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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: XII ZR 329/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 985
BGB a.F. § 325
BGB a.F. § 542
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 329/00

Verkündet am: 8. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Gerber, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Oktober 2000 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Januar 2000 wird zurückgewiesen, soweit ihre Klage im Hauptantrag abgewiesen worden ist. Wegen der weitergehenden Berufung - Entscheidung über den Hilfsantrag - wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Räumung und Herausgabe einer vor ihrer Kaufhalle gelegenen Standfläche, die sie mit Vertrag vom 23. März 1994 an die Beklagte zum Betrieb eines mobilen Imbißstandes vermietet hat. Im Hinblick auf die von der Klägerin beabsichtigte Neugestaltung des gesamten Kaufhallengeländes trafen die Parteien in § 15 des Mietvertrages folgende Vereinbarungen:

§ 15

Standortentwicklung

Dem Mieter ist bekannt, daß der Vermieter beabsichtigt, das gesamte Kaufhallen- bzw. Gaststättengelände zu entwickeln, d.h. Neu-, Um- oder Anbauten vorzunehmen.

Im Falle der Standortentwicklung der Kaufhalle bzw. der Gaststätte ist der K. berechtigt, eine vorübergehende Verlagerung des Standortes auf dem Grundstück zu verlangen. K.

hat die Standortentwicklung 3 Monate vor Baubeginn dem Mieter anzuzeigen. Sollte das Verlagerungsverlangen für den Mieter unzumutbar sein und er dies binnen einer Frist von 3 Monaten nach Zugang des Verlagerungsverlangens dem Vermieter schriftlich anzeigen oder eine Verlagerung tatsächlich nicht möglich sein, ist der Vermieter berechtigt, die vorübergehende Schließung des Standortes für die Bauarbeiten zu verlangen. Für den Fall der vorübergehenden Schließung verlängert sich die Laufzeit des jeweiligen Einzelmietvertrages um den Schließungszeitraum. Für die Zeit der Schließung der Imbißeinrichtung ruht dann die Mietzahlung der Firma S. GmbH. Ein eventueller Anspruch der Firma S. GmbH auf Ersatz entgangenen Gewinns für den Schließungszeitraum ist ausgeschlossen.

Die Firma S. GmbH ist bberechtigt, nach Abschluß der Bauarbeiten einen gleichwertigen Standort zu verlangen. Kann auf dem Gelände kein neuer Standort angeboten werden, wird der Vermieter dem Mieter einen gleichwertigen Ersatzstandort anbieten. Weitergehende Ansprüche des Mieters sind ausgeschlossen.

.....

Anfang 1999 begann die Klägerin auf dem Grundstück mit Um- und Neubaumaßnahmen, die eine Verlagerung der vermieteten Standfläche erforderlich machten. Die Parteien einigten sich für die Zeit ab März 1999 auf einen Ersatzstandort auf dem Grundstück. Mit Schreiben vom 9. und 19. Juli 1999 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Räumung auch dieses Ersatzstandortes und bot ihr unter Androhung der Kündigung im Weigerungsfall einen anderen Standort an. Diesen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 6. August 1999 als unzumutbar ab. Daraufhin kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 1999 den Mietvertrag fristlos.

Mit der Klage verlangt die Klägerin Räumung und Herausgabe des Ersatzstandortes, hilfsweise Zug um Zug gegen Bezeichnung eines auf einem Lageplan gekennzeichneten anderen Ersatzstandortes. Das Landgericht hat Haupt- und Hilfsantrag der Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die angenommene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Klageabweisung, im übrigen zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es könne offenbleiben, ob die Kündigungen der Klägerin wirksam seien, was zweifelhaft sei. Die Klägerin habe gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe. Der Beklagten stehe kein Recht zum Besitz zu, weil der Mietvertrag dadurch beendet worden sei, daß seine Erfüllung der Klägerin auf Dauer unmöglich sei. Die Beklagte sei zwar gemäß § 15 Abs. 2 des Mietvertrages berechtigt, einen gleichwertigen Standort zu verlangen. Da die Beklagte jedoch bestritten habe, daß die von der Klägerin angebotenen Standorte gleichwertig seien, obliege ihr die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß es einen geeigneten Ersatzstandort gebe. Hierzu habe die Beklagte weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch Beweis angeboten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Mietvertrag sei durch Unmöglichkeit der Erfüllung beendet worden, beruht auf Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht verstößt gegen die Regeln über die Darlegungs- und Beweislast, wenn es der Beklagten entgegenhält, sie habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, daß es einen geeigneten Ersatzstandort gebe. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der aus einer Norm zu seinen Gunsten eine bestimmte Rechtsfolge ableitet, bzw. sich auf eine solche Rechtsfolge stützt, die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Anwendbarkeit der Norm ergibt. Demnach obliegt der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus denen sich ergibt, daß ihr die Erfüllung des Vertrages unmöglich ist. Die Klägerin hat aber selbst nicht einmal behauptet, daß sie keinen gleichwertigen Ersatzstandort anbieten könne. Sie hat vielmehr unter Beweisantritt im einzelnen dargelegt, daß die von ihr angebotenen Ersatzstandorte gleichwertig seien. Schon deshalb kann von einer Unmöglichkeit der Vertragserfüllung nicht ausgegangen werden.

b) Die Revision rügt weiter zu Recht, daß, selbst wenn ein Unvermögen der Klägerin zur Erfüllung feststünde, eine Beendigung des Vertrages auch deshalb nicht in Betracht komme, weil die Klägerin ihr Unvermögen zu vertreten habe.

Die Klägerin hat dadurch, daß sie sich in § 15 Satz 8 des Vertrages dazu verpflichtet hat, der Beklagten einen gleichwertigen Ersatzstandort zur Verfügung zu stellen, das Risiko der Erfüllbarkeit dieser Verpflichtung übernommen. Es stand in ihrem Belieben, ob sie auf einem der ihr gehörenden Grundstücke einen Standplatz schafft, der für den Imbißwagen geeignet ist. Die Rechtsfolgen des vom Vermieter zu vertretenden Unvermögens regelt § 325 BGB a.F.. Danach kann der Mieter Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten; er kann auch gemäß § 542 BGB a.F. kündigen (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1998 - XII ZR 12/97 - NJW 1999, 635; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 348; Kraemer in Bub/Treier, 3. Aufl. III Rdn. 1192). Das von dem Vermieter zu vertretende Unvermögen führt aber nicht ohne weiteres zu einer Beendigung des Mietvertrages.

c) Die Klägerin hat auch kein Recht, den Mietvertrag wegen des von ihr zu vertretenden Unvermögens aus wichtigem Grund zu kündigen. Selbst wenn die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vorlägen, könnte sie sich darauf nicht berufen, weil die Gründe hierfür in ihrem Risikobereich liegen (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1995 - XII ZR 230/94 - NJW 1996, 714).

3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 a ZPO a.F.). Der Mietvertrag ist insbesondere nicht durch die fristlosen Kündigungen der Klägerin beendet worden. Die Kündigungen sind unwirksam.

a) Die Klägerin konnte am 20. August 1999 nicht mit der Begründung kündigen, die Beklagte habe ihre Verpflichtung zur nochmaligen Umsetzung ihres Imbißstandes nicht erfüllt. Selbst wenn die Beklagte gemäß § 15 des Mietvertrages verpflichtet gewesen wäre, während der Bauphase mehrere vorübergehende Verlagerungen des Standortes zu dulden, fehlt es an der Einhaltung der in § 15 vorgeschriebenen dreimonatigen Ankündigungsfrist, binnen der sich die Beklagte zu dem Verlagerungsverlangen der Klägerin äußern konnte. Die Klägerin hat erstmals am 9. Juli 1999 den erneuten Standortwechsel angekündigt. Zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung, am 20. August 1999, war somit die Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen. Auch die Kündigung vom 1. Oktober 1999 ist aus diesem Grund unwirksam.

b) Die Kündigung vom 2. Februar 2000 wegen Mietrückständen in der Zeit von Oktober 1999 bis Januar 2000 ist ebenfalls unwirksam. Die Beklagte war gemäß Urteil des Landgerichts vom 22. Oktober 1999 im einstweiligen Verfügungsverfahren (64 S 421/99) nur bis zum Ende der Baumaßnahmen, längstens bis zum 31. Oktober 1999 verpflichtet, ihren Imbissstand auf den Ersatzstandort zu verlegen. Danach war sie berechtigt, den Standort als unzumutbar abzulehnen (§ 15 Satz 4 des Mietvertrages). Während der Schließung des Imbißstandes war sie gemäß § 15 Satz 6 des Mietvertrages zur Mietzahlung nicht verpflichtet.

Das Landgericht hat somit die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf uneingeschränkte Räumung und Herausgabe gerichtet war.

4. Der Senat ist nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.). Der Rechtsstreit ist bezüglich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Räumung des bisherigen Standortes Zug um Zug gegen Bezeichnung eines auf einem Lageplan gekennzeichneten Ersatzstandortes auf den Grundstücken G...straße ... oder Ga...straße ... in B. ohne weitere Feststellungen nicht entscheidungsreif. Die Klägerin hat gemäß § 15 Satz 8 des Mietvertrages, nachdem die Bauphase abgeschlossen ist, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Räumung des bisherigen nur vorübergehend zugewiesenen Standortes Zug um Zug gegen Zuweisung eines anderen gleichwertigen, endgültigen Standortes, der auf dem bisherigen Mietgrundstück und, wenn dies nicht möglich ist, auf einem anderen Grundstück gelegen ist. Da die Beklagte bestreitet, daß auf dem bisherigen Mietgrundstück kein geeigneter Standort vorhanden sei und daß die von der Klägerin im Hilfsantrag genannten Standorte gleichwertig seien, sind gegebenenfalls nach weiterem Beweisantritt die von der Klägerin angebotenen Beweise zu erheben. Die Sache muß deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.



Ende der Entscheidung

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