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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: B 10 EG 3/04 R
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art 3 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 10 EG 3/04 R

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 23. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved, den Richter Masuch und die Richterin Knickrehm sowie die ehrenamtlichen Richter Braun und Dr. Wirsam

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Gewährung von Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG).

Die Klägerin stammt wie ihr Ehemann aus dem Kosovo. Sie war nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zunächst im Besitz einer bis zum 2. Februar 2001 befristeten Aufenthaltsbefugnis. Am 21. September 1998 wurde hier ihre Tochter Besiana geboren. Seit dem 19. November 1998 ist die Klägerin gemäß § 51 Abs 1 Ausländergesetz (AuslG) bestandskräftig als Flüchtling anerkannt. Am 26. April 2001 erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis.

Die Klägerin beantragte am 10. März 1999 Erzg für das erste Lebensjahr ihrer Tochter Besiana. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil die Klägerin als Ausländerin im fraglichen Anspruchszeitraum nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei (Bescheid vom 11. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999). Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts <SG> Duisburg vom 7. Februar 2003, Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 2003). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt:

Nach § 1 Abs 1a Satz 1 BErzGG in der maßgeblichen (alten) Fassung sei für den Anspruch eines Ausländers auf Erzg Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei. Dies gelte auch dann, wenn er als Flüchtling anerkannt sei. Eine Anspruchsberechtigung für den Personenkreis der Flüchtlinge sei erst zum 1. Januar 2001 geschaffen worden (§ 1 Abs 2 Satz 2 Nr 3 BErzGG neue Fassung <nF>). Einen Anspruch auf Erzg könne die Klägerin auch nicht aus zwischenstaatlichem oder überstaatlichem Recht herleiten. Das Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge ("Genfer Flüchtlingskonvention" <FlüAbk>) gewähre ihr keinen derartigen Anspruch. Zwar werde sie als anerkannter Flüchtling vom persönlichen Anwendungsbereich dieses Abkommens erfasst. Das FlüAbk erstrecke sich sachlich jedoch nicht auf das Erzg. Der fehlenden Anspruchsberechtigung der Klägerin stehe auch nicht das Diskriminierungsverbot aus Art 3 Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) Nr 1408/71 entgegen. Dieses sei auf die Klägerin nicht anwendbar, die mit ihrem Ehemann unmittelbar aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sie habe sich insofern während des streitigen Anspruchszeitraums in einer Lage befunden, die mit keinem Element über die Grenzen Deutschlands hinausgewiesen habe. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Abk Jugoslawien SozSich) finde ebenfalls keine Anwendung, weil es sich sachlich nicht auf das Erzg erstrecke. Ein Anspruch der Klägerin auf bundesdeutsches Erzg werde schließlich auch nicht durch Anwendung des Vorläufigen Europäischen Abkommens vom 11. Dezember 1953 über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall Alters, der Invalidität und zu Gunsten der Hinterbliebenen (Vorläufiges Europäisches Abkommen) begründet. Zwar werde die Klägerin als Flüchtling iS des FlüAbk vom persönlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens erfasst. Das bundesdeutsche Erzg sei aber keine Familienbeihilfe iS von Art 1 Nr 1 Buchst d dieses Abkommens bzw seines Art 7 Abs 1 iVm Anhang I. Zur Konkretisierung des Begriffs der Familienbeihilfe könne auf die EWGV 1408/71 zurückgegriffen werden. Danach sei das bundesdeutsche Erzg zwar eine Familienleistung (Oberbegriff), nicht jedoch eine Familienbeihilfe. Denn Familienbeihilfen seien nur regelmäßige Geldleistungen, die ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und ggf des Alters der Familienangehörigen gewährt würden. Für den Bezug des bundesdeutschen Erzg seien jedoch weitere Voraussetzungen zu erfüllen (persönliche Betreuung und Erziehung des Kindes, keine oder keine volle Erwerbstätigkeit etc).

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzungen des Vorläufigen Europäischen Abkommens (iVm seinem Zusatzprotokoll) sowie des Gleichbehandlungsgebotes nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Dazu macht sie geltend: Das bundesdeutsche Erzg sei eine Familienbeihilfe iS dieses Abkommens, denn es bezwecke den Ausgleich von Familienlasten. Es sei damit sachlich auf Leistungen anwendbar, die einen Bezug zur Existenz von Kindern in der Familie hätten. Soweit das LSG auf die EWGV 1408/71 zurückgegriffen habe, um den Begriff der Familienbeihilfen iS des Vorläufigen Europäischen Abkommens auszulegen, sei dies nicht sachgerecht. Denn das Vorläufige Europäische Abkommen enthalte keine Differenzierung zwischen Familienleistungen einerseits und Familienbeihilfen andererseits. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass das bundesdeutsche Erzg eine Familienzulage iS des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und dem Königreich Marokko sei (Hinweis auf BSG, Urteile vom 15. Oktober 1998, B 14 EG 7/97 R, und vom 29. Januar 2002, B 10 EG 5/01 R, SozR 3-6615 Art 41 Nr 4). In diesem Abkommen werde die Familienzulage in der englischsprachigen Fassung als "Family allowances" (Art 41 Abs 3) bezeichnet. Dieser Ausdruck entspreche genau der englischsprachigen Bezeichnung der Familienbeihilfen iS des Vorläufigen Europäischen Abkommens. Die von dem LSG vorgenommene Auslegung des § 1 Abs 1a BErzGG verstoße zudem gegen Art 3 Abs 1 GG. Es liege kein sachlicher Grund dafür vor, zwischen asylberechtigten Personen (mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis) und denjenigen Personen, bei denen - wie bei der Klägerin - das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 51 AuslG festgestellt worden sei, zu differenzieren. Bei beiden Personengruppen handele es sich um Flüchtlinge iS des FlüAbk. Auch ihr Status sei nicht unterschiedlich, sondern in gleicher Weise dauerhaft.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 2003 sowie des SG Duisburg vom 7. Februar 2003 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 zu verurteilen, ihr Erzg für das erste Lebensjahr ihrer am 21. September 1998 geborenen Tochter Besiana zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien des Vorläufigen Europäischen Abkommens dessen Anwendungsbereich auch auf erst wesentlich später eingeführte Leistungen wie das bundesdeutsche Erzg erstrecken wollten. Das zwischenstaatliche Recht habe schon damals ausdrücklich zwischen Familienleistungen einerseits und Familienbeihilfen andererseits differenziert, nämlich in mehreren Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (auf die das Vorläufige Europäische Abkommen Bezug nehme), in den von dem Rat der EWG beschlossenen Verordnungen Nr 3 und 4 sowie in der EWGV 36/63. Diese Differenzierung habe die EWGV 1408/71 dann später aufgenommen. Auch wenn im Jahr 1953 der Inhalt des Begriffs "Familienbeihilfen" noch nicht ganz genau festgelegt gewesen sei, lasse seine Verwendung aber den Willen der vertragsschließenden Parteien erkennen, einen Kernbereich familienbezogener Leistungen in das Vorläufige Europäische Abkommen einzubeziehen, die Bestimmung des genauen Umfanges jedoch den vertragsschließenden Staaten selbst (nach Art 7 des Abkommen) zu überlassen. Dass die Klägerin kein Erzg beanspruchen könne, verstoße auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Denn die Rechtsposition aus einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei stärker als die Rechtsposition aus einer Aufenthaltsbefugnis.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist darauf gestützt, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 SGG). Soweit die Klägerin die Verletzung von Vorschriften des Vorläufigen Europäischen Abkommens rügt, stellen auch diese revisibles Recht dar. Denn zwischenstaatliches Recht gilt auf Grund eines multilateralen Staatsvertrages mit dem innerstaatlichen Umsetzungsakt unmittelbar für die gesamte Bundesrepublik Deutschland (Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, IX RdNr 290; Rojahn in Geiger <Hrsg>, Völkerrechtlicher Vertrag und staatliches Recht vor dem Hintergrund zunehmender Verdichtung der internationalen Beziehungen, 2000, S 123, 124 f). Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat dem Vorläufigen Europäischen Abkommen mit Gesetz vom 7. Mai 1956 zugestimmt (BGBl 1956 II 507) und ihm damit innerstaatliche Geltung verliehen (Art 59 Abs 2 Satz 2 GG).

Die Revision ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erzg für das erste Lebensjahr ihrer am 21. September 1998 geborenen Tochter Besiana. Sie erfüllt nicht die hierfür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des BErzGG (dazu A). Dies gilt auch unter Berücksichtigung europäischen und zwischenstaatlichen Rechts (dazu B). Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen Vorschriften des GG (dazu C).

A. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 BErzGG idF des Gesetzes vom 31. Januar 1994 (BGBl I 180), die vom 1. Januar 1994 an gegolten hat (im Folgenden: alte Fassung <aF>, vgl § 24 Abs 1 BErzGG idF des Gesetzes vom 12. Oktober 2000, BGBl I 1426). Danach war für den Anspruch eines Ausländers auf Erzg Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war (§ 1 Abs 1a Satz 1 BErzGG).

Die Klägerin war im fraglichen Anspruchszeitraum (21. September 1998 bis 20. September 1999; vgl § 4 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF) nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. Eine Aufenthaltserlaubnis besitzt sie nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erst seit dem 26. April 2001. In der Zeit davor war sie ausschließlich im Besitz einer befristeten Aufenthaltsbefugnis. Ob sie im fraglichen Anspruchszeitraum einen Anspruch auf Erteilung eines (qualifizierten) Aufenthaltstitels iS des § 1 Abs 1a ErzGG aF hatte, ist rechtlich ohne Bedeutung (Senatsurteil vom 29. Januar 2002, B 10 EG 7/01 R). Gleiches gilt für den Umstand, dass die Klägerin seit dem 19. November 1998 bestandskräftig als Flüchtling gemäß § 51 Abs 1 AuslG anerkannt war (Bescheid vom 28. Oktober 1998). Eine - im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigende - Rechtsänderung ist insoweit erst zum 1. Januar 2001 durch § 1 Abs 6 Satz 2 Nr 3 BErzGG idF des Gesetzes vom 12. Oktober 2000 eingetreten. Dieses Gesetz hat sich keine Rückwirkung beigemessen, sondern ein Inkrafttreten ausdrücklich erst zum 1. Januar 2001 angeordnet (Art 5 Abs 1 Gesetz vom 12. Oktober 2000, BGBl I 1432). Diese Änderung der Rechtslage war auch nicht eine bloße redaktionelle Klarstellung (hierzu Senatsurteil vom 11. Dezember 2003, B 10 EG 4/02 R, SozR 4-7833 § 1 Nr 2), sondern eine Ergänzung der bisherigen Regelung (so ausdrücklich BT-Drucks 14/3553, S 15).

B. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erzg lässt sich entgegen ihrer Rechtsauffassung auch nicht auf Grund des Vorbehaltes in § 30 Abs 2 (iVm § 37 Satz 1, § 68 Nr 15) Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu Gunsten des über- und zwischenstaatlichen Rechts herleiten.

1. Dies gilt zunächst für das FlüAbk vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II 560). Zwar ist die Klägerin seit dem 19. November 1998 unanfechtbar als Flüchtling iS dieses Abkommens anerkannt, sodass sie von seinem persönlichen Anwendungsbereich erfasst wird. Sein sachlicher Anwendungsbereich erstreckt sich jedoch nicht auf das bundesdeutsche Erzg. Art 23 FlüAbk sieht vor, dass die vertragsschließenden Staaten den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen gewähren. Diese Bestimmung betrifft nur die dem Grunde nach von der individuellen Bedürftigkeit des Beziehers abhängenden öffentlich-rechtlichen Leistungen. Zu ihnen gehört das Erzg nach dem BErzGG nicht (Senatsurteil vom 29. Januar 2002, B 10 EG 7/01 R). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art 24 FlüAbk. Dessen Nr 1 (Buchst b Abschnitt ii) gestattet den Signaturstaaten dieses Abkommens, hinsichtlich ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestrittener Leistungen besondere Bestimmungen zu treffen, die zu einer verschiedenen Behandlung von Flüchtlingen und eigenen Staatsangehörigen führen. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat für den hier fraglichen Anspruchszeitraum entschieden, die ausschließlich aus Steuermitteln - nicht aus Beiträgen - finanzierten Leistungen des Erzg anerkannten Flüchtlingen nicht zu gewähren, sofern diese nicht über einen qualifizierten Aufenthaltstitel (§ 1 Abs 1a BErzGG aF) verfügten (Senat aaO).

2. Auch unter Berücksichtigung von Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 EWGV 1408/71 vom 14. Juni 1971 (ABl EG L 149/2; hier im Wesentlichen anzuwenden in der konsolidierten Fassung, ABl C 325/1 vom 10. Dezember 1992) iVm Art 1 FlüAbk ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf Erzg nach dem BErzGG.

Das Diskriminierungsverbot des Art 3 EWGV 1408/71 ist auf die Klägerin nicht anwendbar. Sie befand sich während des streitigen Anspruchszeitraums in einer Lage, die - innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (EG) - mit keinem Element über die Grenzen des EG-Mitgliedstaates Deutschland hinauswies. Sie ist mit ihrem Ehemann aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Unter solchen Umständen ist die EWGV 1408/71 nicht anzuwenden (Senatsurteil vom 29. Januar 2002, B 10 EG 7/01 R). Denn der Koordinierungszweck des Art 42 EG-Vertrag und das wesentliche Ziel der EWGV 1408/71 bestehen in erster Linie darin, die Anwendung der einzelnen sozialen Systeme nach gemeinsamen Kriterien für solche Arbeitnehmer sicherzustellen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Senat aaO). Es kann dabei dahinstehen, ob die Klägerin unmittelbar aus dem Kosovo oder durch weitere Mitgliedstaaten der EG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Denn in beiden Fällen ist sie nicht als Arbeitnehmerin innerhalb der Gemeinschaft zu- oder abgewandert, sodass sie von dem dargestellten Schutzzweck des europäischen Primär- und Sekundärrechts nicht erfasst wird.

3. Auch aus dem Abk Jugoslawien SozSich vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969 II 1438) kann die Klägerin keinen Anspruch auf Erzg herleiten. Denn dieses erfasst das bundesdeutsche Erzg sachlich nicht (Senatsurteil vom 28. März 2002, B 10 EG 2/01 B).

4. Unter Berücksichtigung des Vorläufigen Europäischen Abkommens ergibt sich ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf bundesdeutsches Erzg.

a) Das am 11. Dezember 1953 unterzeichnete Vorläufige Europäische Abkommen basiert auf der Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949 (Satzung EuRat). Der Europarat hat ua die Aufgabe, den "wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt" seiner Mitglieder zu fördern (Art 1 Abs a Satzung EuRat). Diese Aufgabe soll er insbesondere "durch den Abschluss von Abkommen und durch gemeinschaftliches Vorgehen auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet" erfüllen (Art 1 Abs b aaO, vgl auch Art 15 Abs a). Entgegen seiner ursprünglichen Intention als "vorläufiges" Abkommen (vgl hierzu seine Präambel) ist das Vorläufige Europäische Abkommen nach wie vor gültig.

b) Die Klägerin wird von dem persönlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens erfasst. Zwar gilt dieses unmittelbar nur für die Staatsangehörigen eines der vertragsschließenden Staaten (Art 2). Nach Art 2 des Zusatzprotokolls zu dem Vorläufigen Europäischen Abkommen (BGBl 1956 II 528) finden die Vorschriften des Hauptabkommens jedoch auf Flüchtlinge unter den gleichen Voraussetzungen Anwendung wie auf die Staatsangehörigen der vertragsschließenden Staaten. Damit sind die Flüchtlinge iS des Art 1 FlüAbk gemeint (Art 1 Zusatzprotokoll FlüAbk). Flüchtling in diesem Sinne ist in der Bundesrepublik Deutschland der Ausländer, bei dem - wie im Falle der Klägerin im fraglichen Anspruchszeitraum - das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs 1 AuslG festgestellt ist.

c) Das Vorläufige Europäische Abkommen erstreckt sich sachlich nicht auf das bundesdeutsche Erzg. Die Bundesrepublik Deutschland hat nur veranlasst, dass die Leistung des Kindergeldes vom Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens erfasst wird, hinsichtlich des Erzg jedoch keine entsprechenden Schritte unternommen. Eine Einbeziehung des Erzg im Wege ergänzender Vertragsauslegung ist unzulässig. Die Entscheidung darüber, welche nationalen Leistungen nachträglich in den sachlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens einbezogen werden sollen, obliegt dem jeweiligen Vertragsstaat. Erzg und Kindergeld verfolgen zudem unterschiedliche Zwecke.

aa) Seinen sachlichen Anwendungsbereich bestimmt das Vorläufige Europäische Abkommen in Art 1 Abs 1. Er lautet:

Dieses Abkommen findet Anwendung auf alle Gesetze und Regelungen über Soziale Sicherheit, die in jedem Teil des Gebietes der Vertragschließenden am Tage der Unterzeichnung Geltung haben oder in der Folge in Kraft treten und sich beziehen auf

a. Krankheit, Mutterschaft und Tod (Sterbegeld), einschließlich der nicht von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängigen ärztlichen Leistungen;

b. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten;

c. Arbeitslosigkeit;

d. Familienbeihilfen.

Keine Anwendung findet das Vorläufige Europäische Abkommen ua auf die "öffentliche Fürsorge" (Art 1 Abs 2 Satz 2 aaO). Nach Art 7 Abs 1 Abkommen bestimmt jeder Vertragschließende "diejenigen Systeme der sozialen Sicherheit, auf die Art 1 Anwendung findet und die in irgendeinem Teil seines Gebietes am Tage der Unterzeichnung dieses Abkommens in Kraft sind". Art 7 Abs 2 aaO sieht vor:

Jeder Vertragschließende hat dem Generalsekretär des Europarates alle neuen Gesetze oder Regelungen mitzuteilen, die bezüglich dieses Vertragschließenden noch nicht im Anhang I berücksichtigt sind. Diese Mitteilungen haben durch jeden Vertragschließenden innerhalb von drei Monaten, vom Tag der Veröffentlichung des erwähnten Gesetzes oder der erwähnten Regelung an gerechnet, oder, wenn dieses Gesetz oder diese Regelung bereits vor dem Zeitpunkt der Ratifizierung dieses Abkommens durch den beteiligten Vertragschließenden veröffentlich worden ist, im Zeitpunkt der Ratifizierung zu erfolgen.

Die danach vorgesehenen Bestimmungen bzw Mitteilungen der Vertragschließenden sind im Anhang I zu dem Abkommen enthalten ("Systeme der sozialen Sicherheit, auf die das Abkommen Anwendung findet"). Für die Bundesrepublik Deutschland heißt es dort in der deutschen Übersetzung der ursprünglichen Fassung:

Gesetze und Regelungen betreffend:

(a) Krankenversicherung (Krankheit, Mutterschaft, Tod);

(b) Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, einschließlich der Entschädigung für Arbeitsunfälle von Gefangenen;

(c) Arbeitslosenversicherung und -fürsorge.

Alle diese Systeme, mit Ausnahme der Arbeitslosenfürsorge, beruhen auf Beiträgen.

Durch das Schreiben des Ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland vom 19. August 1956 (vgl hierzu Art 7 Abs 2 Vorläufiges Europäisches Abkommen; die Liste der Erklärungen zu diesem Abkommen sind im Internet abrufbar unter www.conventions.coe.int/treaty) ist der Anhang wie folgt erweitert worden:

(d) Family allowances

Diese Bezeichnung verwendet das Vorläufige Europäische Abkommen in seiner englischsprachigen Fassung für Familienbeihilfen iS des vorgenannten Art 1 (vgl BGBl 1956 II 508).

In der bundesdeutschen Bekanntmachung über das Inkrafttreten sowie über den Geltungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens vom 8. Januar 1958 heißt es insoweit (BGBl 1958 II 18, 19):

Gemäß Art 7 Abs 2 des Abkommens soll der Anhang I zu diesem Abkommen in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland wie folgt ergänzt werden:

Unter Buchstabe c) ist im englischen Text der Ausdruck "d) Family Allowances" und im französischen Text der Ausdruck "d) Les allocations familiales" (Kindergeld) anzufügen.

In der bundesdeutschen Bekanntmachung der Neufassung der Anhänge I, II und III zu dem Vorläufigen Europäischen Abkommen vom 8. März 1972 wird im Anhang I für die Bundesrepublik Deutschland unter Buchst d) (in der deutschen Übersetzung) aufgeführt: "Kindergeld" (BGBl 1972 II 175, 177; ebenso in der weiteren Bekanntmachung vom 17. Januar 1985, BGBl II 311, 313).

bb) Das erstmals zum 1. Januar 1986 eingeführte Erzg hat die Bundesrepublik Deutschland nicht durch eine entsprechende Meldung an den Generalsekretär des Europarates in den Anhang I des Vorläufigen Europäischen Abkommens aufnehmen lassen. Das Erzg kann auch nicht im Wege der Auslegung in den sachlichen Anwendungsbereich dieses Abkommens einbezogen werden.

Für die Auslegung des Vorläufigen Europäischen Abkommens lassen sich entgegen der Auffassung des LSG und des Beklagten keine Rückschlüsse aus Rechtsbegriffen des europäischen Gemeinschaftsrechts ziehen. Dies gilt insbesondere für die EWGV 1408/71 und die von ihr verwendeten Rechtsbegriffe (zur dortigen Entwicklung von Familienleistungen vgl Delprat, Soziales Europa 3/1992, 46, 48 ff). Der Europarat ist nicht der Normgeber dieses europäischen Gemeinschaftsrechts. Seine Gründungsmitglieder waren - mit Ausnahme von Island, Norwegen und der Türkei - zwar auch Gründungsmitglieder der (damaligen) EWG. Der Europarat ist jedoch eine eigenständige europäische Organisation. Seine Rechtsakte sind demzufolge auch eigenständig auszulegen. Ob sich mittlerweile - ggf ausgehend von der EWGV 1408/71 - ein Verständnis des Rechtsausdruckes Familienbeihilfen herausgebildet hat, das sich über sämtliche Gebiete europäischen Rechts erstreckt, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Denn zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vorläufigen Europäischen Abkommens im Jahr 1953 war dies jedenfalls nicht der Fall. Es liegen auch keine späteren rechtlichen oder sonstigen Verlautbarungen des Europarates vor, die erkennen ließen, dass sich die Vertragsparteien dieses Abkommens in der Folgezeit ein derartiges "gesamteuropäisches" Verständnis von Familienbeihilfen zu Eigen gemacht hätten.

Für den sachlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens lassen sich auch keine verlässlichen Erkenntnisse aus Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation gewinnen. Das Vorläufige Europäische Abkommen nimmt in seiner Präambel auf diese Übereinkommen zwar Bezug. Die Übereinkommen verwenden aber ihrerseits (nur) den Terminus der Familienleistungen, ohne diesen zu definieren, so etwa in den Art 39 bis 45 Übereinkommen Nr 102 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juli 1952 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit (BGBl 1957 II 1321, 1334 f) und in den Art 2 Abs 1 Buchst i)) und Art 6 Übereinkommen Nr 118 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1962 über die Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern in der Sozialen Sicherheit (BGBl 1970 II 802, 804 und 807). Ein Grund für die dortige Verwendung gerade des Ausdrucks "Familienleistungen" (statt Familienbeihilfen) ist - sofern vorhanden - nicht zu erkennen.

Das Vorläufige Europäische Abkommens ist nach Auffassung des erkennenden Senats aus sich selbst heraus auszulegen. Im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsanwendung sind dabei die Auslegungsgrundsätze des Art 31 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention, BGBl 1985 II 926) heranzuziehen (ebenso bzgl der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 zuletzt BVerwGE 111, 223, 228). Die Wiener Vertragsrechtskonvention ist für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 20. August 1987 in Kraft (vgl BGBl 1987 II 757). Ihre Auslegungsgrundsätze sind zugleich Ausdruck allgemeiner Regeln des Völkersrechts (Rojahn aaO S 123, 125 mwN). Als solche können sie auch auf Verträge angewendet werden, die - wie das Vorläufige Europäische Abkommen - bereits vor dem In-Kraft-Treten der Wiener Vertragsrechtskonvention abgeschlossen worden sind (vgl Rojahn, aaO). Nach diesen Auslegungsgrundsätzen sind insbesondere Ziel und Zweck der Vertragsbestimmungen maßgeblich. Es ist nicht isoliert nach der Bedeutung eines "Begriffes" zu fragen. Eine derartige Begriffsjurisprudenz führt auch und gerade bei der Auslegung zwischenstaatlichen Rechts nicht weiter. Die Terminologie des Vorläufigen Europäischen Abkommens ist im Übrigen nicht einheitlich: In seinem Anhang I verwendet es (in der deutschen Übersetzung) sowohl den Ausdruck der Familienbeihilfen (Belgien, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Saargebiet, Schweden und Vereinigtes Königreich) als auch den der Familienleistungen (Frankreich und Italien).

Vor diesem Hintergrund ist der sachliche Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens wie folgt festzustellen: Sein Art 1 gibt ein Grundmuster dafür, welche Leistungssysteme von dem Abkommen grundsätzlich erfasst werden sollen. Orientiert an diesem Grundmuster haben die vertragsschließenden Staaten sodann nach Art 7 Abs 1 und 2 (im Anhang I) jeweils bestimmt, auf welche nationalen Systeme sozialer Sicherheit das Abkommen Anwendung finden soll. Auf diese Weise ist 1953 (bzw 1956 infolge der erweiternden Erklärung der Bundesrepublik Deutschland) ein Kernbereich sozialer Leistungen entstanden, die von dem Abkommen erfasst werden. Das Erzg gehört nicht zu diesem Kernbereich; es ist in der Bundesrepublik Deutschland erst 1986 eingeführt worden.

Die Leistung des Erzg kann nicht nachträglich im Wege ergänzender Vertragsauslegung in den sachlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens einbezogen werden. Zwar ist dieses Abkommen nicht statisch in dem Sinne zu verstehen, dass nach dem Willen der vertragsschließenden Staaten nur solche Leistungen einbezogen werden sollen, die im Jahr 1953 (bzw 1956) bereits eingeführt waren. Nach seinem Art 1 Abs 1 werden vielmehr auch "Gesetze und Regelungen, die in der Folge in Kraft treten", erfasst. Der sachliche Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens kann dementsprechend mit der Zeit wachsen.

Zwar mögen die vertragsschließenden Staaten nach Art 7 Abs 2 Vorläufiges Europäisches Abkommen verpflichtet sein, neue Gesetze, die den Anwendungsbereich des Abkommens berühren, in der dort vorgesehenen Weise zu melden; gleichwohl weist das Abkommen die Entscheidung darüber, welche nationalen Leistungen in welchem Umfang nachträglich einbezogen werden sollen, letztlich dem jeweils vertragsschließenden Staat zu. Denn dieser hat die Möglichkeit, seine Meldung gemäß Art 9 Abkommen mit entsprechenden Vorbehalten zu versehen. Ist eine derartige Mitteilung an den Generalsekretär des Europarates unterblieben, so kann zwar ein betroffener Staat nach Art 11 Vorläufiges Europäisches Abkommen vorgehen, also letztlich auch eine Schiedsstelle anrufen; die Normanwender jedoch haben in diesem Fall nicht die Kompetenz, den sachlichen Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens von sich aus durch ergänzende Vertragsauslegung zu erweitern.

Die Einbeziehung späterer nationaler Sozialleistungen in den Anwendungsbereich des Abkommens setzt grundsätzlich ihre Erwähnung im Anhang I des Abkommens voraus. Der Meldung nach Art 7 Abs 2 Vorläufiges Europäisches Abkommen kommt insoweit konstitutive Bedeutung zu. Das ergibt sich bereits aus Art 7 Abkommen, wonach die vertragsschließenden Staaten in Anhang I jeweils selbst festzulegen haben, auf welche ihrer nationalen Leistungen das Abkommen anzuwenden ist. Dass das Vorläufige Europäische Abkommen den vertragsschließenden Staaten eine derartige Kompetenz zuweisen will, belegt auch die Gesamtkonzeption des Abkommens. Es war 1953 einer der ersten Schritte des Europarates, um - so seine Präambel - eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern bezüglich sozialer Sicherheit herzustellen; über das Zusatzprotokoll nehmen Flüchtlinge iS des FlüAbk daran teil. Angesichts seiner ursprünglichen Ausgestaltung als vorläufiges Abkommen kann nicht davon ausgegangen werden, Intention der vertragsschließenden Staaten sei es gewesen, den Rechtsausdruck der Familienbeihilfen (Art 1 Abs 1 Buchst d) als Generalklausel für die Einbeziehung sämtlicher späterer nationaler Sozialleistungen mit Familienbezug vorzusehen. Dem Abkommen ist nicht zu entnehmen, dass die vertragsschließenden Staaten sich ihrer Souveränität insoweit begeben wollten. Sie wollten vielmehr ihre Entscheidungskompetenz behalten und über die uU mit erheblichen fiskalischen Folgen verbundene Einbeziehung späterer Sozialleistungen selbst befinden dürfen.

Wenn allerdings eine später eingeführte nationale Sozialleistung mit einer der in Anhang I bereits genannten Leistungen zweckidentisch ist oder jedenfalls einen weitgehend übereinstimmenden Zweck verfolgt, liegt die Annahme nahe, dass es in einem derartigen Fall einer ausdrücklichen Nennung dieser Leistung in Anhang I ausnahmsweise nicht bedarf. Diese Einschränkung wird jedenfalls im "Erläuternden Bericht" des Ministerkomitees des Europarates zum Vorläufigen Europäischen Abkommen vertreten. In der Ziffer 44 dieses Erläuternden Berichts (zu Art 7 Vorläufiges Europäisches Abkommen) heißt es, dass in den Fällen, in denen eine neue Regelung mit einem System in Verbindung zu bringen ist, das bereits im Anhang I aufgeführt ist, es nicht notwendig ist, dass eine solche Regelung dem Generalsekretär des Europarats (nach Art 7 Abs 2) mitgeteilt wird, sofern die neue Regelung den Charakter dieses Systems nicht verändert (im Internet abrufbar unter www.conventions.coe.int/treaty). Derartige erläuternde Berichte ("Explanatory Reports") sollen die Anwendung der Vertragsbestimmungen erleichtern. Nach Art 31 Nr 3 Buchst a) Wiener Vertragsrechtskonvention ist bei der Auslegung eines Vertrages "jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages bzw die Anwendung seiner Bestimmungen" zu berücksichtigen; nach Buchst b) der Vorschrift gilt dasselbe für eine "spätere Übung", die eine derartige Übereinstimmung erkennen lässt. Das Ministerkomitee ist ein Organ des Europarates (Art 10 Abs (i), Art 13 und Art 15 Abs a Satzung EuRat). Seine Erläuternden Berichte können deshalb als Übereinkunft der Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages (Art 31 Nr 3 Buchst a Wiener Vertragsrechtskonvention), jedenfalls aber als Verlautbarung einer entsprechenden Übung (Buchst b aaO; hierzu auch Rojahn aaO, S 128 - 130) verstanden werden.

Ob bei (weitgehend) zweckidentischen Leistungen von dem Erfordernis einer ausdrücklichen Benennung in Anhang I abzusehen ist, kann der Senat hier offen lassen. Das im Anhang I aufgeführte Kindergeld einerseits und das 1986 (ohne Meldung) eingeführte Erzg andererseits verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Das Kindergeld hat eine Doppelfunktion (hierzu zuletzt Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, RdNr 65): Die steuerrechtliche Funktion besteht darin, als Bestandteil des einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs (§§ 31 f, 62 ff Einkommensteuergesetz <EStG>) einen Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums des Kindes steuerlich freizustellen. Soweit das Kindergeld zu dieser steuerlichen Freistellung - ausnahmsweise - nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 S 2 EStG). Mit der Einführung des Erzg wurde hingegen "ermöglicht oder erleichtert, dass sich ein Elternteil in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase eines Kinds dessen Betreuung und Erziehung widmet" (vgl BR-Drucks 350/85, S 1 = BT-Drucks 10/3792, S 1).

C. Die Vorschrift des § 1 Abs 1a BErzGG aF verstößt nicht gegen Normen des GG, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG. Die Differenzierung nach dem im Aufenthaltstitel verkörperten Grad der Verfestigung des Aufenthaltsrechts ist in Ansehung des dem BErzGG zu Grunde liegenden Sachprogramms nicht sachwidrig (BSG, Urteil vom 6. September 1995, 14 REg 1/95, SozR 3-7833 § 1 Nr 16; Senatsurteil vom 29. Januar 2002, B 10 EG 7/01 R). Das Argument der Klägerin, der Gesetzgeber müsse Ausländer, bei denen - wie bei ihr - das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG festgestellt worden sei, und anerkannte Asylberechtigte gleich behandeln, verfängt nicht. Es verkennt den Gesichtspunkt der unterschiedlichen staatlichen Verantwortlichkeit für Ausländer (hierzu bereits BSG, Urteil vom 6. September 1995, aaO). Die staatliche Verantwortlichkeit ist bei anerkannten Asylberechtigten, deren Aufenthaltsrecht auf einer verfassungsrechtlich garantierten Stellung beruht (Art 16a Abs 1 GG), stärker ausgeprägt als bei sonstigen Flüchtlingen iS des FlüAbk. Die daran anknüpfende einfachrechtliche Differenzierung des Gesetzgebers, die sich über die Aufenthaltstitel des Ausländerrechts im BErzGG niederschlägt, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und stellt im Anwendungsbereich des BErzGG keine unzulässige Typisierung dar.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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