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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: B 11a/11 AL 41/04 R
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 190 Abs 1
SGB III § 196
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 19. Januar 2005

Az: B 11a/11 AL 41/04 R

Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel, die Richter Dr. Voelzke und Dr. Leitherer sowie die ehrenamtlichen Richter Gehrken und Winnefeld

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. März 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist, ob die Klägerin in der Zeit vom 15. August 2000 bis 19. August 2001 Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) hat.

Die Klägerin bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Erschöpfung des Anspruchs und im Anschluss daran ab 19. Mai 1997 Alhi bis 3. November 1997. Im Zusammenhang mit der Geburt ihres Sohnes am 11. Dezember 1997 erhielt die Klägerin vom 4. November 1997 bis 5. Februar 1998 Mutterschaftsgeld und vom 6. Februar 1998 bis einschließlich 10. Dezember 2000 Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) bzw dem Sächsischen Landeserziehungsgeldgesetz. Nach einer Mitteilung der zuständigen Krankenkasse über das Bestehen eines Anspruchs auf Mutterschaftsgeld bereits ab 30. Oktober 1997 hob die Beklagte im Januar 1998 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 30. Oktober 1997 bis 3. November 1997 auf und machte den überzahlten Betrag im Wege eines Erstattungsanspruchs erfolgreich gegenüber der Krankenkasse geltend.

Nachdem sich die Klägerin nach einem Vermerk des Arbeitsamts am 3. November 2000 zum 12. Dezember 2000 arbeitslos gemeldet hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2000 die Bewilligung von Alg und von Alhi ab. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe sich schon am 15. August 2000 in der Infothek des Arbeitsamts arbeitslos gemeldet; nach Einsicht der Bescheide über Erzg sei sie auf eine erneute Arbeitslosmeldung Anfang November verwiesen worden, ohne dass ihr Antragsunterlagen ausgehändigt worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte ua aus, sie habe über die behauptete Vorsprache vom 15. August 2000 keine Vermerke; die angegebene Vorsprache könne aber ohnehin nicht als Arbeitslosmeldung gewertet werden, da eine Meldung nur zulässig sei, wenn die Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten zwei Monate zu erwarten sei. Wegen des Erziehungsgeldbezugs habe die Klägerin den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts nicht zur Verfügung gestanden und sei somit nicht arbeitslos gewesen. Ein Anspruch auf Alg bestehe mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht. Alhi könne die Klägerin nicht beanspruchen, da sie innerhalb der am 11. Dezember 1997 beginnenden Vorfrist kein Alg bezogen habe. Der im Mai 1997 entstandene Anspruch auf Alhi sei erloschen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin wiederum vorgetragen, sie habe sich bereits am 15. August 2000 arbeitslos gemeldet; sie sei zu diesem Zeitpunkt auch auf der Suche nach einer Beschäftigung im Umfang von bis zu 19 Wochenstunden gewesen. Das Sozialgericht (SG) hat die auf Aufhebung der Bescheide der Beklagten und Gewährung von Alhi gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28. August 2003). In den Entscheidungsgründen hat das SG ua ausgeführt, es schließe sich den Gründen des Widerspruchsbescheids an und es sei davon überzeugt, dass eine Arbeitslosmeldung erst zum 11. Dezember 2000 erfolgt sei. Bei der Vorsprache am 15. August 2000 habe es sich lediglich um ein Auskunftsbegehren der Klägerin und ersichtlich nicht um eine Arbeitslosmeldung gehandelt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die fehlende Arbeitslosmeldung nicht fingiert werden könne.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 11. März 2004). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Klägerin habe weder einen neuen Anspruch auf Alhi erworben noch könne sie Rechte aus dem Vorbezug von Alhi geltend machen. Es fehle an der Voraussetzung des Bezugs von Alg innerhalb der Vorfrist gemäß § 190 Abs 1 Nr 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 192 SGB III. Eine persönliche Arbeitslosmeldung sei erst am 3. November 2000 zum 12. Dezember 2000 erfolgt, nicht aber am 15. August 2000; insoweit werde auf die zutreffenden Gründe im Gerichtsbescheid Bezug genommen. Gegen die Verfügbarkeit gemäß § 119 Abs 2 SGB III bestünden allerdings keine Bedenken. Ausreichende Anwartschaften für einen (neuen) Anspruch auf Alg habe die Klägerin am 15. August 2000 nicht erfüllt. Die Nichtberücksichtigung des Bezugs von Erzg als anwartschaftsbegründende Zeit sei nicht verfassungswidrig. Der am 19. Mai 1997 entstandene Anspruch auf Alhi sei gemäß § 196 Satz 1 Nr 2 SGB III erloschen. Die Arbeitslosmeldung zum 11. Dezember 2000 sei zu spät erfolgt. § 196 Satz 2 Nr 3 SGB III könne auch nicht ergänzend dahin ausgelegt werden, dass die Zeiten des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes zu einer Verlängerung über die im Gesetz genannte Höchstdauer hinaus führten. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des § 196 SGB III. Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne die Klägerin nicht so gestellt werden, als habe sie noch vor Ablauf der Erlöschensfrist den Anspruch wirksam geltend gemacht. Die rechtzeitige Verfügbarkeit der Klägerin für die Arbeitsvermittlung könne nicht fingiert werden, denn es handele sich um persönliche Umstände sowohl subjektiver als auch objektiver Art, die dem Zuständigkeitsbereich und den Gestaltungsmöglichkeiten der Beklagten entzogen seien. Entsprechendes gelte für die persönliche Arbeitslosmeldung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 190 Abs 1 SGB III iVm § 196 SGB III in der im Jahre 2000 geltenden Fassung. Nur deshalb, weil § 196 Satz 2 letzter Halbsatz SGB III die Vorfristverlängerung auf längstens zwei Jahre begrenze, verfalle der Klägerin der Anspruch nach dem Ende der Erziehungszeit. Dies lasse sich wegen Art 3, Art 6 Abs 4 und Art 20 Grundgesetz nicht hinnehmen. Frauen werde im Wege der mittelbaren Diskriminierung der Zugang zu den Sicherungssystemen bei Arbeitslosigkeit erheblich erschwert bzw verwehrt, wenn sie drei Jahre Erziehungszeit in Anspruch nehmen wollten. Es sei deshalb eine verfassungskonforme Auslegung des § 196 SGB III dahin geboten, dass wie beim Erlöschen nach § 147 Abs 2 SGB III auch bei der Vorfristverlängerung bei Alhi die Erweiterung bei Erziehungstatbeständen nicht auf zwei Jahre begrenzt werde. Dies gelte vor allem, wenn nicht vor Antritt des Erziehungsurlaubs durch die Bundesagentur (BA) auf die Folgen hingewiesen werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG vom 11. März 2004 und den Gerichtsbescheid des SG vom 28. August 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Alhi vom 15. August 2000 bis 19. August 2001 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das LSG habe unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden.

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

1. Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des LSG, wonach unabhängig vom Alhi-Bezug im Jahre 1997 kein neuer Anspruch auf Alhi entstanden ist. Anzuwenden sind noch die §§ 190 ff SGB III, die erst mit Wirkung ab 1. Januar 2005 aufgehoben worden sind (Art 3 Nr 15 und Art 61 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I S 2954). Nach § 190 Abs 1 SGB III idF des Dritten SGB III-Änderungsgesetzes (3. SGB III-ÄndG) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S 2624) haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben (Nr 2), einen Anspruch auf Alg mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht haben (Nr 3), in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch sperrzeitbedingt erloschen ist (Nr 4) und bedürftig sind (Nr 5). Auch bei Annahme einer Arbeitslosmeldung der Klägerin schon am 15. August 2000 fehlt es offensichtlich an der Anspruchsvoraussetzung des Vorbezugs von Alg innerhalb der Vorfrist (§ 190 Abs 1 Nr 4 SGB III iVm § 192 SGB III).

2. Dagegen kann nach den bislang vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin nicht noch Rechte aus dem Bezug von Alhi in der Zeit vom 19. Mai bis 29. Oktober 1997 herleiten kann. Entgegen der Auffassung des LSG ist nicht auszuschließen, dass dieser Anspruch nicht nach § 196 Satz 1 Nr 2, Satz 2 Nr 3 SGB III - in der hier anwendbaren Fassung, die die Vorschrift durch das 3. SGB III-ÄndG erhalten hat - erloschen ist.

a) Nach § 196 Satz 1 Nr 2 SGB III erlischt der Anspruch auf Alhi, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs dieser Leistung ein Jahr vergangen ist; die Frist verlängert sich nach § 196 Satz 2 Nr 3 SGB III um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezugs von Alhi ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, betreut oder erzogen hat, längstens jedoch um zwei Jahre. Das LSG ist in Anwendung dieser Bestimmungen zutreffend von einer Verlängerung der Erlöschensfrist bis zum 29. Oktober 2000 ausgegangen.

Zwar ist im Rahmen des § 196 Satz 1 Nr 2 SGB III - wie schon nach der Vorgängerregelung des § 135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - der tatsächliche Bezug von Alhi für die Berechnung der Jahresfrist entscheidend (vgl BSG SozR 4100 § 134 Nr 15; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 196 Rz 52). Dabei ist unerheblich, ob der Bezug oder Nicht-Bezug von Alhi innerhalb der Jahresfrist rechtmäßig oder rechtswidrig war. Dies bedeutet indes nicht, dass hier an den ursprünglichen Leistungsbezug der Klägerin bis 3. November 1997 anzuknüpfen wäre. Denn infolge ihres Anspruchs auf Mutterschaftsgeld war die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 30. Oktober bis 3. November 1997 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 152 Abs 3 AFG aufgehoben und die Leistung erstattet worden (Bescheid vom 20. Januar 1998). Die Klägerin hat somit (vgl § 107 Abs 1 SGB X) nur bis zum 29. Oktober 1997 Alhi bezogen. Konsequent ist dann auch die Annahme des LSG, eine Arbeitslosmeldung zum 11. Dezember (eigentlich 12. Dezember) 2000 oder auch schon am 3. November 2000 sei zu spät gewesen. Nicht zwingend ist dagegen die Annahme, die Erlöschensfrist sei versäumt. Denn nach den bislang getroffenen Feststellungen des LSG kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin sich entweder tatsächlich schon am 15. August 2000 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat oder dass sie zumindest im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als habe sie die Ausschlussfrist nicht versäumt.

b) Dem Urteil des LSG sind keine den Senat bindenden Feststellungen zu entnehmen, wonach davon auszugehen wäre, die Klägerin habe sich nicht am 15. August 2000 arbeitslos gemeldet. Zwar hat das LSG im angefochtenen Urteil (Seite 7) ausgeführt, die von der Klägerin vorgebrachte Arbeitslosmeldung zum 15. August 2000 sei nicht erfolgt und insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen des Gerichtsbescheids des SG Bezug genommen und verwiesen. Diese Ausführungen sind jedoch insgesamt unklar und widersprüchlich.

Das SG, auf dessen Begründung das LSG Bezug genommen hat, hat seinerseits ausgeführt, es schließe sich den Gründen des Widerspruchsbescheids der Beklagten "voll umfänglich an". Im Widerspruchsbescheid vom 2. April 2001 wird jedoch eine Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 15. August 2000 nicht eindeutig verneint, sondern es wird darauf abgestellt, die Vorsprache der Klägerin könne nicht als Arbeitslosmeldung gewertet werden, "da eine Meldung nach § 122 (1) Satz 2 SGB III nur zulässig ist, wenn die Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten zwei Monate zu erwarten ist", und die Klägerin habe sich in den zwei Monaten nach dem 15. August 2000 noch im Erziehungsjahr befunden, weshalb Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf des Erzg-Bezugs am 10. Dezember 2000 eintreten könne. Der Widerspruchsbescheid, dessen Ausführungen sich SG und LSG zu Eigen gemacht haben, schließt also in tatsächlicher Hinsicht weder eine Vorsprache der Klägerin am 15. August 2000 noch eine Erklärung der Klägerin, die als Arbeitslosmeldung charakterisiert werden könnte, aus, sondern verneint mit rechtlichen Erwägungen eine Arbeitslosmeldung, nämlich insbesondere mit der Begründung, während des Bezugs von Erzg könne Arbeitslosigkeit nicht eintreten. Dabei wird verkannt, dass - wie das LSG im angefochtenen Urteil erwähnt - der gleichzeitige Bezug von Erzg und Alhi und somit auch Arbeitslosigkeit trotz andauernder Erziehung eines Kindes in der Zeit ab 15. August 2000 nicht zwingend ausgeschlossen war (vgl § 119 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, §§ 1 Abs 1 Nr 4, 2 Abs 1 und 2 BErzGG, § 194 Abs 3 Nr 3 SGB III, jeweils in der im Jahre 2000 geltenden Fassung; zur Unschädlichkeit des Alhi-Bezugs für den Anspruch auf Erzg vgl Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und BErzGG, 6. Auflage, § 2 BErzGG RdNr 25 f; vgl auch § 1 Nr 5 und 6 des Sächsischen Landeserziehungsgeldgesetzes). Die Klägerin hätte sich also durchaus schon ab 15. August 2000 beispielsweise für eine Tätigkeit im Umfang von 19 Wochenstunden der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen können und war also nicht zwingend auf eine Beendigung der Arbeitslosigkeit erst im Dezember 2000 zu verweisen. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid gehen deshalb an der Rechtslage und vor allem an der Interessenlage der Klägerin vorbei. Da SG und LSG ausdrücklich auf diese unzureichenden Ausführungen der Beklagten verwiesen haben und auf die Möglichkeit und den Vortrag der Klägerin, sie habe sich schon am 15. August 2000 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und dies sei lediglich am Verhalten der damals in der Infothek anwesenden Mitarbeiterin gescheitert, nicht näher eingegangen sind, fehlt es bereits aus diesem Grund an eindeutigen und nachvollziehbaren Feststellungen zur Frage, ob eine Arbeitslosmeldung nicht doch schon am 15. August 2000 erfolgt ist.

Zu beachten ist außerdem, dass an die Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung (vgl BSGE 77, 175, 178 f = SozR 3-4100 § 105 Nr 2; Urteil des Senats vom 7. Oktober 2004, B 11 AL 23/04 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) keine übertriebenen Anforderungen zu stellen sind. Formelle Voraussetzung ist lediglich die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen im zuständigen Arbeitsamt bzw der Agentur (vgl Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr 27 f); inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt des Leistungsfalles (Arbeitslosigkeit) zu beziehen (Spellbrink aaO RdNr 23 ff). Dies bedeutet, dass eine Arbeitslosmeldung schon dann vorliegt, wenn der Arbeitslose im Arbeitsamt erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos; ob darüber hinaus weitere Erklärungen abgegeben werden - etwa ein Auskunftsersuchen - muss nicht entscheidend sein. Allein aus der vom SG erwähnten Tatsache des "Auskunftsbegehrens" kann also noch nicht geschlossen werden, die Klägerin habe sich nicht arbeitslos melden wollen. Auch insofern erweist sich die Feststellung des LSG, eine Arbeitslosmeldung zum 15. August 2000 sei nicht erfolgt, als nicht nachvollziehbar.

c) Selbst wenn aber die vom LSG in Bezug genommene Begründung des SG, es sei davon überzeugt, dass "letztendlich" eine Arbeitslosmeldung erst zum 11. Dezember 2000 erfolgt sei und dass es sich bei der Vorsprache vom 15. August 2000 "lediglich um ein Auskunftsbegehren" gehandelt habe, als widerspruchsfreie Feststellung dahingehend zu werten wäre, eine Arbeitslosmeldung an diesem Tag liege nicht vor, oder wenn das LSG eine solche Feststellung noch treffen sollte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet ist, die Klägerin so zu behandeln, als habe sie infolge ihrer Vorsprache vom 15. August 2000 die Erlöschensfrist des § 196 SGB III nicht versäumt. Ein einen Herstellungsanspruch begründender Beratungsfehler der Beklagten kommt in Betracht, wenn - wozu das LSG noch ausdrückliche Feststellungen treffen muss - der Vortrag der Klägerin zutrifft, sie habe sich unter Vorlage der Erzg-Bescheide an die in der Infothek anwesende Arbeitsamtsmitarbeiterin gewandt und sei damals auch an einer Vermittlung in bestimmte Tätigkeiten mit eingeschränkter Wochenstundenzahl interessiert gewesen, sei dann aber auf eine spätere Arbeitslosmeldung für die Zeit nach Auslaufen des Erzg verwiesen worden. Bei einem derartigen Sachverhalt muss eine Pflicht des mit der Sache befassten Mitarbeiters der BA angenommen werden, die Klägerin über ihre Gestaltungsmöglichkeiten aufzuklären und zu beraten bzw sie an einen zur Beratung fähigen und befugten anderen Arbeitsamtsbediensteten zu verweisen. Dies gilt vor allem deshalb, weil - worauf die Revision zu Recht hinweist - die Rechtslage für die Klägerin unübersichtlich war. Die Klägerin hätte durch einen zuständigen Mitarbeiter der BA insbesondere darüber aufgeklärt werden müssen, dass sie auch während des Bezugs von Erzg die Möglichkeit hatte, sich Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts zur Verfügung zu stellen, weiter darauf, dass bei Arbeitslosmeldung erst für die Zeit nach Auslaufen des Erzg-Bezugs die Erlöschensfrist des § 196 SGB III abgelaufen sein würde. Dafür, dass die Klägerin im vorgenannten Sinne nicht ordnungsgemäß aufgeklärt und nicht hinreichend beraten worden ist, könnte der Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2001 sprechen. Im Übrigen wird bei der Bestimmung des objektiv vorhandenen individuellen Beratungsbedarfs ggf auch das persönliche Umfeld der Klägerin zu berücksichtigen sein (vgl den Schriftsatz der Beklagten vom 6. März 2002, Bl 34 in den vom LSG in Bezug genommenen Gerichtsakten).

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen greift hier der Einwand nicht durch, die persönliche Arbeitslosmeldung könne nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Wenn die Klägerin in der Tat am 15. August 2000 beim Arbeitsamt vorgesprochen hat, stellt sich nämlich nicht die Frage einer Ersetzung der Arbeitslosmeldung, sondern die Frage der Wahrung der Erlöschensfrist des § 196 SGB III. Die Situation der Klägerin ist trotz der Unterschiedlichkeit der Rechtsnormen vergleichbar mit der vom BSG bereits entschiedenen Fallgestaltung, wonach ein Arbeitsloser nach Versäumung der Erlöschenfrist des früheren § 125 Abs 2 AFG (jetzt § 147 Abs 2 SGB III) bei fehlerhafter Beratung im Wege des Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als habe er rechtzeitig gehandelt (BSGE 62, 179, 182 = SozR 4100 § 125 Nr 3). Entsprechend den dortigen Ausführungen kann deshalb der Klageanspruch jedenfalls ab dem Zeitpunkt der späteren Meldung im November bzw Dezember 2000 begründet sein; insofern ist entscheidend, welche Erklärung die Klägerin bei ihrer Vorsprache im Arbeitsamt am 3. November 2000 abgegeben hat.

3. Das LSG wird deshalb weiter zu ermitteln und eindeutige Feststellungen zu treffen haben, ob die Klägerin tatsächlich im August 2000 im Arbeitsamt vorgesprochen und wenn ja, welche Erklärungen sie ausdrücklich oder sinngemäß abgegeben hat, ob sie unter Vorlage ihrer das Erzg betreffenden Bescheide um Beratung gebeten hat und wie gegebenenfalls die mit der Vorsprache befassten Mitarbeiter der BA reagiert haben. Als Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts dürfte insbesondere die persönliche Anhörung der Klägerin in Betracht kommen. Sollte sich für August 2000 zwar keine Arbeitslosmeldung, jedoch eine Vorsprache der Klägerin feststellen lassen, liegt im Hinblick auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid die Annahme eines Beratungsfehlers der BA nahe; ggf ist dann weiter zu klären, ab genau welchem Zeitpunkt das Arbeitsamt auf Grund einer Arbeitslosmeldung der Klägerin in der Lage war, mit Vermittlungsbemühungen zu beginnen. Das LSG wird - soweit erforderlich - auch Gelegenheit haben, weitere eindeutige Feststellungen zu den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen - ua subjektive Verfügbarkeit/Arbeitsbereitschaft und Bedürftigkeit - zu treffen.

Im derzeitigen Verfahrensstadium besteht für den Senat kein Anlass, sich zu den vom LSG und von der Revision aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zu äußern.

Ende der Entscheidung

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