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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: B 11a AL 7/06 R
Rechtsgebiete: AFG, SGB III


Vorschriften:

AFG F: 15.12.1995 § 128 Abs 1 S 1
AFG F: 15.12.1995 § 128 Abs 1 S 2 Nr 5
AFG § 242x Abs 3 S 1 Nr 1
AFG § 242x Abs 6
SGB III F: 24.03.1999 § 147a Abs 1 S 2 Nr 5
SGB III F: 24.03.1999 § 431 Abs 1
SGB III § 434l Abs 3
SGB III § 434l Abs 4

Entscheidung wurde am 23.10.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
§ 128 Abs 1 S 2 Nr 5 AFG ist funktionsdifferent dahingehend auszulegen, dass die Berechtigung zur Kündigung aus wichtigem Grund grundsätzlich bei Beendigung der Beschäftigung vorhanden sein muss, wenn diese mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses nicht übereinstimmt.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 17. Oktober 2007

in dem Rechtsstreit

Az: B 11a AL 7/06 R

Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel, den Richter Dr. Voelzke und die Richterin Dr. Roos sowie die ehrenamtlichen Richter Kleemann und Bareither für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. November 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligten einander in allen drei Rechtszügen keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten haben.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten wegen der Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst den darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen, welches die Beklagte einem früheren Arbeitnehmer der Klägerin in der Zeit vom 27. September 1998 bis zum 25. Januar 2000 und vom 17. März 2000 bis zum 20. September 2000 erbracht hat.

Der am 27. September 1940 geborene Arbeitnehmer W G (im Folgenden Arbeitnehmer) war seit 1964 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Sachgebietsleiter der Vertriebsabteilung Export mit Handlungsvollmacht. Für den Arbeitgeber galt die gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende. Mit (nach ihrem Vortrag vordatiertem) Schreiben vom 30. Mai 1997 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 1997. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage war mangels sozialer Rechtfertigung der Kündigung erfolgreich (Urteil des Arbeitsgerichts <ArbG> vom 14. Januar 1998 - 3 Ca 1321/97; Urteil des Landesarbeitsgerichts <LAG> vom 8. September 1998 - 13 Sa 637/98; Beschluss des Bundesarbeitsgerichts <BAG> vom 26. Mai 1999 - 10 AZN 120/99).

Noch während des laufenden Verfahrens kündigte die Klägerin erneut mit Schreiben vom 26. Januar 1998, diesmal fristlos mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe in der mündlichen Verhandlung vor dem ArbG am 14. Januar 1998 durch falsche Angaben zum Zugang der ersten Kündigung einen versuchten Prozessbetrug begangen. Der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage gab das ArbG mangels Anhörung des Betriebsrats und wichtigen Grundes statt (Urteil vom 3. November 1999 - 3 Ca 221/98). Das LAG wies die Berufung der Klägerin rechtskräftig zurück, löste aber auf ihren Hilfsantrag das Arbeitsverhältnis zum 26. Januar 1998 gegen Zahlung einer Abfindung von 115.000 DM auf (Urteil vom 9. Juni 2000 - 15 Sa 2285/99).

Seit dem 1. Januar 1998 bezog der Arbeitnehmer abgesehen von einer krankheitsbedingten Unterbrechung in der Zeit vom 26. Januar 2000 bis zum 16. März 2000 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 2. November 2000 Alg. In der Folgezeit forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung des gezahlten Alg nebst der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, und zwar für die Zeiten vom 27. September 1998 bis zum 31. März 1999 in Höhe von 26.317 DM (richtig: Bescheid vom 22. März 2001, Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2001), vom 1. April 1999 bis (richtig) zum 25. Januar 2000 in Höhe von 42.484,60 DM (Bescheid vom 13. Juli 2001, Widerspruchsbescheid vom 26. November 2001) und vom 17. März 2000 bis zum 20. September 2000 in Höhe von 28.167,53 DM (Bescheid vom 24. Oktober 2001, Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2002).

Die dagegen erhobenen Klagen wies das Sozialgericht (SG) nach Verbindung und Zeugenvernehmung des Arbeitnehmers, des Prokuristen der Klägerin und deren Ehefrauen zur Frage des Zugangs des Kündigungsschreibens vom 30. Mai 1997 und der dazu vom Arbeitnehmer im ersten Kündigungsschutzprozess vorgebrachten Behauptungen ab (Urteil vom 10. März 2003). Nachdem weitere Ermittlungen der Beklagten im Berufungsverfahren keine Hinweise zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine alternative Sozialleistung oder auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ergeben hatten, setzte diese nach erneuter Anhörung der Klägerin die Erstattungsforderung auf insgesamt 96.969,59 DM = 49.574,76 € für 674 Leistungstage fest (Ersetzungsbescheid vom 3. September 2003). Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom 29. November 2005). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt:

Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) seien erfüllt. Befreiungstatbestände insbesondere nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 oder Nr 5 AFG habe die Klägerin nicht bewiesen. Nach dem rechtskräftigen Urteil des LAG vom 8. September 1998 stehe bindend fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die sozial ungerechtfertigte Kündigung vom 30. Mai 1997 nicht beendet worden sei. Ebenso wenig sei die Klägerin berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt seiner Beendigung am 26. Januar 1998 aus wichtigem Grund zu kündigen. Aus den zutreffenden Gründen der Entscheidung des SG habe die Klägerin nicht bewiesen, dass der Arbeitnehmer zu ihren Lasten einen versuchten Prozessbetrug begangen habe. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis auch nicht wegen des Verdachts eines versuchten Prozessbetrugs kündigen dürfen. Denn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten noch keine hinreichend starken Verdachtsmomente für einen vorsätzlich unwahren Prozessvortrag vorgelegen, sodass die Klägerin dem Arbeitnehmer vor einer Verdachtskündigung Gelegenheit zur Stellungnahme habe geben müssen. Dies habe sie weder dargelegt noch bewiesen. Auch könne die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das LAG einer Berechtigung zur Kündigung aus wichtigem Grund nicht gleichgestellt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe eine Gleichstellung der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit einer ordentlichen Kündigung im Falle eines leitenden Angestellten abgelehnt, da insoweit gerade der gegenteilige Fall geregelt werde. Dies sei auch vorliegend zutreffend. Denn Voraussetzung für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 13 Abs 1 Satz 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sei gerade die Unbegründetheit der außerordentlichen Kündigung. Davon abgesehen sei nach § 13 Abs 1 Satz 3 KSchG nur der Arbeitnehmer antragsberechtigt gewesen, der aber keinen Auflösungsantrag gestellt habe. Ein Antragsrecht nach § 9 Abs 1 Satz 2 KSchG könne die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen. Die außerordentliche Kündigung könne wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats nicht hilfsweise in eine ordentliche Kündigung umgedeutet bzw dahingehend ausgelegt werden. Eine Bindung an die gegenteilige Beurteilung durch das LAG bestehe nicht.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verfahrensfehler sowie eine Verletzung des § 128 AFG. Die vom LSG gebilligte Beweiswürdigung des SG zur Frage eines Rechts zur fristlosen Kündigung sei rechtsfehlerhaft. Darüber hinaus sei die Klägerin entgegen der Auffassung des LSG bereits wegen des Verdachts eines versuchten Prozessbetrugs zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Auf die vom LSG vermisste Anhörung des Arbeitnehmers komme es nicht an, weil die Befreiung von der Erstattungspflicht nicht vom Ausspruch der Kündigung abhänge, sondern allein davon, ob der Arbeitgeber nach der objektiven Rechtslage einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gehabt habe. Schließlich begründe auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das LAG einen Befreiungstatbestand iS von § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG. Denn wenn dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Dauer unzumutbar iS von § 13 KSchG sei, stehe das im Hinblick auf die für eine Erstattungspflicht erforderliche besondere Verantwortung des Arbeitgebers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit einem Recht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund jedenfalls dann gleich, wenn es - wie hier - nicht um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines leitenden Angestellten gehe. Hätte das LSG den Sachverhalt weiter aufgeklärt, so hätte es festgestellt, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für die Klägerin unzumutbar gewesen sei. Bei der Geschäftsführung hätten auf Grund der Vertrauensposition des Arbeitnehmers erhebliche Zweifel bestanden, ob er jemals bei der Klägerin weiterbeschäftigt werden könne. Zudem habe sein Prozessbevollmächtigter im Termin vor dem LAG am 9. Juni 2000 der Klägerin vorgeworfen, die von ihr benannten Zeugen seien gekauft. Dies sei einer der Gründe für den Vorschlag des damaligen Vorsitzenden Richters gewesen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid vom 3. September 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die zulässige Revision ist unbegründet.

1. Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der während des Berufungsverfahrens ergangene Ersetzungsbescheid vom 3. September 2003 (§§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>, vgl BSGE 93, 159 = SozR 4-4100 § 128 Nr 3 RdNr 6), durch den die Beklagte die Erstattungsforderung auf insgesamt 49.574,76 € festgesetzt hat. Hierüber hätte das LSG allerdings nicht im Rahmen der Entscheidung über die Berufung, sondern auf Klage befinden müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, § 96 RdNr 7 mwN), was insoweit - da von einer Änderung der Tenorierung abgesehen wurde - klarzustellen ist.

2. Zutreffend hat das LSG die Voraussetzungen der Erstattung des an den früheren Arbeitnehmer der Klägerin gezahlten Alg (einschließlich der geleisteten Sozialversicherungsbeiträge) bejaht. Grundlage für die Verpflichtung, Alg und die hierauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zu erstatten, ist § 128 Abs 1 und 4 AFG (idF durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch <SGB VI> und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995, BGBl I 1824). Dies folgt trotz der Aufhebung des § 128 AFG durch Art 11 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) mit Wirkung ab 1. April 1997 (Art 83 Abs 3 AFRG) und der Einführung des § 147a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erst ab 1. April 1999 aus § 431 Abs 1 SGB III (idF des Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes vom 24. März 1999, BGBl I 396), der die Geltung der Übergangsvorschrift zum AFRG in § 242x Abs 6 AFG weiterhin anordnet; § 431 Abs 2 SGB III ist demgegenüber nicht anwendbar (vgl BSG SozR 4-4100 § 128 Nr 5 RdNr 13; BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 - B 11a AL 23/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR). Nach § 242x Abs 6 AFG und dem dort Bezug genommenen Abs 3 der genannten Vorschrift ist § 128 AFG weiterhin anzuwenden, wenn die Erstattung (ua) Leistungen für Personen betrifft, die - wie hier bei einer mehr als dreißigjährigen Beschäftigung bis zum 31. Dezember 1997 offensichtlich - innerhalb der Rahmenfrist (§ 104 Abs 2 und 3 AFG) mindestens 360 Kalendertage vor dem 1. April 1997 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden haben (§ 242x Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG).

Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG (jetzt § 124 Abs 1 SGB III) die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit - jetzt Bundesagentur für Arbeit (BA) - vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen (dh hier ab 27. September 1998), längstens für 624 Tage, die sich für Erstattungszeiträume nach dem 31. Dezember 1997 infolge der Umstellung des Alg auf Kalendertage (§ 139 SGB III idF des AFRG, aaO) auf 728 Tage (624 : 6 x 7 = 728) erhöhen (§ 431 Abs 1 Satz 2 SGB III). Diese Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs sind nach den Feststellungen der Vorinstanz (§ 163 SGG) erfüllt. Die Erstattungsforderung überschreitet mit 674 Tagen auch die zulässige Höchstdauer nicht.

3. a) Auch die negativen Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 (1. Alt) AFG schließen die Erstattung nicht aus. Danach tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist oder der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, nicht gegeben. Denn der am 27. September 1940 geborene Arbeitnehmer hatte sein 56. Lebensjahr am 27. September 1996 vollendet, sodass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst nach diesem Zeitpunkt erfolgte, unabhängig davon, ob man auf die tatsächliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 1997 oder auf die rechtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 26. Januar 1998 durch das arbeitsgerichtliche Urteil abstellt. Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) standen dem Arbeitnehmer in den maßgeblichen Erstattungszeiträumen auch keine der in § 128 Abs 1 Satz 2 AFG genannten anderweitigen Leistungen zu.

b) Die Erstattungspflicht tritt nach § 128 Abs 1 Satz 2 (2. Alt) AFG ferner nicht ein, wenn der Arbeitgeber - soweit hier von Bedeutung - darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat, wobei § 7 KSchG keine Anwendung findet und das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) an eine rechtskräftige Entscheidung des ArbG über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gebunden ist (Nr 4) oder dass er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (Nr 5). Nach diesen Vorschriften lässt sich - wie das LSG im Ergebnis zu Recht entschieden hat - eine Befreiung von der Erstattungspflicht im Streitfall ebenfalls nicht feststellen.

aa) Mit ihrer ordentlichen Kündigung vom 30. Mai 1997 zum 31. Dezember 1997 hat die Klägerin das Arbeitsverhältnis nicht iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG beendet, weil die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen diese Kündigung erfolgreich war. Insbesondere war diese Kündigung nach dem rechtskräftig gewordenen Berufungsurteil des LAG vom 8. September 1998 (13 Sa 637/98) sozial ungerechtfertigt, was nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Halbsatz 2 AFG auch für die sozialrechtliche Beurteilung verbindlich ist.

bb) Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf den Ausnahmetatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG berufen. Sie hat weder dargelegt noch hätte sie darlegen können (zur Durchbrechung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch den Beibringungsgrundsatz vgl BSGE 87, 132 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10; BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 11), dass sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, dieses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Denn nach dem Vortrag der Klägerin bestanden weder ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund noch ein Grund zur Auflösung "bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses" (vgl auch die gleich lautende Nachfolgeregelung in § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB III iVm § 434 l Abs 3 und 4 SGB III). Hierfür kommt es nämlich maßgeblich auf die Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses (hierzu grundsätzlich Voelzke, Festschrift für Küttner, 2006, S 345 ff) an, wenn diese nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übereinstimmt.

Zwar scheint nach dem Wortlaut des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG zunächst nahe liegend, auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen und bezogen auf diesen Zeitpunkt zu prüfen, ob objektiv ein Recht zur Kündigung bestand. Indes greift eine solche Interpretation, wie sie die Klägerin vornimmt, zu kurz. Der Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG ist im Gesamtzusammenhang der Erstattungspflicht nach § 128 AFG zu sehen. So hat der Senat bereits zu einem anderen Ausnahmetatbestand, nämlich der Kündigung durch den Arbeitnehmer (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG), entschieden, dass die Erstattungspflicht dem Grunde nach unabhängig davon eintritt, ob das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wird. Die Erstattungspflicht hängt vielmehr wesentlich ab vom Eintritt der Arbeitslosigkeit, die nach § 101 Abs 1 AFG vorliegt, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 2). Maßgeblich für das Entstehen der Erstattungspflicht ist also das Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Selbst wenn man bei § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG von einer Regelungslücke ausgehen würde, geben die Gesetzesmaterialien keinen Anhalt dafür, dass bei den Befreiungstatbeständen bedacht worden ist, dass Arbeitslosigkeit und Erstattungspflicht vor dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses eintreten können. Dies gilt auch für den Fall, dass nur die Arbeitslosigkeit vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses eintritt, die Erstattungspflicht hingegen aus anderen Gründen erst zu einem Zeitpunkt nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommt (vgl zu § 128 Abs 1 Satz Nr 5 AFG BT-Drucks 9/846 S 45; BT-Drucks 12/3211 S 25). Entscheidend ist deshalb, dass die Erstattungsregelung des § 128 AFG in zulässiger Weise das Risiko der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer grundsätzlich dem Arbeitgeber überantwortet (hierzu eingehend BVerfGE 81, 156; vgl auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. September 2005 - 1 BvR 620/01) und dieser sich deshalb nur entlasten kann, wenn er die eingetretene Arbeitslosigkeit nicht ursächlich mitzuverantworten hat (BSG, aaO, S 24; vgl auch BSG, Urteil vom 27. Januar 2005 - B 7a/7 AL 32/04 R zu § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III). § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG ist daher funktionsdifferent dahingehend auszulegen, dass die Berechtigung zur Kündigung aus wichtigem Grund grundsätzlich bei Beendigung der Beschäftigung vorhanden sein muss (Brand in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 14 RdNr 65; ders in Niesel, AFG, 2. Aufl, § 128, RdNr 52; wohl auch Gagel, AFG, § 128 RdNr 136; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, 147a RdNr 111, 233).

So liegen die Dinge nach dem Gesamtzusammenhang der vom LSG getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall nicht. Die Arbeitslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne ab 1. Januar 1998 wurde allein durch die sozial ungerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung der Klägerin zum 31. Dezember 1997 verursacht. Der geltend gemachte wichtige Grund zur fristlosen Kündigung sowie die Gründe zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses am 26. Januar 1998 sind demgegenüber bereits nach dem Vortrag der Klägerin ausschließlich in der Folge des ersten Kündigungsschutzprozesses im Termin vor dem ArbG am 14. Januar 1998 entstanden. Die zuvor bereits ab dem 1. Januar 1998 eingetretene Arbeitslosigkeit ist für die anschließende Zeit nicht durch die nachträgliche fristlose Kündigung bzw durch ein nachträglich entstandenes Recht hierzu entscheidend verursacht worden. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin behauptet nicht einmal, dass die als Folge der rechtswidrigen ordentlichen Kündigung vom 30. Mai 1997 bereits ab 1. Januar 1998 eingetretene Arbeitslosigkeit einen anderen Verlauf (durch Wiedereinstellung) genommen hätte, falls es nicht zu dem Vorgang gekommen wäre, aus dem sie ein Recht zur fristlosen Kündigung und ersatzweise Auflösungsgründe herleitet.

Dahingestellt bleiben kann daher, ob die Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 26. Januar 1998 nach ihrem Vortrag zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG also der Sachverhalt an sich als wichtiger Kündigungsgrund geeignet war und zudem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar war oder nicht (vgl BAG AP Nr 202 zu § 626 Bürgerliches Gesetzbuch). Keiner Entscheidung bedarf damit auch die weitere Frage, ob Auflösungsgründe vorlagen, die dem genannten Kündigungsrecht gleichzustellen wären, obwohl die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe der §§ 13, 9 KSchG auch hier - und nicht nur bei leitenden Angestellten nach § 14 KSchG (hierzu BSG SozR 4-4300 § 147a Nr 1 RdNr 12 ff) - gerade voraussetzt, dass kein Kündigungsgrund vorhanden ist.

Die Erstattungspflicht der Klägerin scheitert auch nicht daran, dass das Alg im Erstattungszeitraum und in der geforderten Höhe nicht zu erbringen gewesen wäre. Diese Prüfung darf sich allerdings nicht darauf beschränken, dass die von der Klägerin geforderten Beträge mit dem gezahlten Alg und den darauf entfallenden Beiträgen übereinstimmen, sondern zur Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung ist erforderlich, dass die gezahlten Leistungen - auch der Höhe nach - rechtmäßig an den Arbeitnehmer zu erbringen waren (vgl ua BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 2 mwN RdNr 32). Hinweise auf einen unrechtmäßigen Leistungsbezug bietet der Sachverhalt indessen nicht, insbesondere keinen Anhalt für einen sperrzeitbedingten Ruhenstatbestand (§ 119 AFG, § 144 SGB III; zum Übergangsrecht vgl Niesel, SGB III, 1. Aufl, § 144 RdNr 125) allein oder im Verbund mit der gezahlten Abfindung (§ 117a AFG iVm § 242x Abs 3 AFG, § 427 Abs 6 SGB III idF des AFRG) mit Auswirkungen auf den am 27. September 1998 beginnenden Erstattungszeitraum.

4. Schließlich geben auch die Berechnungen zur Höhe der Erstattungspflicht anhand der vom LSG ergänzend Bezug genommenen Verwaltungsakte keinen Anlass zu Zweifeln an deren Rechtmäßigkeit. Die Beklagte hat das der Erstattungspflicht zu Grunde liegende Alg zwar entgegen § 130 Abs 1 SGB III nach dem jährlichen Arbeitsentgelt von 78.094,43 DM und nicht nach dem Arbeitsentgelt der letzten 52 Wochen vor Entstehung des Alg-Anspruchs berechnet. Hiervon ausgehend hat sie ein gerundetes (§§ 132 Abs 3, 338 Abs 3 SGB III idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970) wöchentliches Bemessungsentgelt von 1.500 DM ab 1. Januar 1998, von 1.520 DM ab 1. Januar 1999 (§ 138 SGB III iVm SGB III-Anpassungsverordnung 1998 vom 18. Juni 1998, BGBl I 1397), von 1.540 DM ab 1. Januar 2000 (§ 138 SGB III iVm SGB III-Anpassungsverordnung 1999 vom 7. Mai 1999, BGBl I 875) und von 1.700 € ab 22. Juni 2000 (+ 10 %, § 434c Abs 1 Satz 2 SGB III) errechnet.

Bei diesem Ergebnis verbleibt es zu Gunsten der Klägerin auch, wenn im Anwendungsbereich des § 130 SGB III nur volle Entgeltabrechnungszeiträume (hierzu BSG SozR 4-4300 § 133 Nr 3; BSG SozR 4-4300 § 134 Nr 1) und aus diesem Grund nicht das Januargehalt 1997 in die Berechnung einzubeziehen sind und des Weiteren das Dezembergehalt 1997 außer Betracht bleibt, weil dieses bei Ausscheiden aus dem Versicherungspflichtverhältnis noch nicht abgerechnet war. Denn damit reduziert sich neben dem Arbeitsentgelt (auf 65.346,65 DM) auch der Wochen-Divisor entsprechend (§ 132 Abs 2 SGB III) und liegt bereits das anfängliche wöchentliche Bemessungsentgelt mit 1.510 DM über dem tatsächlich zu Grunde gelegten anfänglichen wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.500 DM. Vom Jahresarbeitsentgelt ausgehend hat die Beklagte nach den Angaben des Arbeitnehmers zu Personenstand (verheiratet, ohne Kind) und Lohnsteuerklasse III anhand der Leistungsentgeltverordnungen 1998, 1999 und 2000 zu Gunsten der Klägerin das wöchentliche Leistungsentgelt für die Zeit ab dem 1. Januar 1998 mit 555,24 DM, für die Zeit ab 1. Januar 1999 mit 566,65 DM, ab 1. Januar 2000 mit 586,60 DM und ab 22. Juni 2000 mit 637,49 DM berechnet. Damit korrespondieren die dem Erstattungsbescheid für die einzelnen Erstattungszeiträume zu Grunde gelegten kalendertäglichen Leistungssätze. Ebenso sind die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bzw Rentenversicherung korrekt auf der Grundlage von 80 % des durch sieben geteilten, der Bemessung des Alg zu Grunde liegenden wöchentlichen Arbeitsentgelts bis zur jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung bzw auf der Grundlage von 80 % des Bemessungsentgelts und der jeweiligen Beitragssätze (§§ 232a Abs 1 Nr 1, 241 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, §§ 55, 57 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, §§ 157, 158, 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI) berechnet.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG idF des Gesetzes vom 30. März 1998 (BGBl I 638) und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klagen von Gesetzes wegen (§ 96 SGG) Gegenstand eines vor dem Inkrafttreten des neuen Kostenrechts am 2. Januar 2002 rechtshängig gewordenen Verfahrens sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24).

Ende der Entscheidung

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