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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: B 12 KR 7/03 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGB VI, SGB III, SGB IV


Vorschriften:

SGB V § 7 Abs 1
SGB VI § 5 Abs 2 Nr 1
SGB III § 27 Abs 2 Satz 1
SGB IV § 8 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 14. Juli 2004

Az: B 12 KR 7/03 R

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, die Richter Dr. Berchtold und Prof. Dr. Schlegel sowie die ehrenamtlichen Richter Schneidinger und Johannsen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Versicherungs- und Beitragspflicht bei untertariflicher Bezahlung.

Die Klägerin betreibt in Nordrhein-Westfalen (NRW) ein Einzelhandelsgeschäft. Sie beschäftigt Aushilfskräfte, darunter die Verkäuferin J . Diese arbeitete seit Januar 1997 wöchentlich 14 Stunden zu einem Arbeitsentgelt von 600 DM im Monat, wobei in diesem Betrag anteilig Weihnachts- und Urlaubsgeld enthalten sein sollten. Das Arbeitsentgelt lag unter den jeweiligen Entgelt-Geringfügigkeitsgrenzen, die monatlich in den Jahren 1999 und 2000 bei 630 DM lagen. Im genannten Zeitraum galten für den Einzelhandel in NRW für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifverträge und Lohntarifverträge (LTV). Die Klägerin ging gleichwohl davon aus, die Arbeitnehmerin J sei als geringfügig Beschäftigte versicherungsfrei. Ab April 1999 führte die Klägerin für sie Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung ab.

Auf Grund einer Betriebsprüfung setzte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheid vom 6. Februar 2001 und Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2001 Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Umlagen für Januar 1999 bis März 2000 über insgesamt 26.576,90 DM für vier Beschäftigte der Klägerin fest. Hiervon entfielen auf die Beschäftigte J 6.583,46 DM Beiträge und 291,98 DM Umlagen. In dieser Zeit habe für diese Beschäftigte Versicherungs- und Beitragspflicht bestanden, weil ihr tariflich geschuldetes Arbeitsentgelt zusammen mit den gezahlten oder geschuldeten Sonderzahlungen die Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe. Die für sie entrichteten Pauschalbeiträge seien der Klägerin zu erstatten.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat im Einverständnis der Beteiligten das vorliegende Verfahren für die Beschäftigte J abgetrennt. Es hat diese Beschäftigte (Beigeladene zu 1), die Betriebskrankenkasse (BKK) und ihre Pflegekasse (Beigeladene zu 2 und 3) sowie die Bundesanstalt für Arbeit (<BA> jetzt Bundesagentur für Arbeit) beigeladen und die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2002 abgewiesen. Auf Grund der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge habe die Klägerin der Beigeladenen zu 1) für Januar bis Juni 1999 monatlich 986,40 DM und von Juli 1999 bis März 2000 monatlich 1.015,80 DM Arbeitsentgelt geschuldet, sodass wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze Versicherungspflicht bestanden habe. Insofern und für die Beitragsbemessung seien nicht nur die tatsächlich gezahlten, sondern die tariflich geschuldeten Entgelte zu beachten. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die in einem Parallelverfahren eingeholten Auskünfte in den Rechtsstreit eingeführt, eine Auskunft des Einzelhandelsverbandes Aachen-Düren eV eingeholt und die Berufung mit Urteil vom 28. Januar 2003 zurückgewiesen. Der Beigeladenen zu 1) habe auf Grund allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge ein höheres als das tatsächlich gezahlte Entgelt zugestanden, sodass ihr Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe. Der Beitragserhebung sei nicht das tatsächlich zugeflossene, sondern das tariflich geschuldete Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen. Die Beklagte habe der Beitragsforderung zwar immer noch ein zu niedriges Entgelt zu Grunde gelegt, da die Beigeladene zu 1) tariflich höher einzustufen und auch ein höheres Weihnachts- und Urlaubsgeld anzusetzen gewesen wäre. Jedoch sei die Klägerin hierdurch nicht beschwert.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Das Entstehungsprinzip gelte nur dann, wenn der Arbeitgeber vertragswidrig das Arbeitsentgelt nicht oder verspätet zahle oder wenn der Arbeitnehmer geschuldetes Arbeitsentgelt fordere. Dies sei hier nicht der Fall. Im Übrigen genieße sie Vertrauensschutz, weil die Einzugsstellen und Rentenversicherungsträger bei Betriebsprüfungen das Zuflussprinzip praktiziert und die Beitragsabführung nach dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt nicht beanstandet hätten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG vom 28. Januar 2003, das Urteil des SG vom 27. Februar 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die beigeladene BA hat keinen Antrag gestellt. Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihre Klage ist in den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen worden. Der angefochtene Bescheid vom 6. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2001 ist nur noch in Streit, soweit die Beklagte Beiträge für die Beigeladene zu 1) festgesetzt hat. Insofern ist der Bescheid rechtmäßig, sodass die Klägerin als Arbeitgeberin die entsprechenden Beiträge zu tragen hat.

1. Die Beigeladene zu 1) war in ihrer Beschäftigung bei der Klägerin (Januar 1999 bis März 2000) grundsätzlich versicherungs- und beitragspflichtig. Sie war nicht wegen Geringfügigkeit ihrer Beschäftigung versicherungs- und beitragsfrei, weil ihr Arbeitsentgelt die damalige Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 630 DM nicht überstiegen hätte. Der Beurteilung dieser versicherungs- und beitragsrechtlichen Fragen ist nicht nur das gezahlte, sondern das tariflich geschuldete Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen.

a) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, waren während der genannten Zeit in der Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung <SGB V>), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung <SGB XI>), in der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung <SGB VI>) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung <SGB III>) versicherungspflichtig.

b) Versicherungsfreiheit bestand in allen genannten Versicherungszweigen ausnahmsweise bei einer geringfügigen Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB V, § 5 Abs 2 Nr 1 SGB VI, § 27 Abs 2 Satz 1 SGB III). Dieses richtete sich im Jahr 1999 bis zum 31. März nach § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) idF des Art 2 Nr 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13. Juni 1994 (BGBl I 1229). Geringfügigkeit konnte dabei nur nach Nr 1 des § 8 Abs 1 SGB IV vorliegen. Danach war eine geringfügige Beschäftigung gegeben, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 18), bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg. Für das Eingreifen der Gesamteinkommensgrenze besteht kein Anhalt. Das Siebtel der monatlichen Bezugsgröße lag im ersten Quartal 1999 bei 630 DM. In dieser Höhe wurde die Geringfügigkeitsgrenze nach der Neufassung des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV durch Art 1 Nr 2 Buchst a des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl I 388) vom 1. April 1999 an festgeschrieben. Die 630 DM monatlich waren bei der Beigeladenen zu 1) zwar nicht mit dem gezahlten, wohl aber mit dem geschuldeten Arbeitsentgelt überschritten. Entscheidend ist sowohl für die Versicherungspflicht als auch für die Beitragshöhe das geschuldete Arbeitsentgelt.

2. Für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip.

a) Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) hat mit Beschlüssen vom 29. Oktober 1930 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung <AN> 1931 IV 34), vom 22. April 1936 (AN 1936 IV 275) und vom 9. März 1938 (AN 1938 IV 193) entschieden, dass für die Berechnung der Beiträge nicht lediglich das tatsächlich ausgezahlte Monatsgehalt, sondern das Gehalt maßgebend war, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit der Beiträge ein Rechtsanspruch bestand (Fälligkeitsprinzip). Dieses wurde ausdrücklich auch für eine untertarifliche Bezahlung bestätigt, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer mit ihr einverstanden gewesen war. Denn in diesen Fällen sei der Arbeitgeber von vornherein verpflichtet, dem Arbeitnehmer den vertraglichen Lohn zu zahlen und den entsprechenden gesetzlichen Beitrag zur Sozialversicherung zu entrichten. Von dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung sei auch der Arbeitgeber nicht befreit, welcher in Verkennung seiner vertraglichen Pflichten oder gar in bewusstem Gegensatz dazu ein geringeres als das vereinbarte Gehalt bezahle. Sonst würden gerade die Arbeitgeber, welche ihre vertraglichen Pflichten verletzten, sich Vorteile gegenüber den Arbeitgebern verschaffen, welche die Gehälter vertragsgemäß zahlten. Die einmal entstandene öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der gesetzmäßigen Beiträge könne durch eine nachträgliche privatrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr beseitigt oder abgeändert werden. Das gelte auch für einen späteren Gehaltsverzicht.

b) Während des Zweiten Weltkrieges wurde durch § 19 der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung vom 24. April 1942 (RGBl I 252) angeordnet, dass ab 1. Juli 1942 die gesetzlichen Lohnabzüge (dh Lohnsteuer und Beiträge) grundsätzlich von der gleichen Bemessungsgrundlage zu berechnen waren. Mit ihrem Gemeinsamen Erlass vom 10. September 1944 (AN 1944 II 281) bestimmten der Reichsminister der Finanzen und der Reichsarbeitsminister, dass Beiträge zur Sozialversicherung grundsätzlich von dem Betrag zu berechnen waren, der für die Berechnung der Lohnsteuer maßgebend war. Dadurch wurden, was beabsichtigt war, mit der Befreiung bestimmter Entgeltteile von der Lohnsteuer diese zugleich beitragsfrei, soweit der Gemeinsame Erlass dies nicht ausdrücklich ausschloss.

c) Unter Anwendung des Gemeinsamen Erlasses hat der damals zuständige 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 25. November 1964 (BSGE 22, 106 = SozR Nr 12 zu § 160 RVO) entschieden, dass bei untertariflicher Entlohnung Beiträge vom tatsächlich gezahlten und nicht vom geschuldeten Lohn zu berechnen waren. Er hat in der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung den "Untergang des eigenständigen Entgeltbegriffs der Sozialversicherung" gesehen und das lohnsteuerrechtliche Zuflussprinzip auch im Beitragsrecht angewandt. Diese Verordnung und der Gemeinsame Erlass sind jedoch durch Art II § 21 Abs 1 Satz 2 Nr 3, 4 SGB IV vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) mit Wirkung vom 1. Juli 1977 aufgehoben worden.

d) Der später und weiterhin zuständige erkennende 12. Senat des BSG hat sich anschließend vom Zuflussprinzip gelöst und dem so genannten Entstehungsprinzip zugewandt. Danach entstehen Versicherungs- und Beitragspflicht, sobald eine versicherungs- und beitragsrechtliche Beschäftigung ausgeübt wird.

Die Beschäftigungsversicherung begann früher mit dem Tag des Eintritts in die entgeltliche Beschäftigung und beginnt seit 1998 mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis (vgl § 186 Abs 1 SGB V aF und nF, § 24 Abs 2 SGB III). Hierfür haben früher der 3. und später der 12. Senat regelmäßig die tatsächliche Aufnahme der Arbeit als erforderlich angesehen, die Versicherung jedoch in Ausnahmefällen selbst dann beginnen lassen, wenn es zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung nicht gekommen war (vgl Urteil vom 28. Februar 1967 in BSGE 26, 124 = SozR Nr 3 zu § 306 RVO zum Unfall des Arbeitnehmers auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme; Urteil vom 18. September 1973 in BSGE 36, 161, 164 = SozR Nr 73 zu § 165 RVO zur fristgerechten Kündigung durch den Arbeitgeber vor Dienstantritt und Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Wirksamwerden der Kündigung). Die Rechtsprechung ist demnach schon unter der Geltung des früheren Rechts davon ausgegangen, dass es einer Zahlung des Arbeitsentgelts nicht bedurfte, um das Beschäftigungsverhältnis als ein entgeltliches anzusehen und eine Versicherung zu begründen. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, dass Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt häufig erst nach erbrachter Arbeitsleistung erhalten (vgl § 614 des Bürgerlichen Gesetzbuchs <BGB>), der Beginn ihres Versicherungsschutzes bis dahin jedoch nicht in der Schwebe bleiben kann. Auch den Fortbestand eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ohne tatsächliche Entgeltzahlung hat der Senat anerkannt, etwa wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Entgeltzahlung im Konkurs freistellt (Urteil vom 26. November 1985 in BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19) oder der Arbeitgeber während eines Kündigungsschutzprozesses die angebotene Arbeit nicht annimmt und dementsprechend auch nicht entlohnt (Urteil vom 25. September 1981 in BSGE 52, 152, 157 = SozR 2100 § 25 Nr 3; Urteil vom 5. Mai 1988 in BSG SozR 2400 § 2 Nr 25 S 42).

Im Beitragsrecht hat der Senat in seinem Urteil vom 18. November 1980 (SozR 2100 § 14 Nr 7), das die beitragsrechtlichen Folgen der Aufgabe eines Arbeitsentgeltanspruchs in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich betraf, zwar zunächst noch das Zuflussprinzip vertreten. Im Ergebnis wurde damals aber dennoch die Beitragsforderung auf den Lohn bejaht, weil in dem Vergleich der Lohnanspruch im Hinblick auf Gegenforderungen des Arbeitgebers aufgegeben und damit lediglich in anderer Weise erfüllt worden war. In dem weiteren Urteil vom 26. Oktober 1982 (BSGE 54, 136 = SozR 2200 § 393 Nr 9), in dem ein Arbeitgeber wegen drohender Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt hatte, hat der Senat dann das Zuflussprinzip ausdrücklich aufgegeben und entschieden, dass Beiträge auch auf geschuldetes, aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten waren. Nach dem Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5) kann die Einzugsstelle vom Arbeitgeber Beiträge auch auf Arbeitsentgelt fordern, das der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber wegen einer tariflichen Ausschlussklausel nicht mehr verlangen kann. Der Senat hat in dieser Entscheidung eingehend begründet, dass die Entstehung und der Fortbestand einer Beitragsforderung grundsätzlich nur von der Ausübung der Beschäftigung und nicht vom Zufluss des Arbeitsentgelts abhängen. Schließlich hat er mit Urteil vom 21. Mai 1996 entschieden (BSGE 78, 224 = SozR 3-2500 § 226 Nr 2), dass die Einzugsstelle Beiträge auch auf Arbeitsentgelt fordern kann, welches der Arbeitnehmer wegen einer nach Entstehen der Beitragsforderung verwirkten Vertragsstrafe vom Arbeitgeber nicht verlangen kann.

e) Der Bundesgerichtshof (BGH) ist der Rechtsprechung des Senats gefolgt. In einem auf § 823 Abs 2 BGB iVm § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) gestützten Schadenersatzprozess einer Allgemeinen Ortskrankenkasse gegen einen Geschäftsführer hat der BGH mit Urteil vom 16. Mai 2000 (BGHZ 144, 311) entschieden, dass Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung iS des § 266a Abs 1 StGB vorenthalten sein können, wenn kein Lohn an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist. Nach dem Urteil vom 28. Mai 2002 (BGHSt 47, 318) setzt die Straftat des Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs 1 StGB nicht voraus, dass tatsächlich Lohn an die Arbeitnehmer abgeführt wurde. In beiden Entscheidungen geht der BGH davon aus, dass der Beitragsanspruch nach dem erwähnten Urteil des Senats vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5) allein durch die versicherungspflichtige Beschäftigung entsteht und unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Arbeitsentgelts fällig wird (BGHZ 144, 311, 314/315; BGHSt 47, 318, 319).

3. Bei untertariflicher Bezahlung ist die Versicherungspflicht ebenfalls nach dem tariflich zustehenden, nicht lediglich nach dem zugeflossenen Arbeitsentgelt zu beurteilen.

a) Für den Beginn der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der Versicherungsverhältnisse kommt es nach dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht darauf an, ob und wann der Arbeitgeber das mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt und dieses dem Arbeitnehmer zufließt (vgl BSGE 75, 61, 65 = SozR 2200 § 385 Nr 5: tarifliche Ausschlussklausel). Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitsnehmers zu verfügen. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliegt, muss bereits bei Aufnahme der Beschäftigung und auch danach zu jeder Zeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können. Diese zum Schutz der Beschäftigten erforderliche Rechtssicherheit ist nur gewährleistet, wenn bei der Frage, ob das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt oder die Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) in der Krankenversicherung (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) überschritten wird, auf das tariflich zustehende Arbeitsentgelt abgestellt wird. Sind die Arbeitsentgelte - anders als vorliegend - tariflich oder einzelvertraglich nicht bestimmt, bedarf es einer Schätzung und vorausschauenden Betrachtung (BSGE - GS - 23, 129, 131 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSGE 24, 262 = SozR Nr 50 zu § 165 RVO; SozR Nr 59 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 165 Nr 15, jeweils zur Überschreitung der damaligen Versicherungspflichtgrenze; BSGE 13, 98 = SozR Nr 1 zu § 75a AVAVG aF; BSG SozR 2100 § 8 Nr 4 und BSG SozR 2200 § 172 Nr 19 zur Geringfügigkeitsgrenze und Kurzzeitigkeitsgrenze; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41 zum regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommen iS des § 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Reichsversicherungsordnung <RVO>).

b) Aus § 14 Abs 1 SGB IV ist nichts anderes zu entnehmen. Danach sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 SGB IV sind in erster Linie die tariflich geregelten, ansonsten die einzelvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile. Wenn Versicherungspflicht bereits bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht und nicht von dessen Zahlung abhängt, kann das in § 14 Abs 1 SGB IV legaldefinierte Arbeitsentgelt nicht iS des Zuflussprinzips verstanden werden. Außerdem regelt § 14 SGB IV weder die Versicherungspflicht noch das Entstehen oder die Fälligkeit von Beitragsforderungen. Vielmehr ist das Arbeitsentgelt an dieser Stelle nur als Einkunftsart geregelt, die neben dem Arbeitseinkommen des § 15 SGB IV und dem Gesamteinkommen des § 16 SGB IV an vielen Stellen des Sozialversicherungsrechts von Bedeutung ist. Demnach kann die Verwendung der Wörter "Einnahmen", "geleistet" und "erzielt" im vorliegenden Zusammenhang nicht als Bestätigung für eine allgemeine Geltung des Zuflussprinzips angesehen werden. Auf den Zufluss kommt es vielmehr nur an, soweit dem Arbeitnehmer mehr geleistet wird, als ihm tariflich oder einzelvertraglich zusteht, soweit ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet oder geleistet werden (vgl BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 24 S 64). Soweit der Senat in dem erwähnten Urteil vom 18. November 1980 (SozR 2100 § 14 Nr 7) den Wortlaut des § 14 Abs 1 SGB IV als Bestätigung für das Zuflussprinzip angesehen hatte, ist er dem schon in der erwähnten späteren Rechtsprechung (oben 2. d, letzter Absatz) nicht mehr gefolgt.

4. Die Höhe des zustehenden Arbeitsentgelts ergibt sich aus den vom LSG festgestellten, zwischen dem Einzelhandelsverband NRW eV und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im Deutschen Gewerkschaftsbund sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband NRW, geschlossenen Gehaltstarifvertrag (GTV), Lohntarifvertrag (LTV) sowie den Tarifverträgen über Sonderzahlungen, die das Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes NRW für allgemeinverbindlich erklärt hatte. Danach galt in der niedrigsten Lohngruppe in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1999 ein Monatsgehalt von 2.680 DM (Stundenlohn 16,44 DM; vgl LTV und GTV jeweils vom 29. Juni 1998; Allgemeinverbindlicherklärung zum 1. April 1998, Bekanntgabe vom 29. September 1998 im BAnz vom 21. Oktober 1998, Nr 197 S 15215) und vom 1. Juli 1999 bis 31. März 2000 ein Monatsgehalt von 2.760 DM (Stundenlohn 16,93 DM, vgl LTV vom 7. August 1999, Allgemeinverbindlicherklärung zum 1. April 1999, Bekanntgabe vom 18. November 1999 im BAnz vom 18. Dezember 1999, Nr 240 S 20320). Die Beklagte hat die Beiträge und Umlagen für die Beigeladenen ausgehend von diesen Beträgen berechnet. Nach den Feststellungen des LSG war die Beigeladene zu 1) als Verkäuferin jedoch in eine höhere Gehaltsgruppe (I, 5. Berufsjahr) einzustufen, sodass ihr bei einer Vollzeitbeschäftigung bis 30. Juni 1999 ein Monatslohn von 2.962 DM bzw ab Juli 1999 von 3.051 DM zugestanden hätte. Schon daraus folgten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 630 DM ab 1. Januar 1999 lagen. Als Arbeitsentgelt waren darüber hinaus die nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) vom 20. November 1996 idF des Änderungs- und Ergänzungsvertrages vom 28. November 1997 zustehenden Zuwendungen zu berücksichtigen (Allgemeinverbindlicherklärung vom 30. März 1998 mit Wirkung ab 28. November 1997, Bekanntgabe in BAnz vom 28. April 1998, Nr 79 S 6182). Der Beigeladenen zu 1) hätte danach bei einer Vollzeitbeschäftigung 1999 Urlaubsgeld in Höhe von 1.841,95 DM und im Jahr 2000 in Höhe von 1.724,50 DM zugestanden; als Teilzeitbeschäftigte konnte sie nach den Feststellungen des LSG 37 vH dieses Betrages verlangen. Tatsächlich ist die Beklagte bei ihrer Beitragsberechnung von einem geringeren (Gesamt-)Arbeitsentgelt ausgegangen. Die Geringfügigkeitsgrenze war jedoch trotzdem überschritten, sodass Versicherungspflicht bestand. Bei den Beiträgen wirkte sich die Berechnung der Beklagten zugunsten der Klägerin aus, sodass sie insofern nicht beschwert ist.

Gegen die Anwendbarkeit der genannten Tarifverträge bestehen keine Bedenken. Zwar wurden Tarifverträge teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit für allgemeinverbindlich erklärt, jedoch lagen die Allgemeinverbindlicherklärungen während der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit von Januar 1999 bis März 2000 bereits vor. Über den persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge besteht kein Streit.

Schließlich können Außenseiter regelmäßig nicht geltend machen, sie hätten einschlägige Bestimmungen allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge nicht gekannt (vgl BAG Urteil vom 16. August 1983 - 3 AZR 206/82, AP Nr 131 zu § 1 TVG Auslegung, betreffend die Unkenntnis einer tariflichen Ausschlussfrist; BVerfGE 44, 322 = AP Nr 15 zu § 5 TVG zur Zulässigkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen). Das für die Allgemeinverbindlicherklärung vorgesehene Veröffentlichungs- und Dokumentationsverfahren hat hier stattgefunden, sodass sich auch Außenseiter über das geltende Tarifrecht informieren konnten (BVerfG - Kammerbeschluss - vom 10. September 1991 - 1 BvR 561/89, AP Nr 27 zu § 5 TVG). Spezifische Schwierigkeiten bei der Beschaffung der hier einschlägigen Tarifverträge sind nicht erkennbar.

5. Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d Satz 1 SGB IV), den die Klägerin zu entrichten hatte, ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V; § 57 Abs 1 SGB XI; § 162 Nr 1 SGB VI; § 342 SGB III). Desgleichen ist das Arbeitsentgelt Bemessungsgrundlage der Umlagebeiträge für die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) und dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) in Kleinbetrieben (§ 14 MuSchG iVm § 10 Abs 1 Nr 1 und 2 LFZG). Zum Arbeitsentgelt gehören auch die tariflich geschuldeten Sonderzahlungen, die beitragsrechtlich nach Maßgabe des § 23a SGB IV zu berücksichtigen sind.

a) Der Senat hat schon in dem erwähnten Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61, 64/65 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5 S 12 f) dargelegt, dass nach § 22 Abs 1 SGB IV in der hier noch anzuwendenden früheren Fassung Beitragsansprüche entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Diese bestünden (bei laufendem Arbeitsentgelt) jedenfalls, wenn die Beschäftigung tatsächlich aufgenommen worden ist, in der Ausübung der versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung gegen Entgelt. Bei Sonderzahlungen entsteht die Beitragsforderung dementsprechend, wenn auch die speziellen Voraussetzungen für den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzuwendungen erfüllt sind.

b) Der Senat hat in seinem Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61, 65/66 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5 S 13 f) ferner schon ausgeführt, dass die Fälligkeitsregelung des § 23 SGB IV für das Entstehungsprinzip spricht. Diese Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob das Arbeitsentgelt bei Fälligkeit der Beiträge bereits gezahlt worden ist oder nicht. Ferner bestätigen insolvenzrechtliche Regelungen das Entstehungsprinzip. So ergibt sich aus § 208 SGB III (früher § 141n Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz <AFG>), dass der Beitragsanspruch auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt gegen den insolventen Arbeitgeber fortbesteht (vgl zum früheren Recht BSGE 54, 136, 140 = SozR 2200 § 393 Nr 9 S 26; BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19 S 48 f). Eine solche Regelung wäre unverständlich, wenn eine Beitragsforderung von der Zahlung des Arbeitsentgelts abhinge. Für die Fälligkeit von Beitragsforderungen auf Sonderzahlungen ist allerdings die Anknüpfung des Beitragsanspruchs an die Zuordnungsregelungen in § 23a SGB IV zu beachten.

c) Die Vorschrift des § 23a SGB IV spricht jedoch nicht für die Geltung des Zuflussprinzips bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt. Sie bestimmt lediglich abstrakt, welche Zuwendungen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind, grenzt sie von laufendem Arbeitsentgelt ab und ordnet sie für die Beitragsbemessung bestimmten Entgeltabrechnungszeiträumen zu (hierzu BSG Urteil vom 14. Mai 2002 SozR 3-2400 § 23a Nr 2). Sie enthält demgegenüber keine Bestimmung zu der Frage, ob für Sonderzahlungen das Entstehungs- oder das Zuflussprinzip gilt (vgl BSG SozR 3-2400 § 23a Nr 2 S 10 unten). Eine solche Regelung ist vielmehr in § 22 SGB IV enthalten, wie sich darin bestätigt, dass der Gesetzgeber dort für die Beitragserhebung auf Sonderzahlungen inzwischen zum Zuflussprinzip übergegangen ist (unten f).

d) Die genannten Vorschriften zum Entstehen und zur Fälligkeit von Beitragsforderungen lassen keine Unterscheidung danach zu, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zahlt und ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es noch verlangen könnte. Derartige Bedingungen würden das Entstehen oder den endgültigen Bestand von Beitragsforderungen von zahlreichen Unsicherheiten abhängig machen, wie beispielsweise: dem Geltendmachen des Anspruchs auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt. Unter derartige Vorbehalte sind Beitragsansprüche in den genannten Vorschriften nicht gestellt. Auswirkungen solcher privatrechtlicher Vorgänge auf einmal entstandene und fällig gewordene öffentlich-rechtliche Beitragsforderungen haben früher schon das RVA (oben 2. a) und der erkennende Senat im Urteil vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61, 67 = SozR 2200 § 385 Nr 5 S 14 f) abgelehnt. Hieran ist festzuhalten.

e) Die Anwendung des Entstehungsprinzips beim Gesamtsozialversicherungsbeitrag gewährleistet im Allgemeinen eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Versicherungsverhältnissen sowie den mit ihnen verbundenen Beitragspflichten und Leistungsansprüchen. Wegen der Höhe der Beitragssätze wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag vor allem durch die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung bestimmt. In der Rentenversicherung würden, wenn nicht der Versicherungspflicht auch eine Beitragspflicht entspräche, Leistungsansprüche in der Regel nicht begründet. In der Krankenversicherung stünden dem, wenn mit dem Eintritt in die Beschäftigung oder das Beschäftigungsverhältnis die Mitgliedschaft beginnt und sofortige Ansprüche zumindest auf Sachleistungen ausgelöst werden, bei Geltung des Zuflussprinzips möglicherweise keine Beiträge gegenüber. Solche Ergebnisse entsprechen nicht dem geltenden Recht, sondern bedürfen, wenn sie gewollt sind, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Zuflussprinzips (vgl schon BSGE 75, 61, 68 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5 S 16).

f) Dieses Erfordernis wird dadurch bestätigt, dass eine solche Regelung für die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen seit dem 1. Januar 2003 vorhanden ist. Von diesem Zeitpunkt an ist § 22 Abs 1 SGB IV durch Art 2 Nr 6 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4621) neugefasst worden. Darin ist bestimmt, dass der Beitragsanspruch bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt entsteht, sobald dieses ausgezahlt worden ist (zur Begründung der Gesetzentwurf BT-Drucks 15/26 S 24 zu Nr 6 - § 22). Hieraus ergibt sich nach dem Urteil des Senats vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) im Umkehrschluss, dass für hier zu zahlendes laufendes Arbeitsentgelt das Zuflussprinzip nach wie vor nicht gilt (vgl die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 15 und 16 <BT-Drucks 14/8318> in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 27. Februar 2002, Stenographischer Bericht S 21837 ff). Aus dem In-Kraft-Treten der Neufassung des § 22 Abs 1 SGB IV erst am 1. Januar 2003 folgt darüber hinaus, dass selbst für Einmalzahlungen bis Ende 2002 das Entstehungsprinzip gilt. Eine Anwendung dieser Vorschrift für die Zeit vor 2003 und damit auch für die hier entscheidende Beschäftigung von Januar 1999 bis März 2000 scheidet damit sowohl für laufendes Arbeitsentgelt als auch für Einmalzahlungen aus.

g) Für das Zuflussprinzip bei Sonderzahlungen spricht schließlich nicht § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV). Soweit dazu in einem anderen Verfahren geltend gemacht worden ist, nicht zugeflossene Zuwendungen seien nicht steuerpflichtig und gehörten aus diesem Grund nicht zum Arbeitsentgelt, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Wie die auf § 1 ArEV folgenden Bestimmungen bestätigen, sind mit den steuerfreien Zuwendungen lediglich diejenigen gemeint, die ihrer Art nach als steuerfrei geregelt sind. § 1 ArEV überträgt demgegenüber nicht das steuerrechtliche Zuflussprinzip auf das Beitragsrecht. Dagegen spricht auch die ab 2003 geltende gesetzliche Regelung in § 22 SGB IV (oben f), die entbehrlich gewesen wäre, wenn sich das Zuflussprinzip schon aus § 1 ArEV ergeben hätte. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob angesichts der gesetzlichen Regelungen zum Entstehen und Fälligwerden von Beitragsforderungen (§§ 22, 23 SGB IV) in § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2 SGB IV eine hinreichende Ermächtigung dafür gelegen hätte, das Zuflussprinzip durch Rechtsverordnung (ArEV) auf das Beitragsrecht zu übertragen.

h) Die Anwendung des Zuflussprinzips beim Arbeitsentgelt ist kein allgemeiner abgabenrechtlicher Grundsatz, der für Steuern und Beiträge gleichermaßen gelten müsste und aus dem Einkommensteuerrecht auf das Beitragsrecht der Sozialversicherung übertragen werden könnte. Im Steuerrecht ist das Zuflussprinzip ausdrücklich geregelt. Nach § 36 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsteht die Einkommensteuer vorbehaltlich abweichender Regelungen mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Eine solche Ausnahmeregelung ist in § 38 Abs 1 Satz 1 EStG enthalten, wonach die Lohnsteuer (nur) erhoben wird, soweit der Arbeitslohn ausgezahlt wird. Zudem bestimmt § 38 Abs 2 Satz 2 EStG, dass die Lohnsteuer abweichend von der Regel des § 36 Abs 1 EStG bereits zu dem Zeitpunkt entsteht, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Vergleichbare Regelungen enthält das Beitragsrecht der Sozialversicherung nicht (Ausnahme ab 2003 oben f). Zwischen beiden Bereichen bestehen auch strukturelle Unterschiede. Im Steuerrecht werden Abgaben zur Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich zweckfrei nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben, die sich im Zufluss ausdrückt und erschöpft. Im Sozialversicherungsrecht werden demgegenüber durch entgeltliche Beschäftigungen Versicherungsverhältnisse begründet, die in ihrem Bestand und in ihrer beitragsrechtlichen Ausgestaltung grundsätzlich nicht vom Zufluss des Arbeitsentgelts abhängen (oben c).

6. Der Senat folgt für versicherungs- und beitragsrechtliche Streitigkeiten bei untertariflicher Bezahlung auch im Übrigen nicht der Kritik, die vor allem nach dem Urteil des Senats vom 30. August 1994 (BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5) zur Unerheblichkeit tariflicher Ausschlussklauseln für eine Beitragsforderung am Entstehungsprinzip geübt worden ist (Arens, BB 2001, 94; Berndt, DStR 2000, 1520 ff; Breidenbach, BB 2002, 1910; Gagel, BB 2000, 718 f; Gagel, Festschrift für Hanau, 1999, S 649 ff; Peters-Lange, NZA 1995, 657 ff. Für das Entstehungsprinzip demgegenüber Klose, NZS 1996, 9 f; Marx, NZS 2002, 126 ff).

a) Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Einmalzahlungen (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 und BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) wird geltend gemacht, auch hier entspreche der Beitragsfestsetzung gegenüber dem Arbeitgeber teilweise keine Gegenleistung der Beschäftigten, weil der Bemessung einzelner Leistungen der Sozialversicherung wie etwa des Krankengeldes nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V oder des Arbeitslosengeldes nach Maßgabe des § 136 Abs 1 SGB III nur das gezahlte (zugeflossene) Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt werde. Damit werden jedoch wesentliche Unterschiede zu dem vorliegenden Verfahren einer untertariflichen Bezahlung nicht hinreichend beachtet. Den Entscheidungen des BVerfG lagen Sachverhalte zu Grunde, in denen Einmalzahlungen vom Arbeitgeber geschuldet und unter Abzug der Arbeitnehmeranteile (§ 28g SGB IV) an den Beschäftigten ausgezahlt wurden, entsprechende Leistungen aber nach gesetzlichen Vorschriften nicht oder nicht in angemessenem Umfang zu erbringen waren. Demgegenüber wurde hier zu der Zeit, als die Beitragsforderung entstand und fällig wurde, auch ein Anspruch auf das tarifliche Arbeitsentgelt erworben. Ihn konnte der Arbeitnehmer geltend machen und sich so die genannten Lohnersatzleistungen für laufendes Arbeitsentgelt sichern. Soweit dieses bei Einmalzahlungen wegen der vom BVerfG beanstandeten leistungsrechtlichen Unzulänglichkeit der gesetzlichen Regelung gescheitert wäre, hätte hier (1999 und 2000) noch die vom BVerfG eingeräumte Übergangsfrist (bis 30. Juni 2001) eingegriffen. Im Übrigen gilt für die Beitragsbemessung aus Einmalzahlungen seit 2003 das Zuflussprinzip (oben 5.f). Unter diesen Umständen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einvernehmlicher untertariflicher Bezahlung nicht mit Erfolg geltend machen, der Beitragsforderung habe kein ausreichendes leistungsrechtliches Äquivalent gegenüber gestanden. Anderenfalls würde die untertarifliche Bezahlung zum Maßstab für eine angemessene gesetzliche Regelung erhoben sowie versicherungs- und beitragsrechtlich belohnt. Dem sind das RVA (oben 2.a) und der erkennende Senat (oben 2.d) schon früher entgegengetreten.

b) Jedenfalls für Sachverhalte einer einverständlichen untertariflichen Bezahlung überzeugt den Senat auch nicht, dass die Einheit der Rechtsordnung die Anwendung des Zuflussprinzips erfordere. Allerdings führt die Anwendung des Entstehungsprinzips zu einer Inkongruenz zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich eine tarifliche Entlohnung jedenfalls nach einer gewissen Zeit wegen tariflicher Ausschlussklauseln, Verjährung oder Verzicht nicht mehr durchsetzen kann, gleichwohl aber selbst dann noch Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt werden dürfen. Andererseits dient es jedoch der Einheit der Rechtsordnung, wenn Versicherungsverhältnisse auf der Grundlage bestehender Tarifverträge durchgeführt werden müssen und durch eine untertarifliche Bezahlung weder der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden darf noch sich Arbeitgeber Vorteile gegenüber tariflich zahlenden Arbeitgebern verschaffen können.

c) Soweit geltend gemacht wird, einzelne Arbeitgeber oder sogar ganze Wirtschaftszweige gerieten in Schwierigkeiten, wenn sie auf tariflich geltende, aber einverständlich nicht gezahlte Arbeitsentgelte Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssten, vermag dieses nach dem hier anzuwendenden Recht das Zuflussprinzip und damit eine Begünstigung der untertariflichen Bezahlung im Versicherungs- und Beitragsrecht nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist es Angelegenheit der Tarifvertragsparteien und des Verfahrens der Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 TVG), die wirtschaftlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, damit die so geregelten Arbeitsentgelte und die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge tragbar sind. Im Einzelfall können die Sozialversicherungsträger wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach Maßgabe des § 76 Abs 2 SGB IV durch Stundung, Niederschlagung oder Erlass von Beiträgen Rechnung tragen.

7. Die Beitragsforderung für die Jahre 1999 und 2000 war bei ihrer Feststellung im Februar 2001 nicht verjährt (vgl § 25 Abs 1 SGB IV). Sie war auch nicht verwirkt.

a) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 mwN; BSG Urteil vom 23. Mai 1989 - 12 RK 23/88, USK 8964). Eine Verwirkung scheitert hier daran, dass ein Verwirkungsverhalten der Versicherungsträger, das zum Zeitablauf hinzutreten muss, vom LSG nicht festgestellt werden konnte. Ein Vertrauenstatbestand, auf den sich die Klägerin für das Nichtbestehen von Versicherungs- und Beitragspflichten berufen könnte, ergibt sich weder auf Grund des Verhaltens eines zuständigen Versicherungsträgers gegenüber der Klägerin noch aus einer von allen Einzugsstellen und Rentenversicherungsträgern einheitlich vertretenen Auffassung.

b) Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). Auch den Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben jedoch das Recht, in Zweifelsfällen nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Einzugsstelle durch Verwaltungsakt herbeizuführen, an den die Versicherungsträger gebunden sind (so zuletzt BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 16 bis 20 mwN). Im vorliegenden Verfahren ist nicht festgestellt, dass gegenüber der Klägerin bei früheren Betriebsprüfungen durch Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträger ein erklärtermaßen auf das Zuflussprinzip abstellender Bescheid ergangen ist oder dass die Beitragserhebung nach dem Zuflussprinzip sonst Gegenstand einer Betriebsprüfung bei der Klägerin gewesen ist und sie dabei trotz einer Problematisierung der hier umstrittenen Fragen über die Geltung des Entstehungsprinzips im Unklaren gelassen worden ist.

c) Eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung hat hinsichtlich des Entstehungsprinzips seit etwa 1982 nicht mehr stattgefunden. Allenfalls wurde nach der Entscheidung zur Aufgabe des Zuflussprinzips vom 26. Oktober 1982 (BSGE 54, 136 = SozR 2200 § 393 Nr 9) für weitere Fallgruppen klargestellt, dass auch für sie das Entstehungsprinzip gilt. Die Prüfbehörden hatten seit dieser Zeit stets die Aufgabe, auf die Einhaltung vollständiger Beitragserhebung nach dem Entstehungsprinzip zu achten. Wenn das nicht immer geschehen ist, so rechtfertigt dies keine "Übergangsregelung" zu Gunsten von Arbeitgebern, welche die Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei untertariflicher Bezahlung nach dem Zuflussprinzip berechnet haben.

d) Schließlich ist vom LSG auch nicht festgestellt worden, dass Mitte bis Ende der neunziger Jahre alle Prüfbehörden bei ihren Betriebsprüfungen ausdrücklich das Zuflussprinzip vertreten haben. Soweit das für Einzelne von ihnen zutreffen sollte, könnte sich ein Vertrauensschutz allenfalls bei den von diesen geprüften Arbeitgebern gebildet haben, und dies auch nur dann, wenn diese Fragen im Rahmen einer konkreten Betriebsprüfung Gegenstand der Erörterung gewesen sind.

8. Hiernach erwies sich die Revision der Klägerin als unbegründet und war daher zurückzuweisen.

Nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist die Erstattung von Pauschalbeiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung, welche die Klägerin anscheinend ab April 1999 in der Annahme versicherungsfreier geringfügiger Beschäftigungen nach § 249b SGB V und § 172 Abs 3 Satz 1 SGB VI entrichtet hat. Die Beklagte hat jedoch bereits im Verwaltungsverfahren eingeräumt, dass der Klägerin die Pauschalbeiträge zu erstatten sind, wenn, wie geschehen, das Bestehen von versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bestätigt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Ende der Entscheidung

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