Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: XII ZB 75/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 8
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
GKG § 41 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 75/08

vom 29. Oktober 2008

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2008 durch die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 15. Februar 2008 aufgehoben.

Gebührenstreitwert: 702 € (§ 41 Abs. 1 GKG)

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Mitgliedschaft der Beklagten im Fitnessclub des Klägers durch Kündigung erloschen ist.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mitgliedsbeiträge in Höhe von 312 € nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Mitgliedschaft der Beklagten in dem Fitnessclub des Klägers durch die Kündigung vom 14. Januar 2007 nicht aufgelöst worden ist, sondern erst mit Ablauf der vereinbarten Mindestlaufzeit am 31. Juli 2008 endet. Es hat die Berufung nicht zugelassen.

Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nur 507 € (312 € + 195 €) betrage. Der Feststellungsantrag sei lediglich mit 195 € anzusetzen. Bis 31. Juli 2008 könnten maximal Mitgliedsbeiträge in Höhe von 390 € entstehen. Es sei angemessen und ausreichend, lediglich 50 % dieser Summe als Wert für den Feststellungsantrag anzunehmen. Bei Feststellungsklagen sei gegenüber Leistungsklagen stets ein Abzug vorzunehmen. Es sei zu beachten, dass mit dem Feststellungsantrag nur ein Beendigungsgrund berücksichtigt werde und bis zum regulären Vertragsablauf andere Beendigungsgründe entstehen könnten.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie geltend macht, der Abschlag bei Feststellungsklagen betrage üblicherweise 20 %. Durch den ohne tragende Begründung vorgenommenen Feststellungsabschlag von 50 % verkürze das Berufungsgericht den Rechtsweg der Beklagten unter Verletzung gegen den Verfassungsgrundsatz auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und handle deshalb willkürlich.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dies ist u.a. der Fall, wenn einer Partei der Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird, da dies den Anspruch der Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt (BGH Beschluss vom 29. April 2004 - III ZB 72/03 - BGH-Report 2004, 1102, 1103). Das ist hier der Fall. Der Verwerfungsbeschluss beruht darauf, dass das Berufungsgericht die Beschwer der Beklagten anhand von Kriterien bewertet hat, für die es im Gesetz keine Grundlage gibt. Aufgrund dessen hat es unzutreffend angenommen, die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 600 € sei nicht erreicht.

2. Die Beschwer eines Beklagten durch ein Urteil auf Feststellung der Nichtbeendigung eines Mietverhältnisses bestimmt sich gemäß § 8 ZPO nach dem Betrag des auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Mietzinses (Senatsbeschluss vom 30. September 1998 - XII ZR 163/98 - NZM 1999, 21). Zutreffend und unangefochten ist das Berufungsgericht insoweit von einem Betrag von 390 € ausgegangen.

Soweit das Berufungsgericht davon aber einen Abschlag von 50 % vornimmt, weil es sich lediglich um einen Feststellungsantrag handele, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass bei positiven Feststellungsklagen ein Abschlag gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage vorzunehmen ist. Der Abschlag beträgt regelmäßig 20 %; zweifelhafte Realisierbarkeit eines Anspruchs oder Unwahrscheinlichkeit des Schadenseintritts können einen höheren Abschlag rechtfertigen (Zöller/Herget ZPO 26. Aufl. § 3 Rdn. 16 "Feststellungsklagen" mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Vornahme eines Abschlags hat ihren Grund darin, dass der Wert des positiven Feststellungsantrages regelmäßig unter demjenigen eines entsprechenden Zahlungsantrages liegt.

3. Dieser Gesichtspunkt greift aber bei der Festsetzung der Beschwer nach § 8 ZPO nicht durch. Im Interesse der Vereinheitlichung und Vereinfachung der Wertbemessung hat der Gesetzgeber in § 8 ZPO - ebenso wie für die Bemessung des Gebührenstreitwerts in § 41 Abs. 1 GKG - ein sehr weites Anknüpfungsmerkmal gewählt ("Streit über Bestehen oder Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses"). Solche Streitigkeiten werden regelmäßig und typischerweise in Form von Feststellungsklagen ausgetragen (MünchKomm/ Wöstmann ZPO 2. Aufl. § 8 Rdn. 11). Schon seinem Wortlaut nach zielt § 8 ZPO in erster Linie auf Feststellungsklagen ab (BGH Beschluss vom 13. Mai 1958 - VIII ZR 16/58 - NJW 1958, 1291). In Rechtsprechung und Schrifttum besteht deshalb Einigkeit, dass für die Bewertung eines Feststellungsantrages, der das Bestehen oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses zum Gegenstand hat, kein Abschlag vorzunehmen ist (BGH aaO; Zöller/Herget ZPO 26. Aufl. § 8 Rdn. 5; Musielak/Heinrich ZPO 6. Aufl. § 8 Rdn. 3; Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 8 Rdn. 18; MünchKomm/Wöstmann aaO). Der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von über 600 € ist damit erreicht.

4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte ihre Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet hat. Denn sie hat insoweit beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Über diesen Antrag wird das Berufungsgericht zunächst zu entscheiden haben (vgl. BGH Beschluss vom 29. April 2004 - III ZB 72/03 - BGH Report 2004, 1102, 1103).

Ende der Entscheidung

Zurück