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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: B 1 A 4/99 R
Rechtsgebiete: SGB XI


Vorschriften:

SGB XI § 46
SGB XI § 47
SGB XI § 47 Abs 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 7. November 2000

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 A 4/99 R

Pflegekasse der Innungskrankenkasse Ostfalen, Willy-Brandt-Ring 1, 38350 Helmstedt,

Klägerin und Revisionsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, Villemombler Straße 76, 53123 Bonn,

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2000 durch den Präsidenten von Wulffen und die Richter Steege und Dr. Dreher sowie die ehrenamtliche Richterin Bröckers und den ehrenamtlichen Richter Bartsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die aufsichtsbehördliche Genehmigung einer Satzungsänderung.

Die klagende Pflegekasse wurde 1994 bei der damaligen Innungskrankenkasse (IKK) Helmstedt, der heutigen IKK Ostfalen, errichtet, einer nach § 173 Abs 2 Satz 1 Nr 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geöffneten Krankenkasse, deren regionale Zuständigkeit sich auf Innungsbetriebe in den Bundesländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin erstreckt. Die IKK Helmstedt beantragte im Oktober 1995 beim Bundesversicherungsamt die Genehmigung verschiedener Satzungsänderungen, darunter die Änderung ihres Namens sowie die Verlegung des Sitzes der Krankenkasse und der Pflegekasse von Helmstedt (Niedersachsen) nach Haldensleben (Sachsen-Anhalt). Im Hinblick darauf, daß in Helmstedt 1994 mit dem Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes begonnen worden war, nahm der Verwaltungsrat der Krankenkasse den Beschluß über die Sitzverlegung in der Folge wieder zurück. Der Verwaltungsrat der Klägerin hielt demgegenüber an seinem Vorhaben fest.

Mit Bescheid vom 12. März 1997 lehnte es die Beklagte ab, die Verlegung des Sitzes der Klägerin nach Haldensleben zu genehmigen. Sie verwies darauf, daß der Gesetzgeber mit § 46 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) eine Verwaltungsgemeinschaft von Krankenkasse und Pflegekasse zwingend vorgeschrieben habe. Der Sitz eines Versicherungsträgers bestimme sich nach den tatsächlichen Verhältnissen; der Ort der Hauptverwaltung bzw der Sitz der verantwortlichen Leitung der gesamten Verwaltung sei auch Sitz des Versicherungsträgers. Nach dem Gesetz seien die Selbstverwaltungsorgane der Pflegekasse mit denen der Krankenkasse identisch, und die Pflegekasse verfüge weder über eine gesonderte Leitung noch über eigenes Personal. Daraus ergebe sich zwangsläufig, daß der Sitz der Pflegekasse nicht von dem der Krankenkasse abweichen könne.

Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht Braunschweig hat den ablehnenden Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Erteilung der beantragten Genehmigung verpflichtet (Urteil vom 17. November 1997). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Niedersachsen zurückgewiesen (Urteil vom 1. Juni 1999). Bei der Genehmigung von Satzungsregelungen sei die Aufsichtsbehörde auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Gegen geltendes Recht aber werde mit der umstrittenen Sitzverlegung nicht verstoßen. Daß der Sitz der Pflegekasse mit demjenigen der zugehörigen Krankenkasse übereinstimmen müsse, schreibe das Gesetz weder ausdrücklich vor, noch sei dies aus dem Zusammenhang der einschlägigen organisationsrechtlichen Bestimmungen des SGB XI zu entnehmen. Aus den von der Beklagten angeführten Gesichtspunkten lasse sich keine zwingende Notwendigkeit für eine Identität der Sitze herleiten, so daß es sich letztlich nur um Zweckmäßigkeitserwägungen handele, auf die die Versagung der Genehmigung nicht gestützt werden könne.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine fehlerhafte Anwendung der §§ 46 und 47 SGB XI. Sie ist im Gegensatz zum Berufungsgericht der Ansicht, daß die Aufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren nach § 47 Abs 2 SGB XI auch Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen habe, da es sich bei der Genehmigung der Satzung nicht um Rechtsaufsicht, sondern um einen Akt staatlicher Mitwirkung handele, dem eine eingeschränkte Zweckmäßigkeitsprüfung unter Beachtung des Gestaltungsrechts der Selbstverwaltung immanent sei. Unabhängig davon verletze der vom Verwaltungsrat der Klägerin gefaßte Beschluß geltendes Recht. Wenn das Gesetz einen einheitlichen Sitz von Krankenkasse und Pflegekasse auch nicht ausdrücklich verlange, so ergebe sich die Pflicht zu insoweit übereinstimmender Satzungsbestimmung doch aus einer Zusammenschau der relevanten Vorschriften und ihrer Auslegung. Die Pflegekassen seien zwar formal rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Ihre Existenz sei aber an diejenige der Krankenkassen, bei denen sie errichtet seien, gebunden. Ihr organisationsrechtlicher Status und damit korrespondierend ihre Selbstverwaltungsautonomie seien im Vergleich zu den Krankenkassen stark eingeschränkt. Es bestehe eine organisatorische und administrative Abhängigkeit der Pflegekassen von den Krankenkassen, was sich insbesondere an der Organidentität und der kraft Gesetzes bestehenden "Verwaltungsgemeinschaft" zeige. Das Fehlen einer organisationsrechtlichen Eigenständigkeit, wie sie dem Normalfall einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung entspreche, müsse sich bei der Sitzbestimmung dahin auswirken, daß die Pflegekasse ihren Sitz zwingend an dem der Krankenkasse nehmen müsse, bei der sie errichtet worden sei. Das ergebe sich auch daraus, daß andernfalls der mit der Satzungsregelung über den Sitz der Pflegekasse verfolgte Zweck, Klarheit über sitzabhängige örtliche Zuständigkeiten zu schaffen, verfehlt würde, indem beispielsweise unklar bliebe, von welchem Landesverband die Verbandsaufgaben der Pflegekasse wahrzunehmen seien. Hinzu komme, daß bei abweichenden Sitzen entgegen § 46 Abs 6 Satz 1 SGB XI für Krankenkasse und Pflegekasse unterschiedliche Aufsichtsbehörden zuständig sein könnten.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Juni 1999 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. November 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht verpflichtet, die umstrittene Satzungsbestimmung zu genehmigen.

Nach § 47 Abs 2 SGB XI bedürfen die Satzung einer Pflegekasse und ihre Änderungen der Genehmigung der Behörde, die für die Genehmigung der Satzung der Krankenkasse, bei der die Pflegekasse errichtet ist, zuständig ist. Durch den Genehmigungsvorbehalt soll sichergestellt werden, daß sich die Satzung mit dem Gesetz und dem sonstigen für die Pflegekasse maßgebenden Recht in Einklang befindet. Dagegen unterliegt die Zweckmäßigkeit der vom Verwaltungsrat der Kasse beschlossenen Satzungsregelungen grundsätzlich nicht der Prüfung durch die gemäß § 195 Abs 1 SGB V iVm § 90 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zuständige Aufsichtsbehörde. Allerdings ist die behördliche Genehmigung von Satzungsbeschlüssen keine Maßnahme der allgemeinen Rechtsaufsicht, sondern Mitwirkung des Staates an der autonomen Rechtsetzung des Sozialversicherungsträgers. Wie das Bundessozialgericht in anderem Zusammenhang wiederholt ausgeführt hat, sollen der Aufsichtsbehörde durch die Aufstellung von Genehmigungserfordernissen (vgl neben dem allgemeinen Genehmigungsvorbehalt für Satzungen in § 34 Abs 1 Satz 2 SGB IV die Beispiele in § 41, § 85 Abs 1, § 86 SGB IV) regelmäßig besondere, über die bloße Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehende Einwirkungsmöglichkeiten eröffnet werden, um ihr die Sicherstellung einer die Belange der Versichertengemeinschaft und der staatlichen Sozialversicherung als Ganzes berücksichtigenden sach- und funktionsgerechten Aufgabenerfüllung durch den Versicherungsträger zu ermöglichen. Bei der Ausübung solcher Mitwirkungsrechte darf die Behörde deshalb je nach dem Gegenstand der Entscheidung in begrenztem Umfang auch Zweckmäßigkeitserwägungen zur Geltung bringen (siehe dazu: Urteil des Senats vom 9. Dezember 1997 - SozR 3-2400 § 41 Nr 1 und die dort angegebene Rechtsprechung und Literatur). Das gilt aber da nicht, wo das Gesetz die Mitwirkungsbefugnisse auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Letzteres ist bei den Satzungen der Pflegekassen der Fall. Die Rechtslage ist insoweit dieselbe wie bei der Genehmigung der Satzungen von Krankenkassen; denn Krankenkassen und Pflegekassen sind nicht nur personell und organisatorisch verzahnt, sondern unterliegen auch identischen organisationsrechtlichen Bestimmungen, so daß für sie hinsichtlich der Mitwirkung der Aufsichtsbehörde an Satzungsbeschlüssen keine unterschiedlichen Rechtsgrundsätze gelten. Für die Krankenkassen hat der Senat bereits entschieden, daß die Aufsichtsbehörde bei der Genehmigung der Satzung keinen Ermessensspielraum hat, sondern lediglich eine Rechtsprüfung vornehmen darf (Urteil vom 26. Februar 1992 - SozR 3-2500 § 240 Nr 8).

An dieser Rechtsprechung ist ungeachtet der von der Beklagten erhobenen Einwände festzuhalten. Freilich enthalten weder § 47 Abs 2 SGB XI noch § 195 Abs 1 SGB V einen ausdrücklichen Hinweis darauf, daß sich die Prüfung der Genehmigungsbehörde auf die Gesetzmäßigkeit der Satzungsbestimmungen zu beschränken hat. Daß eine solche Beschränkung gelten soll, ergibt sich für die Krankenkassen jedoch zweifelsfrei aus der Entstehungsgeschichte des § 195 SGB V. Unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) waren die Vorschriften über die Genehmigung der Satzungen der Sozialversicherungsträger in den einzelnen Versicherungszweigen unterschiedlich ausgestaltet. Während der Genehmigungsvorbehalt in der Unfallversicherung (§ 672 Abs 1 RVO) und in der Rentenversicherung (§ 1339 RVO; § 154 Abs 2 Reichsknappschaftsgesetz; § 7 Abs 1 BfA-Errichtungsgesetz) sowie in der allgemeinen Grundsatznorm des § 34 Abs 1 SGB IV nicht näher konkretisiert war, bestimmte § 324 Abs 2 RVO für die Satzung der Krankenkasse ausdrücklich, daß die Genehmigung nur dann versagt werden durfte, wenn die Satzung den gesetzlichen Vorschriften nicht genügte. Diese Bestimmung wurde zwar in den § 195 Abs 1 SGB V nicht übernommen. Wie die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesundheits-Reformgesetzes (BT-Drucks 11/2237 S 218 zu § 204 des Entwurfs) zeigt, wollte der Gesetzgeber den bestehenden Rechtszustand aber nicht ändern, sondern ging davon aus, daß auch nach neuem Recht lediglich eine Rechts-, und keine Zweckmäßigkeitsprüfung zu erfolgen habe. Ob er diese Aussage generell auf die staatliche Genehmigung von Satzungen der Sozialversicherungsträger bezogen wissen wollte, wofür die weitere Bemerkung sprechen könnte, die Vorschrift (gemeint ist der spätere § 195 Abs 1 SGB V) habe "angesichts des § 34 Abs 1 Satz 2 SGB IV nur deklaratorischen Charakter", kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls für den Bereich der Krankenversicherung sollte die seit jeher bestehende Beschränkung der Prüfungsbefugnisse der Aufsichtsbehörde zugunsten des Selbstverwaltungsrechts der Krankenkassen beibehalten werden (in diesem Sinne: Peters in: Kasseler Komm, Stand: 1999, § 195 SGB V RdNr 4; Hauck, SGB V, Stand: 2000, K § 195 RdNr 5).

Nach den dargestellten Maßstäben durfte die Genehmigung nicht versagt werden, denn der beanstandete Satzungsbeschluß ist formell und materiell rechtmäßig. Das Gesetz verbietet es der Pflegekasse nicht, ihren Sitz abweichend von dem der Krankenkasse zu wählen, bei der sie errichtet ist.

Die Pflegekassen sind unbeschadet ihrer organisatorischen und personellen Anbindung an die Krankenkassen gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 SGB XI rechtlich selbständige rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Als solche haben sie das Recht, ihren Sitz in der Satzung autonom zu bestimmen, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorgaben oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen. Eine ausdrückliche Regelung des Inhalts, daß der Sitz der Pflegekasse mit dem der Krankenkasse übereinzustimmen habe, existiert nicht, wie die Beklagte selbst einräumt. Ihre Auffassung, die Notwendigkeit eines einheitlichen Sitzes ergebe sich zwangsläufig aus einer Zusammenschau der verschiedenen organisationsrechtlichen Bestimmungen des SGB XI, vermag der Senat nicht zu teilen.

Die behauptete Zwangsläufigkeit kann nicht damit begründet werden, daß der Verwaltungssitz der Pflegekasse mit demjenigen der Krankenkasse zusammenfällt. Da die Pflegekassen bei den Krankenkassen errichtet werden (§ 46 Abs 1 Satz 2 SGB XI), die Organe und damit auch die Vorstände beider Kassen personenidentisch sind (§ 46 Abs 2 Satz 2 SGB XI) und die Pflegekassen weder über eigenes Personal noch über eigenes Verwaltungsvermögen, wie Gebäude und Einrichtungen, verfügen (§ 46 Abs 2 Satz 3; § 62 SGB XI), können die zentralen Verwaltungsaufgaben rein faktisch nicht an verschiedenen Orten erledigt werden. Bei den Selbstverwaltungskörperschaften des Sozialrechts ist indessen wie auch sonst bei juristischen Personen zwischen dem durch tatsächliche Umstände festgelegten Verwaltungssitz und dem durch die Satzung festgelegten sogenannten Rechtssitz zu unterscheiden. Verwaltungssitz ist der Ort, an dem sich tatsächlich die Hauptverwaltung befindet, also der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane. Dagegen entscheidet der Rechtssitz über das für die Körperschaft maßgebende Recht, den Gerichtsstand und die behördlichen Zuständigkeiten und erfordert als solcher nicht zwingend einen Bezug zum Ort der Geschäftstätigkeit. Satzungs- und Verwaltungssitz müssen nur dann übereinstimmen, wenn dies das Gesetz bestimmt. Fehlt eine solche Anordnung, so ist eine Identität dieser beiden Sitze nicht erforderlich. Der Rechtssitz kann dann grundsätzlich frei gewählt werden. Das bedeutet, daß allein aus der zwischen Pflegekasse und Krankenkasse bestehenden "Verwaltungsgemeinschaft" (vgl Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, 38. Lieferung August 2000, § 47 SGB XI RdNr 5) keine Folgerungen im Sinne der Auffassung der Beklagten gezogen werden können.

Für juristische Personen des Privatrechts wird das Recht auf freie Sitzwahl von den ordentlichen Gerichten seit langem anerkannt (ausführlich dazu: BayObLG, Beschluß vom 23. Juli 1987 - DB 1987, 2194 = NJW-RR 1988, 96 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Zwar wird die Einschränkung gemacht, der Sitz dürfe nicht willkürlich und ohne jede Beziehung zur Betätigung der Gesellschaft gewählt werden, so daß ein rein fiktiver Sitz unzulässig sei. Besondere Aktivitäten am Sitzort werden aber nicht verlangt; es wird jedenfalls als ausreichend angesehen, wenn die Gesellschaft an dem gewählten Ort postalisch erreichbar ist. Nach dieser Rechtsprechung endet die Wahlfreiheit erst dort, wo mit der Sitzbestimmung Mißbrauch getrieben wird, indem etwa ein bestimmter Sitz allein mit dem Ziel gewählt wird, die an den Rechtssitz der juristischen Person geknüpften behördlichen oder gerichtlichen Zuständigkeiten zu manipulieren. Die für juristische Personen des Privatrechts entwickelten Grundsätze lassen sich auf die mit Satzungsautonomie ausgestatteten Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich des Sozialrechts übertragen, ohne daß dadurch spezifische Belange der Verwaltung oder der Versicherten berührt würden. Insbesondere besteht auch im öffentlichen Recht für eine weitergehende Beschränkung der freien Sitzwahl kein erkennbares praktisches Bedürfnis.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung auf das Erfordernis einer einheitlichen Aufsichtszuständigkeit für Kranken- und Pflegekasse. Die Regelung in § 46 Abs 6 SGB XI, wonach die Aufsicht über die Pflegekassen von den für die Aufsicht über die Krankenkassen zuständigen Stellen geführt wird, soll nach der Begründung zum Entwurf des Pflege-Versicherungsgesetzes (BT-Drucks 12/5262 S 111 zu § 42 Abs 6) sicherstellen, daß für die einzelne Pflegekasse und die Krankenkasse nicht verschiedene Aufsichtsbehörden zuständig sind. Der Fall, daß zwei Aufsichtsbehörden verschiedener Bundesländer zuständig werden, weil die Krankenkasse und die Pflegekasse ihre Sitze in verschiedenen Bundesländern haben, kann bei der Klägerin und der IKK Ostfalen, die als bundesunmittelbare Versicherungsträger der Aufsicht des Beklagten unterstehen, jedoch nicht eintreten. Dieser Aspekt kann deshalb im zu entscheidenden Fall eine abweichende Sitzbestimmung nicht hindern. Dasselbe gilt für den von der Revision angesprochenen Gesichtspunkt der Rechtsklarheit hinsichtlich der Wahrnehmung der Verbandsaufgaben der Pflegekasse. Die Pflegekassen bilden weder auf Landes- noch auf Bundesebene eigene Verbände. Die Verbandsaufgaben werden vielmehr nach §§ 52 Abs 1, 53 Abs 1 SGB XI von dem jeweiligen Verband der Krankenkassen wahrgenommen, wobei dieser insoweit die Rechtsstellung eines Landes- bzw Bundesverbandes der Pflegekassen hat (BSGE 82, 252, 253 f = SozR 3-3300 § 73 Nr 1 S 2 ). Eine Unklarheit über die Verbandszuständigkeit auf Landesebene kann angesichts dieser Regelung durch unterschiedliche Sitze von Kranken- und Pflegekasse von vornherein nicht entstehen.

Die Revision der Beklagten war danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

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