGB in zulässiger Weise geschlossenen Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, nach der nichtangleichungsdynamische Anrechte des Ausgleichsberechtigten wie angleichungsdynamische Anrechte behandelt werden sollen, nicht entgegenstehe. Vielmehr komme es für die Frage der Wirksamkeit allein darauf an, ob sich die Vereinbarung der Parteien im Rahmen der ihnen nach § 1587 o Abs. 1 BGB eingeräumten Dispositionsbefugnis halte (Senatsbeschluß vom 5. September 2001 - XII ZB 28/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß wird Bezug genommen. Wie das Oberlandesgericht zu Recht angenommen hat, ist deshalb zu prüfen, zugunsten welches Ehegatten und in welcher Richtung Rentenanwartschaften gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB zu übertragen wären, wenn der Versorgungsausgleich uneingeschränkt durchgeführt werden müßte.

c) Nach den bisher getroffenen Feststellungen verstößt die Vereinbarung nicht gegen § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB.

Daß sich hierdurch nicht die Richtung ändert, in der nach der gesetzlichen Regelung der Versorgungsausgleich zu erfolgen hätte, hat das Oberlandesgericht durch die von ihm rechtlich und rechnerisch zutreffend durchgeführte Berechnung für den angenommenen Fall des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG ermittelt. Danach hätte sich der Versorgungsausgleich ohne die Vereinbarung ebenfalls zugunsten der Ehefrau ausgewirkt. Auch sonst ergeben sich keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vereinbarung.

Da angleichungsdynamische Anrechte bis zur Einkommensangleichung wegen ihrer besonderen Wertsteigerung einen höheren Wert haben als nichtangleichungsdynamische Anrechte, wird infolge der Vereinbarung, daß ein nichtangleichungsdynamisches Anrecht wie ein angleichungsdynamisches Anrecht behandelt werden soll, ersteres im Ergebnis höher bewertet. Handelt es sich, wie vorliegend, um ein Anrecht des ausgleichsberechtigten Ehegatten, dann führt die Vereinbarung zu einer gewissen Schlechterstellung des Ausgleichsberechtigten, weil ihm die Angleichungsdynamik der Anrechte des Ausgleichspflichtigen nicht in vollem Umfang zugute kommt. Die Vereinbarung bewirkt deshalb mittelbar einen - wenn auch relativ geringfügigen - Teilausschluß des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Berechtigten und hat damit nicht die unzulässige Folge, daß zu Lasten des Ausgleichspflichtigen mehr Anwartschaften übertragen werden, als dies ohne die Vereinbarung der Fall wäre (vgl. auch Kemnade, FamRZ 1998, 1443).

d) Danach ist der unter Berücksichtigung der Vereinbarung durchgeführte Versorgungsausgleich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zu beanstanden.

4. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden. Die für die Ehefrau von der LVA am 25. Oktober 1995 erteilte Auskunft berücksichtigt nicht die Auswirkungen des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998 ff.), unter anderem die geänderte Bewertung der Kindererziehungszeiten, mit der der Bemessungswert angehoben wurde.

Die Sache muß deshalb an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen treffen kann.



Ende der Entscheidung

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