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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 16.12.1997
Aktenzeichen: 4 RA 42/96
Rechtsgebiete: AAÜG


Vorschriften:

AAÜG § 5 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 16. Dezember 1997

in dem Rechtsstreit

Az: 4 RA 42/96

Klägerin und Revisionsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme -, Hirschberger Straße 4, 10317 Berlin,

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Meyer, die Richterin Tüttenberg und den Richter Dr. Berchtold sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Dufner und Schneidinger

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. Mai 1996 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzverorgungssystem.

Die Klägerin ist die Witwe des am 22. November 1920 geborenen und am 5. September 1994 verstorbenen Prof. Dr. H. St. (Versicherter), der in der ehemaligen DDR zuletzt bis zu seiner Emeritierung zum 31. August 1986 als Hochschullehrer beschäftigt war. Der Versicherte gehörte der Sozialpflichtversicherung der früheren DDR an. Außerdem war ihm eine Versorgungszusage aufgrund der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der früheren DDR vom 12. Juli 1951 <AVI> (GBl Nr 85 S 675 = Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz <AAÜG>) erteilt worden. Ab 1. November 1980 wurde ihm im Hinblick auf die Vollendung seines 60. Lebensjahres in diesem Kalendermonat und seine Eigenschaft als sog VdN (Verfolgter des Nationalsozialismus iS der Verordnung über Ehrenpension für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene vom 20. September 1976 <EhPensAO>, vertrauliche Dienstsache, amtlich nicht veröffentlicht, abgedruckt in Aichberger II Nr 127) eine Rente aus der Sozialpflichtversicherung ua an Verfolgte des Faschismus gemäß § 54 der Rentenverordnung (RentVO) vom 23. November 1979 (GBl Teil I Nr 43 S 401) gewährt. Aufgrund des Bezuges dieser Rente war der Versicherte von dieser Zeit an in seiner weiterhin ausgeübten Beschäftigung als Hochschullehrer persönlich beitragsfrei, jedoch wurden von seinem Arbeitgeber (Arbeiter-)Beiträge zur Sozialpflichtversicherung abgeführt. Seit 1. November 1985 bezog er eine zusätzliche Altersversorgung aus der AVI.

Mit (Entgelt-)Bescheid vom 24. Mai 1994 stellte die Beklagte in ihrer Funktion als Versorgungsträger für Zusatzversorgungssysteme den Zeitraum vom 1. Dezember 1957 bis 31. Oktober 1980 als Zeiten der Zugehörigkeit des Versicherten zur AVI fest; sie listete die kalenderjährlich nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte des Versicherten auf und stellte diese den Werten der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 3 zum AAÜG gegenüber. Die Beklagte lehnte es jedoch ab, auch Arbeitsentgelte für den Zeitraum vom 1. November 1980 bis Eintritt des Versorgungsfalles in der AVI am 31. Oktober 1985 zu berücksichtigen, weil in dieser Zeit in der Sozialpflichtversicherung keine Beitragspflicht mehr bestanden habe. Den noch vom Versicherten eingelegten und nach dessen Tod von seiner Ehefrau, der Klägerin, weiterverfolgten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 1994 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 6. März 1995). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG (teilweise) aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24. Mai 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1994 verpflichtet, auch die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der AVI mit entsprechenden Entgelten festzustellen. Zur Begründung führt das LSG im wesentlichen aus, die zusätzliche Altersversorgung sei nicht von einer Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung abhängig gewesen. Im übrigen, dh soweit die Klägerin darüber hinaus begehre, "den rechtmäßig erworbenen Anspruch auf Zusatzversorgung als weiterhin bestehenden selbständigen Anspruch exakt" im Entgeltbescheid auszuweisen, hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 29. Mai 1996).

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und sinngemäß eine Verletzung von § 5 Abs 1 AAÜG gerügt. Nach § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien Zeiten, in denen wegen des Bezuges einer Rente oder einer Versorgung nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden habe, keine Beitragszeiten im Beitrittsgebiet. Diese Vorschrift sei gemäß § 5 Abs 1 Satz 2 AAÜG auch auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem vor dem 1. Januar 1992 anzuwenden. Somit könnten während der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nur Zeiten einer in der Sozialpflichtversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit als Pflichtbeitragszeiten in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. Mai 1996 aufzuheben, soweit sie verpflichtet wurde, die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das Urteil des LSG in dem von der Beklagten angegriffenen Punkt für zutreffend.

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat die Beklagte zutreffend verpflichtet, auch die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI "mit den entsprechenden Entgelten" festzustellen.

Einer Sachentscheidung des Senats steht nicht entgegen, daß der Versicherte während des Widerspruchsverfahrens verstorbenen ist. Die Klägerin erfüllt nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 56 Abs 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Obgleich Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits noch kein fälliger Anspruch auf eine laufende Geldleistung ist, hat das LSG die Klagebefugnis der Klägerin für die von ihr erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht bejaht. Der erstrebte Feststellungsbescheid nach § 8 Abs 3 AAÜG ist nämlich notwendige Grundlage für die Berechnung der dem Versicherten zu gewährenden Rente (§ 307b Abs 1 iVm § 259b Abs 1 SGB VI) und Grundlage eines ggf bestehenden Anspruchs der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente. Das vorliegend von der Klägerin geltend gemachte Recht kann deshalb im Rahmen des § 56 Abs 1 SGB I nicht anders behandelt werden, als ginge es bereits um fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen des Berechtigten.

Der Versicherte hatte aufgrund § 8 Abs 1 bis 4 iVm § 5 Abs 1 AAÜG ein - auf die Klägerin übergegangenes - Recht darauf, daß die Beklagte die Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI sowie die für diesen Zeitraum nachgewiesenen, tatsächlichen Arbeitsentgelte feststellt. § 8 Abs 1 Satz 1 AAÜG ist Teil des Überführungsprogramms des Einigungsvertrages (EV). Danach waren die in Zusatzversorgungssystemen nach Maßgabe des ab 3. Oktober 1990 geltenden Bundesrechts erworbenen Ansprüche und Anwartschaften bis zum 31. Dezember 1991 in die (bundesdeutsche) Rentenversicherung des Beitrittsgebiets zu überführen und zu diesem Zweck zunächst nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Sozialversicherung des Beitrittsgebiets unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlung anzupassen. Die nähere Ausgestaltung des Überführungsprogramms erfolgte vor allem in dem als Art 3 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606) verkündeten AAÜG (vgl hierzu BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Danach gelten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Maßgabe des § 5 Abs 1 AAÜG als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Dasselbe sieht § 5 Abs 2 AAÜG für sog Vorsystemzeiten vor, die vor Einführung des Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung oder der freiwilligen Zusatzrentenversicherung zurückgelegt worden sind und bei Bestehen des Versorgungssystems in diesen zurückgelegt worden wären. Auf diese Pflichtbeitragszeiten finden ab 1. Januar 1992 bundeseinheitlich die Vorschriften des SGB VI Anwendung, soweit das AAÜG keine Sonderregelungen enthält (§ 5 Abs 1 Satz 2 AAÜG).

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß beim Versicherten auch in der Zeit vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 5 Abs 1 AAÜG vorlagen. Zwar bestand für ihn - wie die tatsächlichen Feststellungen des LSG ergeben haben - ab 1. November 1980 bei fortbestehender Versicherungspflicht in seiner Beschäftigung als "Werktätiger" (Hochschullehrer) Beitragsfreiheit; wegen des Bezuges einer Vollrente ab 1. November 1980 war er (persönlich) von der Entrichtung "seines Beitrages" befreit, während "der Betrieb" (der Arbeitgeber) weiterhin zur Zahlung seines Beitrages verpflichtet blieb (vgl § 7 Abs 3, § 9 Abs 3 der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten <SVO> vom 14. November 1974, GBl Teil I Nr 58 S 531 iVm § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur EhPensAO vom 1. November 1965, GBl Teil II Nr 113 S 779; ab 1. Januar 1978: § 2, § 15 Abs 1 SVO vom 17. November 1977, GBl Teil I Nr 35 S 373); die Versicherungsfreiheit von Beziehern einer Sozialversicherungsrente oder Versorgung wurde erst durch § 19 Abs 2 des Sozialversicherungsgesetzes vom 28. Juni 1990 (GBl Teil I S 486) mit Wirkung ab 1. Juli 1990 eingeführt, dh zeitgleich mit der Schließung der Zusatzversorgungssysteme zum 30. Juni 1990 und der damit verbundenen Unmöglichkeit, neue Versorgungszusagen zu erwerben. Die Tatsache der Beitragsfreiheit im Zeitraum vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 steht einer bundesrechtlichen Berücksichtigung dieser Zeit als Zugehörigkeitszeit zur AVI aber nicht entgegen. Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG, für die nach Maßgabe der §§ 6 und 7 AAÜG im Entgeltbescheid Arbeitsentgelte festzustellen sind, sind Zeiten der Beschäftigung oder Tätigkeit, für die eine Versorgungszusage (vorliegend der AVI) bestand, auch dann, wenn der Versicherte in der DDR in der Zeit vor Schließung des Systems in der Sozialpflichtversicherung wegen Bezuges einer Vollrente aus der Sozialpflichtversicherung oder gleichgestellten Rente nicht beitragspflichtig war. § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG verlangt für "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" nicht, daß gleichzeitig Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung vorlag.

Die gegenteilige Ansicht der Beklagten findet im Wortlaut der Bestimmung keinen Anhalt. Genannt werden dort lediglich Zeiten (nicht Pflichtbeitragszeiten) der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem. Auch ist nicht ersichtlich, daß die DDR faktisch das Zurücklegen von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI oder die Versorgungszusage davon abhängig gemacht hätte, daß der Berechtigte im maßgeblichen Zeitraum sowohl der Versicherungspflicht (die beim Versicherten - wie ausgeführt wurde - vorlag) als auch der Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung unterlag. Sie gewährte eine zusätzliche Altersversorgung aus der AVI im Regelfall (abgesehen von Entscheidungen der DDR-Regierung), wenn die Zugehörigkeit zu dem in §§ 2 bis 5 und 7 der Verordnung zur AVI (AVI-VO) genannten Personenkreis, ein Anstellungsverhältnis zu einer der in § 6 AVI-VO genannten Einrichtungen bei Eintritt des Versorgungsfalles sowie die Vollendung des 60. (bei Männern des 65.) Lebensjahres gegeben waren und sie eine Versorgungszusage erteilt hatte. Die Höhe der Versorgung ergab sich aus dem Rentensatz zwischen 60 und 80 vH des im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles (der AVI) bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes (§ 8 Buchst a AVI-VO). Anknüpfungstatsachen dafür, daß (Versicherungs- oder) Beitragsfreiheit in der Sozialpflichtversicherung der DDR bundesrechtlich der "Zugehörigkeit zur AVI" entgegenstehen könnte, sind nach allem nicht ersichtlich.

Auch aus Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Ziff 9 Buchst b EV ist nicht zu entnehmen, daß die die Beitragsfreiheit von Renten- und Versorgungsbeziehern betreffenden Vorschriften der SVO zum Ausschluß eines Erwerbs von Ansprüchen und Anwartschaften in Versorgungssystemen führen könnte. Gemäß der Systementscheidung des EV werden die sich nach Maßgabe des ab 3. Oktober 1990 geltenden Bundesrechts aus dem Sozialversicherungs- und dem Versorgungsverhältnis ergebenden, voneinander unabhängigen Ansprüche auf Renten aus der Sozialpflichtversicherung und auf Versorgung ab 1. Januar 1992 durch einen einheitlichen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI ersetzt (zur Systementscheidung allgemein vgl BSGE 72, 50 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1). Zu diesem Zweck waren Zusatzversorgungsansprüche bis zum 31. Dezember 1991 durch Rechtsverordnung, an deren Stelle das AAÜG getreten ist, an die allgemeinen bundesrechtlichen Regelungen der Sozialversicherung des Beitrittsgebiets anzupassen. Zu diesen Regelungen gehören auch Vorschriften der SVO vom 17. November 1977, die mit den Maßgaben der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 3 EV sekundäres Bundesrecht geworden sind. Den Regelungen des EV und des AAÜG ist indessen nicht zu entnehmen, daß die Bestimmungen der SVO unmittelbar oder auch nur sinngemäß (ungeachtet der zwischen der Sozialpflichtversicherung und dem Zusatz- und Sonderversorgungssystem bestehenden Unterschiede) auf Versorgungsverhältnisse anzuwenden wären. Vielmehr blieb es nach EV und AAÜG bis Ende 1991 bei den unterschiedlichen (bundesrechtlichen) Regelungen der Sozialpflichtversicherung des Beitrittsgebiets und der AVI über den Zeitpunkt des Versicherungs- bzw Versorgungsfalles des Alters; nach § 54 Abs 6 RentVO iVm § 3 EhPensAO trat der Versicherungsfall in der Sozialpflichtversicherung bis Ende 1991 zwar bereits mit dem 55. Lebensjahr, der Versorgungsfall in der AVI nach § 8 Buchst a AVI-VO aber erst mit dem 60. Lebensjahr ein. Gleichermaßen blieben die Unterschiede in den Berechnungsgrundlagen beider Ansprüche bestehen; so kam es für die Rente aus der Sozialpflichtversicherung weiterhin auf den beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienst der letzten zwanzig Kalenderjahre vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit, nach § 8 Buchst a AVI-VO im Rahmen der Zusatzversorgung auf das im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogene durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Berechtigten an.

Schließlich kann auch aus § 75 Abs 1 SGB VI und § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 aa0 nicht gefolgert werden, daß Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem iS von § 5 Abs 1 AAÜG nur vorliegen, wenn zeitgleich Beitragspflicht in der Sozialpflichtversicherung bestand. Nach § 75 Abs 1 SGB VI werden Entgeltpunkte für Zeiten nach Beginn einer zu berechnenden SGB VI-Rente nur für eine Zurechnungszeit ermittelt; gemäß § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Vorschriften gezahlt worden sind. Beitragszeiten sind nicht Zeiten, in denen wegen Bezugs einer Rente oder einer Versorgung nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets Versicherungs- oder Beitragsfreiheit bestanden hat (Abs 3 Satz 2 aaO). Diese Vorschriften haben für die vom Versicherten im Beitrittsgebiet vom 1. November 1980 bis 31. Oktober 1985 zurückgelegten Zeiten in der AVI schon deshalb keine Bedeutung, weil sie erst zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten und schon entstehungszeitlich bedingt durch Art 8 iVm Anlage 1 EV (Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, BGBl II S 885) im Beitrittsgebiet nicht mit Wirkung vor dem 1. Januar 1992 in Kraft gesetzt worden sind. § 5 Abs 1 Satz 2 AAÜG läßt sich ebenfalls nicht entnehmen, daß die §§ 75 Abs 1, 248 Abs 3 SGB VI im Beitrittsgebiet vor ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1992 hätten Anwendung finden sollen. Im übrigen könnte allenfalls fraglich sein, ob die Regelung des § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG (Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem ... gelten als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung) durch die Regelung des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI (Beitragszeiten ... sind ... nicht ...) wieder derogiert wird. Abgesehen davon, daß bei Anwendung des § 8 AAÜG die Beklagte in ihrer Funktion als Versorgungsträger ihre Entscheidung hierauf nicht stützen durfte, steht dieser Auslegung die Systematik des Gesetzes entgegen. Sowohl § 5 Abs 1 AAÜG als auch § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI gehen auf das RÜG zurück, so daß nicht unterstellt werden kann, das Gesetz habe die Spezialregelung in § 5 Abs 1 AAÜG sogleich wieder in der allgemeinen Norm des § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB VI partiell zurückgenommen; hätten Zeiten der Beitrags- und Versicherungsfreiheit in der Sozialpflichtversicherung einer Berücksichtigung von Zeiten im Versorgungssystem für denselben Zeitraum ausschließen sollen, obwohl der Versicherte weiterhin erwerbstätig war, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Regelung iS eines negativen Tatbestandsmerkmals in § 5 Abs 1 AAÜG zu treffen. Dies ist nicht geschehen, so daß nach allem davon auszugehen ist, daß § 248 Abs 3 Satz 2 Nr 3 SGB VI nach dem Vorbild der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich in der Sozialpflichtversicherung den Erwerb weiterer Anwartschaften während des Bezugs einer Vollrente ausschließen soll, aber Ansprüche und Anwartschaften aus Versorgungssystemen unberührt läßt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.



Ende der Entscheidung

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