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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: B 11 AL 49/98 R
Rechtsgebiete: AFG, AlhiV, GG


Vorschriften:

AFG § 138
AFG § 136
AFG § 138 Abs 1
AlhiV § 11
GG Art 3 Abs 1 u. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 21. Januar 1999

in dem Rechtsstreit

Az: B 11 AL 49/98 R

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Sattler, die Richter Lüdtke und Voelzke sowie die ehrenamtlichen Richter Brüning und Pakmor

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Juni 1998 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin höhere Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 24. Juni bis 31. Juli 1994 verlangt.

Im übrigen wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der Rechtsstreit betrifft die Zahlung höherer Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 24. Juni 1994 bis 28. August 1994 und vom 8. Oktober 1994 bis 31. März 1995.

Die Klägerin beantragte die Gewährung von Alhi im Anschluß an das ihr bis zum 23. Juni 1994 gezahlte Arbeitslosengeld (Alg). Ihr Ehemann, mit dem sie zusammenlebt, bezog in diesem Zeitraum eine nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) in die Rentenversicherung überführte Invalidenvollrente, die gemäß § 302a Abs 1a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geleistet wurde. Außerdem erzielte er während des maßgebenden Zeitraums Einkommen aus einer Nebentätigkeit. Auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin war die Steuerklasse III, auf der Lohnsteuerkarte ihres Ehemanns die Steuerklasse V eingetragen.

Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin Alhi zu gewähren, da die Klägerin unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes nicht bedürftig iS der §§ 134, 137 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei: Ihr Ehemann erziele ein Nettoeinkommen aus Rente und Nebenbeschäftigung in Höhe von monatlich 2.303,82 DM (Nettorente 1.929,98 DM sowie 373,84 DM Erwerbseinkommen), aus dem sich nach Abzug des Freibetrages in Höhe der sich bei einem entsprechenden Bruttoeinkommen ergebenden Alhi von wöchentlich 168,- DM sowie bestimmter Versicherungen und Werbungskosten ein wöchentlicher Anrechnungsbetrag von 289,54 DM ergebe, der den der Klägerin zustehenden Leistungssatz von wöchentlich 283,80 DM übersteige.

Vom 29. August 1994 bis 7. Oktober 1994 nahm die Klägerin an einer von der Beklagten mit Unterhaltsgeld geförderten beruflichen Bildungsmaßnahme teil. Seit dem 1. April 1995 steht die Klägerin wieder in einem Beschäftigungsverhältnis.

Nachdem die Beklagte während des Klagverfahrens Alhi in geringer Höhe bewilligt hatte, bewilligte sie mit Bescheid vom 16. Oktober 1995 für die Zeit vom 24. Juni bis 28. August 1994 Alhi in Höhe von 83,05 DM wöchentlich und mit Bescheid vom 9. Januar 1996 ab 8. Oktober 1994 in Höhe von 86,34 DM wöchentlich und ab 1. Januar 1995 in Höhe von 85,74 DM wöchentlich. Als Freibetrag räumte die Beklagte nunmehr 53 vH der Rente und des Nettoarbeitsentgelts ein.

Das Sozialgericht hat die aufrechterhaltene Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei in voller Höhe und nicht nur in Höhe ihres Ertragswertes Einkommen iS des § 138 Abs 2 AFG. Die vom Ehemann bezogene Rente gehöre auch nicht zu den sogenannten privilegierten Einkommensarten. Sie falle insbesondere nicht unter den Anwendungsbereich des § 11 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV), da die derzeitige Rente wegen Erwerbsunfähigkeit keine Rente wegen Berufsunfähigkeit und auch keine Teilversorgung aus dem Beitrittsgebiet sei. Ob die frühere Invalidenrente mit einer Berufsunfähigkeitsrente vergleichbar gewesen sei, sei unerheblich. Schließlich sei nicht zu beanstanden, daß die Beklagte die Alhi der Klägerin unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 53 vH der Nettorente in Ansatz gebracht habe. Diese Berechnung entspreche den Vorstellungen des Gesetzgebers, die er mit der Änderung des § 138 AFG durch das Alhi-Reformgesetz 1996 verdeutlicht habe. Eine Bemessung der hypothetischen Alhi nach dem Arbeitsentgelt, das der Ehemann vor seiner Invalidisierung im Jahre 1987 erzielt habe, komme nicht in Betracht.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 138 AFG, § 11 AlhiV sowie der Art 3 Abs 1 und 6 Grundgesetz (GG). Sie ist der Auffassung, daß die Rente ihres Ehemannes eine der Invalidenrente vergleichbare Sozialleistung sei, die nur nach Maßgabe des § 11 AlhiV berücksichtigt werden dürfe. Im Gesetz sei nicht konkret geregelt, wie der Freibetrag in Höhe der hypothetischen Ehegatten-Alhi zu ermitteln sei. Auch im Bereich der gewährenden Verwaltung bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, wenn durch die Regelung eine untrennbare Wechselbeziehung zwischen Begünstigung und Belastung bestehe. Im übrigen verstoße § 138 Abs 1 Satz 2 AFG gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Regelung benachteilige Rentner gegenüber erwerbstätigen Ehegatten, Rentnerehepartner der Ehen, in denen Mann und Frau erwerbstätig gewesen seien, gegenüber den Ehen, in denen nur einer erwerbstätig gewesen sei, und Rentnerehepartner gegenüber Alleinstehenden.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 1996 und des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Juni 1998 aufzuheben, die Bescheide vom 16. Oktober 1995 und 9. Januar 1996 zu ändern und ihr für die Zeit vom 24. Juni bis 28. August 1994 und vom 8. Oktober 1994 bis 31. März 1995 höhere Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

1. Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen, soweit sie höhere Alhi für die Zeit bis zum 31. Juli 1994 verlangt. Aufgrund der Feststellungen des LSG, die die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten hat, ergibt sich, daß der Klägerin nicht mehr als die ihr mit Bescheid vom 16. Oktober 1995 zugebilligte Alhi in Höhe von 83,05 DM wöchentlich zusteht.

Die Höhe der Alhi bestimmt sich nach § 136 AFG in der hier maßgebenden Fassung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353). Gemäß Abs 1 Nr 2 dieser Vorschrift beträgt die Alhi für Arbeitslose, die nicht die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen, 53 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des Abs 2. Arbeitsentgelt ist im Falle der sog Anschluß-Alhi (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a AFG) das Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat oder ohne die Vorschrift des § 112 Abs 8 AFG gerichtet hätte. Es ergibt sich, wäre auf den Anspruch kein Einkommen anzurechnen, aufgrund eines wöchentlichen Arbeitsentgelts von 760,- DM aus der AFG-Leistungsverordnung 1994 vom 22. Dezember 1993 (BGBl I S 2446) ein Leistungssatz von 283,80 DM in der Leitungsgruppe C, die der Klägerin nach der Nettolohnersatzquote von 53 vH wegen der Steuerklasse III zukommt.

Der Anspruch auf Alhi setzt aber außerdem die Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraus (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG). Nach § 137 Abs 1 AFG ist der Arbeitslose nur soweit bedürftig, als das nach § 138 AFG zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nach § 136 AFG, dh den Leistungssatz von 283,80 DM, nicht erreicht. Hierbei ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG auch das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es den Freibetrag übersteigt. Der Ehemann der Klägerin erzielte in den Monaten Juni und Juli 1994 Arbeitsentgelt in Höhe von 400,- DM brutto (= 365,84 DM netto + 8,- DM Berlin-Zulage) sowie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sich abzüglich des Krankenkassenbeitrags auf 1.929,98 DM belief.

a) Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Berücksichtigung des von ihrem Ehemann erzielten Arbeitseinkommens. Sie meint indessen, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei nicht bzw nicht in in dem von der Beklagten angenommenen Umfang zu berücksichtigen. Diese Auffassung ist unrichtig.

Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi sind nach § 138 Abs 2 Satz 1 AFG alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können. Diesem - umfassenden - Einkommensbegriff unterfallen alle regelmäßig wiederkehrenden Leistungen aus einem entsprechenden Grund- oder Stammrecht, mithin ua Renten aus einer privaten Berufsunfähigkeits-Versicherung (BSGE 79, 297, 300 = SozR 3-4100 § 138 Nr 9), Pensionen und Unterhaltsbeiträge früherer Beamter (BSG SozR 4100 § 138 Nr 14 und SozR 3-4100 § 138 Nr 2), Versicherten- und Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 4100 § 138 Nr 14; SozR 3-4100 § 138 Nr 1) und damit auch Renten wegen Erwerbsunfähigkeit.

Allerdings gelten nach § 138 Abs 3 AFG und § 11 AlhiV (idF des Gesetzes zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044) bestimmte Einnahmen - insbesondere solche, mit deren Leistung Zwecke verfolgt werden, die eine Anrechnung auf die Alhi verbieten - generell nicht als Einkommen. Diese Vorschriften erwähnen Renten wegen Erwerbsunfähigkeit jedoch nicht, auch nicht Renten, die nach § 302a Abs 1a SGB VI je nach Höhe eines Zuverdienstes als Renten wegen Erwerbsunfähigkeit oder als Renten wegen Berufsunfähigkeit geleistet werden.

Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, daß die ihrem Ehemann als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährte frühere Invalidenrente nach § 11 Satz 1 Nr 3 und Satz 2 AlhiV teilweise von der Anrechnung freizustellen ist. Nach § 11 Satz 1 Nr 3 AlhiV gelten die Rente wegen Berufsunfähigkeit und die Rente für Bergleute des Arbeitslosen bis zur Höhe des Unterschiedes zwischen der Alhi nach § 136 AFG und der Alhi, die dem Arbeitslosen hiernach zustehen würde, wenn sein Arbeitsentgelt nicht wegen Berufsunfähigkeit, verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit oder Verrichtung einer wirtschaftlich nicht gleichwertigen Arbeit gemindert wäre, nicht als Einkommen. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies entsprechend für Invalidenrenten und vergleichbare Renten und Versorgungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, deren Zuerkennung nicht das volle Ruhen des Anspruchs auf Alg begründet, und für Übergangsrenten, Invalidenrenten sowie Dienstbeschädigtenteilrenten iS des § 9 Abs 1 Nr 1 Buchst a und Nr 2 Satz 1 AAÜG. Die Vorschriften beziehen sich, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, nur auf die anzurechnende Rente des Arbeitslosen, nicht jedoch auf eine anzurechnende Rente des Ehegatten des Arbeitslosen. Dies findet seine Bestätigung in dem Zweck der Regelung, die Härten vermeiden will, die sich daraus ergeben, daß ein Arbeitsloser wegen der Einschränkung seines gesundheitlichen Leistungsvermögens nur ein gemindertes Arbeitsentgelt hat erzielen können, welches die Bemessung der Leistung wegen Arbeitslosigkeit bestimmt (BSGE SozR 79, 297, 302 = 3-4100 § 138 Nr 9). Im übrigen erhält der Ehemann der Klägerin - wie das LSG im einzelnen zutreffend ausgeführt hat - keine dieser Bezüge.

Schließlich ist entgegen der Auffassung der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht nur mit ihrem sog Ertragsanteil zu berücksichtigen, wie dies bei der Einkommenssteuerveranlagung geschieht. Denn die steuerliche Behandlung der Rente ist für den Begriff des Einkommens gemäß § 138 Abs 2 Satz 1 AFG unerheblich, da diese Vorschrift einen eigenständigen vom Steuerrecht unabhängigen Einkommensbegriff schafft (BSG SozR 4100 § 138 Nr 15; SozR 3-4100 § 138 Nr 10). Einer Beschränkung auf den steuerlichen Ertragswert stünde auch der Zweck des § 138 Abs 1 Nr 2 AFG entgegen, im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung das dem Ehegatten des Arbeitslosen laufend für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestellte Einkommen in vollem Umfang heranzuziehen, soweit es den Freibetrag übersteigt. Entsprechend ist das BSG auch bislang von den vollen Renten und nicht nur von dem steuerlichen Ertragsanteil dieser Renten als Einkommen ausgegangen (vgl SozR 4100 § 138 Nr 14; SozR 3-4100 § 138 Nrn 1 und 2; BSGE 79, 297 = 3-4100 § 138 Nr 9).

Zu berücksichtigen sind hiernach neben dem Arbeitslohn von netto 373,84 DM monatlich auch die Rente von netto 1.929,98 DM monatlich, insgesamt also 2.303,82 DM monatlich (entspricht 531,65 DM wöchentlich), vermindert um die nicht mehr streitigen weiteren Abzüge nach § 138 Abs 2 Satz 2 AFG und den Freibetrag nach § 138 Abs 1 Satz 2 AFG.

b) Auch soweit die Revision die Berechnung des Freibetrages angreift, ist ihr nicht zu folgen; die Vorgehensweise der Beklagten und des LSG ist, von einem Nebenpunkt abgesehen, nicht zu beanstanden.

Freibetrag ist nach § 138 Abs 1 Satz 2 AFG in der bis zum 31. März 1996 maßgebenden Fassung ein Betrag in Höhe der Alhi nach § 136 Abs 1, die dem Einkommen (Abs 2 Satz 1) des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrages, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden keine Einkommenssteuer festzusetzen wäre. Die Vorschrift, die durch das 1. SKWPG eingeführt worden ist, gilt seit dem 1. Januar 1994. Sie soll bewirken, daß Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten nur berücksichtigt wird, soweit es seine - dem Einkommen entsprechende - hypothetische Alhi übersteigt und ihm das Existenzminimum verbleibt. Der Gesetzgeber hat damit, wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf ergibt (BT-Drucks 12/5502 S 35), an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. November 1992 (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) anknüpfen wollen.

Die Bestimmung des Freibetrages durch Ermittlung einer hypothetischen Alhi muß bereits im Hinblick auf den aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Vorschrift auch für andere als Arbeitseinkommen, insbesondere für als Nettoleistungen gezahlte Sozialleistungen, Anwendung finden, damit der prozentuale Anteil des bisherigen Lebensstandards auch bei Personen erhalten bleibt, die keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielen. Bestätigt wird diese Auffassung zusätzlich dadurch, daß der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe vom 24. Juni 1996 (BGBl I 878) mit Wirkung vom 1. April 1996 in Abs 1 Satz 2 die Klammerangabe "Abs 2 Satz 1" gestrichen hat. Die Streichung erfolgte nach der Gesetzesbegründung mit dem Ziel der Klarstellung, daß die Vorschrift auch dann gilt, wenn das Einkommen aus einer Nettoleistung besteht (BT-Drucks 13/2898 S 8).

Erzielt der Ehegatte des Arbeitslosen ausschließlich Arbeitseinkommen, ist die Ermittlung des Freibetrages unproblematisch, da das Arbeitsförderungsrecht die Höhe der Alhi regelt, die Arbeitseinkommen entspricht. Hingegen ist bei der Ermittlung der Höhe der hypothetischen Alhi, die anderen Einkünften (zB Sozialleistungen, Renten, Einkommen aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen) entsprechen soll und die nicht durch das Arbeitsförderungsrecht ausdrücklich geregelt ist, zu berücksichtigen, daß mit der hypothetischen Alhi entsprechend dem Urteil des BVerfG ein bestimmter Teil des durch das Einkommen des Ehegatten repräsentierten Lebensstandards gewährleistet werden soll. Das im Arbeitsförderungsrecht für Arbeitseinkommen vorgesehene Verfahren führt bei Leistungen wie Renten wegen Erwerbsunfähigkeit, die, abgesehen von Beiträgen zur Krankenversicherung und (seit 1995) zur Pflegeversicherung, den bei Arbeitnehmern allgemein anfallenden Abzügen nicht unterliegen, zu einer vom Zweck des Gesetzes her zu niedrigen Alhi und damit auch zu einem zu niedrigen Freibetrag, da die um den Beitrag zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung gekürzte Rente bereits unmittelbar, dh ohne weitere Abzüge für Lohn- und Kirchensteuern, Beiträge für Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit, den Lebensstandard des Ehegatten darstellt. Die Beklagte hat daher zu Recht nicht daran festgehalten, die Höhe der hypothetischen Alhi bezüglich der Rente so zu berechnen, als ob die Bruttorente Arbeitseinkommen darstellte.

Eine angemessene Höhe der hypothetischen Alhi wird mangels arbeitsförderungsrechtlicher Regelungen bei Empfängern von Nettoleistungen vielmehr erreicht, wenn die Nettolohnersatzquote der Alhi (57 bzw 53 vH, § 136 Abs 1 AFG) mit der Nettoleistung, hier also der Rente nach Abzug des Krankenkassenbeitrags, vervielfältigt wird (1.929,98 DM x 53 : 100 = 1.022,89 DM monatlich; entspricht 236,05 DM wöchentlich). Denn diese Berechnung beläßt dem Ehegatten des Arbeitslosen den prozentualen Anteil seines derzeitigen Lebensstandards, den ihm der Freibetrag in Höhe der hypothetischen Alhi belassen soll. Weil es um die Sicherung dieses Teils des durch die Nettoleistung des Ehegatten repräsentierten Lebensstandards geht, ist weder die Nettoleistung vorab auf ein "Nettoarbeitsentgelt von 100 vH" hochzurechnen, noch, wie dies die Klägerin begehrt, der Nettoleistung ein Bruttoarbeitsentgelt zuzuordnen.

Allerdings räumt die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis den Empfängern kurzfristiger Lohnersatzleistungen (zB von Alg, Unterhaltsgeld oder Krankengeld) einen im Regelfall günstigeren Freibetrag ein, da sie den Freibetrag bei diesen Einkünften anhand des im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts errechnet. Diese abweichende Berechnungsweise ist allerdings unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG nicht zu beanstanden, denn die unterschiedliche Behandlung läßt sich durch sachliche Gründe rechtfertigen. Sinn und Zweck der Freibetragsregelung entspricht es, dem Ehepartner des Alhi-Empfängers nach der Einkommensanrechnung zumindest den prozentualen Lebensstandard bzw das Existenzminimum zu belassen, so daß sich die Berechnung des Freibetrags möglichst am aktuellen Einkommen auszurichten hat. Wird zugunsten der Bezieher kurzfristiger Lohnersatzleistungen von dieser Regel abgewichen, so liegt der sachliche Grund für die Unterscheidung im Rahmen der zulässigen Typisierung darin, daß diese Leistungen im Gegensatz zu Renten ihrer Konzeption nach nur zeitlich begrenzt gewährt werden und damit das ihrer Berechnung zugrundeliegende Einkommen als noch für den Lebensstandard prägend angesehen werden kann. Hiergegen wird die Einkommenssituation von Rentenbeziehern dauerhaft nicht mehr vom früheren Arbeitseinkommen bestimmt.

Verfügt der Ehegatte des Arbeitslosen über mehrere Einkommen, sind die Bruttoleistungen zusammenzuziehen, um die Höhe der hypothetischen Alhi zu ermitteln. Gleiches gilt, wenn mehrere Nettoleistungen zusammentreffen. Treffen - wie das hier der Fall ist - Bruttoleistungen und Nettoleistungen zusammen, muß für jede Einkommensart die hypothetische Alhi ermittelt werden, deren Summe den Freibetrag bildet. Es ist entgegen dem Vorgehen der Beklagten nicht möglich, die Summe aus dem Nettobetrag der Bruttoleistung (Arbeitsentgelt) und der Nettoleistung mit der jeweiligen Lohnersatzquote zu multiplizieren, weil der Nettobetrag der Bruttoleistung nicht dem um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden Abgaben verminderten Arbeitsentgelt entsprechen muß.

Die Regelungen über die Anrechnung von Einkommen des Ehegatten nach § 138 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 AFG enthalten auch in der geschilderten Anwendung keine Verletzung der Art 3 oder 6 GG. Denn das BVerfG hat bereits in seinem Urteil vom 17. November 1992 zu den auch von der Klägerin gerügten Fällen einer Ungleichbehandlung ausgeführt, daß eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Ehepartnern, die beide erwerbstätig waren, durch die Belassung eines Selbstbehalts in Höhe der hypothetischen Alhi, mindestens aber in Höhe des Existenzminimums vermieden werden kann (BVerfGE 87, 234, 257 ff = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Den Vorgaben des BVerfG hat der Gesetzgeber des 1. SKWPG durch die Änderungen des § 138 Abs 1 AFG entsprochen. Ob der sich aus der Bezugnahme auf § 32d Abs 1 Satz 1 Einkommenssteuergesetz ergebende Freibetrag den Anforderungen an den Verbleib eines Existenzminimums entspricht, ist nicht zu beurteilen, da - wie noch darzulegen ist - ein höherer Freibetrag zur Anwendung kommt.

Für den Zeitraum bis zum 31. Juli 1994 ergibt sich hiernach ein Freibetrag von wöchentlich 278,05 DM, nämlich 53 vH des Wochenbetrages der Rente (236,05 DM) sowie 42,- DM, der Alhi-Satz für ein Arbeitsentgelt von wöchentlich 90,- DM (Leistungsgruppe D). Dieser Betrag überschreitet denjenigen Betrag, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden keine Einkommenssteuer festzusetzen wäre. Er betrug 1994 wöchentlich 212,87 DM.

c) Nach Abzug des Freibetrages von 278,05 DM und den nach § 138 Abs 2 Satz 2 AFG abzusetzenden 48,26 DM verbleiben von dem Einkommen des Ehemannes von 531,65 DM wöchentlich 205,34 DM, die auf den Leistungssatz von 283,80 DM anzurechnen sind. Die Alhi der Klägerin beträgt daher 78,46 DM. Da die Beklagte der Klägerin 83,05 DM wöchentlich gewährt hat, ist die Klagabweisung durch das LSG bis zum 31. Juli 1994 nicht zu beanstanden.

2. Im übrigen, dh soweit die Klägerin für die Zeit vom 1. bis 28. August 1994 und vom 8. Oktober 1994 bis 31. März 1995 höhere Alhi verlangt, hat die Revision iS der Zurückverweisung Erfolg; denn aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen läßt sich nicht entscheiden, ob die Beklagte der Klägerin zugebilligt hat, was ihr von Rechts wegen zukommt.

Für August 1994 ist übersehen worden, daß der Ehemann der Klägerin aus seiner Beschäftigung nicht mehr 373,84 DM, sondern nur 116,- DM netto erzielt hat, wie das LSG selbst erwähnt hat. Schon das erfordert eine neue Berechnung des anzurechnenden Einkommens, auch eine erneute Berechnung des Freibetrags. Sie ist dem Senat aber nicht möglich, weil der Bruttobetrag der Bezüge aus der Beschäftigung für August 1994 nicht festgestellt worden ist. Gleiches gilt für die Zeit von Oktober 1994 bis März 1995. Hier fehlt es zudem an Feststellungen dazu, wie hoch der Zahlbetrag der Rente gewesen ist. Auf dieser Grundlage kann die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht geprüft werden. Der Rechtsstreit ist insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

Ende der Entscheidung

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