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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.07.2000
Aktenzeichen: XII ZR 252/98
Rechtsgebiete: ZPO, DRiG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 557
ZPO § 331
ZPO § 551 Nr. 1
DRiG § 29 Satz 1
BGB § 554a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

XII ZR 252/98

Verkündet am: 19. Juli 2000

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Sprick

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. August 1998 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin eines Einkaufszentrums "C. " in H. . Sie bot den Beklagten über die I. GmbH (I. ) Geschäftsräume in dem damals erst noch zu erstellenden C. an. Durch Vertrag vom 1. August 1994 mieteten die Beklagten ein Ladengeschäft mit einer Grundfläche von ca. 96,38 qm im Passagenbereich des Geschäftszentrums, wobei festgelegt wurde, daß sie auf einer Teilfläche von ca. 76 qm eine Boutique für Herrenmode und Accessoires und auf der - abzutrennenden - Restfläche von ca. 20 qm eine Boutique für Geschenkartikel, Accessoires und Wohnaccessoires betreiben würden. Das Mietverhältnis sollte mit der für November 1995 in Aussicht genommenen Übergabe des Objekts beginnen und war zunächst auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen. Der Mietzins sollte monatlich 6.746,60 DM zuzüglich Nebenkosten und Mehrwertsteuer betragen. Der Mietvertrag enthielt unter anderem nähere Bestimmungen über die Nutzung der Mieträume, die Betriebspflicht, die Ladenöffnungszeiten und die Verpflichtung des Mieters, einer zu gründenden Werbegemeinschaft anzugehören, sowie über die Aufgaben des Vermieters, unter anderem hinsichtlich der "Organisation eines objektbezogenen Center-Managements", wodurch "die Voraussetzungen und Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg des Objekts geschaffen und gefördert werden" sollten.

Im Herbst 1995 schlossen sich die damaligen Mieter des C. zu einer Interessengemeinschaft zusammen, die gegenüber der Klägerin unter anderem beanstandete, daß bislang nur rund 50 % der Mietfläche belegt, die Parkplatzsituation extrem unbefriedigend und die Gesamtfrage der Verkehrsanbindung und Bewältigung des Verkehrsaufkommens noch völlig ungelöst seien. Die Interessengemeinschaft forderte die Klägerin auf, bis zur vollständigen Belegung des C. eine Reduzierung der Miete auf 2/3 des vertraglich vereinbarten Mietzinses vorzunehmen. Daraufhin halbierte die Klägerin den jeweils vereinbarten Mietzins. Im November 1995 bot sie den Mietern eine weitere Absenkung des Mietzinses auf 25 % des ursprünglich vereinbarten Betrages an. Die Beklagten nahmen dieses Angebot nicht an.

Anfang 1997 ersetzten die Beklagten die aktuelle Herrenmode durch Altbestände und unverkäufliche Restwaren. Die Schaufenster der Herrenboutique beschrifteten sie mit Hinweisen auf Sonderangebote; die Schaufenster der Geschenkboutique verhängten sie mit Packpapier. Daraufhin forderte die Klägerin sie mehrfach zum ordnungsgemäßen Betrieb des Ladens auf und setzte ihnen zuletzt eine Frist zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes bis zum 4. September 1997.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1997 erklärten die Beklagten die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Die Klägerin widersprach der Kündigung.

Sie nimmt die Beklagten auf Erfüllung ihrer Betriebspflicht - Offenhalten und Betreiben der Boutiquen zu den gesetzlichen Öffnungszeiten und Beleuchtung der Schaufenster - unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für den Fall der Nichterfüllung in Anspruch. Die Beklagten haben im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, daß das Mietverhältnis aufgrund der von ihnen erklärten Kündigung beendet sei. Sie haben behauptet, die Klägerin habe ihnen bei Anmietung des Objekts umfangreiche Zusicherungen gemacht über die Vollvermietung des C. , die Beteiligung eines Lebensmittelmarktes, das Vorhandensein einer erheblichen Anzahl (600 - 1200) von Parkplätzen sowie die günstige Erreichbarkeit des Einkaufszentrums. Sämtliche Zusicherungen seien nicht eingehalten worden. Die Konzeption des C. sei aufgrund eklatanter Fehleinschätzungen der Klägerin gescheitert.

Damit sei die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages weggefallen. Maßgeblich für den Abschluß des Vertrages sei für sie, die Beklagten, neben den Zusicherungen der Klägerin die Erwartung gewesen, in einem funktionsfähigen Einkaufszentrum mit attraktivem Branchenmix bestimmte Umsätze erzielen zu können. Statt dessen seien aufgrund der fehlenden Funktionsfähigkeit des Objekts steigende Verluste zu verzeichnen.

Die Klägerin hat bestritten, die behaupteten Zusicherungen erteilt zu haben. Im übrigen hat sie die Beklagten für ein etwaiges Scheitern des Konzepts des C. mit verantwortlich gemacht.

Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Es hat die fristlose Kündigung der Beklagten nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage für berechtigt erklärt mit der Folge, daß das Mietverhältnis zum 31. Oktober 1997 beendet worden sei. Die Widerklage hat das Gericht mangels Vorliegens eines Feststellungsinteresses für unzulässig gehalten, da über die Verpflichtung der Beklagten zur Mietzinszahlung bereits ein anderer Prozeß anhängig sei.

Gegen das Urteil haben die Klägerin Berufung und die Beklagten - unselbständige - Anschlußberufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Beklagten hat es das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und auf die Widerklage festgestellt, daß das Mietverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 30. Oktober 1997 zum 31. Oktober 1997 beendet worden sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

A: Da die Beklagten und Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntmachung des Termins nicht vertreten waren, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, §§ 557, 331 ZPO (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung.

B: Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

I. Die Revision erhebt zunächst eine Verfahrensrüge, mit der sie eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts geltend macht, § 551 Nr. 1 ZPO. Sie führt dazu aus, das Berufungsgericht habe in der nur bis zum 28. Februar 1998 zulässigen Besetzung mit zwei abgeordneten Richtern (§ 29 Satz 1 DRiG) auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 1998 am 18. August 1998 das Berufungsurteil verkündet. Damit sei das Berufungsgericht im entscheidenden Zeitpunkt falsch besetzt gewesen.

Diese Rüge greift nicht durch. Zwar darf nach § 29 Satz 1 DRiG bei einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr als ein Richter auf Probe oder ein Richter kraft Auftrags oder ein abgeordneter Richter mitwirken. Diese Vorschrift fand aber im Jahre 1998 im Beitrittsgebiet keine Anwendung. Durch § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Änderung des Rechtspflege-Anpassungsgesetzes vom 7. Dezember 1995 (BGBl. I 1590) wurde (zuletzt) bestimmt, daß die Beschränkung nach § 29 Satz 1 DRiG bis zum Ablauf des 31. Dezember 1999 in den neuen Ländern nicht anzuwenden sei. Danach konnte das Oberlandesgericht Naumburg im vorliegenden Verfahren im Jahre 1998 noch in der Besetzung mit einem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und zwei Richtern am Landgericht entscheiden.

II. Die Revision greift auch die materiell-rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts als fehlerhaft an.

1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagten seien nicht nach Maßgabe des Mietvertrages zum Betreiben des gemieteten Geschäftslokals verpflichtet; denn das Mietverhältnis sei durch die wirksame Kündigung der Beklagten vom 30. Oktober 1997 zum 31. Oktober 1997 beendet worden. Die Beklagten seien berechtigt gewesen, sich nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage von dem Mietvertrag zu lösen. Zur näheren Begründung dieser Auffassung hat das Oberlandesgericht auf die Entscheidung des Landgerichts verwiesen und - unter anderem - ergänzend ausgeführt: Während die Vollvermietung und -funktion des Einkaufszentrums Geschäftsgrundlage des Mietvertrages der Parteien gewesen sei, sei tatsächlich nur von einer Auslastung des C. von 40 % der Ladenflächen auszugehen. Aufgrund dieser geringen Auslastung und der daraus folgenden unzureichenden Frequentierung des Zentrums hätten die Beklagten erhebliche Umsatzverluste erlitten. Ob die Beklagten ihrerseits durch das Beschriften der Schaufenster mit Hinweisen auf Sonderangebote und das Verhängen mit Packpapier gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen hätten, könne demgegenüber dahingestellt bleiben. Ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten hätte nämlich jedenfalls an dem Mißerfolg des C. und dem Fehlen der Geschäftsgrundlage nichts geändert, da der Laden der Beklagten nach seiner Größe im Vergleich zu der Gesamtmietfläche des Einkaufszentrums und der Vielzahl der darin befindlichen Läden von geringer Bedeutung sei und deshalb auf die Frequentierung des Zentrums keinen erheblichen Einfluß hätte haben können.

2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht geltend macht, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zur Begründung wird insoweit zunächst auf das Senatsurteil vom 16. Februar 2000 (XII ZR 279/97 = WM 2000, 1012 ff. = NJW 2000, 1714 ff. m. Anm. Eckert, EWiR 2000, 469 f.) verwiesen, das ebenfalls ein Ladengeschäft in dem C. in H. betrifft, und dem ein inhaltsgleicher Mietvertrag wie im vorliegenden Fall zugrunde liegt. Auch in dem damaligen Fall handelte es sich - worauf das Landgericht, dessen Entscheidung sich das Berufungsgericht insoweit zu eigen gemacht hat, wesentlich abgestellt hat - "nicht um den üblichen Fall einer Ladenanmietung, bei der die gesamte Lage von vornherein überschaubar und das Risiko einer Betreibenspflicht im großen und ganzen vorstellbar war. Vielmehr ging es um die Übernahme eines Einzelladens in einem in der Fertigstellung befindlichen Objekt, von dessen noch nicht erwiesener Funktionsfähigkeit als Einkaufszentrum die kaufmännische Betreibbarkeit des Ladens wesentlich abhing" (LG-Urteil, Entscheidungsgründe unter 1). Auch in dem der Entscheidung vom 16. Februar 2000 zugrundeliegenden Mietvertrag hatte der Mieter Pflichten übernommen, die - nach der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Verfahren - "vom Normalfall einer Ladenmiete" abwichen und mit denen die Mieter "in den Gesamtbetrieb des C. eingebunden" wurden, und zwar insbesondere durch die Reglementierung bezüglich Vorhaltung und Angebot des Warensortiments, der Ladenöffnungszeiten und der Pflichtmitgliedschaft in einer Werbegemeinschaft. Wie der Senat in dem Urteil vom 16. Februar 2000 näher dargelegt hat, berechtigen die genannten mietvertraglichen Vereinbarungen über die Ladengeschäfte in dem C. die Mieter - entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Oberlandesgerichts - grundsätzlich nicht, sich unter Berufung auf die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage von ihren vertraglich eingegangenen Verpflichtungen zu lösen. Das gilt auch für die Beklagten, deren vertragliche und unternehmerische Situation sich nicht wesentlich von derjenigen der übrigen Ladenmieter unterscheidet.

a) Für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage - hier etwa der beiderseitigen Vorstellung von einer zu erwartenden Vollvermietung und positiven Entwicklung des Einkaufszentrums - ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen sich, wie hier, die Anfangsschwierigkeiten, die typischerweise mit der Existenzgründung oder der Eröffnung eines neuen Ladenlokals verbunden sind, für den Mieter wirtschaftlich negativ auswirken.

Diesen Grundsatz haben das Landgericht und das Oberlandesgericht, das sich dem Landgericht insoweit angeschlossen hat, als solchen nicht verkannt. Sie halten ihn allerdings im vorliegenden Fall nicht für anwendbar. Darin kann ihnen jedoch nicht gefolgt werden.

b) Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem die Chance, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters, das dieser nicht auf den Vermieter verlagern kann.

Diese im Gewerberaummietrecht angelegte Risikoverteilung ändert sich nicht dadurch, daß das vermietete Geschäft in einem Einkaufszentrum liegt und nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter erwartet, die notwendige geschäftsbelebende Funktion des Einkaufszentrums werde verwirklicht werden können. Wie auch in anderen Geschäftslagen fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäftes in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfaßt bei einem erst geplanten Einkaufszentrum neben der Chance, in einem später florierenden Zentrum erhöhte Gewinne zu erzielen, auch das Risiko eines Scheiterns des Gesamtobjekts mit entsprechenden negativen Folgen für das gemietete Einzelgeschäft. Allein der Umstand, daß auch der Vermieter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Projekts ausgeht, verlagert das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko für das einzelne gemietete Geschäft in dem Einkaufszentrum nicht von dem Mieter auf den Vermieter. Dieser trägt seinerseits ohnehin das gesamte Vermietungsrisiko und damit die Gefahr, bei einem Scheitern des Projekts seine Investitionen zu verlieren.

c) Die Parteien können allerdings die Risikoverteilung ändern und vereinbaren, daß der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters - ganz oder zum Teil - übernimmt.

Das haben das Landgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht hier angenommen. Die für diese Auffassung angeführten Umstände tragen das Ergebnis jedoch nicht.

Der Inhalt des Mietvertrages vom 1. August 1994 rechtfertigt nicht die Annahme, die Parteien hätten eine Verlagerung des unternehmerischen Geschäftsrisikos von dem Mieter auf den Vermieter vereinbart. Dafür reicht es nicht aus, daß die Mieter in einem projektierten Einkaufszentrum einzelne zusätzliche Vertragspflichten "im Gesamtinteresse" aller Mieter des Zentrums übernommen haben. Der Vertrag muß vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine Risikoübernahme durch den Vermieter enthalten. Dabei kann es sich um Vereinbarungen handeln, die den Mieter in seinen unternehmerischen Entscheidungen über das übliche Maß hinaus einschränken, sein Geschäft nach dem äußeren Erscheinungsbild zu einem eingefügten Teil einer Anlage werden lassen oder etwa dem Vermieter das Risiko einer Betriebsunterbrechung auch dann auferlegen, wenn nicht das vermietete Geschäft, sondern nur ein anderer Teil der Anlage dem Publikumsverkehr nicht mehr zugänglich ist. Solche Vereinbarungen sind dem hier streitigen Vertrag indessen nicht zu entnehmen. Die in den einzelnen Vertragsvorschriften enthaltenen für ein Einkaufszentren nicht ungewöhnlichen Regelungen - wie etwa Beschränkung des Sortiments, Betriebspflicht während der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten, Pflichtmitgliedschaft in der Werbegemeinschaft und Verpflichtung zur Zahlung von Nebenkosten für die Gesamtanlage - führen nicht zu einer Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf den Vermieter. Die Festlegung des Mietzwecks, hier zum Betrieb einer Herrenboutique und einer Geschenkboutique (§ 1 Nr. 4), ist in einem Mietvertrag über Gewerberäume üblich. Soweit nach § 2 Nr. 1 des Vertrages jede Änderung des Betriebszwecks und die Übernahme branchenfremder Artikel der Zustimmung des Vermieters bedürfen und die Gestaltung des Sortiments und des Geschäftsbetriebes so erfolgen muß, daß keine Überschneidung mit dem Sortiment eines anderen Geschäfts besteht (§ 2 Nr. 3), handelt es sich zwar um einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Mieters; dieser korrespondiert jedoch mit dem festgelegten Vertragszweck und schützt umgekehrt - bei entsprechender Planung und Gestaltung des Einkaufszentrums - auch den Mieter vor der Konkurrenz durch andere Geschäfte in dem Zentrum. Hingegen betrifft die Pflicht, die Ladenöffnungszeiten "maximal auszuschöpfen" und für Beleuchtung zu sorgen (§ 2 Nr. 2) in erster Linie das Gesamtinteresse. Ähnliches gilt für die Nebenkosten, die für die Gesamtanlage zu zahlen sind (§ 7). Derartige Kosten, die ein Mieter eines Geschäfts in Einzellage nicht zu zahlen hat, hat der Mieter des C. zu dem Zweck übernommen, auf diese Weise für den erhofften wirtschaftlichen Erfolg seines Geschäfts von der Gesamtattraktivität des Einkaufszentrums zu profitieren. Damit läßt sich keine Verlagerung des Risikos des einzelnen Unternehmers auf den Vermieter begründen. Ebenso wie ein Unternehmer in einer Einzelgeschäftslage möglicherweise, ohne dazu verpflichtet zu sein, in Außenanlagen in der Umgebung seines Geschäfts investiert, um die Lage attraktiver zu gestalten, steigert ein Mieter in einem Einkaufszentrum seine Umsatzchancen, indem er sich an den Kosten der Gesamtgestaltung des Zentrums beteiligt. Der Mieter erwirbt damit einen (durchsetzbaren) Anspruch gegen den Vermieter auf Verwendung der gezahlten Nebenkosten für die vorgesehene Gestaltung des Umfeldes innerhalb und außerhalb des Einkaufszentrums. Auf die Risikoverteilung für den Fall, daß das Zentrum von Publikum dennoch nicht angenommen wird und die Kunden ausbleiben, hat dies jedoch keinen Einfluß.

Entscheidend ist insoweit vielmehr, ob der Vermieter durch die Begründung eines Gesamtkonzeptes, in das die einzelnen Mieter finanziell und mit Betriebspflichten vertraglich eingebunden werden, eine Gesamtverkaufsstrategie entwickelt, mit welcher er über die übliche Verwaltung und Koordinierung eines Einkaufszentrums hinaus ein eigenes unternehmerisches Risiko für alle Einzelgeschäfte übernimmt. Das kann äußerlich etwa durch einheitliche Gestaltung der Geschäfte und unternehmerisch durch ein Gesamtmanagement der Anlage geschehen. Hierfür bieten sich jedoch im vorliegenden Fall nach dem Inhalt des Mietvertrages vom 1. August 1994 - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Regelung des § 10 des Vertrages über das Center-Management und die Werbegemeinschaft rechtfertigt nicht die Annahme eines "Gesamt-Managements" mit Risikoübernahme durch die Klägerin in dem vorbeschriebenen Sinn. Zwar ist der Klägerin nach § 10 die Organisation eines objektbezogenen Center-Managements als Vermieteraufgabe zugewiesen. Insoweit sollte jedoch ersichtlich die - in erster Linie verwaltungstechnische - Organisation angesprochen sein und nicht zugleich die umfassende unternehmerische Verantwortung für die Vermarktungsstrategie übernommen werden, zumal die Werbung durch eine Werbegemeinschaft gestaltet werden sollte, der alle Mieter als Mitglieder angehören sollten. Insoweit ist nach § 10 des Mietvertrages allenfalls die Aufgabe einer Koordinierung zwischen den einzelnen Mietern im Bereich der Werbung auf die Klägerin übertragen worden. Das begründet jedoch ebenfalls keine Verlagerung des Geschäftsrisikos auf den Vermieter.

d) Die in dem Mietvertrag vom 1. August 1994 getroffenen Vereinbarungen halten sich nach alledem, sowohl einzeln betrachtet als auch bei einer Gesamtwürdigung, insgesamt in dem üblichen Rahmen einer Regelung über die allgemeinen organisatorischen Grundlagen für ein Einkaufszentrum. Eine Verlagerung des typischerweise dem gewerblichen Mieter obliegenden Unternehmerrisikos auf den Vermieter ist ihnen nicht zu entnehmen.

Damit scheidet eine Kündigung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ohne Rücksicht auf die angeblich nur 40 %-ige Auslastung des C. und auf die behaupteten Umsatzverluste der Beklagten, die in deren eigene Risikosphäre fallen, aus Rechtsgründen aus.

Unter diesen Umständen bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob ein etwaiges vertragswidriges Verhalten der Beklagten an dem Mißerfolg des C. und dem Fehlen der Geschäftsgrundlage ohnehin "nichts geändert" hätte. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß gerade in einem Einkaufszentrum der geschäftliche Erfolg jedes einzelnen Mieters - mit - von der Einhaltung der Vertragspflichten durch die übrigen Mieter abhängen kann. Falls der einzelne Mieter seine Vertragspflichten verletzt, kann es daher dem Gesamtinteresse aller übrigen Beteiligten widersprechen, wenn es dem vertragsbrüchigen Mieter gestattet wäre, sich zu seiner "Entlastung" darauf zu berufen, sein Ladenlokal sei im Verhältnis zu dem Gesamtobjekt nur von geringer Bedeutung.

Nachdem die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage hier jedoch, wie ausgeführt, die von den Beklagten erklärte fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ohnehin nicht rechtfertigen können, kann dahingestellt bleiben, ob den Beklagten auch ein vertragswidriges Verhalten zur Last fällt. Das angefochtene Urteil kann jedenfalls mit der gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben.

Es kann auch nicht aus anderen Gründen gehalten werden (§ 563 ZPO).

3. Das Berufungsgericht ist, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, der Behauptung der Beklagten nicht nachgegangen, daß die Klägerin ihnen bei der Anmietung ihres Geschäftslokals umfangreiche Zusicherungen, insbesondere über die Vollvermietung des C. unter Beteiligung eines Lebensmittelmarktes und über das Vorhandensein von 600 bis 1200 Parkplätzen, gemacht habe, die nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Sollte diese Behauptung zutreffen, dann kann den Beklagten unter Umständen ein Anspruch wegen Verschuldens der Klägerin beim Vertragsschluß zustehen, der - je nach den tatsächlichen Verhältnissen trotz des Zeitablaufs - eine fristlose Kündigung unter Heranziehung des § 554a BGB rechtfertigen könnte (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2000 aaO WM S. 1017 = NJW S. 1718). Der Anspruch setzt voraus, daß die Klägerin den Beklagten unter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht schuldhaft unzutreffende Informationen über das Mietobjekt hinsichtlich solcher Umstände erteilt hat, die für die Klägerin erkennbar von besonderer Bedeutung für den Entschluß der Beklagten zur Eingehung des Vertrages waren. Hierzu hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen. Diese sind nachzuholen. Dabei wird zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Mitarbeiter und/oder Vertreter der Klägerin über die allgemeine Anpreisung der erwarteten Attraktivität des C. hinaus den Beklagten konkrete Angaben über bestimmte tatsächliche Umstände, insbesondere etwa die angeblich bereits erfolgte "Vollvermietung" des Einkaufszentrums gemacht und hierdurch, für sie erkennbar, ihren Entschluß zur Eingehung des Mietvertrages maßgeblich beeinflußt haben. Außerdem muß ein etwaiges der Klägerin zuzurechnendes Verschulden ihrer Mitarbeiter tatrichterlich festgestellt werden.

Zu diesem Zweck ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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