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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: XII ZB 68/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 640 e Abs. 1 Satz 1
BGB § 1599
BGB § 1600 Abs. 1
Fechten das Kind, die Mutter oder der nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB als Vater geltende Mann die Vaterschaft an, ist der als biologischer Vater in Betracht kommende Mann nicht von Amts wegen beizuladen.

Eine eigene Berufung gegen das der Anfechtung stattgebende Urteil ist ihm verwehrt. Jedoch kann er dem Rechtsstreit als unselbständiger Nebenintervenient gemäß § 66 ZPO beitreten und im Namen der unterlegenen Hauptpartei Berufung einlegen.


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

XII ZB 68/04

vom 4. Juli 2007

in der Kindschaftssache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juli 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. März 2004 wird auf Kosten des Beteiligten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe:

I.

Die Klägerin ist am 15. Juli 1975 während der Ehe ihrer Mutter mit dem Beklagten geboren worden. Sie hat mit der am 24. Juli 2002 zugestellten Klage die Feststellung beantragt, dass der Beklagte nicht ihr Vater sei. Der Beklagte hat der Vaterschaftsanfechtung nicht widersprochen. Nach Einholung eines genetischen Abstammungsgutachtens hat das Amtsgericht - Familiengericht - der Klage stattgegeben. Das Urteil vom 12. Dezember 2002 ist der Klägerin am 17. Dezember 2002, dem Beklagten am 18. Dezember 2002 zugestellt worden.

Mit am 25. Juli 2003 zugestellter Klage hat die Klägerin in einem weiteren Verfahren Dr. D. auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch genommen. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Klage nach Einholung eines Abstammungsgutachtens stattgegeben. Auf die Berufung des Dr. D. hat das Oberlandesgericht das Verfahren im Hinblick auf das vorliegende Anfechtungsverfahren nach § 148 ZPO ausgesetzt.

Am 29. Januar 2004 hat Dr. D. im eigenen Namen Berufung gegen das der Anfechtungsklage stattgebende Urteil mit der Begründung eingelegt, die Klage sei wegen Ablaufs der zweijährigen Anfechtungsfrist unbegründet. Die Klägerin wisse zumindest seit Januar 1998, dass sie nicht vom Beklagten abstamme. Das Amtsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, ihn als möglichen biologischen Vater beizuladen. Durch die Feststellung, dass der Beklagte nicht der Vater der Klägerin sei, sei er aber unmittelbar beschwert. Von dem Anfechtungsverfahren habe er erst im Februar 2003 erfahren; das Urteil sei ihm nicht zugestellt worden. Deshalb habe die Berufungsfrist für ihn noch nicht begonnen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Dr. D., mit der er die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht zur Entscheidung in der Sache erstrebt.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch sonst zulässig, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geboten, wenn die Sache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Anzahl von Fällen stellen kann, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen (vgl. BGHZ 152, 182, 190 f.; 153, 254, 256; 154, 288, 291 f., jeweils zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Durch die angefochtene Entscheidung stellt sich die rechtsgrundsätzliche Frage, ob im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 1592, 1599 Abs. 1, 1600 Abs. 1 BGB der potentielle biologische Vater in direkter oder zumindest in entsprechender Anwendung des § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen beizuladen und rechtsmittelbefugt ist.

Der Bundesgerichtshof hat für das bis 30. Juni 1998 geltende Kindschaftsrecht entschieden, im Ehelichkeitsanfechtungsprozess sei der als außerehelicher Erzeuger in Betracht kommende Mann nicht zu beteiligen. Mit der Ehelichkeitsanfechtung sei kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtsstellung des biologischen Vaters verbunden. Insbesondere beschränke sie seine verfahrensrechtlichen Befugnisse in einem späteren Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht. Er könne weiterhin behaupten, Vater des Kindes sei der Mann, der Partei des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses gewesen sei (BGHZ 83, 391, 393 ff. = FamRZ 1982, 692, 693). Das zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrecht (Kindschaftsreformgesetz vom 16. Dezember 1997, BGBl. I 2942) lässt durch die erfolgreiche Anfechtung nicht mehr nur den Status der Ehelichkeit des Kindes entfallen. Sie verbindet die rechtskräftige Vaterschaftsanfechtung mit der nach § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO gegenüber Dritten, d.h. auch gegenüber dem potentiellen biologischen Vater geltenden Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft im Sinne der §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB. Ob diese Rechtslage eine Beiladung des biologischen Vaters im Anfechtungsprozess gebietet, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

a) Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1985 f. veröffentlicht ist, kann Dr. D. kein Rechtsmittel gegen das Anfechtungsurteil einlegen. Eine Berechtigung folge auch nicht daraus, dass Dr. D. am Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu beteiligen gewesen wäre, wegen eines Verfahrensfehlers des Amtsgerichts aber nicht beigeladen worden sei. Als potentieller biologischer Vater sei er durch die Anfechtung des Kindes nicht unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen und deshalb auch nicht entsprechend § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend am Verfahren zu beteiligen. Ein Anfechtungsurteil nehme ihm zwar gemäß § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO die Möglichkeit, sich in einem späteren Feststellungsverfahren auf die Vaterschaft des am Erstverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes zu berufen. Sein eigener Status bleibe aber unberührt. Das Anfechtungsurteil eröffne lediglich die Möglichkeit, die Vaterschaft des Dr. D. in einem weiteren Verfahren feststellen zu lassen. Diese Urteilswirkung rechtfertige aber keine Gleichstellung des biologischen Vaters mit einer Hauptpartei des Anfechtungsprozesses. Zudem umfasse der Schutzbereich des Art. 6 GG nicht das Interesse des Dr. D., eine Klage auf Feststellung seiner Vaterschaft zu verhindern. Auch dienten die gesetzlichen Anfechtungsfristen nicht dem Schutz des biologischen Erzeugers vor seiner Inanspruchnahme als Vater.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Dr. D. zu Recht als unzulässig verworfen.

b) In der Literatur wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dem als biologischem Vater in Betracht kommenden Mann stehe im Anfechtungsverfahren des Kindes, der Mutter oder des als Vater geltenden Mannes ein verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch auf rechtliches Gehör zu. Deshalb sei er in entsprechender Anwendung von § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingend am Verfahren zu beteiligen (für das bis 30. Juni 1998 geltende Recht Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 640 e Rdn. 7; Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 640 e Rdn. 2). Ein rechtskräftiges Anfechtungsurteil verkürze die spätere Rechtsverteidigung des potentiellen biologischen Vaters, weil er an die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des am Anfechtungsverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes gebunden sei. Dies könne nicht geschehen, ohne ihm rechtliches Gehör einzuräumen (Stein/Jonas/Schlosser aaO § 640 e Rdn. 7).

c) Die herrschende Meinung geht indessen davon aus, § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO sei im Anfechtungsverfahren auf den (nur) biologischen Vater nicht entsprechend anzuwenden. Zwischen ihm und dem Kind bestehe keine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung nach §§ 1592, 1593 BGB. Die Rechtsstellung des potentiellen biologischen Vaters werde deshalb durch das Anfechtungsverfahren nur indirekt berührt (Staudinger/Rauscher BGB 2004 § 1600 e Rdn. 87; MünchKomm/Coester-Waltjen ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 3; in diesem Sinne auch Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 65. Aufl. § 640 e Rdn. 2; Prütting/Pieper BGB § 1600 e Rdn. 33; van Els FPR 2002, 587, 588; Wanitzek FPR 2002, 390, 400; Wieser FamRZ 1998, 1004, 1006; Hoppenz/Zimmermann 8. Aufl. § 640 e ZPO Rdn. 1).

d) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung jedenfalls für die vom Kind, von der Mutter oder von dem nach §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB als Vater geltenden Mann initiierte Anfechtungsklage an.

aa) Nach § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Elternteil in einem Statusprozess, in dem er nicht selbst Partei ist, in der Weise zwingend von Amts wegen zu beteiligen, dass er unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden ist. Neben dem Kind sollen beide Elternteile unabhängig von ihrer Beteiligung als Partei Kenntnis von dem Verfahren erhalten (so bereits BGHZ 76, 299, 302 f. = FamRZ 1980, 559, 560). Die Vorschrift sichert damit die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Personenkreis, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung tangiert wird (MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 e Rdn. 1). Die Eltern betrifft das Gestaltungsurteil aber deshalb unmittelbar, weil es über ihre rechtliche Eltern-Kind-Beziehung entscheidet. Im Anfechtungsverfahren des Kindes (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der Mutter (Nr. 3 dieser Vorschrift) oder des rechtlichen Vaters (Nr. 4 dieser Vorschrift) besteht zwischen dem potentiellen biologischen Vater und dem Kind jedoch noch keine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung im Sinne von §§ 1592, 1593 BGB, auch stellt das Anfechtungsurteil eine solche nicht her. Der biologische Vater ist deshalb kein Elternteil im Sinne des § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 126; Eckebrecht in Scholz/Stein Praxishandbuch Familienrecht Rdn. Q 91 a.E.) und nicht zwingend am Verfahren zu beteiligen.

bb) Die Rechtsstellung des biologischen Vaters ist durch die Anfechtungsklagen des Kindes, der Mutter oder des rechtlichen Vaters nur insoweit mittelbar betroffen, als das rechtskräftige Anfechtungsurteil den Weg zur Feststellung seiner Vaterschaft frei gibt (MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 e Rdn. 3). Zwar wirkt das Gestaltungsurteil nach § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO für und gegen alle, damit auch gegen den biologischen Vater. Allein dieser Umstand gebietet aber keine entsprechende Anwendung des § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 1 GG. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör ist ein verfahrensmäßiges Gegenstück zu der Befugnis, Rechte zu Lasten anderer geltend zu machen. Wie die Geltendmachung von Rechten an die Person ihres Trägers ist er an die Person des sachlich Betroffenen gebunden (BGHZ 83, 391, 393 f. = FamRZ 1982, 692, 693). Die Wirkungen des § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO sind dabei nur allgemeine Auswirkungen des Gestaltungsurteils, sie treffen den biologischen Vater - wie jeden anderen Dritten auch - nicht in rechtlich besonders geschützten Belangen (OLG Jena FamRZ 2006, 1602; MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 e Rdn. 3). Weder stellt das rechtskräftige Anfechtungsurteil eine rechtsbedeutsame Beziehung des biologischen Vaters zum Kind her, noch schließt es die Möglichkeit des biologischen Vaters aus, mit einer Feststellungsklage (§§ 1600 d, 1600 e BGB) auch die Stellung eines Vaters im Rechtssinne einzunehmen.

cc) Die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung verkürzt insbesondere nicht die Rechtsverteidigung des potentiellen biologischen Vaters in einem späteren Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Nach § 1599 Abs. 1 BGB lässt das rechtskräftige Anfechtungsurteil die Wirkungen der §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB entfallen. Die Entscheidung ist auf die richterliche Gestaltung eines Rechtsverhältnisses gerichtet (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1999 ­ XII ZR 117/97 ­ FamRZ 1999, 716; Staudinger/Rauscher aaO § 1599 Rdn. 25; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1599 Rdn. 7; Rausch in jurisPK 3. Aufl. § 1599 BGB Rdn. 35) und beseitigt die rechtliche Zuordnung des Kindes zu dem als Hauptpartei am Anfechtungsverfahren beteiligten Mann. Deshalb bezieht sich die Rechtskraft des Tenors nur auf die Frage der rechtlichen Vaterschaft, nicht aber auf die biologische Abstammung (Saenger/Kemper Hk-ZPO 2. Aufl. § 640 h Rdn. 5; vgl. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 2002 ­ XII ZR 345/00 ­ FamRZ 2003, 155, 156), denn diese kann nicht Gegenstand richterlicher Gestaltung sein. Weil das Anfechtungsurteil für und gegen alle wirkt (§ 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO), kann sich der mögliche biologische Vater im Feststellungsverfahren nach §§ 1600 d, 1600 e BGB zwar nicht mehr auf den Standpunkt stellen, das Kind sei rechtlich doch der Hauptpartei des Anfechtungsverfahrens zuzuordnen. Er kann aber seine eigene biologische Vaterschaft bestreiten, ohne dass die Erforschung der wahren Abstammungsverhältnisse unter Einbeziehung des im erfolgreichen Anfechtungsverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes ausgeschlossen ist (MünchKomm/Coester-Waltjen aaO § 640 h Rdn. 10; Staudinger/ Rauscher aaO § 1599 Rdn. 33 und § 1600 e Rdn. 87; Saenger/Kemper aaO § 640 h Rdn. 5; a.A. MünchKomm/Seidel BGB 4. Aufl. § 1592 Rdn. 59; Musielak/Borth ZPO 5. Aufl. § 640 h Rdn. 2; Zöller/Philippi aaO § 640 h Rdn. 3; Erman/Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1599 Rdn. 5; für das bis 30. Juni 1998 geltende Recht Stein/Jonas/Schlosser aaO § 640 e Rdn. 7).

dd) Eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtsstellung des potentiellen biologischen Vaters durch das Anfechtungsverfahren folgt auch nicht aus dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seiner Entscheidung vom 9. April 2003 für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erachtet, den biologischen Vater, der Elternverantwortung übernehmen möchte, ausnahmslos von der Möglichkeit der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung eines Dritten auszuschließen (BVerfG FamRZ 2003, 816, 820 ff.). Dem hat der Gesetzgeber durch das am 30. April 2004 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft etc. (BGBl. I 598) Rechnung getragen, und dem möglichen biologischen Vater nach §§ 1600, 1600 e BGB unter bestimmten Voraussetzungen ein eigenes Anfechtungsrecht zugebilligt, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater im Sinne von §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB keine sozial-familiäre Beziehung besteht. Daraus folgt indessen nicht die Pflicht, den biologischen Vater im Anfechtungsverfahren des rechtlichen Vaters, des Kindes oder der Mutter grundsätzlich beizuladen. Ihm bleibt trotzdem die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen der §§ 1600 d, 1600 e BGB die rechtliche Vaterposition zu erlangen.

Ein Beitritt des biologischen Vaters zum Anfechtungsverfahren des Kindes, der Mutter oder des Ehemannes könnte deshalb vor allem bezwecken, die Anfechtung der Vaterschaft eines Dritten und damit die spätere Feststellung der eigenen Vaterschaft zu verhindern. Dieses rechtliche Interesse ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geschützt, denn Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schließt ein Elternrecht ohne Pflichtentragung gegenüber dem Kind aus (BVerfG aaO S. 819). Auch dienen die Anfechtungsfristen des § 1600 b BGB nicht dem Interesse des potentiellen biologischen Vaters, einer möglichen Inanspruchnahme durch das Kind zu entgehen (vgl. BGH Beschluss vom 26. Oktober 2006 - III ZR 49/06 - FamRZ 2007, 36). Sie sollen vielmehr im Interesse des betroffenen Kindes den Familien- und Rechtsfrieden wahren, indem innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes eine Entscheidung darüber herbeizuführen ist, ob der bestehende Status beibehalten oder geändert werden soll (Senatsbeschluss BGHZ 92, 275, 278; BGHZ 14, 358, 360; OLG Hamm FamRZ 2002, 30, 31; vgl. auch Senatsurteil vom 24. März 1999 - XII ZR 190/97 - FamRZ 1999, 778, 779 und BT-Drucks. 13/4899, 87 f.). Entsprechend unterliegt die Erhebung einer Vaterschaftsfeststellungsklage gegen den biologischen Vater (§§ 1600 d, 1600 e BGB) nach Wegfall der Sperre der §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB keiner Befristung (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1672, 1673 m.w.N.). Aus dem Umstand, dass die Parteien der Anfechtungsklage vorliegend eventuell falsche Angaben zu den die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB in Gang setzenden Umständen gemacht und das Urteil arglistig erschlichen haben, kann Dr. D. folglich nichts für sich herleiten (Staudinger/Rauscher aaO § 1600 e Rdn. 87; OLG Jena FamRZ 2006, 1602; OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1672, 1673).

e) Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen nicht der rechtliche Vater, die Mutter oder das Kind, sondern ein Dritter die Anfechtungsklage erhoben hat. Denn das von einem nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB anfechtungsberechtigten Mann erstrittene rechtskräftige Anfechtungsurteil stellt nicht nur das Nichtbestehen der Vaterschaft im Sinne der §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB fest; es beinhaltet zugleich positiv die Feststellung der Vaterschaft des Anfechtenden (§ 640 h Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hier kann in Ausnahmefällen unmittelbar das Elternrecht eines am Verfahren nicht als Hauptpartei beteiligten dritten Mannes betroffen sein, der ebenfalls behauptet, Vater des Kindes zu sein, und Elternpflichten wahrnehmen möchte (vgl. Staudinger/Rauscher aaO § 1600 e Rdn. 87). Der (weitere) Vaterschaftsprätendent muss das die Vaterschaftsfeststellung beinhaltende Gestaltungsurteil nach § 640 h Abs. 1 Satz 1, 3 ZPO uneingeschränkt gegen sich gelten lassen. Mithin beeinträchtigt die Feststellungswirkung des § 640 h Abs. 2 ZPO sein durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschütztes Interesse an der rechtlichen Vaterposition. Einem im Anfechtungsverfahren nach §§ 1599, 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB nicht als Hauptpartei beteiligten Mann, der ebenfalls als potentieller biologischer Vater in Betracht kommt und Elternverantwortung wahrnehmen möchte, ist deshalb rechtliches Gehör zu gewähren. Er ist - soweit er dem Gericht bekannt ist - entsprechend § 640 e Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen unter Mitteilung der Klage zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden.

3. Vorliegend greift das der Vaterschaftsanfechtungsklage stattgebende Urteil nicht in speziell geschützte Rechtspositionen des Dr. D. ein. Als potentieller biologischer Vater ist er durch die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - nicht beschwert. Dr. D. konnte dem Rechtsstreit nicht wirksam als streitgenössischer Nebenintervenient (§ 69 ZPO) beitreten und sich deshalb auch nicht auf eine selbständig laufende Berufungsfrist berufen, die hier wegen der unterbliebenen Beiladung und Zustellung durch das Amtsgericht noch nicht begonnen hätte (vgl. zu den Folgen einer unterbliebenen Beiladung BGH Urteil vom 24. November 1983 ­ IX ZR 93/82 ­ FamRZ 1984, 164, 165). Seine Berufung ist unzulässig.

Die rechtlichen Interessen des nicht als Hauptpartei am Verfahren beteiligten biologischen Vaters sind im Anfechtungsprozess ausreichend durch die Möglichkeit gewahrt, dem Rechtsstreit als unselbständiger Nebenintervenient gemäß § 66 ZPO beizutreten (vgl. zum alten Kindschaftsrecht BGHZ 76, 299, 302 ff. = FamRZ 1980, 559, 560; BGHZ 83, 391, 395 = FamRZ 1982, 692, 693; BGHZ 92, 275, 276 ff. = FamRZ 1985, 61; BGH Urteil vom 29. Oktober 1981 ­ IX ZR 83/80 ­ FamRZ 1982, 47, 48; OLG Hamm FamRZ 1984, 810, 811). Dr. D. hätte auf Seiten des nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater geltenden Beklagten beitreten und in dessen Namen Berufung gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - einlegen können. Eine entsprechende Umdeutung des beim Oberlandesgericht am 29. Januar 2004 eingegangenen Anwaltsschriftsatzes des Dr. D. kommt indessen nicht in Betracht, denn das Anfechtungsurteil ist bereits seit dem 19. Januar 2003 rechtskräftig.



Ende der Entscheidung

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