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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.2001
Aktenzeichen: XII ZR 351/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 557
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 351/99

Verkündet am: 12. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 11. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten wegen eines Betrages von 11.615 DM (Nutzungsentschädigung für Januar 1997) nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Kammergericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger machen rückständigen Mietzins sowie Nutzungsentschädigung wegen nicht rechtzeitiger Räumung eines Mietobjektes geltend.

Die Kläger vermieteten dem Beklagten mit Vertrag vom 7. Mai 1993 ein Werkstattgebäude nebst Garage auf dem Hinterhof des Grundstücks B. -straße 47 in B. zu einem Mietpreis von 11.500 DM incl. Mehrwertsteuer. Der Vertrag sieht eine Laufzeit vom 1. April 1993 bis zum 31. Dezember 1996 vor. § 22 Nr. 4 Satz 1 des Mietvertrages lautet: "Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages gelten nur bei schriftlicher Vereinbarung". Zusätzlich überließen die Kläger dem Beklagten mehrere Garagen zu einem monatlichen Mietzins von 115 DM.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von rückständigem Mietzins für Juli 1996, Nutzungsentschädigung für Januar bis 28. Juli 1997 sowie von Nebenkosten für die Jahre 1993 bis 1996 in Höhe von insgesamt 97.786,15 DM nebst 4 % Zinsen verurteilt, weil der Beklagte das Mietobjekt nicht zum Ende der Vertragslaufzeit zurückgegeben habe. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Revision, die der Senat in Höhe eines Betrages von 11.615 DM (Nutzungsentschädigung für Werkstatt und Garagen für den Monat Januar 1997) nebst 4 % Zinsen angenommen hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

Das Kammergericht hat, soweit der angenommene Teil betroffen ist, ausgeführt, der Anspruch auf Nutzungsentschädigung bis 28. Juli 1997 ergebe sich aus § 557 BGB. Insoweit sei davon auszugehen, daß der Beklagte die Mietsache in diesem Zeitraum mangels ordnungsgemäßer Räumung den Klägern vorenthalten habe. Soweit der Beklagte im Berufungsrechtszug weiterhin geltend mache, der für die Kläger handelnde Vertreter P. habe ihm auf entsprechende Frage nach Zahlung der Miete für Januar 1997 geantwortet, daß Miete nicht gezahlt werden müsse, fehle es jedenfalls an einer formwirksamen Vereinbarung der Parteien. Eine solche hätte nach § 22 Nr. 4 des Mietvertrages schriftlich abgefaßt werden müssen, was unstreitig nicht geschehen sei. Aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich auch nicht, daß die Parteien insoweit ausdrücklich die Schriftform mündlich wieder abbedungen hätten. Aus diesem Grunde habe es keiner Beweisaufnahme über die Behauptung des Beklagten bedurft, der Vertreter der Kläger habe auf die Miete für Januar 1997 verzichtet.

II.

Soweit sie die Nutzungsentschädigung für Januar 1997 betrifft, hält die Entscheidung des Berufungsgerichts einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend bejaht das Kammergericht einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 557 BGB. Der Beklagte hat den Klägern das Mietobjekt vorenthalten. Dabei kann dahingestellt bleiben, wo und in welchem Umfang der Beklagte Gegenstände zurückgelassen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte nämlich die Schlüssel für das Hoftor nicht zurückgegeben. Die Kläger haben erst nach Auswechseln dieses Schlosses Zugang zu den Mieträumen erhalten. Solange dem Vermieter der Zugang zum Mietobjekt verwehrt ist, wird die Mietsache insgesamt auch dann vorenthalten, wenn der Vermieter plant, die Gebäude abzureißen. Ohne Zugang zur Mietsache ist ein geordneter Abriß nicht möglich.

b) Der Beklagte hat unter Beweisantritt behauptet, der Vertreter des Klägers habe erklärt, er brauche für den Monat Januar keine Entschädigung zu bezahlen, wenn er nicht ausziehe, da das Objekt ohnehin abgerissen werde. Die Kläger haben dies unter Antritt von Gegenbeweis bestritten. Wie die Revision zu Recht rügt, hätte das Berufungsgericht die angebotenen Beweise erheben müssen. Denn die behauptete Erklärung kann dahin ausgelegt werden, der Vertreter der Kläger habe für den Monat Januar auf Zahlung verzichtet.

c) Die Beweisaufnahme erübrigte sich nicht etwa deshalb, weil die Schriftformklausel in § 22 Nr. 4 Satz 1 des Mietvertrages einer mündlichen Verzichtsvereinbarung entgegengestanden hätte, wie das Kammergericht ausführt. Ob die Verzichtsvereinbarung von der Schriftformklausel überhaupt erfaßt werden konnte, ist hier schon deshalb zweifelhaft, weil der Mietvertrag mit Ablauf des Monats Dezember 1996 beendet war. Die Frage kann aber dahinstehen. Denn jedenfalls konnten die Parteien den in § 22 des Mietvertrages vereinbarten Formzwang jederzeit aufheben (BGHZ 66, 378, 380 ff.). Als "actus contrarius" zur formfreien Begründung des Formzwanges ist die Aufhebung der Formabrede gleichfalls formfrei (MünchKomm-Förschler BGB 3. Aufl. § 125 Rdn. 77; Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 125 Rdn. 14). Die Parteien müssen dabei die Schriftformklausel nicht ausdrücklich aufheben. Einfache Schriftformklauseln können stillschweigend abbedungen werden, auch wenn die Parteien bei ihrer mündlichen Abrede nicht an die Schriftform gedacht haben (BGHZ 71, 162, 164). Es genügt, daß die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben (BGH, Urteil vom 20. Juni 1962 - V ZR 157/60 - NJW 1962, 1908).

d) Bei der neuen Verhandlung wird das Oberlandesgericht zu prüfen haben, ob der behauptete Verzicht auf die Miete für den Monat Januar 1997 auch für den Fall gedacht war, daß die Mietsache nicht Ende Januar, sondern erst sechs Monate später zurückgegeben werde. Insbesondere wird es die näheren Umstände zu würdigen haben, unter denen der Verzicht abgegeben worden sein soll. Insoweit mag auch von Bedeutung sein - worauf die Revisionserwiderung hingewiesen hat -, daß die Parteien über die Anmietung eines Ersatzobjektes verhandelt haben.

Ende der Entscheidung

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