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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: B 13 R 27/07 R
Rechtsgebiete: AVG, SGB VI


Vorschriften:

AVG § 6 Abs 1 Nr 2
AVG § 6 Abs 1 Nr 3
AVG § 9 Abs 1
AVG § 27 Abs 1 Buchst a
AVG § 124 Abs 1 S 1
AVG § 124 Abs 4 S 1
AVG § 125
SGB VI § 5 Abs 1 S 1 Nr 1
SGB VI § 145 Abs 5
SGB VI § 181 Abs 1
SGB VI § 233 Abs 1 S 1
SGB VI F: 21.07.2004 § 281 Abs 2

Entscheidung wurde am 07.11.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt.
1. Ein Versicherter hat im Falle seines unversorgten Ausscheidens aus einem öffentlichen Dienstverhältnis Anspruch auf Zulassung zur Nachversicherung (= Feststellung des Nachversicherungsfalls).

2. Die Vormerkung der Nachversicherungszeit setzt - auch für Zeiten vor dem 1.1.1992 - die tatsächliche Beitragsentrichtung für diesen Zeitraum durch den öffentlichen Dienstherrn voraus.


BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 27/07 R

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 31. Januar 2008 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Fichte und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtliche Richterin Link und den ehrenamtlichen Richter Lischka für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2007 aufgehoben, soweit es die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 1. Juni 1970 bis 31. Juli 1972 als nachversicherte Zeit des Klägers vorzumerken.

Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. April 2005 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in erster und zweiter Instanz zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten noch über die Vormerkung der Zeit vom 1.6.1970 bis 31.7.1972 als nachversicherte Zeit des Klägers.

Während des streitigen Zeitraums war der Kläger Beamter des beigeladenen Landes Nordrhein-Westfalen, zunächst im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an der Realschule und ab 1.2.1972 als Realschullehrer zur Anstellung. Mit dem 31.7.1972 wurde er auf eigenen Wunsch aus dem Dienst des Beigeladenen entlassen. Zur Nachversicherung entwickelte sich zwischen Kläger und Beigeladenem in den Jahren 1972 bis 1974 ein Schriftwechsel, die Nachversicherung unterblieb jedoch.

Der Kläger ging kein erneutes Beamtenverhältnis ein; in der Zeit ab September 1981 entrichtete er laufend Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Kontenklärungsantrag von Dezember 2003 beanspruchte er erstmals die Durchführung der Nachversicherung für die Zeit vom 1.2.1970 bis 31.7.1972. Der Beigeladene erhob gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 10.3.2004 die Einrede der Verjährung. Daraufhin lehnte diese dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 23.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.11.2004 "die Nachversicherung" ab.

Das Sozialgericht (SG) Aachen hat die Klage mit dem Antrag, die streitige Zeit "als Nachversicherungszeit anzuerkennen", mit Urteil vom 22.4.2005 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für die Feststellung der streitigen Zeit als Nachversicherungszeit lägen nicht vor; denn es fehle an der tatsächlichen Beitragszahlung.

In der mündlichen Verhandlung über die Berufung des Klägers hat er beantragt, diese Zeit "als nachversicherte Zeit ... vorzumerken". Diesem Antrag ist das Landessozialgericht (LSG) unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung sowie der angefochtenen Bescheide gefolgt (Urteil vom 26.1.2007). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Streitgegenstand sei die Verpflichtung der Beklagten, zugunsten des Klägers eine Pflichtbeitragszeit aus einer Nachversicherung vorzumerken. Der Kläger begehre die Verpflichtung der Beklagten, mit bindender Wirkung festzustellen, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Nachversicherung im streitigen Zeitraum vorlägen; die "Durchführung" der Nachversicherung betreffe demgegenüber allein das Rechtsverhältnis zwischen Beklagter und Beigeladenem. Die Beklagte sei verpflichtet, den Kläger nach § 233 Abs 1 Satz 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) iVm § 124 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für die streitige Zeit zur Nachversicherung "zuzulassen". Als Referendar bzw Beamter des beigeladenen Landes sei der Kläger bis 31.7.1972 versicherungsfrei gewesen (§ 6 Abs 1 AVG); die Versicherungsfreiheit sei mit Ablauf des 31.7.1972 entfallen (§ 9 Abs 1 AVG). Allein aufgrund des bestehenden Nachversicherungsverhältnisses sei der streitige Zeitraum als Pflichtbeitragszeit aus einer Nachversicherung vorzumerken; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe die (fehlende) Beitragszahlung für das Rechtsverhältnis zwischen Beklagter und Kläger keine Bedeutung. Dem stehe der - durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) angefügte - § 281 Abs 2 SGB VI nicht entgegen, wonach nachentrichtete Beiträge erst mit der Zahlung iS des § 181 Abs 1 SGB VI als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gälten. Sei beim Inkrafttreten dieser Norm bereits die 30-jährige Verjährungsfrist verstrichen, könne § 281 Abs 2 SGB VI nF wegen des verfassungsrechtlich normierten Verbots einer belastenden echten Rückwirkung auf Sachverhalte der Jahre 1970 bis 1972 nicht mehr angewandt werden. Zwar habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, auch die Vorgängervorschrift des § 124 Abs 4 AVG habe in gleicher Weise verstanden werden sollen; diese Vorschrift sei jedoch durch das BSG in ständiger Rechtsprechung anders ausgelegt worden. Bei dieser Sachlage könne das Anfügen des § 281 Abs 2 SGB VI nicht als "Klarstellung" iS einer "authentischen Interpretation" des Gesetzgebers verstanden werden.

Im Übrigen könne sich die Beklagte auch deshalb nicht auf § 281 Abs 2 SGB VI berufen, weil sie gegenüber dem Beigeladenen einen durch Verwaltungsakt durchsetzbaren Anspruch habe, für die streitige Zeit Versicherungsbeiträge zugunsten des Klägers zu zahlen. Zwar sei dieser zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Beklagte im Februar 2004 bereits verjährt gewesen; dem Beigeladenen sei eine Berufung auf die Einrede der Verjährung jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) verwehrt. Auch wenn für den vormaligen Dienstherrn des Klägers keine sofortige Verpflichtung zur Beitragsentrichtung bestanden habe, hätte der Beigeladene jedenfalls nach § 125 Abs 4 AVG durch Erteilung einer Aufschubbescheinigung über den konkreten Nachversicherungsfall informieren müssen. Dieser Verpflichtung sei der Beigeladene nicht nachgekommen. Damit habe er es pflichtwidrig verhindert, dass die Beklagte Kenntnis vom Eintritt des Nachversicherungsfalls erlangen und verjährungshemmende oder -unterbrechende Schritte habe unternehmen können.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 233, 281 SGB VI). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der über § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI hier anwendbare § 124 Abs 4 Satz 1 AVG, wonach "die nachzuentrichtenden Beiträge" als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gälten, besage nicht, dass die nachzuversichernden Zeiten in der Rentenversicherung Anrechnung fänden, ohne dass Beiträge hierfür entrichtet würden. In der praktischen Anwendung der Regelung vor 1992 sei unbestritten, dass Zeiten der Nachversicherung erst nach tatsächlicher Zahlung der Beiträge nach § 27 Abs 1 Buchst a AVG anrechnungsfähige Versicherungszeiten darstellten. Diese Praxis sei im Urteil des 4. Senats des BSG vom 16.8.1990 (4 RA 10/90 - SozR 3-2200 § 1232 Nr 2) bestätigt und schließlich mit § 281 Abs 1 Satz 2 SGB VI klarstellend in das Sozialgesetzbuch übernommen worden (BT-Drucks 15/2149 S 29). Auch die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG in seinen Entscheidungen zur Nachversicherung seit 1995 stehe der bisherigen Rechtsauffassung nicht entgegen, weil es in diesen entweder auf die Anrechnung von Beitragszeiten ohne Beitragszahlung nicht angekommen sei (BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 5) oder es sich um obiter dicta gehandelt habe (BSG SozR 3-2600 § 8 Nr 4 und 6; BSG SozR 3-2940 § 9 Nr 1 und BSG SozR 3-2600 § 181 Nr 1); in keinem dieser Verfahren habe es sich um die Anrechnung von Beitragszeiten ohne Beitragszahlung gehandelt (Hinweis auf Liebich, RVaktuell 3/2006, 108 ff). Soweit das LSG feststelle, die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Beigeladenen verstoße gegen Treu und Glauben, und sie (die Beklagte) habe ein Beitragsforderungsrecht, werde sie nunmehr einen entsprechenden Verwaltungsakt erlassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.4.2005 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt; er ist den Ausführungen der Beklagten beigetreten.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

II

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG entscheiden.

Die zulässige Revision der Beklagten hat auch Erfolg.

1. Ihr ausdrücklich gestellter Antrag, das Urteil des LSG vom 26.1.2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 22.4.2005 zurückzuweisen, ist allerdings anhand der Revisionsbegründung auszulegen. Denn hiernach wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision nicht gegen die Entscheidung des LSG in ihrer Gesamtheit.

Das LSG hat nämlich - ohne dass insoweit im Revisionsverfahren ein Verfahrensfehler gerügt worden wäre - das Begehren des Klägers als "zwei kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen" angesehen, zum einen auf "Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Feststellung der Nachversicherung" und zum anderen auf "Vormerkung der nachversicherten Zeit". Beiden Klagen hat es stattgegeben, wenn es auch im Tenor der Entscheidung unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide lediglich die Beklagte verurteilt hat, die streitige Zeit "als nachversicherte Zeit des Klägers vorzumerken". Es hat jedoch darüber hinaus in den Entscheidungsgründen, die zur Auslegung des Tenors ergänzend heranzuziehen sind, ausdrücklich die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen, "den Kläger (für die streitige Zeit) nach § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI zur Nachversicherung zuzulassen", also die Nachversicherung, wie es zuvor formuliert hat, "festzustellen". Gegen diese - logisch vorrangige - Verpflichtung wendet sich die Beklagte in ihrer Revision nicht, vielmehr vertritt sie dort lediglich die Auffassung, sie sei vor tatsächlicher Nachentrichtung der Beiträge nicht zur Vormerkung verpflichtet. Die Feststellung, der Kläger sei zur Nachversicherung zuzulassen, war auch nicht etwa zuvor unstreitig, sodass das LSG mit seinen hierauf bezogenen Äußerungen lediglich Selbstverständliches wiederholt hätte. Denn die Beklagte hatte den Antrag des Klägers insgesamt - und nicht etwa nur hinsichtlich seines Verlangens nach Vormerkung - abgelehnt. Sie hat auch nach ihren Ausführungen in der Revisionsbegründung erst aufgrund des LSG-Urteils gegenüber dem Beigeladenen einen Beitragsbescheid erlassen.

Auf dieser Grundlage ist der Revisionsantrag der Beklagten dahingehend zu verstehen, dass sie beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es sie verurteilt, die streitige Zeit als nachversicherte Zeit des Klägers vorzumerken, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG insoweit zurückzuweisen.

2. In diesem Umfang hat die Revision Erfolg. Der Kläger hat (noch) keinen Anspruch auf Vormerkung der streitigen Zeit als Pflichtbeitragszeit kraft Nachversicherung.

a) "Vormerkung" im Recht der Rentenversicherung bedeutet "Anerkennung" eines rentenrelevanten Tatbestands (BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6; Senatsurteil vom 1.2.2001 - B 13 RJ 37/00 R - BSGE 87, 269 = SozR 3-2600 § 58 Nr 16). Ihr Sinn und Zweck erschöpft sich nicht in der abstrakten Feststellung von Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten ohne jegliche Beziehung zur späteren Rentenfeststellung. Vielmehr werden mit der Vormerkung auf der Grundlage des geltenden Rechts Feststellungen über Tatbestände einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung getroffen, die grundsätzlich in den späteren Rentenbescheid und damit in die Rentenhöhe eingehen (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 6; BSGE 58, 49 = SozR 1300 § 45 Nr 15 und BSG Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 46/02 R - Juris; BSG Urteil vom 25.7.2001 - B 5 RJ 6/00 R - Juris; stRspr). Das in § 149 Abs 5 SGB VI besonders normierte Vormerkungsverfahren bezweckt mithin eine möglichst zeitnahe und verbindliche Feststellung von Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können (vgl BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG Urteil vom 27.1.1999 - B 4 RA 29/98 R - Juris). Werden Pflichtbeitragszeiten vorgemerkt, wird daher der Tatbestand einer pflichtversicherten Zeit anerkannt, also unstreitig gestellt; entsprechend dieser beweissichernden Funktion kann der Rentenversicherungsträger bei späterer Leistungsfeststellung nicht ohne Weiteres von der Vormerkung abweichen oder diese "aufheben" (BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6).

b) Vor Zahlung der entsprechenden Versicherungsbeiträge durch das beigeladene Land sind jedoch die Voraussetzungen einer solchen Vormerkung nicht erfüllt.

Zwar hat der Kläger - wie das LSG zutreffend ausführt - die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung im streitigen Zeitraum erfüllt. Denn gemäß § 233 Abs 1 Satz 1 SGB VI werden Personen, die vor dem 1.1.1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach dem jeweils geltenden, ua dem § 5 Abs 1 SGB VI sinngemäß entsprechenden Recht versicherungsfrei waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert, wenn sie ohne Anspruch auf Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind. Die Versicherungsfreiheit des § 5 Abs 1 Nr 1 SGB VI bezieht sich ua auf Beamte auf Probe sowie auf Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst. Dem entspricht sinngemäß § 6 Abs 1 Nr 2 und 3 AVG, wonach Beamte der Länder - auch solange sie für ihren Beruf ausgebildet werden - versicherungsfrei waren. Diese Tatbestandsvoraussetzungen treffen auf den Kläger zu, der zunächst im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an der Realschule und ab 1.2.1972 als Realschullehrer zur Anstellung als Beamter beschäftigt war. Seine Versicherungsfreiheit entfiel gemäß § 9 Abs 1 AVG mit dem unversorgten Ausscheiden aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des 31.7.1972.

Folge des Entfallens der Versicherungsfreiheit nach § 9 AVG war, dass der Arbeitgeber - der Beigeladene - gemäß § 124 Abs 1 Satz 1 AVG die Beiträge nach den Vorschriften zu entrichten hatte. Der Beigeladene bestreitet diese grundsätzliche Verpflichtung, die Nachversicherung durchzuführen, auch nicht; er beruft sich insoweit allein auf die Einrede der Verjährung. Deren Voraussetzungen sind jedoch im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu klären; sie betreffen allein die Durchführung der Nachversicherung und damit das bereits anhängige (ruhende) Verfahren vor dem SG Düsseldorf.

c) Entgegen der Ansicht des Klägers und des LSG führt die Fiktion des § 124 Abs 4 Satz 1 AVG, wonach die "nachzuentrichtenden" Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge galten, nicht dazu, dass Pflichtbeiträge ohne tatsächliche Beitragsentrichtung vorzumerken, dh in das Versicherungskonto des Berechtigten aufzunehmen waren. Auf den Akt der tatsächlichen Beitragsentrichtung wurde auch nach altem Recht nicht verzichtet. Zeiten der Nachversicherung stellten erst nach tatsächlicher Zahlung der Beiträge iS des § 27 Abs 1 Buchst a AVG anrechnungsfähige Versicherungszeiten dar. Nach dieser Vorschrift sind anrechnungsfähige Versicherungszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten. Sind aber Beiträge "nachzuentrichten", bedeutet dies, dass sie auch tatsächlich nachentrichtet werden müssen (BSGE 31, 177, 182 = SozR Nr 10 zu § 1303 Reichsversicherungsordnung; offen lassend BSGE 60, 154, 156 f = SozR 2200 § 1402 Nr 8).

Dieser Auslegung steht auch die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG nicht entgegen. Im Urteil vom 14.9.1995 (4 RA 118/94 - BSGE 76, 267 = SozR 3-2200 § 1232 Nr 5) geht der 4. Senat zwar auch von einer Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers aus, eine Pflichtbeitragszeit als Nachversicherungszeit "vorzumerken" (§ 149 Abs 5 SGB VI), führt dann aber aus, dass damit der grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens aus der versicherungsfreien Tätigkeit eintretende "Nachversicherungsfall" gemeint sei; dementsprechend hätten SG und LSG die Beklagte für "verpflichtet" gehalten, den Kläger nachzuversichern und die erforderlichen Beiträge einzuziehen. Unabhängig von der Frage, ob es dem 4. Senat des BSG in dieser Entscheidung nur darum gegangen ist, das Bestehen eines Nachversicherungsverhältnisses festzustellen, kann aus ihr nichts für den vorliegenden Fall hergeleitet werden. Denn eine Verpflichtung zur Einziehung der Nachversicherungsbeiträge haben im Fall des Klägers die Vorinstanzen nicht ausgesprochen; auch eine entsprechende Erweiterung des Streitgegenstands im Revisionsverfahren ist nicht möglich.

In seiner Entscheidung vom 29.7.1997 (4 RA 107/95 - SozR 3-2600 § 8 Nr 4) hat der 4. Senat des BSG ausgeführt (aaO S 8 f), der unversorgt Ausgeschiedene sei "(im Regelfall) 'kraft Gesetzes' nachversichert, ohne dass es hierfür rechtlich von Bedeutung (sei), ob der Arbeitgeber ... die Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger" zahle. Darüber hinaus halte der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung zum Nachversicherungsfall, zur Rechtsnatur des Nachversicherungsverhältnisses und zu den in dieser zusammengefassten - dreiseitigen - Rechtsbeziehungen fest (Hinweis auf BSG SozR 2400 § 124 Nr 6; SozR 3-2200 § 1402 Nr 1; SozR 3-2200 § 1232 Nr 3; BSGE 76, 267 = SozR 3-2200 § 1232 Nr 5; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 11; Urteile vom 21.7.1992 - 4 RA 16/91 -, vom 30.9.1993 - 4 RA 41/92 -, vom 15.12.1994 - 4 RA 66/93 - und vom 30.1.1997 - 4 RA 110/95 - jeweils mwN; Urteil des 5. Senats vom 18.9.1996 - 5/4 RA 77/94 -; SozR 3-2200 § 1232 Nr 6; ferner Urteil des 13. Senats vom 16.12.1993 - 13/5 RJ 7/90 -).

Weder im Urteil vom 29.7.1997 noch in allen dort zitierten Entscheidungen noch in den späteren Urteilen vom 23.3.1999 (B 4 RA 50/98 R - SozR 3-2940 § 9 Nr 1), vom 9.11.1999 (B 4 RA 58/98 R - SozR 3-2600 § 8 Nr 6) und vom 20.12.2001 (B 4 RA 38/01 R - SozR 3-2600 § 181 Nr 1) ist das BSG jedoch entscheidungserheblich davon ausgegangen, dass die nachzuversichernden Zeiten auch ohne Beitragszahlung (bzw ohne Verurteilung des Trägers zur Einziehung der Nachversicherungsbeiträge) wie Pflichtbeitragszeiten zu bewerten oder vorzumerken seien. Soweit der 4. Senat des BSG im Urteil vom 23.3.1999 (B 4 RA 50/98 R - SozR 3-2940 § 9 Nr 1 S 4) ausführt, der Rentenversicherungsträger müsse bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nachversicherung auf Antrag das Nachversicherungsverhältnis feststellen und den Tatbestand einer "nachversicherten" Beitragszeit vormerken, falls Aufschubgründe nicht entgegenstünden, gehören diese Ausführungen bereits deshalb nicht zu den tragenden Gründen, weil der Senat davon ausgegangen ist, dass es sich bei der dort zu beurteilenden Zeit schon dem Grunde nach nicht um ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 9 Abs 1 AVG gehandelt habe. Auch die Äußerung (Urteil vom 9.11.1999 - B 4 RA 58/98 R - SozR 3-2600 § 8 Nr 6 S 21), dass mit dem unversorgten Ausscheiden aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis "kraft Gesetzes der Nachversicherungsfall (eingetreten sei), der das gesetzliche Nachversicherungsverhältnis (begründet habe) ..., und zwar unabhängig davon, ob die Nachversicherungsbeiträge sogleich entrichtet wurden oder ob die Beitragsentrichtung aufgeschoben wurde", kann nicht dahingehend verstanden werden, dass unabhängig von einer tatsächlichen Beitragszahlung eine Pflichtbeitragszeit auch in bestimmter Höhe vorzumerken sei (so auch Liebich, RVaktuell 2006, 108, 110). Ebenso wenig führen andere Bemerkungen im Hinblick auf eine eingetretene Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge ("Von diesem Zeitpunkt an war die dortige Beschäftigte bei der BfA nachversichert." <BSG SozR 3-2600 § 181 Nr 1 S 7>) dazu, dass nachzuversichernde Zeiten ohne Beitragsentrichtung - fiktiv - wie Pflichtbeitragszeiten zu bewerten wären.

Damit aber bestand - entgegen der Annahme des LSG - vor Ergänzung des § 281 SGB VI durch einen Abs 2 im Jahre 2004 keine höchstrichterliche Rechtsprechung dahingehend, dass nachzuversichernde Beitragszeiten ohne tatsächliche Beitragszahlung anrechenbar oder vorzumerken waren. Entsprechend hat die Neuregelung die Rechtslage nicht geändert, sondern die bestehende Rechtslage bestätigt. Es handelte sich um eine reine Klarstellung, die der Gesetzgeber aufgrund bestehender Missverständnisse um die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgenommen hat. Eine Rückwirkungsproblematik besteht nicht.

Entgegen der Ansicht des LSG und des Klägers kann dieser vom beklagten Rentenversicherungsträger vor Zahlung der Beiträge mithin lediglich - wie vom LSG in den Entscheidungsgründen ausgesprochen - die Zulassung zur Nachversicherung im streitigen Zeitraum verlangen. Die weitergehende Klage kann keinen Erfolg haben.

d) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der weiteren Erwägungen des LSG, dem Rentenversicherungsträger müsse es verwehrt sein, sich gegenüber dem unversorgt ausgeschiedenen Nachzuversichernden auf § 281 Abs 2 SGB VI zu berufen, wenn er - wie nach Ansicht des LSG hier - die Beitragsforderung gegenüber dem ehemaligen Dienstherrn noch durchsetzen könne. In diesem Fall müsse sich der Träger so behandeln lassen, als wären die Beiträge bereits gezahlt. Denn sonst sei der unversorgt Ausgeschiedene rechtlos gestellt, weil dieser nach der Rechtsprechung des BSG keine Möglichkeit habe, die Durchführung der Nachversicherung zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem vormaligen Dienstherrn zu erzwingen.

Ob die Beitragsforderung der Beklagten gegen den Beigeladenen durchsetzbar ist oder ob sich das beigeladene Land gegenüber dem Rentenversicherungsträger auf Verjährung berufen kann, ist jedoch allein im "Durchführungsverhältnis" zu klären, hinsichtlich dessen bereits - wie oben erwähnt - ein Rechtsstreit vor dem SG Düsseldorf anhängig ist. Würde man der Ansicht des LSG folgen, wäre § 281 Abs 2 SGB VI ohne Regelungsgehalt. Denn diese Vorschrift kann nur so verstanden werden, dass sie die Vormerkung oder Anrechnung einer nachzuversichernden Zeit gerade verhindern will, solange noch keine Beiträge geflossen sind. Überdies ist der Kläger auch bei pflichtwidrig unterbliebener Nachversicherung innerhalb der Verjährungsfristen nicht rechtlos gestellt, weil er den ehemaligen Dienstherrn ggf auf Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge (vgl Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13.2.2007 - 14 ZB 06.3282 - Juris) in Anspruch nehmen kann.

Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass sich die - erfolgreiche - Revision der Beklagten nicht gegen die Feststellung des LSG wendet, der Kläger sei zur Nachversicherung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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