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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: XII ZR 89/99
Rechtsgebiete: EuGVÜ


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 5 Nr. 2
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob sich die öffentliche Hand auf den Gerichtsstand der Unterhaltssachen des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ berufen kann, wenn sie gesetzlich auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche im Wege des Regresses gegen den Unterhaltspflichtigen geltend macht.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZR 89/99

Verkündet am: 26. September 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

beschlossen:

Tenor:

I. Die Entscheidung über die Revision des Klägers wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 3 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Kann ein Kläger, dessen Behörden einem Auszubildenden nach öffentlichem Recht für eine bestimmte Zeit Ausbildungsförderung bezahlt haben, sich auf die besondere Zuständigkeitsregel des Art. 5 Nr. 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik berufen, wenn er aus gesetzlich übergegangenem Recht den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch des Auszubildenden gegen dessen Eltern für die Zeit der Zahlung der Ausbildungsförderung als Regreß geltend macht?

Gründe:

I.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche für die am 6. Juni 1975 geborene Julia B. im Wege des Regresses geltend.

Der Beklagte ist Niederländer und wohnt in E. /Niederlande. Er war mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und hat durch Vertrag vom 8. Juli 1976 zusammen mit seiner Ehefrau das Kind Julia adoptiert. Das Bezirksgericht L. /Österreich bewilligte die Kindesannahme durch gerichtlichen Spruch vom 30. Juli 1976.

Julia B. begann im Schuljahr 1993/1994 eine Ausbildung als pharmazeutisch-technische Assistentin an einer privaten Lehranstalt in M. - . Der Kläger gewährte ihr über das Landratsamt M. ab September 1993 Vorausleistungen zur Ausbildungsförderung.

Wegen dieser Zahlungen machte der Kläger für die Zeit vom 1. September 1993 bis 28. Februar 1994 gegen den Beklagten vor dem Amtsgericht M. - einen Regreßanspruch in Höhe von insgesamt 1.980 DM zuzüglich Zinsen geltend. Dieser Rechtsstreit endete mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten.

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Zeit vom 1. November 1994 bis 31. Juli 1995 und vom 1. September 1995 bis 31. Juli 1996. In diesem Zeitraum hat Julia B. vom Landratsamt M. monatliche Förderleistungen in einer Gesamthöhe von 6.795 DM erhalten. Der Kläger macht geltend, der Unterhaltsanspruch der Auszubildenden gegen den Beklagten sei nach § 37 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf ihn übergegangen, weshalb der Beklagte ihm die verauslagten Beträge zu ersetzen habe. Der Beklagte rügt vorweg die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Darüber hinaus macht er geltend, Julia B. nicht zum Unterhalt verpflichtet zu sein. Denn die 1976 erfolgte Adoption sei nach niederländischem Recht ungültig. Außerdem könne er schon deswegen keinen Unterhalt leisten, weil er nur das Existenzminimum verdiene. Auch sei er nie gemahnt worden, den geltend gemachten Unterhalt zu bezahlen. Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 6.765 DM zuzüglich der geltend gemachten Zinsen in Höhe von 6 %.

Auf die Berufung des Beklagten änderte das Oberlandesgericht [M. - ] das Urteil des Amtsgerichts ab und wies die Klage als unzulässig ab. Denn der Beklagte könne nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ nur an seinem Wohnsitzgericht verklagt werden. Die Vorschrift des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ sei nicht anwendbar, da sie auf die Begünstigung des typischerweise sozial schwächeren Unterhaltsberechtigten zugeschnitten sei. Diese Voraussetzungen lägen aber beim Kläger nicht vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt. Der Unterhaltsberechtigte bedürfe auch dann des Schutzes des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ, wenn er nicht Partei des Rechtsstreits sei, sondern der Unterhaltsanspruch von einem öffentlichen Leistungsträger im Wege des Regresses geltend gemacht werde. Außerdem sei das Gericht am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten auch in diesen Fällen am besten in der Lage, den Unterhaltsbedarf festzustellen. Unterhaltsregreßansprüche unterfielen unabhängig von ihrer Rechtsnatur - selbständig oder abgeleitet - dem EuGVÜ. Folgerichtig müßte dann auch Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ angewendet werden. Auch das zum EuGVÜ geschlossene Rechtshilfeabkommen vom 6. November 1990 setze die Anwendung dieser Vorschrift voraus.

II.

Zum geltend gemachten Anspruch

Nach § 1602 BGB, sind Eltern ihren Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Dieser umfaßt nach § 1610 Abs. 2 BGB den ganzen Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hat ein Auszubildender gegen den zuständigen öffentlichen Leistungsträger Anspruch auf Ausbildungsförderung, wenn die ihm für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Bei der Berechnung der Höhe der Ausbildungsförderung werden die Unterhaltspflichten der Eltern eines Auszubildenden berücksichtigt. Macht ein Auszubildender glaubhaft, daß die Eltern ihren Unterhaltsbeitrag nicht leisten und ist die Ausbildung gefährdet, so wird ihm auf Antrag nach § 36 Abs. I Satz 1 BAföG nach Anhörung der Eltern Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des an sich von den Eltern zu leistenden Unterhaltsbeitrags gewährt. Zu dem dann in Betracht kommenden Übergang seines Unterhaltsanspruches bestimmt § 37 Abs. 1 BAföG in der für den maßgebenden Zeitraum gültigen Fassung:

(1) Hat der Auszubildende für die Zeit, für die ihm Ausbildungsförderung gezahlt wird, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern, so geht dieser ... mit der Zahlung bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf das Land über, jedoch nur soweit auf den Bedarf des Auszubildenden das Einkommen und Vermögen der Eltern nach diesem Gesetz anzurechnen ist ... .

III.

Zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Die Frage, ob sich der Kläger auf Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ berufen kann, ist entscheidungserheblich. Nur wenn diese Vorschrift eingreifen sollte, wären die deutschen Gerichte international zuständig und die Revision begründet. Ansonsten wäre sie als unbegründet zurückzuweisen.

Das EuGVÜ in der Fassung des Beitrittsübereinkommens von 1989 ist nach seinem Art. 1 Abs. 1, Satz 1 anwendbar.

Zwar haben die Behörden des Klägers Julia B. Ausbildungsförderung nach sozialrechtlichen Vorschriften gewährt. Macht jedoch ein Leistungsträger, wie hier, im Wege des Regresses den auf ihn übergegangenen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltsverpflichteten geltend, so liegt zweifellos und, soweit ersichtlich, nach allgemeiner Meinung eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ vor, so daß der sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens eröffnet ist (vgl. Schlosser-Bericht, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1979, Nr. C/71, Rdn. 97; Bülow/Böckstiegel/Auer, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Art. 1 EuGVÜ, Rdn. 21; Zöller-Geimer, ZPO, 22. Aufl., Art. 1 EuGVÜ, Rdn. 15).

Nach der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ, auf der die Zuständigkeitsregelung des Abkommens beruht, wäre daher der Beklagte in den Niederlanden zu verklagen, da er dort seinen Wohnsitz hat. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Vorschrift des Titels II des EuGVÜ anwendbar ist, die die Zuständigkeit ausdrücklich anders regelt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.7.2000, Rs. C-412/98, Group Josi, Slg. 2000, I-5925, Rdn. 34 ff.).

Eine von Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ abweichende Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich vorliegend jedenfalls nicht aus Art. 18 EuGVÜ. Denn der Beklagte hat sich zwar auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten eingelassen. Er hat jedoch vorweg deren internationale Zuständigkeit gerügt. Damit aber ist die in Art. 18 Satz 1 EuGVÜ enthaltene Zuständigkeitsregel nicht anwendbar, ohne daß es auf die hilfsweise Einlassung des Beklagten zur Sache ankommt (vgl. EuGH, Urteil vom 24.6.1981, Rs. 150/80, Elefanten Schuh, Slg. 1981, 1671, Rdn. 14).

Zweifelhaft ist jedoch, ob Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ zur Anwendung kommt, der ebenfalls eine von Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ abweichende Zuständigkeitsregel enthält.

Die genannte Sondervorschrift wäre dann anwendbar, wenn Julia B. - ein ihren Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten selbst geltend machte. Für die Zuständigkeit würde es dann auch keine Rolle spielen, daß der Beklagte die Wirksamkeit der Adoption bestreitet und die Unterhaltsberechtigung Julias für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach nicht festgestellt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 20.3.1997, Rs. C-295/95, Farrell, Slg. 1997, I-1683, Rdn. 22 ff.).

Ungeklärt und streitig ist jedoch, ob eine öffentlich-rechtliche Einrichtung sich gleichfalls auf Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ berufen kann, wenn sie aus übergegangenem Recht die Unterhaltsansprüche des Berechtigten gegen den Verpflichteten geltend macht.

Dies wird einerseits mit dem Argument verneint, daß in diesen Fällen der Schutzzweck des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ, dem Unterhaltsberechtigten als der generell schwächeren Partei die Verfolgung seiner Ansprüche zu erleichtern, nicht erfüllt sei (Schlosser-Bericht, aaO; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 2. Aufl., Art. 5 EuGVÜ, Rdn. 32; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 5 EuGVÜ, Rdn. 111). Darüber hinaus wird auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.1.1993 in der Rechtssache C-89/91, Shearson Lehman Hutton, Slg. 1993, I-139, verwiesen, wonach ein Kläger, der aus abgetretenem Recht die Forderung eines Verbrauchers einklagt, sich nicht auf die besondere Zuständigkeitsregeln der Art. 13, 14 EuGVÜ für Verbraucher berufen kann. Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ sei entsprechend auszulegen (Schlosser, EuGVÜ, Art. 5, Rdn. 13; Kropholler, EuGVÜ, 6. Aufl., Art. 5 Rdn. 48). Andererseits wird die Anwendung der Vorschrift unter Hinweis auf ihren Wortlaut und darauf bejaht, daß sich durch den Rechtsübergang die Rechtsnatur des Anspruchs nicht ändere (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, Art. 5 EuGVÜ, Rdn. 7; Kaye, Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgments, 542; Hartley, Civil Jurisdiction and Judgments, 50 N.32). Weiter wird auf das Übereinkommen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung der Verfahren zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vom 6. November 1990 (im folgenden "Übereinkommen 1990") hingewiesen, das in seinem Art. 5 Abs. 1 die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ für Regreßansprüche öffentlicher Einrichtungen voraussetze (vgl. Brückner, Unterhaltsregreß im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 154 ff., 180 ff.).

Der Senat neigt der letztgenannten Ansicht zu.

Allerdings dürfte sich eine solche Auslegung des Art. 5 Nr. 2 des EuGVÜ schwerlich aus dem nicht in Kraft getretenen Übereinkommen 1990 ergeben, auch wenn dessen Art. 5 Abs. 1 für öffentliche Einrichtungen nur dann praktische Bedeutung hätte, wenn sie sich bei Klageerhebung auf Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ berufen könnten. Denn daraus kann nicht geschlossen werden, daß die Verfasser des EuGVÜ Art. 5 Abs. 2 auch auf Regreßansprüche der öffentlichen Hand angewandt wissen wollten. Deren Wille ergibt sich vielmehr aus dem Schlosser-Bericht, der die Anwendung des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ für öffentliche Einrichtungen verneint (vgl. Schlosser-Bericht, aaO).

Ebensowenig ist dem Beklagten nach Übergang des Unterhaltsanspruchs auf die öffentliche Hand der in der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ verankerte Schutz, grundsätzlich nur vor den Gerichten seines Wohnsitzstaates verklagt werden zu können, allein mit der praktischen Erwägung zu versagen, die Gerichte am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten seien am besten in der Lage, dessen Unterhaltsbedarf festzustellen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist bei der Auslegung des EuGVÜ vielmehr in erster Linie seine Systematik und Zielsetzung zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil Shearson Lehman Hutton, aaO, Rdn. 13).

Deshalb kann Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ zwar nicht erweiternd ausgelegt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn sich auch öffentliche Einrichtungen zur Geltendmachung ihrer Regreßforderungen auf Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ berufen können. Denn diese Vorschrift spricht allgemein von Klagen in Unterhaltssachen und fordert ihrem Wortlaut nach nicht, daß der Unterhaltsberechtigte selbst Kläger sein muß. Die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs durch einen Dritten, auf den der Anspruch übergegangen ist, ist ohne weiteres autonom als Unterhaltssache zu qualifizieren.

Weiter ist zu berücksichtigen, daß die Sonderregel des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ den Schutzzweck verfolgt, dem Unterhaltsberechtigten als der generell schwächeren Partei die Prozeßführung zu erleichtern (vgl. EuGH, Urteile Farrell, aaO, Rdn. 19 und Group Josi, aaO, Rdn. 38 f.). Der gesetzliche Übergang der Unterhaltsforderungen des Berechtigten auf öffentliche Einrichtungen oder Verwandte (§ 1607 BGB), die anstelle des in erster Linie verpflichteten Schuldners Zahlungen leisten, dient dazu, die Bereitschaft der Leistenden zu fördern, den Unterhalt vorzuschießen. Wenn diese aber infolge des Forderungsübergangs die Möglichkeit verlören, ihre Regreßansprüche am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten geltend zu machen, minderte dies, zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten, ihre Bereitschaft, solche Vorschüsse zu erbringen. Unter diesem Gesichtspunkt dient es auch dem Schutz des Unterhaltsberechtigten, wenn Regreßansprüche öffentlicher Einrichtungen unter Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ fallen, auch wenn diese Einrichtungen selbst des Schutzes des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ offensichtlich nicht bedürfen. Außerdem verfolgt der Mechanismus, wonach die öffentliche Hand für den säumigen Unterhaltsschuldner den Unterhalt zahlt und der Anspruch des Berechtigten insoweit auf sie übergeht, allgemein das Ziel, den Unterhaltsberechtigten, beziehungsweise seinen gesetzlichen Vertreter von der Prozeßführung zu entlasten und die Durchsetzung des Unterhalts im Interesse des Berechtigten sicherzustellen. Wenn die öffentliche Hand ihre Regreßklage dann gegebenenfalls aber im Ausland erheben müßte, könnte dies dazu führen, daß sie ihren Anspruch deswegen auf den Berechtigten zurücküberträgt und diesen zur Klageerhebung drängt. Damit aber entfiele der mit dem genannten Mechanismus verbundene Schutzzweck, was dem Grundgedanken des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ widerspräche, dem Unterhaltsberechtigten die Durchsetzung seiner Ansprüche zu erleichtern.

Nach Ansicht des Senats folgt aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Shearson Lehman Hutton, nicht zwingend, daß Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ im Regreßprozeß der öffentlichen Hand nicht angewandt werden kann. Vielmehr schützen Art. 13 und 14 EuGVÜ, wie sich insbesondere aus dem Wortlaut des Art. 14 ("Die Klage des Verbrauchers ... die Klage gegen den Verbraucher") ergibt, den Verbraucher nur, soweit er persönlich Kläger oder Beklagter in einem Rechtsstreit ist (vgl. EuGH, aaO, Rdn. 23). Gerade aus der anders lautenden Formulierung in Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ, die allgemein auf Unterhaltssachen Bezug nimmt, kann geschlossen werden, daß das EuGVÜ den Unterhaltsberechtigten hingegen auch dann schützen und die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen auch dann erleichtern will, wenn der Unterhaltsberechtigte den Anspruch nicht selbst einklagt.

Insgesamt gesehen läßt sich die richtige Auslegung des Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs klar ableiten. Vielmehr bleiben bei der Auslegung der Vorschrift vernünftige Zweifel. Der Senat legt daher dem Europäischen Gerichtshof die im Tenor formulierte Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung vor.

Ende der Entscheidung

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