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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: B 11 AL 31/03 R
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 5. Februar 2004

Az: B 11 AL 31/03 R

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Balzer, die Richter Dr. Voelzke und Dr. Leitherer sowie den ehrenamtlichen Richter Gehrken und die ehrenamtliche Richterin Haase

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Februar 2003 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 31. Oktober 2001 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist (noch), ob dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 10. bis 21. August 1999 zu gewähren ist.

Der Kläger schloss im Juni 1998 mit der Stadt M. einen befristeten Praktikantenvertrag, wonach er in der Zeit vom 10. August 1998 bis 9. August 1999 als Heilerziehungspfleger im Anerkennungsjahr bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich und tariflicher Bezahlung beschäftigt werden sollte. Der Kläger trat die Praktikantenstelle vereinbarungsgemäß an, beendete jedoch das Beschäftigungsverhältnis nach Abschluss eines entsprechenden Aufhebungsvertrages vorzeitig zum 31. Juli 1999. Bereits am 1. Juli 1999 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Er gab an, die vorzeitige Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses sei vereinbart worden, da eine Einstellung bei einem neuen Arbeitgeber - wenn überhaupt - nur zum 1. eines Monats möglich sei. Mit der Befristung zum 9. August sei Arbeitslosigkeit "vorprogrammiert" gewesen; um dies zu verhindern, sei besprochen worden, dass neun Tage des Anerkennungsjahres erlassen würden.

Die Beklagte stellte den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit ab 1. August 1999 mit Minderung des Alg-Anspruchs um 21 Tage fest und bewilligte dem Kläger Alg erst ab 22. August 1999 für eine Anspruchsdauer von 339 Tagen (Bescheide vom 17. August 1999 und 20. August 1999, Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 1999).

Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide der Beklagten abgeändert, die Sperrzeit auf den Zeitraum 1. August bis 9. August 1999 verkürzt und im Übrigen die auf Aufhebung der Bescheide und Zahlung von Alg für die Zeit vom 1. bis 21. August 1999 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 31. Oktober 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen, hat jedoch den Urteilsausspruch des SG "klarstellend ergänzt" und insoweit die Beklagte verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 1. Juli 1999 hin Alg auch für die Zeit vom 10. bis 21. August 1999 zu gewähren (Urteil vom 27. Februar 2003). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Sperrzeittatbestände seien erfüllt. Der Kläger habe durch vorzeitige Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitslosigkeit wenigstens grob fahrlässig herbeigeführt. Ein wichtiger Grund sei zu verneinen; die bloß theoretische Chance, durch Verkürzung eines befristeten Arbeitsverhältnisses zu einem regelmäßigen Anstellungstermin nahtlos eine Neubeschäftigung aufnehmen zu können, sei nicht anerkennenswert, wenn sich das neue Arbeitsverhältnis nicht einmal annähernd abzeichne. Die Sperrzeit beginne am 1. August 1999; sie müsse jedoch dahin abgemildert werden, dass sie nicht drei Wochen, sondern nur neun Tage umfasse. § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) sei bei verfassungskonformer Auslegung im Wege teleologischer Reduktion so zu verstehen, dass eine Sperrzeit von längstens drei Wochen eintrete, die Sperrzeit aber grundsätzlich nicht länger dauern dürfe als die durch vorgezogene Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verursachte längere Arbeitslosigkeit.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Dauer der Sperrzeit im SGB III abschließend geregelt. Der Gesetzgeber habe den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes bereits durch die Aufnahme von gestaffelten Verkürzungstatbeständen Rechnung getragen. Eine teleologische Reduktion sei nicht geboten und nicht möglich. Die Gesetzesbegründung spreche nicht für die vom LSG gezogene Schlussfolgerung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 27. Februar 2003 aufzuheben, das Urteil des SG vom 31. Oktober 2001 abzuändern sowie die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die angefochtenen Bescheide, wonach eine dreiwöchige Sperrzeit mit entsprechender Anspruchsminderung eingetreten ist und der Kläger Anspruch auf Zahlung von Alg erst ab 22. August 1999 hat, rechtmäßig.

Zu entscheiden ist nur noch darüber, ob der Alg-Anspruch des Klägers auch in der Zeit vom 10. bis 21. August 1999 auf Grund einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe geruht hat (§ 144 Abs 1 Nr 1 SGB III) und ob sich die Dauer des Anspruchs entsprechend mindert (§ 128 Abs 1 Nr 4 SGB III). Für die Zeit vor dem 10. August 1999 steht das Ruhen des Alg-Anspruchs und steht eine Anspruchsminderung um neun Tage bereits fest, da der Kläger die teilweise Abweisung seiner Klage durch das SG nicht mit der Berufung angefochten hat. Zutreffend hat das LSG das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit ab 1. August 1999 bejaht. Der Kläger hat, wie dies in § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III in der hier anzuwendenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997, BGBl I 594, vorgesehen ist, sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 31. Juli 1999 gelöst und damit mangels eines Anschlussarbeitsplatzes die Arbeitslosigkeit ab 1. August 1999 wenigstens grob fahrlässig herbeigeführt. Die Sperrzeit tritt unabhängig davon ein, ob der Arbeitslose Alg erst für eine Zeit beansprucht, in der er ohnedies arbeitslos gewesen wäre (BSGE 84, 225, 231 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 17; BSGE 89, 243, 249 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8).

Der Kläger kann sich für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses auch nicht auf einen wichtigen Grund berufen, wie das LSG zutreffend erkannt hat. In der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist zwar angedeutet worden, der geringe Umfang der verursachten Arbeitslosigkeit könne im Einzelfall Gründe, die der Arbeitnehmer für eine vorzeitige Lösung seines Arbeitsverhältnisses ins Feld führe, als wichtig erscheinen lassen, die es sonst nicht sind (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24 S 112). Insofern wäre es unter bestimmten Umständen denkbar, einen wichtigen Grund iS des § 144 Abs 1 SGB III in dem vom Kläger angeführten Gesichtspunkt zu sehen, eine Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Monatsende sei für eine Neueinstellung günstiger als ein Beschäftigungsende in der Monatsmitte; denn positive Auswirkungen der einverständlichen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses auf die Eingliederungsmöglichkeiten des Arbeitslosen spielen grundsätzlich für die Beantwortung der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, eine Rolle (BSG, Urteile vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83, DBlR Nr 2959 zu § 119 Arbeitsförderungsgesetz <AFG> - und vom 10. August 2000 - B 11 AL 115/99 R, DBlR Nr 4639a zu § 119 AFG -; BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4100 § 144 Nr 8). Die Annahme eines wichtigen Grundes für die vorzeitige Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Monatsende wegen der erwarteten besseren Beschäftigungschancen setzt aber zumindest ein konkret zum folgenden Monatsanfang in Aussicht stehendes neues Beschäftigungsverhältnis voraus. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist jedoch zu entnehmen, dass der Kläger keinerlei Aussicht auf einen bestimmten Anschlussarbeitsplatz hatte, er vielmehr sein Beschäftigungsverhältnis bereits zum 31. Juli 1999 nur aus einer allgemeinen Erwägung heraus und in gewisser Weise "auf Verdacht" gelöst hat. Die Möglichkeiten des Klägers, sich in der Zeit vor dem 1. August 1999 um ein neues Beschäftigungsverhältnis zu bemühen, sind dagegen durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Juli 1999 nicht verbessert worden. Denn der Kläger hatte sich schon am 1. Juli 1999 arbeitslos gemeldet und konnte gegenüber seinem Arbeitgeber einen Anspruch auf "Freizeit zur Stellungssuche" geltend machen (§ 629 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB> entsprechend; vgl hierzu: Spellbrink in Hennig, SGB III, § 37b Rz 34; Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, 4. Aufl, § 629 BGB, Rz 18, 25), sich also zunächst ohne vorzeitige Auflösung seines Beschäftigungsverhältnisses um einen Anschlussarbeitsplatz bemühen und eine Auflösung erst bei Erfolg seiner Bemühungen in Erwägung ziehen. Dem LSG ist deshalb im Ergebnis zuzustimmen, dass die vom Kläger angestellte allgemeine Überlegung ohne konkreten Hintergrund nicht anerkennenswert ist.

Die Sperrzeit umfasst nach § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III idF des AFRG den Zeitraum von drei Wochen, dh der Alg-Anspruch des Klägers hat - wie dies die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend angenommen hat - vom 1. bis zum 21. August 1999 geruht und die Dauer des Anspruchs mindert sich gemäß § 128 Abs 1 Nr 4 SGB III idF des AFRG um insgesamt 21 Tage. Der Auffassung des LSG, § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III sei bei verfassungskonformer Auslegung im Wege teleologischer Reduktion so zu verstehen, dass eine Sperrzeit von längstens drei Wochen eintrete, die Sperrzeit aber grundsätzlich nicht länger dauern dürfe als die durch vorgezogene Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verursachte längere Arbeitslosigkeit, folgt der Senat nicht.

Der Wortlaut des § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III, der für den Fall einer ohnehin eintretenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb von sechs Wochen nach dem sperrzeitbegründenden Ereignis eben nicht eine Sperrzeit von "längstens" drei Wochen, sondern eindeutig eine solche von drei Wochen vorsieht, lässt sich mit der Auffassung des LSG nicht vereinbaren. Gegen eine einschränkende Auslegung im Sinne des SG und des LSG sprechen die Entstehungsgeschichte des § 144 Abs 3 S 2 SGB III sowie Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung.

Das LSG, dessen Entscheidung vor allem auf Ausführungen des BSG in einem Urteil vom 9. Februar 1995 (BSGE 76, 12 = SozR 3-4100 § 119a Nr 2) gestützt ist, hat selbst auf die Gesetzesmaterialien zu § 144 Abs 3 SGB III idF des AFRG hingewiesen (BT-Drucks 13/4941 S 180). Dort ist zur Begründung der Festlegung verkürzter Sperrzeiten gemäß § 144 Abs 3 SGB III in Fällen, in denen ein Arbeitsverhältnis ohnehin geendet hätte, ausgeführt, dies entspreche der Rechtsprechung des BSG vom 9. Februar 1995. Der Gesetzgeber hat sich also in Kenntnis der BSG-Rechtsprechung, auf die das LSG maßgeblich abgestellt hat, zu der Regelung entschlossen, in den von § 144 Abs 3 Satz 2 SGB III erfassten Fällen sei eine Sperrzeit von drei Wochen, nicht dagegen eine Sperrzeit entsprechend dem Umfang der verursachten Arbeitslosigkeit, angebracht.

Im Übrigen sprechen die vom LSG hervorgehobenen Ausführungen des BSG in der zitierten Entscheidung vom 9. Februar 1995 - wie auch die eines weiteren Urteils vom 15. November 1995, BSGE 77, 61 = SozR 3-4100 § 119a Nr 3 - nicht für die Annahme, § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III sei in einem Fall wie dem vorliegenden entgegen seinem Wortlaut einschränkend auszulegen. Denn die Entscheidungen des BSG aus dem Jahre 1995 bezogen sich auf § 119a AFG, der abweichend von den Regelungen des § 119 AFG verlängerte Sperrzeiten vorsah. In diesem Zusammenhang hat das BSG ua in Anlehnung an die Verkürzung der Regelsperrzeit des § 119 Abs 1 AFG von acht Wochen nach § 119 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG auf zwei Wochen den Anwendungsbereich des § 119a AFG unter Hinweis auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes entsprechend reduziert (Regelsperrzeit zwölf Wochen; Verkürzung auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen ohnehin geendet hätte). Das BSG hatte außerdem bereits vorher zu § 119 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG entschieden, die danach vorgesehene Sperrzeit von zwei Wochen trete auch dann ein, wenn der Arbeitslose sein befristetes Arbeitsverhältnis eine Woche vor seinem Ende löse (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24), die Dauer der Sperrzeit in § 119 AFG also als fixes Datum verstanden. Ein mögliches Abweichen von dieser Entscheidung wird in den Urteilen vom 9. Februar 1995 (BSGE 76, 12 = SozR 3-4100 § 119a Nr 2) und 15. November 1995 (BSGE 77, 61 = SozR 3-4100 § 119a Nr 3) nicht erörtert. Insofern ist die Festlegung einer nunmehr dreiwöchigen Sperrzeit in den Fällen des § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III konsequent; die Notwendigkeit einer Verhängung von Sperrzeiten von weniger als drei Wochen in bestimmten Einzelfällen ergibt sich aus der BSG-Rechtsprechung von 1995 gerade nicht.

Die der Auffassung des LSG zu Grunde liegende und auf Äußerungen im Schrifttum (Estelmann VSSR 1997, 313, 325 f, ähnlich Schweiger NZS 2002, 79, 85) zurückgehende Vorstellung, es gehe bei der Sperrzeit um eine "Abwälzung des Schadens von der Versichertengemeinschaft auf den Versicherten" und diese dürfe nicht höher sein als der "durch den Versicherten verursachte Schaden", lässt sich im Übrigen weder mit der Rechtsprechung des BSG noch mit Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung vereinbaren. Das BSG hat in seiner früheren Rechtsprechung ausgeführt, die Sperrzeitfolgen zielten - der Vertragsstrafe ähnlich - auf pauschalierten Schadensausgleich (SozR 4100 § 119 Nr 24 S 112), gleichwohl aber in dieser Entscheidung die Sperrzeitdauer als fixes Datum bestätigt. Später hat es das Ziel des Schadensausgleichs ausdrücklich als nicht zutreffend bezeichnet (BSGE 84, 225, 230 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17). Die neuere Rechtsprechung des BSG geht vielmehr davon aus, dass es Sinn der Sperrzeitregelung ist, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; die Rechtsfolgen der Sperrzeit sollen den Arbeitnehmer an der Herbeiführung des Versicherungsfalles hindern, wenn hierfür kein wichtiger Grund vorliegt (BSGE 84 aaO; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 22 S 109; BSGE 89, 243, 246 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8; vgl auch Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12 RdNr 264; Winkler in Gagel, SGB III, § 144 RdNr 30). Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung von Estelmann (aaO S 325) keineswegs nur um einen "Begleiteffekt". Ist aber eine den Umfang der verursachten Arbeitslosigkeit übersteigende Sperrzeit schon bei Heranziehung des Gedankens des pauschalierten Schadensausgleichs als zulässig anzusehen (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24), dann muss dies erst recht gelten, wenn mit der neueren Rechtsprechung der wesentliche Zweck der Sperrzeit darin gesehen wird, den Arbeitnehmer von der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses abzuhalten.

Die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III lässt sich entgegen der Auffassung des LSG auch nicht mit verfassungsrechtlichen Erwägungen begründen. Von einer Verletzung des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) ist der Senat nicht überzeugt, da der Gesetzgeber bei Beachtung des der Sperrzeitregelung zu Grunde liegenden Zwecks nicht verpflichtet sein kann, für jeden denkbaren Fall, in dem die verursachte Arbeitslosigkeit die Dauer von drei Wochen unterschreitet, eine differenzierende Bestimmung vorzusehen. Der Gesetzgeber darf vielmehr zur Regelung von Massenerscheinungen zu Pauschalierungen greifen (vgl ua BVerfGE 97, 186, 194 f; 103, 310, 318 ff). Dabei kommt auch dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität Bedeutung zu, was nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, dass mit der Handhabung der Sperrzeitvorschrift für die Arbeitsverwaltung andere (zeitraubendere) Schwierigkeiten verbunden sein mögen (vgl Estelmann VSSR 1997, 313, 329 mit Hinweis auf Bieback NZA 1986, 121, 123; Schweiger NZS 2002, 79, 85). Ein Verstoß gegen Art 14 GG scheidet schon deswegen aus, weil die Rechtsposition des Versicherten bereits bei Erwerb der Leistungsanwartschaft in die jeweilige Gesetzeslage eingebunden und insoweit auch mit der Sperrzeitregelung belastet ist (vgl BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13 S 14 f; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 1 S 6). Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis lässt sich schließlich auch nicht aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes (vgl BSGE 76, 12, 15 = SozR 3-4100 § 119a Nr 2) herleiten. Denn das vom Gesetzgeber gewählte Mittel einer einheitlichen Mindestsperrzeit von drei Wochen ist als geeignet und als erforderlich anzusehen, den angestrebten Zweck - Einwirkung auf den Versicherten - zu erreichen. In der Verkürzung der Regelsperrzeit auf drei Wochen auch in Fällen wie dem vorliegenden kann auch noch keine übermäßige und in jeder Hinsicht unzumutbare Belastung gesehen werden.

Auf die Revision der Beklagten sind deshalb die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben bzw zu ändern und ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

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