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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 23.02.1999
Aktenzeichen: B 1 KR 6/97 R
Rechtsgebiete: SGB X, BSHG


Vorschriften:

SGB X § 111 Satz 2
BSHG § 39 Abs 1 Satz 1
BSHG § 40 Abs 1 Nr 1
BSHG § 8 Abs 1
BSHG § 4 Abs 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 23. Februar 1999

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 6/97 R

Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Freiherr-vom-Stein-Platz 1, 44147 Münster,

Kläger und Revisionskläger,

gegen

Allgemeine Ortskrankenkasse Hessen, Basler Straße 2, 61352 Bad Homburg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 1999 durch den Präsidenten von Wulffen und die Richter Steege und Dr. Dreher sowie die ehrenamtlichen Richter Leingärtner und Bartsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25. November 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der klagende Landschaftsverband ist Träger der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in M . Seit Februar 1991 wurde dort der bei der beklagten Krankenkasse versicherte F M stationär behandelt. Die Behandlungskosten wurden bis 31. März 1993 von der Beklagten getragen. Für die Zeit danach verneinte diese ihre Leistungspflicht, weil der Versicherte zwar einer qualifizierten pflegerischen Betreuung bedürfe, eine Krankenhausbehandlung aber nicht (mehr) erforderlich sei. Die Kosten für die Zeit vom 1. April bis 19. Juni 1993 wurden aus dem Vermögen des Versicherten bestritten. Für die Zeit vom 20. Juni bis zur Verlegung des Versicherten in ein Akutkrankenhaus am 7. Juli 1993 erteilte der Kläger in seiner Eigenschaft als überörtlicher Träger der Sozialhilfe der Klinik am 8. August 1994 eine Kostenzusage. Gleichzeitig forderte er die Beklagte auf, ihm die entstandenen Behandlungskosten gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten, was diese ablehnte.

Die daraufhin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen, weil der Kläger den behaupteten Erstattungsanspruch nicht innerhalb der einjährigen Ausschlußfrist des § 111 SGB X geltend gemacht habe. Da der Sozialhilfeträger die Krankenbehandlung nach den für ihn geltenden Vorschriften als Sachleistung erbringe, entstehe ein etwaiger Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X mit der Durchführung der stationären Behandlung und nicht erst mit der Erteilung der Kostenzusage oder gar mit der Zahlung an die Klinik. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Träger der Sozialhilfe wie hier zugleich Träger des Krankenhauses sei, in dem die Behandlung durchgeführt werde. Die Ausschlußfrist habe deshalb gemäß § 111 Satz 2 SGB X am 7. Juli 1993 zu laufen begonnen und sei im Zeitpunkt der Anmeldung des Erstattungsanspruchs am 8. August 1994 abgelaufen gewesen.

Mit der Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 111 Satz 2 SGB X sowie der § 39 Abs 1 Satz 1, § 40 Abs 1 Nr 1, § 8 Abs 1 und § 4 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die umstrittene Behandlung sei entgegen dem angefochtenen Urteil nicht als Sachleistung erbracht worden. Die Gewährung von Sozialhilfe - auch in der Form der Krankenhilfe - erfordere eine auf den Einzelfall bezogene Bewilligungsentscheidung des Sozialhilfeträgers. Frühestens mit der Erteilung der Kostenzusage erbringe dieser seine Leistung, so daß auch erst zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch erfüllt seien. Das sei auch dann nicht anders, wenn der zuständige Sozialhilfeträger wie hier zugleich Träger des die Behandlung durchführenden Krankenhauses sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25. November 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die für den Patienten F M in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie M in der Zeit vom 20. Juni bis 7. Juli 1993 aufgewendeten Behandlungskosten in Höhe von 3.593,18 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 20. Juni 1993 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen bekräftigt sie ihren Standpunkt, daß keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe und ein Erstattungsanspruch deshalb nicht entstanden sei. Eine Verzinsung des aufgewendeten Betrages könne der Kläger in keinem Fall verlangen, denn für eine rückwirkende Anwendung der erst am 1. August 1996 in Kraft getretenen Regelung des § 108 Abs 2 SGB X gebe es keine Grundlage.

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

Das bisherige Verfahren leidet an einem in der Revisionsinstanz fortwirkenden und deshalb von Amts wegen zu beachtenden Mangel insofern, als der Versicherte, dessen Behandlung die streitigen Kosten verursacht hat, nicht zum Verfahren beigeladen worden ist. Das Bundessozialgericht (BSG) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß im Erstattungsstreit zwischen dem Sozialhilfeträger und einem Träger der Sozialversicherung der Versicherte nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen werden muß. Es begründet dies damit, daß wegen des engen rechtlichen Zusammenhangs zwischen Erstattungsanspruch und ursprünglichem Sozialleistungsanspruch und insbesondere wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X die Entscheidung über den Erstattungsanspruch auch dem Versicherten gegenüber nur einheitlich ergehen könne (Urteile des 8. Senats vom 12. Juni 1986 - SozR 1500 § 75 Nr 60 und des 5. Senats vom 15. November 1989 - SozR 1500 § 75 Nr 80; ebenso zum früheren Recht: BSG USK 79232 und 81295). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Gegen sie läßt sich nicht einwenden, der Versicherte werde durch die im Erstattungsstreit ergehende Entscheidung nicht belastet, weil ihm die empfangene Leistung in jedem Fall verbleibe (so allerdings OVG Berlin, Beschluß vom 6. März 1987 - OVG 6 B 17/86 in SGb 1987, 283). Ob es sich rechtlich um eine Leistung des angegangenen Versicherungsträgers oder um eine Hilfeleistung nach dem BSHG gehandelt hat, ist für den Versicherten unter Umständen von erheblicher Bedeutung, weil die Erfüllung von Leistungsansprüchen in der Sozialversicherung zu einer Minderung der Anspruchsdauer bis hin zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs oder zum Ausschluß bzw zur Begrenzung weiterer Ansprüche aus dem betreffenden Versicherungsverhältnis führen kann (vgl etwa zum Krankengeld: § 48 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>; zum Arbeitslosengeld: § 128 Abs 1 Nr 1 SGB III; zur Beschränkung der Beitragserstattung in der Rentenversicherung: § 210 Abs 5 SGB VI; allgemein zu den Auswirkungen auf die Beitragserstattung: § 26 Abs 2 SGB IV). Der Ausgang des Erstattungsprozesses läßt deshalb die Rechtsstellung des Leistungsempfängers nicht unberührt. Von der durch § 168 Satz 2 SGG eröffneten Möglichkeit, den Versicherten mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil der Rechtsstreit aus anderen Gründen ohnedies an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen werden muß.

Für eine abschließende Entscheidung über das Klagebegehren reichen die im angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellungen nicht aus.

Das SG hat angenommen, der Klage könne schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil ein etwaiger Erstattungsanspruch des Klägers aus § 104 Abs 1 SGB X nach § 111 SGB X ausgeschlossen sei. Ein derartiger Anspruch entstehe in Fällen der vorliegenden Art nicht erst mit der Kostenzusage oder gar der Bezahlung der Behandlungskosten durch den Sozialhilfeträger, sondern schon mit der Durchführung der als Sachleistung zu gewährenden Krankenhausbehandlung. Die Jahresfrist für die Geltendmachung der Erstattungsforderung sei deshalb bei deren Anmeldung am 8. August 1994 bereits abgelaufen gewesen.

Dieser rechtlichen Bewertung kann nicht gefolgt werden. § 111 SGB X bestimmt, daß der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn ihn der Erstattungsberechtigte nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt nach Satz 2 aaO allerdings frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs. Da im August 1994 seit dem Ende der Behandlung mehr als ein Jahr verstrichen war, hat das SG zu Recht geprüft, wann ein möglicher Erstattungsanspruch des Klägers entstanden wäre. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 bis 105 SGB X entstehen, sobald ihre gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei dem hier allein in Betracht kommenden Anspruch aus § 104 Abs 1 SGB X ist dies der Zeitpunkt, in dem der nachrangig verpflichtete Leistungsträger die Sozialleistung nach dem für ihn maßgeblichen Recht erbringt. Das erfordert, daß er seine Leistungspflicht für den konkreten Fall bejaht und auf der Grundlage dieser Entscheidung die Leistung tatsächlich bewirkt. Erfolgt die Leistungsbewilligung wie im vorliegenden Fall erst, nachdem ein Dritter, zB ein Krankenhaus, die benötigte Sach- oder Dienstleistung bereits zur Verfügung gestellt hat, so erbringt der Sozialleistungsträger seine Leistung frühestens mit der Bewilligung. Ein Erstattungsanspruch des Klägers, der wegen des Streits über die Leistungszuständigkeit die Kosten der stationären Behandlung des Versicherten erst nachträglich als Leistung der Eingliederungshilfe gemäß § 40 Abs 1 Nr 1 BSHG übernommen hat, ist danach jedenfalls nicht vor der Erteilung der Kostenzusage an die Klinik am 8. August 1994 entstanden.

Daß es bei rückwirkender Leistungsbewilligung für die Entstehung des Erstattungsanspruchs auf den Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung und nicht auf den Zeitpunkt der Behandlung ankommt, ergibt sich aus Systematik und Zweck des § 111 Satz 2 SGB X. Mit der Vorschrift soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß Sozialleistungen wegen notwendiger Ermittlungen zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen häufig nicht sofort, sondern erst längere Zeit nach Ablauf des Zeitraums gewährt werden, für den sie bestimmt sind. In diesen Fällen soll der Beginn der Ausschlußfrist mit der Folge hinausgeschoben werden, daß "Erstattungsansprüche auch Leistungen für Zeiträume erfassen, deren Ende länger als zwölf Monate zurückliegt" (BT-Drucks 9/95 S 40; von Wulffen in: Schroeder-Printzen ua, SGB X, 3. Aufl, § 111 RdNr 7). Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und die Bewilligung der Leistung obliegt aber nicht dem Leistungserbringer, sondern dem Träger, der die Leistung zu gewähren hat. Die Revision macht deshalb zu Recht geltend, daß ein Erstattungsanspruch nicht entstehen kann, bevor der erstattungsberechtigte Träger entschieden hat, daß er die in Rede stehende Leistung gewähren will. Nur soweit nach den maßgebenden Rechtsvorschriften eine Leistungsbewilligung im Einzelfall entfällt (wie regelmäßig bei der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung; vgl dazu Urteil des Senats vom 9. Juni 1998 - BSGE 82, 158, 161 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 26 ff), muß er sich die Behandlung durch den Leistungserbringer unmittelbar mit ihrer Erbringung als eigene Leistung zurechnen lassen. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Der Kläger unterhält in seiner Eigenschaft als überörtlicher Träger der Sozialhilfe keine vertraglichen Beziehungen zu Verbänden von Krankenhausträgern oder zu einzelnen Krankenhäusern, kraft deren diese berechtigt wären, ohne vorherige Absprache in seinem Auftrag und für seine Rechnung Leistungen der Krankenhilfe oder der Eingliederungshilfe nach dem BSHG zu erbringen. Diese Hilfen erfordern vielmehr ebenso wie andere Sozialhilfeleistungen stets eine auf den Einzelfall bezogene Bewilligungsentscheidung des Sozialhilfeträgers. Das folgt schon daraus, daß außer der Behandlungsbedürftigkeit des Hilfesuchenden in seiner Person weitere Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe gegeben sein müssen. So kommt eine Leistung erst von dem Zeitpunkt an in Betracht, in welchem dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, daß die (sonstigen) Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen (§ 5 Abs 1 BSHG). Ansprüche bestehen nicht, wenn der Hilfesuchende aufgrund ausreichenden Einkommens oder Vermögens (näher konkretisiert in Abschnitt 4 des BSHG) in der Lage ist, sich selbst zu helfen (§ 2 Abs 1 BSHG). Wäre die Leistung des Sozialhilfeträgers bereits mit der Behandlung durch das Krankenhaus erbracht, könnte das Fehlen der genannten Voraussetzungen dem Hilfeempfänger nicht mehr entgegengehalten werden und allenfalls Rückabwicklungsansprüche auslösen.

Die Auffassung, daß der Erstattungsanspruch auch ohne vorherige Leistungsbewilligung mit der tatsächlichen Durchführung der Behandlung entstehe, läßt sich entgegen dem angefochtenen Urteil nicht damit begründen, daß Leistungen der Krankenhilfe bzw der Eingliederungshilfe nach dem BSHG als Sachleistungen gewährt werden. Zwar trifft das in der Regel zu, obwohl das Sozialhilferecht das Sachleistungsprinzip nicht vorschreibt, sondern die Form der Hilfegewährung in das Ermessen des Sozialhilfeträgers stellt (§ 4 Abs 2 BSHG). Mit der Einordnung als Sachleistung ist jedoch für die Frage, wann der Leistungsträger seine Leistungspflicht erfüllt hat, nichts gewonnen. Die Hilfegewährung durch Sachleistungen, die in § 8 Abs 1 BSHG als eine Form der Sozialhilfe neben der persönlichen Hilfe und der Geldleistung genannt wird, zeichnet sich dadurch aus, daß dem Hilfebedürftigen die benötigten Sach- und Dienstleistungen durch einen vom Sozialhilfeträger beauftragten Leistungserbringer unmittelbar ("in Natur") kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Ob in einem solchen Fall die Leistung mit der Durchführung der Behandlung, mit der Kostenzusage oder erst mit der Bezahlung des Leistungserbringers bewirkt und damit der Erstattungsanspruch iS des § 111 Satz 2 SGB X "entstanden" ist, ergibt sich daraus nicht.

Nicht die Qualifizierung als Sachleistung, sondern die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer entscheidet darüber, wann eine Leistung vollständig erbracht ist. Das zeigt sich am Beispiel der gesetzlichen Krankenversicherung. Deren Sachleistungssystem sieht in einem wesentlichen Teilbereich, nämlich dem der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, keine individuelle Vergütung des Leistungserbringers durch die Krankenkasse, sondern die Entrichtung einer Gesamtvergütung für sämtliche vertragsärztlichen Leistungen an die Kassenärztliche Vereinigung vor. Die Kasse erfüllt hier ihre Leistungspflicht bereits dadurch, daß sie dem Versicherten die Inanspruchnahme eines zugelassenen Vertragsarztes ermöglicht, der die erforderliche Behandlung zu ihren Lasten erbringt. Etwas anderes gilt jedoch für Sachleistungen außerhalb der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Der Senat hat daraus, daß die Behandlung kostenfrei erbracht werden muß, geschlossen, daß zur vollständigen Gewährung einer Sachleistung grundsätzlich auch die Bezahlung des Leistungserbringers gehört. Er billigt deshalb den Versicherten der Krankenkassen einen auf § 2 Abs 2 Satz 1, §§ 27 ff SGB V gestützten Freistellungsanspruch für den Fall zu, daß die Kasse sich weigert, eine vom Arzt oder Krankenhaus als Sachleistung zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführte Behandlung zu vergüten (Urteil vom 9. Juni 1998 - BSGE 82, 158, 159 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 25 f).

Für die Anwendung des § 111 SGB X bedeutet das, daß der Erstattungsanspruch bei Sachleistungen, die nicht im Rahmen einer vertragsärztlichen Behandlung erbracht werden, nicht schon mit der Bereitstellung durch den Leistungserbringer, sondern in der Regel erst mit dessen Bezahlung entsteht. Diese Rechtsauffassung ist allerdings innerhalb des BSG nicht unumstritten (aA: Urteil des 4. Senats vom 25. April 1989 - BSGE 65, 31, 38 ff = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 24 ff; Urteil des 5. Senats vom 28. November 1990 - 5 RJ 50/89 - in USK 90174; wie hier: Urteile des 3. Senats vom 26. März 1980 - BSGE 50, 68, 69 und vom 29. Februar 1989 - SozR 1300 § 111 Nr 3 S 11). Auf den Meinungsstreit kommt es hier jedoch nicht an, weil in allen bisher entschiedenen Fällen die Leistung vorab bewilligt worden war und deshalb über die Bedeutung der Bewilligungsentscheidung für die Entstehung des Erstattungsanspruchs nicht befunden werden mußte. Wird die Kostenzusage wie im vorliegenden Fall erst nachträglich erteilt, kann ein Erstattungsanspruch vorher nicht begründet werden.

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß die Westfälische Klinik für Psychiatrie, in der die Behandlung durchgeführt wurde, in der Trägerschaft des Klägers steht. Dieser betreibt das Krankenhaus nicht in seiner Eigenschaft als überörtlicher Träger der Sozialhilfe, sondern aufgrund gesetzlicher Aufgabenzuweisung (vgl § 5 Abs 1 Buchst a Nr 4 der Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen idF der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 - GVBl NW 1994, 657). Die Krankenhäuser des Klägers werden als organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige Einrichtungen - wenn auch ohne eigene Rechtspersönlichkeit - geführt (§ 1 der Betriebssatzung für die Krankenhäuser des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe idF der Bekanntmachung vom 12. November 1987 <GVBl NW 1988, 48>). Eine Behandlung in einem dieser Krankenhäuser stellt sich deshalb nicht automatisch als Leistung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe dar. Vielmehr ist der Patient wie in anderen Krankenhäusern auch zunächst selbst Kostenschuldner für die von ihm in Anspruch genommene Behandlung. Frühestens mit der Kostenzusage durch den Sozialhilfeträger - nach anderer Meinung erst mit deren Erfüllung durch Bezahlung der Krankenhauskosten - wird die Leistung als Sozialhilfeleistung erbracht.

Ist der geltend gemachte Anspruch somit nicht nach § 111 SGB X ausgeschlossen, hängt die Entscheidung davon ab, ob es sich bei der stationären Behandlung in der Zeit vom 20. Juni bis 7. Juli 1993 um eine Krankenhausbehandlung iS des § 39 SGB V gehandelt hat, für deren Erbringung die Beklagte vorrangig zuständig war. Da zur Beantwortung dieser Frage weitere Feststellungen erforderlich sind, war die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Für den Fall, daß ein Erstattungsanspruch besteht, wird zu beachten sein, daß die vom Kläger beantragte Verzinsung dieses Anspruchs nicht vor dem 1. August 1996 einsetzen kann. Die Zinsforderung stützt sich auf § 108 Abs 2 SGB X, wonach Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe unter bestimmten, in der Vorschrift genannten Voraussetzungen von den anderen Leistungsträgern auf Antrag mit 4 vH zu verzinsen sind. Die Bestimmung, die durch das Gesetz vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) neu eingeführt worden ist, ist am 1. August 1996 ohne Übergangsregelung in Kraft getreten. Ihre Anwendung auf vor diesem Stichtag liegende Zeiträume würde sich als echte (retroaktive) Rückwirkung darstellen und damit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes widersprechen. Dagegen kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, daß aus rechtsstaatlichen Gründen eine Verzinsung nur für nach dem 1. August 1996 entstandene Erstattungsansprüche in Betracht komme. § 108 Abs 2 SGB X begründet für die Zukunft einen eigenständigen, wenn auch akzessorischen Zinsanspruch, der alle Erstattungsansprüche erfaßt, die bei Inkrafttreten der Vorschrift noch nicht erfüllt waren.

Das SG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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