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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: B 11 AL 53/01 R
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 143a Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 11 AL 53/01 R

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. Dezember 2001 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Sattler, die Richter Lüdtke und Dr. Leitherer, den ehrenamtlichen Richter Brüning und die ehrenamtliche Richterin Link

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 1. April bis 31. August 1999; die Beteiligten streiten darüber, ob arbeitslosenversicherungsrechtlich eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr galt und der Anspruch des Klägers wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Entlassungsentschädigung im genannten Zeitraum ruhte.

Der am 26. Oktober 1939 geborene Kläger war vom 1. Oktober 1961 bis 31. März 1999 bei den S. -Versicherungen Außenstelle Düsseldorf beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt im August 1998 zum 31. März 1999. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger eine Entlassungsentschädigung von insgesamt 319.350 DM brutto. Die für den Arbeitgeber maßgebende tarifliche Kündigungsfrist betrug 7 Monate zum Ende des Vierteljahres. Der Arbeitgeber gab zunächst an, die ordentliche Kündigung sei nur bei Zahlung einer Abfindung zulässig gewesen. In einer weiteren Arbeitsbescheinigung teilte er mit, die ordentliche Kündigung sei nicht ausgeschlossen gewesen.

Für das Arbeitsverhältnis des Klägers galt der Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (MTV) und das Rationalisierungsschutzabkommen der Versicherungswirtschaft vom 16. April 1983. Danach gilt:

§ 15 Nr 2 MTV

Bei einer Beschäftigungszeit von mindestens fünf Jahren in demselben Unternehmen ...kann der Arbeitgeber nur wie folgt kündigen:

... bei einer Beschäftigungszeit von mindestens 20 Jahren mit einer Frist von 7 Monaten zum Vierteljahresschluß ...

§ 15 Nr 3 MTV

Angestellten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen mindestens 10 Jahre angehören, sowie Angestellten, die dem Unternehmen 25 Jahre angehören, kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn ...

b) eine Weiterbeschäftigung der/des Angestellten an ihrem/seinem bisherigen Arbeitsplatz infolge einer Rationalisierungsmaßnahme iS von § 2 des Rationalisierungsschutzabkommens oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist und die Kündigung nicht durch eine Maßnahme entsprechend dem Rationalisierungsschutzabkommen vermieden werden kann.

§ 2 Rationalisierungsschutzabkommen

Rationalisierungsmaßnahmen iS dieser Vereinbarung sind vom Arbeitgeber veranlaßte betriebsorganisatorische oder technische Maßnahmen mit dem Ziel der Erhaltung oder Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, soweit diese eine Änderung oder den Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge haben und damit unmittelbar zu Umgruppierungen, Versetzungen oder Kündigungen führen können ...

§ 11 Rationalisierungsschutzabkommen

Ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber unvermeidbar, gilt § 15 MTV ...

§ 12 Rationalisierungsschutzabkommen

1. Endet das Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitnehmer, wenn er länger als fünf Jahre dem Unternehmen angehört, Anspruch auf eine Abfindung ...

§ 15 Rationalisierungsschutzabkommen

1. Ansprüche auf Leistungen gemäß §§ 6, 7 und 12 bestehen nur, soweit nicht auf anderer Rechtsgrundlage Leistungen zu den gleichen Zwecken gewährt werden. Dazu gehören auch gesetzliche oder durch Vergleich vereinbarte Abfindungsansprüche gegen den Arbeitgeber (zB §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz, § 112 Betriebsverfassungsgesetz) ...

Der Arbeitgeber und der Gesamtbetriebsrat vereinbarten einen Interessenausgleich vom 5. Juni 1998, wonach personelle Maßnahmen unter Beachtung des Rationalisierungsschutzabkommens der Versicherungswirtschaft zu verwirklichen sind. In einem Sozialplan vom 27. August 1998 regelten sie, daß ausscheidenden Mitarbeitern Anspruch auf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz iVm § 3 Nr 9 Einkommenssteuergesetz zustehe.

Der Kläger meldete sich am 11. März 1999 arbeitslos und beantragte Alg. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) lehnte den Antrag für die Zeit bis zum 31. August 1999 ab, weil der Kläger nur bei Zahlung einer Abfindung kündbar gewesen sei und die deshalb gesetzlich fingierte Kündigungsfrist von zwölf Monaten nicht gewahrt sei. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, aus Interessenausgleich und Sozialplan ergäbe sich nicht, daß die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei Zahlung einer Abfindung möglich gewesen sei, wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 1999 zurück. Mit Bescheid vom 1. September 1999 bewilligte die BA dem Kläger Alg ab 1. September 1999.

Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Arbeitgeber habe die nach § 15 MTV maßgebende Kündigungsfrist von 7 Monaten zum Vierteljahresende eingehalten. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2000 abgewiesen. Die Entscheidung ist darauf gestützt, nach § 12 des Rationalisierungsschutzabkommens habe der Kläger Anspruch auf eine Abfindung gehabt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, das Rationalisierungsschutzabkommen sei überhaupt nicht anwendbar. Die Zahlung der Abfindung beruhe allein auf dem Sozialplan. Es fehle daher an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung einer Abfindung.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 7. Juni 2001 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, ist ausgeführt, die Ruhensvorschrift des § 143a Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) sei anzuwenden, weil bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine gesetzlich fingierte Kündigungsfrist von einem Jahr nicht eingehalten worden sei. Mit fingierten Kündigungsfristen reagiere der Gesetzgeber auf die unterschiedliche Intensität tariflichen Kündigungsschutzes. Wegen der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit habe der Kläger tariflich grundsätzlich nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden können; der § 15 Nr 3 Buchstabe b) MTV eröffne jedoch die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung unter den Voraussetzungen des Rationalisierungsschutzabkommens. Wegen der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers sei eine Kündigung nur bei Zahlung einer Abfindung möglich gewesen. Der Umstand, daß die Bedingungen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem Sozialplan geregelt seien und der Kläger arbeitsrechtlich nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich gegen die Kündigung zu wehren, stehe dem Ruhen des Anspruchs auf Alg nicht entgegen. Die Voraussetzungen der Kündigung ergäben sich aus dem Tarifvertrag und dem Rationalisierungsschutzabkommen. Die aufgrund des Sozialplans gezahlte Abfindung sei lediglich das Surrogat des nach dem Rationalisierungsschutzabkommen unerläßlichen Anspruchs auf eine Abfindung. Die Voraussetzungen für eine Begrenzung der maßgeblichen Kündigungsfrist auf die Dauer der sozialen Auslauffrist bei Kündigung aus wichtigem Grund seien nicht gegeben.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 143a Abs 1 SGB III. Die Vorschrift diene dazu, den Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg zu verhindern und zugleich Manipulationen zur Umgehung dieses Ziels zu erschweren. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil das Arbeitsverhältnis im Rahmen größerer betrieblicher Umgestaltungen durch einen Sozialplan als Instrument des kollektiven Arbeitsrechts in einem abgewogenen Konzept beendet worden sei. Die ordnende Funktion des Sozialplans diene nicht dazu, ordentliche Kündigungen zu erkaufen und um eine Abfindung zu pokern. Der Zweck der Ruhensvorschrift rechtfertige nicht ihre Anwendung im vorliegenden Fall. Das LSG erweitere den Anwendungsbereich des § 143a Abs 1 SGB III in unzulässiger Weise. Im übrigen sehe der MTV nicht vor, daß Kündigungen grundsätzlich nicht kündbarer Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung zulässig seien. Der Kläger erhalte mittelbar nach § 12 Abs 1 des Rationalisierungsschutzabkommens einen Anspruch auf eine Abfindung, der jedoch aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 15 Abs 1 des Rationalisierungsschutzabkommens keine Anwendung finde. Der Anspruch des Klägers beruhe allein auf dem Sozialplan. Dies verdeutliche, daß die Kündigung nicht von einer Abfindung abhängig gewesen sei. Dem Kläger habe vielmehr im Rahmen der Rationalisierungsmaßnahme ordentlich gekündigt werden können und erst wegen dieser Kündigung sei eine Abfindung gezahlt worden. Da die Abfindung die ordentliche Kündigung nicht erst ermöglicht habe, werde der Vorgang durch § 143a Abs 1 SGB III nicht erfaßt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2001 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1. April 1999 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß die Entscheidung auf einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gestützt sei.

Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

1. Unabhängig von den Anspruchsvoraussetzungen der §§ 117 ff SGB III ruhte ein Anspruch des Klägers auf Alg vom 1. April bis 31. August 1999 nach § 143a Abs 1 Satz 1 und 4 SGB III idF des Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes (EEÄndG) vom 24. März 1999 (BGBl I, 396). Diese Vorschriften sind am 1. April 1999 in Kraft getreten (Art 2 EEÄndG) und erfassen mithin einen an diesem Tage entstandenen Anspruch des Klägers auf Alg. Das Ruhen des Anspruchs bewirkt, daß Alg nicht zu zahlen ist, auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.

2. Die Rechtsfolge des Ruhens knüpft § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III - ebenso wie § 117 Abs 2 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), dessen Anwendung wegen der Übergangsvorschrift des § 242x Abs 3 AFG idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I, 589) in Betracht gekommen wäre - an zwei Voraussetzungen: Den Anspruch oder die Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung (Entlassungsentschädigung) wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhalten einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist. Die Ruhensvoraussetzungen sind hier gegeben.

2.1 Unstreitig hat der Kläger eine Abfindung von insgesamt 319.350 DM brutto erhalten. Diese Leistung ist auch wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. März 1999 erfolgt. Der Kläger hat diese Leistung erhalten, weil er zu dem Personenkreis gehört, der im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen des Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz verloren hat. Ohne den Verlust des Arbeitsplatzes wäre eine solche Zahlung des Arbeitgebers an den Kläger nicht verständlich. Das belegt überdies die Regelung über die Abfindung in dem als Betriebsvereinbarung geschlossenen Sozialplan. Diese läßt keinen Zweifel daran, daß die Abfindung bei Ausscheiden von Mitarbeitern zu zahlen ist, sofern die Mitarbeiter nicht die Voraussetzungen für Vorruhestandsleistungen erfüllen, und daß die Abfindung grundsätzlich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird.

2.2 Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis auch ohne Einhalten einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist beendet. Zwar hat er die nach § 15 Nr 2 MTV tariflich geltende Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit von mindestens zwanzig Jahren mit 7 Monaten zum Vierteljahresschluß eingehalten. Diese Frist war jedoch für die Anwendung des § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III nicht maßgeblich. Vielmehr ergibt § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III in Verbindung mit § 15 Nr 3 MTV und dem Rationalisierungsschutzabkommen für das private Versicherungsgewerbe eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Da der Kläger als Geburtsjahrgang 1939 das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit bei seinem früheren Arbeitgeber von über 35 Jahren aufzuweisen hatte, gehört er grundsätzlich zu den nur noch aus wichtigem Grund kündbaren Angestellten (§ 15 Nr 3 MTV). Dieser tarifliche Kündigungsschutz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr eröffnet ua § 15 Nr 3 Buchstabe b) MTV die Möglichkeit zu einer ordentlichen Kündigung, wenn eine Weiterbeschäftigung infolge einer Rationalisierungsmaßnahme iS von § 2 des Rationalisierungsschutzabkommens oder aus sonstigen betrieblichen Gründen nicht möglich ist und die Kündigung nicht durch eine Maßnahme entsprechend dem Rationalisierungsschutzabkommen vermieden werden kann. Diese Voraussetzungen haben Unternehmensleitung und Betriebsrat auf der Grundlage des Rationalisierungsschutzabkommens und des Interessenausgleichs vom 5. Juni 1998 für den Kläger festgestellt. Das bedarf im Rahmen des § 143a Abs 1 SGB III keiner sozialgerichtlichen Überprüfung. Die Bezugnahme des § 15 Nr 3 Buchstabe b) MTV auf Rationalisierungsmaßnahmen iS des § 2 Rationalisierungsschutzabkommen, die hier unzweifelhaft vom früheren Arbeitgeber des Klägers ergriffen worden sind, macht deutlich, daß die an sich ausgeschlossene ordentliche Kündigung nur unter den Bedingungen eröffnet wird, die das Rationalisierungsschutzabkommen vorsieht. Aus § 12 Rationalisierungsschutzabkommen ergibt sich aber, daß der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung hat, wenn das Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Rationalisierungsmaßnahme endet und der Arbeitnehmer dem Unternehmen länger als fünf Jahre angehört hat. Beides trifft hier zu. Mit dieser Regelung legt das Rationalisierungsschutzabkommen einen tariflichen Mindestbesitzstand fest, der durch Betriebsvereinbarungen oder individual-arbeitsrechtliche Abreden nicht unterschritten werden darf. Lediglich für den Arbeitnehmer vorteilhaftere Regelungen sind wegen des arbeitsrechtlichen Günstigkeitsprinzips zulässig. Davon wurde hier mit dem Sozialplan Gebrauch gemacht, der den gleichen Zwecken diente wie der Abfindungsanspruch nach § 12 Rationalisierungsschutzabkommen. Die Subsidiaritätsklausel des § 15 Nr 1 Rationalisierungsschutzabkommen zeigt gerade mit der Klausel "zu den gleichen Zwecken", daß der tarifliche Besitzstand von Arbeitnehmern unberührt bleibt, aber die Kumulation von Arbeitgeberleistungen ausgeschlossen ist. Bei der Anwendung des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III ist die rechtliche Grundlage für die Abfindung unerheblich, sofern die für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Vereinbarungen ergeben, daß eine ordentliche Kündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung erfolgen kann. Gerade dies ergibt sich aber aus dem Regelungszusammenhang des § 15 Nr 3 Buchstabe b) MTV und des § 12 Satz 1 des Rationalisierungsschutzabkommens. Da der Arbeitgeber die sich aus § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III ergebende Kündigungsfrist von einem Jahr mit der im August 1998 zum 31. März 1999 ausgesprochenen Kündigung nicht gewahrt hat, ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden.

2.3 Dieses Verständnis des Gesetzes weitet seinen Anwendungsbereich nicht unangemessen aus und verfehlt auch nicht den Gesetzeszweck. Vielmehr ergeben Wortlaut, Entwicklungsgeschichte und Zweck der Vorschrift, daß zur Prüfung der Ruhensvoraussetzungen nach § 143a Abs 1 SGB III von einer einjährigen Kündigungsfrist auszugehen ist, wenn der Arbeitnehmer nur noch bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung kündbar ist. Mit dieser Ruhensvorschrift hat der Gesetzgeber die Regelung des § 117 Abs 2 AFG erneut aufgegriffen, so daß die Entwicklungsgeschichte jener Vorschrift auch für das Verständnis des geltenden Rechts heranzuziehen ist. Nach der Fassung des 4. AFG-Änderungsgesetzes vom 12. Dezember 1977 (BGBl I, 2557) ruhte der Anspruch auf Alg wegen einer Abfindung, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden war (Satz 1). Bei zeitlich unbegrenztem Ausschluß der ordentlichen Kündigung galt eine Kündigungsfrist von einem Jahr, im übrigen die ohne den Ausschluß maßgebende Kündigungsfrist (Satz 3). Hierzu hat das BSG 1980 entschieden, daß die tarifliche Öffnung von Kündigungen in Verbindung mit in einem Sozialplan vorgesehenen Abfindungen nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führe (BSGE 50, 121 = SozR 4100 § 117 Nr 3). Diese Rechtslage hat den Gesetzgeber indes veranlaßt, durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1497) die Frist des § 117 Abs 2 Satz 3 AFG von einem Jahr auf 18 Monate zu verlängern und Satz 4, der dem jetzt geltenden § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III entspricht, in das Gesetz einzufügen. Die Regelung ist im Zusammenhang mit weiteren speziellen Ruhensvorschriften zu sehen, die im Arbeitslosenversicherungsrecht wegen der unterschiedlichen Intensität des Kündigungsschutzes Ruhen von Alg in abgestuftem Umfang vorsehen. Die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr nach § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III berücksichtigt, daß der Kündigungsschutz von Arbeitnehmern, die nur noch bei Zahlung einer Abfindung gekündigt werden können, geringer ist als bei Arbeitnehmern, denen überhaupt nicht mehr ordentlich gekündigt werden kann, jedoch stärker als bei Arbeitnehmern, für die auch eine ordentliche Kündigung ohne Zahlung einer Abfindung in Betracht kommt (BSGE 87, 250, 255 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 mit Hinweis auf BT-Drucks 9/846 S 44 zu Nr 35 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb). Das Ruhen von Alg bei Arbeitslosen, die nur noch bei Zahlung einer Abfindung kündbar waren, hat der Gesetzgeber für gerechtfertigt gehalten, weil er in der Abfindung nicht nur einen Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes, sondern auch einen Ausgleich für nicht verwirklichte Ansprüche auf Arbeitsentgelt gesehen hat. Er ist dabei vornehmlich von Gestaltungen ausgegangen, die zur Freisetzung älterer, an sich unkündbarer Arbeitnehmer gegen Abfindung führten, denn durch Art 1 Nr 48 AFKG hat der Gesetzgeber gleichzeitig § 128 AFG in das Gesetz eingefügt, der eine Erstattungspflicht des Arbeitgebers an die BA begründet, wenn diese Leistungen bei Arbeitslosigkeit an ältere langjährige frühere Arbeitnehmer zu zahlen hat. Die Ruhensvorschrift und die Erstattungsvorschrift haben die gleiche sozialpolitische Zielsetzung - nämlich der Praxis entgegenzuwirken, die Inanspruchnahme von Sozialleistungen (Alg; Altersrente wegen Arbeitslosigkeit) zur Änderung der betrieblichen Personalstruktur zu nutzen und dabei insbesondere die Arbeitslosenversicherung zu belasten (BSGE 87, 250, 256 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 mit Hinweis auf BT-Drucks 9/846 S 45 zu Nr 40 Abs 1 und 2). Diese sozialpolitische Zielsetzung kommt auch im geltenden Recht zum Ausdruck, denn der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab 1. April 1999 nicht nur die dem früheren § 117 Abs 2 AFG entsprechende Ruhensvorschrift des § 143a Abs 1 SGB III, sondern auch die dem früheren § 128 AFG entsprechende Erstattungsregelung des § 147a SGB III durch das EEÄndG erneut in das Arbeitslosenversicherungsrecht eingefügt. Die gekennzeichnete sozialpolitische Zielsetzung der Ruhensvorschrift verkennt die Revision, wenn sie meint, das Ruhen solle nur Manipulationen durch individual-arbeitsrechtliche Vereinbarungen entgegenwirken. Im Hinblick auf die dargestellte Entwicklungsgeschichte und die sozialpolitische Zielsetzung der Vorschrift kann auch für § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III kein Zweifel daran bestehen, daß Abfindungen aufgrund eines Sozialplanes, dessen Leistungen eine ordentliche Kündbarkeit erst wieder eröffnen, das Ruhen begründen (vgl auch: BSGE 87, 250, 256 f = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 mwN).

Damit erledigt sich auch der Einwand, auf einem Sozialplan beruhende Abfindungen seien nicht geeignet, ein Ruhen nach § 143a SGB III zu begründen. In dieser Allgemeinheit wird die Ansicht der Revision im Schrifttum auch nicht vertreten. Eine teleologische Reduktion der Ruhensvorschrift wird wegen der Funktion des Sozialplans "als Ordnungsinstrument, das die soziale Abfederung der betrieblichen Umgestaltungen in einem abgewogenen Konzept ermöglicht und einen gerechten Ausgleich auch im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander sicherstellt", nur für bestimmte tarifliche Klauseln vertreten (Gagel NZS 2000, 327, 329 ff). Ausdrücklich hebt Gagel hervor: "Gründe, Abfindungen bloß weil ihnen ein Sozialplan zugrunde liegt, anders zu behandeln als sonstige Abfindungen, sind nicht ersichtlich" (aaO 328). Tarifklauseln, bei denen Gagel die Anwendung der Ruhensvorschrift nicht für gerechtfertigt hält (vgl zB BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 15), sind hier nicht einschlägig. Auch eine teleologische Kürzung der gesetzlichen Frist im Vergleich zur Dauer einer sozialen Auslauffrist im Falle der Kündigung aus wichtigem Grund (BSGE 87, 250, 259 ff = SozR 3-4100 § 117 Nr 22) kommt hier nicht in Betracht, weil weder der Tarifvertrag noch das Rationalisierungsschutzabkommen eine Kündigung aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist vorsehen.

3. Dem Umfang nach ist das Ruhen des Alg bis zum 31. August 1999 nicht zu beanstanden. Nach der Höhe des zu berücksichtigenden Anteils der Entlassungsentschädigung von 25 vH und dem kalendertäglichen Arbeitsentgelt des Klägers hätte das Alg für einen längeren Zeitraum geruht. Das der fiktiven Kündigungsfrist von einem Jahr entsprechende Ruhen des Alg bis zum 31. August 1999 ist deshalb nach § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Ende der Entscheidung

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