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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: XII ZB 6/01
Rechtsgebiete: BGB, BetrAVG


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 c
BGB § 1587 a Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 4
BetrAVG § 18
BetrAVG § 30 d
BetrAVG § 30 f
Zur Frage einer Aktualisierung von Auskünften der Versorgungskasse der deutschen Kulturorchester (im Anschluß an Senatsbeschluß vom 23. Januar 2002 - XII ZB 139/00 - FamRZ 2002, 608 ff.).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 6/01

vom

10. Juli 2002

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Dezember 2000 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Beschluß des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Dezember 2000 im Kostenpunkt wie folgt neu gefaßt wird:

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 1220,29 € (= 2.386,68 DM)

Gründe:

I.

Die am 10. Oktober 1977 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 16. Dezember 1999 zugestellten Antrag des Ehemannes (Antragsteller) durch Verbundurteil vom 25.Mai 2000 geschieden (insoweit rechtskräftig seit 19. September 2000) und der Versorgungsausgleich geregelt.

Während der Ehezeit (1. Oktober 1977 bis 30. November 1999; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben nach den Feststellungen des Amtsgerichts die Ehefrau Anwartschaften auf eine Beamtenversorgung bei der Bezirksfinanzdirektion M. (weitere Beteiligte zu 3) in Höhe von monatlich 2.251,30 DM und der Ehemann Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 1, BfA) in Höhe von monatlich 1.930,05 DM, jeweils bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben ist für den Ehemann eine ehezeitliche Anwartschaft auf Ruhegeld bei der bayerischen Versorgungskammer, Versorgungsanstalt der Deutschen Kulturorchester (weitere Beteiligte zu 2, VddKO) in Höhe von jährlich 29.917,44 DM festgestellt.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der VddKO auf einem bei der BfA einzurichtenden Versicherungskonto der Ehefrau Rentenanwartschaften von monatlich 308,34 DM, bezogen auf den 30. November 1999, begründet hat. Dabei hat es die Anwartschaft des Ehemannes auf eine Versorgung bei der VddKO als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch bewertet und unter Anwendung der Barwertverordnung in eine dynamische Anwartschaft von monatlich 937,93 DM umgerechnet.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Ehefrau gerügt, das Amtsgericht habe zur Umrechnung der Anwartschaft des Ehemannes bei der VddKO die Barwertverordnung nicht heranziehen dürfen, da sie verfassungswidrig sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der Ehefrau, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde der Ehefrau hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat im Tenor des Beschlusses die weitere Beschwerde uneingeschränkt zugelassen und in der Begründung ausgeführt, die weitere Beschwerde werde im Hinblick auf die Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit des § 1587 a Abs. 3 BGB bzw. der Barwertverordnung sowie der damit zusammenhängenden etwaigen anderen Berechnung des Versorgungsausgleichs zugelassen. Eine - unzulässige - Beschränkung der Beschwerde (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 1991 - XII ZR 56/90 - FamRZ 1991, 931 ff. und vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286 ff.) ist darin nicht zu sehen.

2. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Anwartschaft des Ehemannes bei der VddKO unter Anwendung der Barwertverordnung in eine dynamische Anwartschaft umgerechnet und dabei die Auskunft der weiteren Beteiligten zu 2 vom 7. April 2000 zugrunde gelegt.

a) Die vom Beschwerdegericht vorgenommene - und von der weiteren Beschwerde nicht angegriffene - Bewertung der Versorgungsanwartschaft des Ehemannes bei der VddKO als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 25. September 1996 - XII ZB 227/94 - FamRZ 1997, 164 ff.).

Zutreffend hat das Beschwerdegericht auch zur Umrechnung der Anwartschaft die Barwertverordnung herangezogen. Wie der Senat (mit Beschluß vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf "Ersatztabellen" kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluß, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte (vgl. Senatsbeschluß vom 5. September 2001, aaO).

b) Die vom Beschwerdegericht zugrundegelegte Auskunft der weiteren Beteiligten zu 2 beruht auf der Satzung der VddKO in der Fassung der Änderungssatzung vom 19. Januar 1999. Die Satzung der VddKO setzt Vorgaben des BetrAVG um, die u.a. auch für die VddKO gelten (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 2 BetrAVG i.V. mit § 36 Abs. 1 Satzung der VddKO und § 24 Abs. 3 Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder). Das BetrAVG ist zwischenzeitlich wiederholt geändert worden. Diese Änderungen erfordern hier jedoch keine Änderung der angefochten Entscheidung. Zwar ist für die Höhe des Versorgungsausgleichs das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden, wenn es sich nach seinem zeitlichen Geltungswillen auf den zu entscheidenden Sachverhalt erstreckt (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluß vom 23. Januar 2002 - XII ZB 139/00 - FamRZ 2002, 608, 609 m.w.N.). Die Neuregelungen können sich jedoch hier auf die Berechnung der Anwartschaft des Ehemannes nicht auswirken:

aa) Die der Auskunft zugrundeliegende Fassung der VddKO-Satzung berücksichtigt naturgemäß nicht die Änderung des § 1 BetrAVG durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz - AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310) mit Wirkung teils vom 1. Januar 2001, teils vom 1. Januar 2002. Mit diesem Gesetz sind u.a. die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit von Anrechten in der betrieblichen Altersversorgung abgesenkt worden (vgl. jetzt §§ 1 a, 1 b BetrAVG i.d.F. vom 26. Juni 2001; zur zeitlichen Geltung siehe § 30 f BetrAVG i.d.F. des Art. 9 Nr. 24 AVmG). Für den vorliegenden Fall ist diese Absenkung indes ohne Belang, da das Anrecht des Ehemannes, der zum Ehezeitende das 51. Lebensjahr vollendet und 351 Beitragmonate zurückgelegt hatte, bereits nach bisherigem Recht unverfallbar war.

bb) Die der Auskunft zugrundeliegende Fassung der VddKO-Satzung berücksichtigt ferner nicht die Änderung des § 18 BetrAVG durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1914) mit Wirkung vom 1. Januar 2001.

Nach der bis dahin geltenden Fassung des § 18 Abs. 2 BetrAVG bestimmte sich die Höhe der einem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst geschuldeten Zusatzrente nach der Höhe seines letzten Arbeitsentgelts und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit; die Höhe der jeweiligen Versorgungszusage blieb unberücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb § 18 BetrAVG für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber zur Neuregelung eine Frist bis zum 31. Dezember 2000 gesetzt (BVerfGE 98, 365, 402 = FamRZ 1999, 279, 284 f.). Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit der vom Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung geschaffenen Neufassung des § 18 Abs. 2 BetrAVG, die durch Art. 5 Abs. 35 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) nur redaktionell berichtigt worden ist, nachgekommen (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 23. Januar 2002, aaO; zur zeitlichen Geltung siehe § 30 d BetrAVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung aaO).

Die Richtigkeit der von der VddKO erteilten und der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegten Auskunft wird hierdurch jedoch nicht berührt: Die VddKO gewährt ihren Versicherten eine Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe ihrer Satzung sowie fortgeltender Tarifordnungen (§ 20 der Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 (Reichsarbeitsblatt VI, 597 i.V. mit § 58 Abs. 1 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK)). Das dem Versicherten danach von der VddKO zu zahlende Altersruhegeld beträgt jährlich 16,1 v.H. (Verrentungssatz) der für den Versicherten entrichteten Beiträge (§§ 1, 25, 27, 28 Abs. 5 Satzung VddKO). Eine Anrechnung der gesetzlichen Rente oder sonstiger Versorgungsleistungen ist in der Satzung nicht vorgesehen. Die so ausgestaltete Versorgung wird durch die vom Bundesverfassungsgericht gegen § 18 Abs. 2 BetrAVG in der Fassung vom 16. Dezember 1997 erhobenen Beanstandungen nicht tangiert. Das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 21. Dezember 2000 (aaO) hat deshalb die besonderen Regelungen des BetrAVG über die Leistungen der VddKO (§ 18 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG i.d.F. vom 16. Dezember 1997) in der Sache unberührt gelassen (§ 18 Abs. 7 Satz 1 bis 3 BetrAVG i.d.F. vom 21. Dezember 2000) und lediglich die vom Rentenreformgesetz irrtümlich (vgl. BT-Drucks. 14/4363 S. 11 (zu Absatz 7)) gestrichene Gleichstellung der freiwillig Versicherten mit den Pflichtversicherten (§ 18 Abs. 7 S. 4 BetrAVG i.d.F. vom 21. Dezember 2000) wieder eingefügt. Für die Berechnung der Anwartschaft des Ehemannes bei der VddKO kann deshalb weiterhin auf deren bisher erteilte Auskunft zurückgegriffen werden.



Ende der Entscheidung

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