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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 25.09.2000
Aktenzeichen: B 1 KR 2/00 R
Rechtsgebiete: SGG, LFZG


Vorschriften:

SGG § 10
SGG § 141
LFZG § 11 Abs 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 25. September 2000

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 2/00 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

AOK Bremen/Bremerhaven, Bürgermeister-Smidt-Straße 95, 28195 Bremen,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2000 durch den Präsidenten von Wulffen, die Richter Steege und Dr. Dreher sowie die ehrenamtlichen Richter Dekarski und Dr. Andresen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. September 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beklagte fordert vom Kläger den Betrag von 2.268 DM zurück, den dieser als Arbeitgeberausgleich für die Entgeltfortzahlung an seinen Sohn erhalten hat.

Der Kläger ist als Bauunternehmer an der Umlage zum Ausgleich der Aufwendungen der Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlung beteiligt. Sein 1972 geborener Sohn, der ursprünglich über den Vater bei einer Ersatzkasse familienversichert war, wurde der beklagten AOK mit Rücksicht auf eine am 22. Juni 1988 aufgenommene Beschäftigung im väterlichen Betrieb als in der Kranken-, Arbeiterrenten- und Arbeitslosenversicherung versicherungs- bzw beitragspflichtig gemeldet. Am 15. Juli 1988 begab sich der Sohn wegen krankhafter Befunde am rechten Hüftgelenk und am linken Kniegelenk in stationäre Behandlung und war auf Grund der deshalb erforderlichen Operationen über ein Jahr lang arbeitsunfähig krank. Für die ersten sechs Wochen erstattete die Beklagte die nach den Angaben des Klägers an den Sohn erbrachte Entgeltfortzahlung im satzungsrechtlich vorgeschriebenen Umfang; danach leistete sie Krankengeld bis zum 12. Oktober 1989.

Später kam sie zum Ergebnis, daß der Sohn eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht aufgenommen habe, weil die Tätigkeit als familienhafte Mitarbeit angesehen werden müsse, und stellte dies mit Bescheid vom 20. Dezember 1989 fest. Im daraufhin vom Sohn als Kläger geführten Gerichtsverfahren mit dem Ziel, die Versicherungspflicht in bezug auf ein vom 22. Juni 1988 bis zum 30. November 1989 beim Vater bestehendes Beschäftigungsverhältnis festzustellen, wurde dieser - der Kläger im jetzigen Verfahren - beigeladen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg, weil das Landessozialgericht (LSG) zum Ergebnis kam, der Sohn sei beim Vater nicht als Arbeitnehmer, sondern im Rahmen einer familienrechtlichen Verpflichtung zur Mitarbeit in dem Unternehmen beschäftigt gewesen (Berufungsurteil vom 4. Mai 1994 im Vorprozeß; Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluß des Bundessozialgerichts <BSG> vom 29. Dezember 1994). Die auf dieses Urteil gestützte Rückforderung des erhaltenen Krankengeldes wurde im Widerspruchsverfahren wegen Verjährung wieder fallengelassen.

Bereits vorher hatte die Beklagte vom jetzigen Kläger mit Bescheid vom 13. Februar 1990 den geleisteten Arbeitgeberausgleich zurückgefordert. Das Widerspruchsverfahren war während des Vorprozesses ausgesetzt worden und wurde nach dessen Abschluß mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1995 beendet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. November 1997 abgewiesen, das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 14. September 1999 zurückgewiesen und das Urteil im wesentlichen mit folgenden Erwägungen begründet: Die Rückforderung sei durch § 11 Abs 2 Satz 1 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und die im Bescheid über die Verneinung der Versicherungspflicht des Sohnes konkludent erklärte Rücknahme der früheren formlosen Bewilligungen gerechtfertigt. Der Kläger habe die Ausgleichszahlungen zu Unrecht erhalten, weil sein Sohn mangels eines Beschäftigungsverhältnisses keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt habe. Diese Frage sei zwischen den Beteiligten durch den Vorprozeß über die Versicherungspflicht rechtskräftig geklärt; dessen Streitgegenstand sei mit dem Gegenstand des jetzigen Prozesses untrennbar verknüpft und die Hauptbeteiligten beider Prozesse seien identisch. Im Hinblick auf die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils habe den im jetzigen Berufungsverfahren gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen werden können. Der Kläger habe auch fahrlässig gehandelt, denn er habe bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, daß sein Sohn lediglich im Rahmen einer familienhaften Mithilfe tätig geworden sei. Die Verjährung des Anspruchs sei während der Aussetzung des Widerspruchsverfahrens gehemmt gewesen. Ein Verzicht seitens der Beklagten liege entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzungen der §§ 103 und 141 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie des § 11 Abs 2 Satz 1 LFZG. Das LSG sei zu Unrecht von einer Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozeß ausgegangen, denn dieser habe die Versicherungspflicht des Sohnes und nicht die jetzt streitige Rückforderung betroffen. Der Rückforderungsanspruch sei keine automatische Folge des Nichtbestehens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, denn er setze daneben die Rücknahme der Bewilligung und ein Verschulden des Leistungsempfängers voraus; es bestehe allenfalls eine faktische Vorgreiflichkeit. Kläger im Vorprozeß sei der Sohn des jetzigen Klägers gewesen, so daß die Hauptbeteiligten in beiden Prozessen nicht identisch seien. Außerdem würden einzelne Tatbestandselemente eines Anspruchs von der Rechtskraft keinesfalls erfaßt. Das LSG habe auch § 11 Abs 2 Satz 1 LFZG verletzt, indem es zum angeblichen Verschulden des Klägers keine Feststellungen getroffen habe.

Mangels Rechtskraftwirkung und wegen der vom Gesetz vorausgesetzten Fahrlässigkeit habe das LSG sich gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen und insbesondere den gestellten Beweisanträgen nachzugehen. Dann hätte es festgestellt, daß der Sohn des Klägers eine wirkliche Arbeitsleistung erbracht habe, die auf Grund eines Berufsbildungsjahres auf einschlägigen Vorkenntnissen beruht habe und von dem als Zimmerer ausgebildeten Bruder beaufsichtigt worden sei. Außerdem wäre ermittelt worden, daß der Kläger seinen Sohn nicht erst am 15. Juli 1988 bei der Beklagten angemeldet habe, sondern daß an diesem Tage bereits die Pflichtbeiträge abgebucht worden seien, was für eine frühere Meldung spreche. Insgesamt wäre das LSG zum Ergebnis gekommen, daß dem Kläger keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, weil er bei der Beklagten den Arbeitgeberausgleich für die Entgeltfortzahlung an seinen Sohn geltend gemacht habe.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie den Rückforderungsbescheid und den Widerspruchsbescheid der Beklagten aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Der Senat kann aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger durch den angefochtenen Rückforderungsbescheid zu Recht auf Rückzahlung des gewährten Ausgleichs in Anspruch genommen wird.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Rückforderung der Beklagten von der Rechtswidrigkeit des Arbeitgeberausgleichs abhängt und daß diese jedenfalls dann feststünde, wenn dem Sohn des Klägers kein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts zugestanden hätte. Denn der Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers setzt seine gesetzliche Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung voraus. Das kommt in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 2, Satz 2 LFZG durch die Bezugnahme auf die gesetzlichen Anspruchsnormen hinreichend deutlich zum Ausdruck (so im Ergebnis auch BSG USK 81143 S 594 f; BSG SozR 3-7860 § 10 Nr 5 S 19). Während der Arbeitsunfähigkeit des Sohnes vom 15. Juli bis 25. August 1988 richtete sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem damals noch geltenden § 1 Abs 1 Satz 1 LFZG, dem der inzwischen in Kraft getretene § 3 Abs 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) in den hier wesentlichen Punkten inhaltlich entspricht. Das LSG hat den Anspruch mangels Arbeitnehmereigenschaft des Sohnes verneint, so daß die Beklagte den Ausgleich zu Unrecht gewährt habe. Insoweit wirke die Rechtskraft der im Vorprozeß getroffenen Entscheidung, mit der die Versicherungs- und Beitragspflicht des Sohnes unter dem Gesichtspunkt der familiären Mitarbeit abgelehnt worden sei; der jeweilige Streitgegenstand der beiden Prozesse sei zwar nicht identisch, jedoch untrennbar miteinander verknüpft.

Die Revision rügt zu Recht, daß der für den Ausgleichsanspruch nach § 10 Abs 1 Satz 1 LFZG vorausgesetzte arbeitsrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung nicht Streitgegenstand des Vorprozesses war und daß sich die Rechtskraftwirkung grundsätzlich auf den Streitgegenstand beschränkt. Daher erlaubt die rechtskräftige Ablehnung der Versicherungs- und Beitragspflicht des Sohnes des Klägers nicht ohne weiteres den vom LSG gezogenen Schluß auf das Fehlen des arbeitsrechtlichen Entgeltanspruches, das den jetzt streitigen Rückforderungsanspruch stützen würde. Daß das Berufungsgericht außerdem unzutreffend von der Identität der jeweiligen Kläger und Beklagten ausgegangen ist, hat insofern nur untergeordnete Bedeutung, denn der jetzige Kläger war im Prozeß beigeladen, so daß die damalige Entscheidung auch für ihn verbindlich ist (§ 141 Abs 1 iVm § 69 Nr 3 SGG).

Freilich sind rechtliche Zusammenhänge zwischen dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und der Arbeitnehmereigenschaft nach arbeitsrechtlichen Kriterien nicht zu leugnen. Denn die Zuordnung einer Tätigkeit zur familienhaften Mithilfe wird auch im Arbeitsrecht als Hindernis für die Entstehung von Ansprüchen angesehen (Küttner/Bauer, Personalbuch 2000, Familiäre Mitarbeit RdNr 1 ff mwN), auch wenn die Frage nur selten zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung wird; eine zerstrittene Ehe (vgl BAG NJW 1996, 1299 = NZA 1996, 249) oder die Haftung Dritter (vgl BAGE 73, 350 = AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr 4 = NZA 1994, 121) kann aber in Sonderfällen eine gerichtliche Klärung veranlassen. Außer im Sozialrecht kann im übrigen auch im Schadenersatzrecht und im Steuerrecht eine Abgrenzung von Tätigkeiten aufgrund eines Arbeitsverhältnisses zu solchen aufgrund der familiären Beziehung erforderlich werden: Bei Verletzung oder Tötung eines Dienstleistenden hängt die Haftung aus § 844 Abs 2 oder § 845 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) davon ab, ob die geleisteten Dienste ihren Grund in einer familienrechtlichen Verpflichtung aus § 1360 oder § 1619 BGB haben (BGHZ 77, 157 = NJW 1980, 2196 = FamRZ 1980, 776; BGHZ 137, 1 = LM BGB § 1619 Nr 8 = NJW 1998, 307 mwN); die steuerliche Absetzung von Leistungen an Familienangehörige als Betriebsausgaben setzt voraus, daß es sich nicht um familiär bedingte Zuwendungen handelt (BFH HFR 1999, 359 = DStRE 1999, 162 mwN).

In allen diesen Fällen muß die Abgrenzung - unter Berücksichtigung der dem jeweiligen Rechtsgebiet eigenen Regelungszwecke - die Umstände des Zustandekommens und der Durchführung des Dienstleistungsverhältnisses gegeneinander abwägen und bewerten, um entscheiden zu können, ob arbeitsrechtliche Verpflichtungen begründet wurden, die der familiären Beziehung vorgehen, oder ob es sich umgekehrt verhält (vgl stellvertretend und zusammenfassend zur bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung: BSGE 74, 275, 278 ff = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60 ff). Dabei ist selbstverständlich, daß trotz verschiedener rechtlicher Zusammenhänge identische oder gleichlautende Argumente verwendet werden. Insofern ist der Vorinstanz einzuräumen, daß es schwer verständlich wäre, wenn die Tätigkeit des Sohnes im Unternehmen des Vaters unter dem Blickwinkel der Entgeltfortzahlungsversicherung anders bewertet würde als unter dem der Sozialversicherungspflicht oder - worauf es hier nicht ankommt - jeweils vom arbeitsrechtlichen, haftungsrechtlichen oder steuerrechtlichen Standpunkt. Die zur Vermeidung von eventuellen Widersprüchen in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Ansätze vermögen jedoch im vorliegenden Fall das vom LSG gefundene Ergebnis nicht zu stützen. Denn es gibt keine umfassende rechtliche Verknüpfung zwischen einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und der vom Arbeitgeberausgleich nach dem LFZG vorausgesetzten Zuordnung von Zahlungen als gesetzlich geschuldetes Arbeitsentgelt.

Soweit die Beklagte bei ihrer Ausgleichszahlung neben dem Arbeitsentgelt die darauf entfallenden Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung entsprechend § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 LFZG berücksichtigt haben sollte, besteht allerdings eine unmittelbare Abhängigkeit: Die Ablehnung der Versicherungspflicht begründet die Rechtswidrigkeit dieses Teils der Leistung. In Fällen der Vorgreiflichkeit des rechtskräftig entschiedenen für den später zu beurteilenden Anspruch hat die Rechtsprechung eine erweiterte Rechtskraftwirkung akzeptiert (BSGE 58, 119, 126 f = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 24 f; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 9 S 29 f). Daraus ließe sich jedoch für die Entscheidung über die Rückforderung nur in Verbindung mit weiteren Feststellungen etwas ableiten. Denn weder ist die Höhe des Beitragsanteils noch sind die diesbezüglichen Satzungsvorschriften der Beklagten bekannt, die gemäß § 16 Abs 2 Nr 1 LFZG diesen Teil des Ausgleichs näher regeln könnten.

Außerhalb eines eventuellen beitragsbezogenen Anteils ist die rechtskräftig abgelehnte Versicherungs- und Beitragspflicht für die Rückforderung nicht vorgreiflich. Die Entscheidungen laufen lediglich insofern parallel, als die Entscheidungskriterien in wesentlichen Punkten übereinstimmen. Wenn Familienbeziehungen involviert sind, dürfen sich die Feststellungen weder unter dem Gesichtspunkt der Sozialversicherung noch unter dem des Arbeitgeberausgleichs darauf beschränken, daß der Familienangehörige im Interesse des Unternehmens vergütete Dienste geleistet habe. Es genügt auch nicht die negative Abgrenzung wie im Schadenersatzrecht, daß eine familienrechtliche Verpflichtung nach § 1360 bzw § 1619 BGB nicht bestanden habe (vgl nochmals BGHZ 137, 1 = LM BGB § 1619 Nr 8 = NJW 1998, 307 mwN). Vielmehr wird der Krankenlohn des Familienangehörigen nur dadurch in die Entgeltfortzahlungsversicherung einbezogen, daß nach den Gesamtumständen ein Arbeitsverhältnis wie mit einem Fremden zustande gekommen ist und durchgeführt wird. Die Grundlagen für einen solchen "Fremdvergleich" sind im Steuerrecht entwickelt und vom BSG auch für die Frage der Versicherungspflicht für maßgeblich erklärt worden (BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die insoweit zunächst bestehenden Vorbehalte, weil der Bundesfinanzhof (BFH) dabei Einzelumstände zu sehr in den Vordergrund gerückt habe (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11 S 30 f mwN), sind nach Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überholt (BVerfG NJW 1996, 833 = FamRZ 1996, 153 = USK 9552; vgl nunmehr Urteile des BFH vom 25. November 1999 - BFH/NV 2000, 699 = HFR 2000, 487 - und vom 23. September 1998 - HFR 1999, 359 = DStRE 1999, 162 - jeweils mwN; grundlegend zum Fremdvergleich: Beschluß des Großen Senats des BFH vom 27. November 1989, BFHE 158, 563, 571 f; Urteil vom 7. Mai 1996, BFHE 180, 377, 378 f).

Ohne daß die Übernahme aus dem Steuerrecht zwangsläufig bedeutet, daß die jeweils beteiligten Behörden immer zur selben Bewertung kommen müssen, ist der Fremdvergleich auch für die Entgeltfortzahlungsversicherung einschlägig, weil die zu lösenden Fragen im wesentlichen gleich gelagert sind. Mit Rücksicht auf die zahlreichen und regelmäßig keine streitrelevante Bedeutung erlangenden Vorgänge, bei denen Familienmitglieder untereinander Geldmittel in welcher Form auch immer zur Verfügung stellen, bedürfen familieninterne Vermögensverschiebungen einer belegbaren rechtlichen Zuordnung, wenn dadurch die Haftung einer Solidargemeinschaft - hier: der am Ausgleich teilnehmenden Arbeitgeber - ausgelöst werden soll. Sind Interessen Dritter betroffen, darf insbesondere im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nicht offenbleiben, ob eine konkrete Zuwendung rechtlich beispielsweise als Unterhalt oder als Schenkung, oder aber als Erfüllung außerfamiliärer vertraglicher Verpflichtungen gelten soll. Die Umverteilung der durch die gesetzlich angeordnete Entgeltfortzahlung verursachten Lasten auf sämtliche Kleinbetriebe und die damit verbundene Umlagepflicht ist nur zu rechtfertigen, wenn die Entgeltfortzahlung wirklich als betriebsbezogen gewertet werden kann; darin liegt die Parallele zum Steuerrecht. Ist die betriebliche mit der privaten Sphäre durch ein Arbeitsverhältnis unter nahen Angehörigen untrennbar verquickt, müssen die nähere Gestaltung und die Durchführung der Vertragsbeziehungen einem Fremdvergleich standhalten, wenn aus der Entgeltfortzahlung Ausgleichsansprüche hergeleitet werden sollen.

Diese Abgrenzung ist bereits bei der arbeitsrechtlichen Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs - dem Entgeltfortzahlungsanspruch - im Gesetz angelegt, denn dieser wird nur "Arbeitnehmern" zugebilligt (§ 1 Abs 1 EntgFG), das sind laut § 1 Abs 2 EntgFG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Unter dem LFZG, das für die hier zu beurteilende, im Jahre 1988 ausgeübte Tätigkeit noch einschlägig ist, galt dasselbe. Denn § 1 Abs 1 LFZG setzte voraus, daß ein Arbeiter nach Beginn der Beschäftigung durch Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wurde, was für die Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe nichts anderes bedeutet als die Formulierung im EntgFG. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Ehegattenarbeitsverhältnis läßt erkennen, daß die Arbeitnehmereigenschaft besonders sorgfältig zu prüfen ist, wenn familiäre Beziehungen eine Rolle spielen (vgl nochmals BAG NJW 1996, 1299 = NZA 1996, 249; BAGE 73, 350 = AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr 4 = NZA 1994, 121).

Daneben wird die Notwendigkeit eines Fremdvergleichs durch den Wortlaut von § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 LFZG gestützt. Danach darf lediglich "fortgezahltes" Arbeitsentgelt erstattet werden; für die in Nr 2 und Nr 3 genannten Erstattungsfälle werden entsprechende Formulierungen verwendet. In Anlehnung an § 40 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist daher die tatsächliche Zahlung neben der arbeitsrechtlichen Verpflichtung eine weitere Bedingung für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs. Dementsprechend stellt § 10 Abs 4 LFZG klar, daß seine Fälligkeit an dieselbe Bedingung geknüpft ist, so daß eine vorherige Gewährung nur durch entsprechende Satzungsbestimmungen nach § 16 Abs 2 Nr 2 LFZG zugelassen werden kann. Während das Merkmal der eigentlichen Zahlung bei einem Arbeitsverhältnis unter Fremden kaum näherer Prüfung bedarf, gewinnt es bei einer Tätigkeit im Unternehmen eines nahen Familienangehörigen besondere Bedeutung und gibt Anlaß, auch den Umständen der Entgeltzahlung nachzugehen. Mit Rücksicht auf den bereits dargestellten Zweck der Entgeltfortzahlungsversicherung können Zahlungen in diesem Zusammenhang nur einen Ausgleichsanspruch auslösen, wenn sie auch nach außen als auf einem Arbeitsverhältnis beruhende Zuwendung in Erscheinung treten. Neben der arbeitsrechtlich zu beurteilenden Arbeitnehmerstellung muß auch die tatsächliche Durchführung den rechtlichen Schluß rechtfertigen, daß der Kleinbetrieb durch die Krankheit des Arbeitnehmers besonders belastet ist. Die erforderliche "Außenanerkennung" ist zu versagen, wenn nicht belegt werden kann, daß der Familienangehörige tatsächlich wie ein fremder Arbeitnehmer geführt wird.

Obwohl demnach die Rechtswidrigkeit der Ausgleichszahlung nach ganz ähnlichen Kriterien zu beurteilen ist wie die Versicherungspflicht der vom Sohn im Unternehmen des Vaters ausgeübten Tätigkeit, ist die Übernahme des rechtskräftigen Ergebnisses des Vorprozesses nicht zulässig. Zwar kann der Gesichtspunkt der Tatbestands- oder Drittbindungswirkung dazu führen, daß eine nochmalige Überprüfung desselben Sachverhalts zu unterbleiben hat, wenn ein Element eines streitigen Anspruchs bereits Gegenstand eines abgeschlossenen Verfahrens war. In der Sozialversicherung ist das beispielsweise für Statusfeststellungen anerkannt, wenn dazu ein eigenes Verfahren vorgesehen ist, dessen Ergebnis mit Rücksicht auf die spezifische gesetzliche Kompetenzzuweisung von allen anderen Behörden und Gerichten zu respektieren ist. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Versicherungsverhältnisses in der gesetzlichen Krankenversicherung ist schon wiederholt als Statusentscheidung in diesem Sinne beurteilt worden (BSGE 79, 128 = SozR 3-1300 § 111 Nr 5 mwN), so daß dem rechtskräftigen Urteil im Vorprozeß insoweit Tatbestandswirkung zukommt. Unter dem schon angesprochenen Gesichtspunkt der Vorgreiflichkeit ist eine Drittbindungswirkung auch bei der Abhängigkeit eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs von einem zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch (zum Diskussionsstand: BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 19 mwN), von einem arbeitsrechtlichen Entgeltanspruch (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 15) oder von einer Entscheidung im Strafvollzug (BSGE 81, 162 = SozR 3-4100 § 168 Nr 21) angenommen worden. Charakteristisches Merkmal aller entschiedenen Fälle ist die ausschließliche Entscheidungskompetenz der Institution, an deren Rechtsakt in einem Folgeverfahren angeknüpft werden soll: diejenige des Arbeitsgerichts für den Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis, des Zivilgerichts für den Unterhaltsanspruch, der Krankenkasse bzw der sie kontrollierenden Sozialgerichte für die Feststellung des Versicherungsverhältnisses, der Strafvollzugsbehörde bzw der sie kontrollierenden Strafvollzugskammer für die rechtliche Zuordnung der einem Gefangenen gezahlten Arbeitsbelohnung (besonders deutlich: BSGE 81, 162, 165 = SozR 3-4100 § 168 Nr 21 S 57; vgl auch BSGE 75, 97, 114 = SozR 3-4100 § 116 Nr 2 S 64 zur Kompetenz des Neutralitätsausschusses; BGHZ 73, 114 = NJW 1979, 597 zur Kompetenz für Entscheidungen über den Pflegesatz). Die Drittbindungswirkung von rechtsgestaltenden Entscheidungen (dazu BSGE 12, 216; vgl auch BAGE 38, 42 = AP SchwbG § 15 Nr 1 = NJW 1982, 2630; BGHZ 105, 160 = LM KHG Nr 3 = NJW 1988, 2951; BSGE 83, 200 = SozR 3-2600 § 46 Nr 2) läßt sich auf dieselbe Erwägung zurückführen: Der Gestaltungskompetenz der zuständigen Stelle wäre jede Grundlage entzogen, wenn andere Stellen befugt wären, sich zur rechtlichen Gestaltung durch die kompetente Stelle in Widerspruch zu setzen.

Da der Beklagten und den sie kontrollierenden Sozialgerichten keine ausschließliche Befugnis zur Feststellung arbeitsrechtlicher Ansprüche zukommt, lassen sich jedoch aus der rechtskräftigen Vorentscheidung unter keinem der angedeuteten Gesichtspunkte arbeitsrechtliche Schlußfolgerungen ziehen - etwa zur Arbeitnehmerstellung des Sohnes iS des LFZG oder zu seinem Entgeltfortzahlungsanspruch. Insoweit wäre allenfalls die Bindung an das Ergebnis eines - hier nicht durchgeführten - arbeitsgerichtlichen Verfahrens denkbar (zu den Vorbehalten wegen des dort nicht geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes vgl allerdings BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 15).

Eine Bindungswirkung kommt auch nicht in Betracht, soweit nicht spezifisch arbeitsrechtliche Elemente des Ausgleichsanspruchs in Frage stehen, sondern bewertet werden muß, ob die Tätigkeit des Sohnes im Unternehmen des Vaters einem Fremdvergleich standhält. Eine gestaltende Wirkung des rechtskräftigen Urteils scheidet in diesem Zusammenhang von vornherein aus. Der Ablehnung der Versicherungspflicht mag Statusqualität zukommen; auf die Versicherungspflicht kommt es indessen - wie bereits dargelegt - nicht an. Soweit deren negative Feststellung darauf gestützt ist, daß die familiäre Beziehung die durch eine Eingliederung in den Betrieb begründete Abhängigkeit als Arbeitnehmer überlagert, handelt es sich um eine wertende Abwägung der tatsächlichen Gegebenheiten (vgl nochmals BSGE 74, 275, 278 ff = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60 ff), deren Ergebnis keinen Bezug zu einem besonderen Status des Betroffenen aufweist. Die Begriffe der "familienhaften Mithilfe", der "Eingliederung in den Betrieb" und des "abhängig beschäftigten Arbeitnehmers" sind keine Definitionen für einen Status im Sinne der dargestellten Rechtsprechung; sie betreffen auch keinen vorgreiflichen Anspruch. Vielmehr fassen sie die Bewertung verschiedener tatsächlicher Umstände und Begründungsaspekte zu einem rechtlichen Ergebnis zusammen, das über den konkreten Zusammenhang, in dem es gewonnen wird, nicht hinausreicht.

Insofern kann auch der Gesichtspunkt der Entscheidungskompetenz nicht weiterhelfen. Für die Feststellung der Versicherungspflicht weist § 28h Abs 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) der Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag die ausschließliche Kompetenz zu - das ist im vorliegenden Fall die Beklagte, deren auf diese Befugnis gestützter Bescheid im Vorprozeß bestätigt wurde. Die genannte Vorschrift ist aber keinesfalls dahin zu verstehen, daß der Einzugsstelle darüber hinaus die Entscheidungsmacht über die einzelnen Elemente dieser Feststellung zukäme. Andernfalls könnten Finanz- oder Arbeitsgerichte an die sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung der familienhaften Mithilfe gebunden sein, was mit ihren Befugnissen ersichtlich nicht zu vereinbaren ist.

Mangels Bindung an die Entscheidung im Vorprozeß hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rückforderungsbescheids von den bereits aufgezeigten Kriterien für die rechtliche Einstufung des Sohnes als Arbeitnehmer und die Anerkennung der vom Sohn mit Datum vom 29. November 1988 bestätigten Zahlungen als betriebsbezogene Entgeltfortzahlung ab. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht nicht möglich. Um das Verhalten des Klägers als fahrlässig zu charakterisieren, hat das LSG zwar ausgeführt, er habe erkennen müssen, daß sein Sohn im Rahmen einer familienrechtlichen Verpflichtung ohne echte Betriebseingliederung beschäftigt worden sei. Darin liegt aber in bezug auf die Ablehnung eines abhängigen Arbeitsverhältnisses nicht die erforderliche Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die eine Überprüfung der rechtlichen Schlußfolgerungen durch das Revisionsgericht erlauben würde. Wie die nachfolgenden Ausführungen des LSG zur Bindungswirkung des Urteils im Vorprozeß zeigen, sollte durch diese Formulierung auch gar keine eigene Feststellung getroffen werden. Da es nach dem ganzen Verfahren auf diesen Punkt entscheidend ankam, läßt sich in der fraglichen Erwägung auch keine konkludente Mitteilung der entscheidungserheblichen Tatsachen erblicken, wie sie bei selbstverständlichen oder von den Beteiligten nicht bezweifelten Beweisergebnissen in Betracht kommen kann.

Über den Rückforderungsanspruch der Beklagten kann ohne die fehlenden Feststellungen nicht entschieden werden. Insbesondere scheitert er nicht bereits aus anderen Gründen. Die Ausführungen des LSG zu Verzicht und Verjährung werden von der Revision nicht angegriffen und begegnen in rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken. Danach hatte die Beklagte in bezug auf die Rückforderung des Arbeitgeberausgleichs keinen Verzicht erklärt. Die Rückforderung unterliegt zwar der vierjährigen Verjährung, aber die Vorschriften des BGB über die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung sind entsprechend anwendbar (BSGE 69, 158 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1). Das LSG ist zutreffend zum Ergebnis gekommen, daß die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens den Tatbestand des § 202 Abs 1 BGB erfüllt, so daß die Verjährung gehemmt war (vgl BSG SozR 3-4427 § 5 Nr 1 S 10).

Entgegen der Auffassung des LSG und der Revision hängt die Rückforderung von keinen weiteren Voraussetzungen ab. Die Bagatellgrenze des § 11 Abs 2 Satz 3 LFZG, die in Anlehnung an § 110 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf 50 DM anzusetzen ist, wird im vorliegenden Fall jedenfalls überschritten. Auf seine - behauptete - Gutgläubigkeit und einen darauf gegründeten Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Die Vorschriften des SGB X über die Rückforderung zu Unrecht empfangener Sozialleistungen (§ 50 iVm §§ 45, 48 SGB X) finden keine Anwendung. Der im zweiten Abschnitt des LFZG geregelte Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung gehört allerdings zu den "Sozialleistungsbereichen", auf die sich gemäß § 37 Satz 1 SGB I der Geltungsbereich des SGB X erstreckt. Denn dazu zählen nach Sinn und Zweck des Gesetzes auch solche Materien, die zwar außerhalb des Sozialgesetzbuchs geregelt sind, aber auf dessen Bestimmungen verweisen (vgl Bley in: SGB-Gesamtkommentar, Stand: August 2000, § 37 SGB I Anm 3a). Da § 17 LFZG die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt, richtet sich das Verwaltungsverfahrensrecht für den Arbeitgeberausgleich grundsätzlich nach dem SGB X. Davon ist jedoch die Rückforderung zu Unrecht bezahlter Beträge ausgenommen, weil das LFZG insoweit eine eigene, abschließende Regelung enthält, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I den genannten allgemeinen Vorschriften vorgeht und deren Anwendung ausschließt. Das ist in § 17 LFZG durch den Vorbehalt abweichender Bestimmungen zum Ausdruck gebracht. Verdrängende Wirkung iS des § 37 Satz 1 SGB I kommt einer Spezialvorschrift im Rahmen der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs im übrigen auch ohne ausdrückliche Anordnung zu, wenn sich aus ihrem Sinn und Zweck bei Berücksichtigung der zugrundeliegenden Interessenbewertung ergibt, daß sie die Rückforderungsvoraussetzungen für die von ihr erfaßten Sachverhalte eigenständig und abweichend regeln will (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 22 S 70 mwN).

Letzteres ist bei § 11 Abs 2 LFZG der Fall. Nach der hier einschlägigen Bestimmung (Abs 2 Satz 1 Nr 2) hat die Ausgleichskasse Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber insbesondere zurückzufordern, soweit der Arbeitgeber Erstattungsbeträge gefordert hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht besteht. Weiter bestimmt § 11 Abs 2 LFZG in Satz 2, der Arbeitgeber könne sich nicht darauf berufen, daß er durch die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht mehr bereichert sei. Nach Satz 3 kann von der Rückforderung abgesehen werden, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde.

Diese Vorschriften legen fest, unter welchen Voraussetzungen die Ausgleichskasse "insbesondere" verpflichtet ist, vom Ausgleichsempfänger die Rückzahlung zu verlangen (Satz 1), und wann diese Verpflichtung nicht besteht (Satz 3). Der Rückzahlungsanspruch selbst ist in § 11 Abs 2 LFZG nicht geregelt. Das kommt vor allem in Satz 2 zum Ausdruck, wonach sich der Arbeitgeber auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann. Dieser Teil der Regelung kann nur als Ergänzung eines vom Gesetzgeber offenbar für selbstverständlich gehaltenen und daher nicht eigens auszusprechenden Grundsatzes verstanden werden, daß eine zu Unrecht erhaltene Leistung zurückzuzahlen ist. Gleichzeitig macht die Bezugnahme auf das Bereicherungsrecht deutlich, daß § 11 Abs 2 LFZG nähere Ausformungen des sog öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs enthält (allgemein zu diesem Rechtsinstitut Erichsen in: Erichsen <Hrsg>, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl 1998, § 29 RdNr 25 ff mwN). Bei zu Unrecht gewährten öffentlich-rechtlichen Leistungen bedarf dessen Anwendung nach der Rechtsprechung keines besonderen Gesetzesbefehls (BVerwGE 71, 85 = Buchholz 442.041 PostG Nr 6 = NJW 1985, 2436 = DVBl 1985, 850 mwN). Die Annahme einer stillschweigenden Bezugnahme auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wird dadurch bestätigt, daß das Krankenversicherungsrecht beim Inkrafttreten des LFZG keine eigenen Rückforderungsregelungen enthielt und die für andere Sozialrechtsgebiete geltenden Vorschriften nicht entsprechend angewandt werden durften (vgl etwa BSG SozR 2200 § 1301 Nr 9 mwN).

Die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung schließt den Rückgriff auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht aus. Der 3. Senat des BSG hat § 11 Abs 2 LFZG zwar als alleinige Anspruchsgrundlage für den Rückforderungsanspruch der Krankenkasse bezeichnet. Er ist aber auf den Charakter des Anspruchs nicht eingegangen, sondern hat lediglich die Schlußfolgerung gezogen, daß eine Rückforderung nicht in Betracht kommt, wenn sich nicht nachweisen läßt, daß dem Arbeitnehmer kein Entgeltfortzahlungsanspruch zustand bzw die vom Arbeitgeber tatsächlich geleisteten Zahlungen kein fortgezahltes Arbeitsentgelt waren (Urteil vom 9. September 1981, BSG USK 81143 = KVRS A-1565/3). Diese Aussage steht mit der jetzigen Entscheidung im Einklang.

Die weiteren Einzelheiten der in § 11 Abs 2 LFZG getroffenen Regelung ergeben, daß sich der Kläger auf Vertrauensschutz nicht berufen kann. Grundsätzlich gilt für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch allerdings nicht anders als für die in § 50 SGB X geregelten Erstattungsansprüche, daß die Rückforderung grobe Fahrlässigkeit beim Leistungsempfänger voraussetzt (vgl auch hierzu BVerwGE 71, 85 = Buchholz 442.041 PostG Nr 6 = NJW 1985, 2436 = DVBl 1985, 850 sowie BVerwGE 89, 345 = Buchholz 451.11 § 6 MOG Nr 4 = NVwZ 1992, 769). Auch insoweit wird der allgemeine Grundsatz jedoch durch § 11 Abs 2 LFZG verdrängt. Da Satz 1 lediglich bestimmte Fälle beispielhaft aufzählt ("insbesondere"), in denen eine Rückzahlungspflicht wegen Bösgläubigkeit des Empfängers besonders naheliegt und in denen die Ausgleichskasse infolgedessen im Interesse des Umlagevermögens zur Rückforderung verpflichtet wird, trifft das Gesetz nach seinem Wortlaut keine Regelung in bezug auf die Fälle eines gutgläubigen Empfangs. Satz 3 erklärt demgegenüber einen Verzicht auf die Rückforderung nur dann für zulässig, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag gering ist und der entstehende Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß sein würde; Rückforderungen von einem gutgläubigen Empfänger, wenn sie sich auf einen hohen Betrag beziehen oder nur geringen Aufwand verursachen, sind auch hier nicht erfaßt. Da insoweit ein Absehen von der Rückforderung offenbar nicht zulässig sein soll, kann das Schweigen des Gesetzes zu dieser Fallgestaltung insgesamt nur als "beredt" im Sinne einer allgemeinen Rückforderungsverpflichtung (im Gegensatz zur "besonderen" nach Satz 1) verstanden werden, die sich aus der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und aus dem Gebot ableitet, Einnahmen vollständig zu erheben (heute: § 76 Abs 1 SGB IV).

Nur dieses Verständnis wird auch der beiderseitigen Interessenlage gerecht, die sich aus der verwaltungsverfahrensrechtlichen Durchführung des Arbeitgeberausgleichs ergibt. Anders als in den §§ 45 ff SGB X ist in § 11 Abs 2 LFZG nur die Rückforderung der Erstattungsbeträge, nicht aber die Rücknahme eventuell erteilter Bewilligungsbescheide erwähnt. Das ist darauf zurückzuführen, daß ausdrückliche Bewilligungen im Rahmen des Arbeitgeberausgleichs nur ausnahmsweise ausgesprochen werden und daß die tatsächliche Gewährung nicht als (konkludente) Bewilligungsentscheidung angesehen wird. Bis zum Inkrafttreten des SGB X galten Äußerungen der Krankenkasse generell nicht als Verwaltungsakt, es sei denn, es war über die Leistung oder den Beitrag zum Streit gekommen, der entschieden werden mußte (BSGE 25, 280, 282 = SozR Nr 55 zu § 77 SGG Bl Da34; BSGE 15, 118, 124 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO Bl Aa3 f; BSGE 17, 173, 175 = SozR Nr 33 zu § 77 SGG Bl Da18; dazu bereits Senatsurteil vom 16. November 1999 - BSGE 85, 132, 134 - auch für SozR bestimmt). Für den Arbeitgeberausgleich nach dem LFZG ist diese Konzeption auch später beibehalten worden. § 13 Abs 2 Nr 1 LFZG erlaubt der Ausgleichskasse ausdrücklich, mit Ansprüchen auf Umlagebeträge oder auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gegen Ausgleichsansprüche des Arbeitgebers aufzurechnen. Diese Regelung und die Unterstellung eines Rückforderungsanspruchs ohne Rücknahmeentscheidung in § 11 Abs 2 LFZG lassen erkennen, daß die tatsächliche Abwicklung des Arbeitgeberausgleichs über das Beitragskonto des Arbeitgebers im Wege des "Kontokorrents" vom Gesetz gebilligt wird. Dementsprechend enthält auch der von der Beklagten verwendete Vordruck die Frage, ob der die Ausgleichsleistung in Anspruch nehmende Arbeitgeber eine Gutschrift auf dem Beitragskonto oder eine Überweisung wünsche.

Im Gesamtzusammenhang und nach ihrem Entstehungszeitpunkt bedeuten die Vorschriften des LFZG, daß die Gutschrift eines Erstattungsbetrags auf dem Beitragskonto des Arbeitgebers nicht als bindende Bewilligung zu verstehen ist; für die schlichte Überweisung kann nichts anderes gelten, denn diese Situation unterscheidet sich nicht wesentlich vom "Kontokorrent". Solange der Begünstigte nicht im Rahmen eines von der Ausgleichskasse eröffneten Verwaltungsverfahrens durch Rückfragen oder Anforderungen von Unterlagen bemerkt, daß seine Angaben überprüft werden, verdient sein Vertrauen keinen besonderen Schutz - seinen Interessen wird mit den Instituten der Verjährung und Verwirkung des Rückforderungsanspruchs ausreichend Rechnung getragen. Unter welchen Voraussetzungen die Mitteilungen der Ausgleichskasse über die Gewährung der Leistung Bindungswirkung entfalten, bedarf keiner Entscheidung, denn solche Mitteilungen sind nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ergangen. Ohne Bewilligungsbescheid ist die Rechtsstellung des Ausgleichsempfängers derjenigen eines Beziehers einer Leistung unter Vorbehalt vergleichbar, bei denen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes weitgehend entfallen. Derartige Vorbehalte sind von der Rechtsprechung auch schon in anderen Fällen aus dem Gesamtzusammenhang einer gesetzlichen Regelung herausgelesen worden (vgl etwa BVerwG Buchholz 240 § 8 BBesG Nr 10 = DÖD 1997, 274; zusammenfassend: BVerwGE 91, 66, 69 f; BVerwGE 71, 77, 81 f; vgl auch nochmals zum Vertragsarztrecht: BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 22 mwN). Die Funktion des Arbeitgeberausgleichs begründet kein weitergehendes Schutzbedürfnis, denn anders als vielen Sozialleistungen kommt ihm eine existenzielle Bedeutung für den Leistungsempfänger in aller Regel nicht zu. Er wird in den §§ 18 ff SGB I nicht ausdrücklich zu den Sozialleistungen gezählt. Die Zuordnung zum Krankenversicherungsrecht und damit zu einem Sozialleistungsbereich iS des § 37 SGB I läßt sich aus dem sachlichen Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers begründen, die ihrerseits mit dem Krankengeldanspruch des gesetzlich Krankenversicherten verzahnt ist.

Das vom Gesetz demnach bei schlichter Leistungsgewährung vorgesehene vereinfachte Rückforderungsverfahren bestätigt die bereits aus § 11 Abs 2 Satz 3 LFZG abgeleitete Erkenntnis, daß es auf die Bösgläubigkeit des Empfängers der Leistung nicht ankommt. Das gilt vor allem auch deshalb, weil die Ausgleichskasse in der Regel darauf angewiesen ist, über den Ausgleich allein auf Grund der Angaben des Arbeitgebers zu entscheiden. Sind nur dem Arbeitgeber Umstände bekannt, die eine Ausgleichsleistung in Frage stellen könnten, und ist ihm an einer verläßlichen Entscheidung gelegen, muß er die Umstände offen legen und die Ausgleichskasse um eine verbindliche Feststellung bitten. Ob sich deren Rücknahme nach den §§ 45, 48 SGB X oder nach den Voraussetzungen für die besondere Rückforderungsverpflichtung des § 11 Abs 2 Satz 1 LFZG richtet, ist für die Entscheidung im Fall des Klägers unerheblich. Fehlt es an einer verbindlichen Bewilligung im dargestellten Sinne, ist der Arbeitgeber so zu behandeln wie bei einer unter Vorbehalt gewährten Leistung, so daß es auf seine Kenntnis oder sein Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit nicht ankommt. Ob dieselben Grundsätze gelten, wenn bei der Überzahlung (auch) Fehler der Ausgleichskasse eine Rolle gespielt haben, ist hier nicht zu entscheiden, denn hierfür fehlt jeder Anhalt.

Im Ergebnis muß das LSG wie bereits im Vorprozeß die tatsächlichen Umstände dahingehend würdigen, ob beim Sohn des Klägers von einer Arbeitnehmerstellung auszugehen ist und ob die Entgeltfortzahlung wie bei einem fremden Arbeitnehmer abgewickelt wurde. Ob dabei die vom Kläger im jetzigen Verfahren zuletzt vor dem Berufungsgericht gestellten Beweisanträge entscheidungserheblich sind, hängt davon ab, auf welche(n) Gesichtspunkt(e) das LSG seine Entscheidung stützen wird. Der Senat hält es daher für untunlich, dazu bereits jetzt Stellung zu nehmen.

Die Kostenentscheidung hängt vom Endergebnis des Verfahrens ab und bleibt daher dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.



Ende der Entscheidung

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