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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: B 13 RJ 33/01 R
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 34
SGB VI § 34 Abs 2 Satz 2
SGB VI § 43 Abs 2 Satz 4 Nr 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az: B 13 RJ 33/01 R

in dem Rechtsstreit

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 31. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Henke, die Richter Dr. Loytved und Dr. Neuhaus sowie die ehrenamtlichen Richter Freiherr Grote und Faupel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung von Altersrentenleistungen wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze.

Die am 28. August 1937 geborene Klägerin bezieht seit dem 1. September 1997 Altersrente (AlR) für Frauen (Bescheid vom 2. September 1997). Ab April 1999 nahm die Klägerin bei der Firma I. Gebäudereinigung (im Folgenden: Firma I. ) eine Beschäftigung auf. Im April 1999 blieb ihr Verdienst aus dieser Beschäftigung unter 630,00 DM. Im Mai 1999 erzielte die Klägerin bei 63 Arbeitsstunden einen Verdienst in Höhe von 1.019,20 DM (brutto) und im Juni 1999 bei 73,5 Arbeitsstunden in Höhe von 1.121,12 DM (brutto).

Die Beklagte wurde durch die Krankenkasse über die Beschäftigung der Klägerin unterrichtet und forderte von dieser zunächst die Lohnabrechnungen an. Anschließend hob sie - nach vorheriger Anhörung (Schreiben vom 27. August 1999) - mit Bescheid vom 20. September 1999 den Rentenbescheid vom 2. September 1997 für die Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 1999 mit der Begründung auf, der Klägerin habe für diesen Zeitraum wegen des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze von 630,00 DM nur eine Teilrente in Höhe von 2/3 der Vollrente zugestanden. Der überzahlte Betrag in Höhe von 889,62 DM sei zurückzuzahlen. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2000).

Mit Urteil vom 13. Dezember 2000 hat das Sozialgericht Düsseldorf (SG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die von der Beklagten eingelegte Berufung als unbegründet zurückgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

Das SG habe die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben, weil das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze in den Monaten Mai und Juni 1999 für den Bezug der Altersrente unschädlich gewesen sei. Die Klägerin habe die Hinzuverdienstgrenze von 630,00 DM lediglich in diesen Monaten um einen Betrag überschritten, der seinerseits nicht über 630,00 DM gelegen habe. Dieses zweimalige Überschreiten habe außer Betracht zu bleiben. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten, dass ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze lediglich dann unschädlich sei, wenn das über die Hinzuverdienstgrenze hinaus erzielte Entgelt aus einer einmaligen Zahlung von Arbeitsentgelt, wie zB Weihnachts- oder Urlaubsgeld, herrühre, ergebe sich nicht aus dem Wortlaut des § 34 Abs 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Soweit sich die Beklagte für ihre Ansicht auf die Auslegung des § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI und die dazu gegebene Gesetzesbegründung stütze, berücksichtige sie nicht, dass § 96a SGB VI nicht auf die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei einer Rente wegen Alters, sondern auf diejenigen bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zugeschnitten sei. Dagegen fänden sich in den Gesetzmaterialien zu § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI keine Hinweise auf die Lesart der Beklagten, die ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nur durch Einmalzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, zulassen wolle. Vielmehr solle mit der gesetzlichen Regelung gerade ein Fall wie der der Klägerin erfasst werden, die den allmonatlich zulässigen Hinzuverdienst zweimal aufgrund schwankender Arbeitsstunden überschritten habe. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte einfache Handhabung lasse ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze unabhängig davon zu, ob es sich dabei um Einmalzahlungen oder um Entgelte wegen besonders hoher Stundenzahl handele.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 34 SGB VI und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

§ 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI lasse ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nur zu, wenn diese Überschreitung auf einmalig gezahltem Entgelt, wie zB Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld, beruhe. Die Gesetzesbegründung zu § 43 Abs 2 Satz 4 Nr 2 SGB VI in der Fassung des Entwurfes zum Rentenreformgesetz 1999 (RRG 1999) stelle klar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur Einmalzahlungen von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Regelung eines zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze bis zum Doppelten des maßgeblichen Grenzwertes erfasst werden sollten. Zwar fehle für die Renten wegen Alters eine solche Klarstellung, aufgrund der gleichlautenden Formulierungen in § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI und in § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI sollten beide Vorschriften aber einheitlich ausgelegt werden. Auch wenn es sich bei § 96a SGB VI um die im Vergleich zu § 34 Abs 2 SGB VI jüngere Vorschrift handele, sei eine entsprechende Neuauslegung des § 34 Abs 2 SGB VI seit dem Inkrafttreten des § 96a SGB VI zum 1. Januar 1996 erforderlich geworden. Nach der Gesetzesbegründung beschränke § 96a SGB VI den zulässigen Hinzuverdienst auf Einkommensgrenzen entsprechend dem regelmäßigen Verdienst und begrenze die Überschreitungen des Hinzuverdienstes auf Sonderzahlungen. Anderenfalls stünde in Frage, ob durch einen aufgrund größerer Arbeitsleistung erzielten höheren Hinzuverdienst nicht auf ein Leistungsvermögen in einem Umfang zu schließen sei, der die Rentenzahlung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausschließe.

Entsprechend diesem Zweck habe der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) mit bindender Wirkung für seine Mitglieder folgenden Beschluss gefasst: "Bei wechselndem bzw schwankendem Hinzuverdienst neben Altersrenten oder Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist das zweimalige unschädliche Überschreiten bis zum Doppelten der eigentlichen Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI bzw § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI nur zulässig, wenn dies auf einmalig gezahltem Arbeitsentgelt beruht, also zB bei Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, nicht jedoch bei Überstundenvergütung oder saisonal bedingtem Mehrverdienst." Diesem Beschluss folge die Beklagte.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG vom 9. Mai 2001 sowie des SG vom 13. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG, das die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat, zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. September 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2000, mit dem die Beklagte wegen Eintritts einer von ihr im Vergleich zu dem Rentenbescheid vom 2. September 1997 angenommenen wesentlichen Änderung für die Monate Mai und Juni 1999 an Stelle der bis dahin gezahlten Vollrente nur eine Zwei-Drittel-Rente wegen Alters festgesetzt und den daraus resultierten Differenzbetrag zurückgefordert hat, greift rechtswidrig in die Rechtsposition der Klägerin ein. Der von der Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1999 erzielte Hinzuverdienst rechtfertigt nicht die Feststellung einer wesentlichen Änderung iS von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), sodass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Altersrente als Vollrente unberührt geblieben ist.

Der Einfluss von Hinzuverdienst auf den Bezug von Altersrente richtet sich nach § 34 Abs 2 und 3 SGB VI, der mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung vom 18. Dezember 1989 (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992, BGBl I 1989, 2261) eingeführt worden ist und die bis dahin nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltende Regelung betreffend Hinzuverdienstmöglichkeiten beim Bezug von Altersruhegeld (ARG) abgelöst hat. Anzuwenden ist vorliegend § 34 Abs 2 und 3 SGB VI in der aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung vom 24. März 1999 (BGBl I 388) ab 1. April 1999 geltenden und mit Wirkung vom 1. Januar 2000 erneut geänderten Fassung (vgl Art 1 Nr 13 RRG 1999 vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2998).

Nach § 34 Abs 2 SGB VI besteht Anspruch auf eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (Satz 1). Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit im Monat die in Abs 3 dieser Vorschrift genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs 3 im Laufe eines jeden Jahres seit Rentenbeginn außer Betracht bleibt (Satz 2). Gemäß § 34 Abs 3 Nr 1 SGB VI beträgt bei einer Rente wegen Alters als Vollrente die Hinzuverdienstgrenze 630,00 DM.

Nach den vom LSG getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hatte die damals 61 Jahre alte Klägerin neben ihrer als Vollrente gewährten AlR im Mai 1999 einen Hinzuverdienst von 1.019,20 DM (brutto) und im Juni 1999 von 1.121,12 DM (brutto), nachdem sie im April 1999, dem ersten Monat der Beschäftigung, unter der Hinzuverdienstgrenze von 630,00 DM geblieben war. Der höhere Hinzuverdienst in den Monaten Mai und Juni 1999 beruhte auf einer größeren Arbeitsstundenzahl. Mit diesem zweimaligen Hinzuverdienst über der 630-DM-Grenze hat die Klägerin die für eine Rentenunschädlichkeit maßgebenden Grenzbeträge des § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI weder der Anzahl noch der Höhe nach überschritten.

Dies ergibt sich zunächst aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI. In seinem ersten Halbsatz stellt § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI klar, dass die Verdienstgrenze generell nicht überschritten wird, wenn Arbeitentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit im Monat die in Abs 3 genannten Beträge nicht übersteigt. Welche Einkünfte des Versicherten als Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen anzusehen sind, richtet sich nach ganz allgemeiner Auffassung nach § 14 bzw § 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (<SGB IV>, siehe hierzu für viele: Niesel in Kasseler Komm, § 34 SGB VI, RdNr 10 ff; Klattenhoff in Hauck, SGB VI, § 34 RdNr 6, 9; Grüner/Dalichau, Gesetzliche Rentenversicherung, § 34 S 9 f; Kramer, DAngVers 1990, 58, 65; siehe auch BSG SozR 3-2600 § 34 Nr 1, 3). Nach § 14 Abs 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Angewandt auf den vorliegenden Fall unterliegt es keinem Zweifel, dass der gesamte Hinzuverdienst der Klägerin Arbeitsentgelt iS dieser Vorschrift darstellt.

Während somit nach § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI ein jeglicher von dem Arbeitsentgeltbegriff des § 14 SGB IV erfasster monatlicher Hinzuverdienst im dort genannten Umfang den Anspruch auf die betreffende Rente generell nicht berührt, bestimmt § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI, dass ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe des Hinzuverdienstes nach Abs 3 außer Betracht bleibt, dh anders ausgedrückt, der jeweilige Rentenanspruch bleibt auch dann bestehen, wenn zweimal im Jahr die regelmäßige Hinzuverdienstgrenze bis zum Doppelten dieses Betrages überschritten wird. Angesichts dieses Regelungszusammenhanges kann nicht davon ausgegangen werden, dass in Halbsatz 2 dieser Vorschrift ein anderer Hinzuverdienstbegriff zugrunde gelegt ist als in Halbsatz 1. Allein der Umstand, dass pro Jahr ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze möglich ist, erlaubt nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Einengung dieses unschädlichen weiteren Hinzuverdienstes auf so genannte Sonderzuwendungen bzw Einmalzahlungen (so aber Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 34 SGB VI Anm 3c <Stand der Bearbeitung: Januar 2000>; o.V., MittLVA Oberfr 2001, 466, 468, 472).

Auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 34 SGB VI ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Beklagten. Nach der Gesetzesbegründung soll mit § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI einerseits den Bedürfnissen der Praxis Rechnung getragen und andererseits ermöglicht werden, Arbeitsverträge so auf die Hinzuverdienstgrenzen abzustellen, dass diese unabhängig von den Schwankungen bei den Arbeitsstunden eingehalten werden und ein Jahresausgleich gefunden wird (Fraktionsentwurf-RRG zu § 34 in BT-Drucks 11/4124 S 161; siehe dazu auch Niesel in Kasseler Komm, § 34 SGB VI RdNr 20; Klattenhoff in Hauck, SGB VI, § 34 RdNr 11 Fußnote 37). Die Einräumung der Möglichkeit, zweimal im Jahr die Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs 3 SGB VI folgenlos überschreiten zu können, mag zwar auch ihren Grund in der Überlegung gehabt haben, dass häufig bei regelmäßigen Beschäftigungsverhältnissen zweimal im Jahr tariflich vorgesehene Sonderzahlungen erfolgen, die ohne diese Ausnahmeregelung jeweils zur Aufhebung des Anspruchs auf Altersrente führen müssten, wenn dadurch die regelmäßige Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI überschritten wird. Da eine Sonderzahlung üblicherweise nicht den Betrag des monatlichen Arbeitsentgelts überschreitet, sorgt mithin die Regelung des § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI dafür, dass bei Versicherten, deren laufendes Arbeitsentgelt die Hinzuverdienstgrenze einhält, der Altersrentenanspruch in der Regel durch zwei Sonderzahlungen pro Jahr nicht berührt wird. Gleichwohl haben diese Überlegungen weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung zu § 34 SGB VI ihren Niederschlag gefunden. Jedenfalls sind insoweit keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ausschließlich eine Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze durch Sonderzahlungen unschädlich sein sollte, die Vergünstigung des § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI jedoch nicht für ein aus anderen Gründen (zB infolge von Mehrarbeit) erhöhtes Arbeitsentgelt bestimmt sein könnte.

Ebenso wenig spricht die "Vorgeschichte" des § 34 SGB VI, der - in allerdings stark veränderter Form - an die Hinzuverdienstgrenzen nach dem Recht der RVO anknüpft, für die von der Beklagten vorgenommene Auslegung. Nach § 1248 RVO galten für Altersruhegelder vor Vollendung des 65. Lebensjahres unterschiedliche Hinzuverdienstgrenzen; eine Beschränkung von bestimmten Hinzuverdienstmöglichkeiten lediglich auf Sonderzuwendungen kannte die RVO nicht (vgl zum früheren Recht: Niesel, aaO <Ablageordner>, § 1248 RVO RdNr 23 ff; Niesel, aaO, § 34 SGB VI RdNr 7; VerbKomm <Stand: 1. Januar 1991>, § 1248 RVO RdNr 21 ff; Kramer, DAngVers 1990, 58, 66 f; siehe auch Klattenhoff, aaO, § 34 RdNr 9; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, SGB VI, 3. Aufl, § 34 RdNr 14 ff).

Auch bei den der Einführung des § 34 SGB VI nachfolgenden Änderungen dieser Vorschrift sah der Gesetzgeber offenbar keinen Anlass, eine Korrektur dahingehend vorzunehmen, dass das zweimalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nur durch Sonderzahlungen möglich sein solle. So diente die Änderung des § 34 Abs 2 Satz 1 SGB VI durch das Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze (SGB VI-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824) der Klarstellung, dass die Einhaltung der Verdienstgrenze unmittelbar den Altersrentenanspruch berührt (vgl BT-Drucks 13/3150 S 41 zu Nr 5 Buchstabe a; so auch BSG SozR 3-2600 § 34 Nr 1). Die Neufassung des § 34 Abs 2 SGB VI durch das RRG 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2998) brachte lediglich insoweit eine Änderung und Angleichung an die Regelung des § 96a SGB VI, als nunmehr auch bei den Altersrenten für den Hinzuverdienst auf das Kalenderjahr an Stelle wie bisher auf das sog Rentenjahr (= Jahr ab Rentenbeginn) abgestellt wird (vgl hierzu Klattenhoff, aaO, § 34 RdNr 9b; Kramer, DAngVers 1998, 158, 169). Schließlich hat die - hier noch nicht anwendbare - zum 1. Januar 2000 wirksam gewordene, erneute Änderung des § 34 Abs 2 SGB VI die bisherige Möglichkeit, den Hinzuverdienst zweimal jährlich um das Doppelte überschreiten zu können, unverändert gelassen.

Die Auffassung der Beklagten, das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen bis zum Doppelten sei nur dann rentenunschädlich, wenn der erlaubte regelmäßige Hinzuverdienst durch so genannte Sonderzahlungen überschritten werde, wurde auch bis zur Einführung des § 96a SGB VI durch das SGB VI-ÄndG vom 15. Dezember 1995 - soweit erkennbar - weder in der Literatur noch von den Rentenversicherungsträgern vertreten (vgl Klattenhoff, aaO, § 34 RdNr 11 Fußnote 37 und 38 <Bearbeitungsstand: 46. Lfg III/1999>; Berliner Kommentar, SGB VI, Bd IV, § 34 RdNr 7; Lilge in Gesamtkommentar - Gesetzliche Rentenversicherung -, § 34 Anm 3c <Bearbeitungsstand: Dezember 1994>; Löns in Kreikebohm, SGB VI, § 34 RdNr 6 ff; VerbKomm, § 34 SGB VI RdNr 4, 11 <Stand der Bearbeitung: 1. Juli 1992 bzw 1. Juli 1993>; siehe auch Arbeitsanweisungen der Rentenabteilung in MittLVA Rheinprovinz 1991, 283, 285). Teilweise wird sogar ausdrücklich die Zielsetzung der Regelung, Schwankungen bei der Stundenzahl auszugleichen, betont (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, aaO, § 34 RdNr 38; Schulin in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 3 <Rentenversicherungsrecht>, 1999, § 39 RdNr 160).

Entgegen der Ansicht der Beklagten verlangt der zum 1. Januar 1996 aufgrund des SGB VI-ÄndG in Kraft getretene § 96a SGB VI keine Änderung der bislang zu § 34 Abs 2 SGB VI vertretenen Rechtsauffassung (so aber Kramer, DAngVers 1998, 158, 170). Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob hinsichtlich der Auslegung des § 96a SGB VI der vor allem von den Rentenversicherungsträgern vertretenen Auffassung zu folgen wäre, dass Beziehern von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nur durch Einmal- bzw Sonderzahlungen erlaubt sei (Gillich, MittLVA Oberfr 2001, 313, 317, 327; o.V., MittLVA Oberfr 1998, 470, 476, 479 und ebenda 2000, 82, 91; siehe auch Kamprad in Hauck, SGB VI, § 96a RdNr 33 <Bearbeitungsstand: 45. Lfg I, 99). Dies erscheint durchaus fraglich, weil der Wortlaut des § 96a Abs 1 SGB VI insoweit nicht von dem des § 34 SGB VI abweicht. Da § 34 SGB VI im Vergleich zu § 96a SGB VI die ältere Vorschrift ist und bis zur Einführung des § 96a SGB VI nicht in dem einschränkenden Sinne verstanden wurde, läge es näher, die insoweit gleichlautende Vorschrift des § 96a Abs 1 SGB VI ebenso auszulegen wie bislang den § 34 Abs 2 SGB VI.

Jedenfalls fehlt es an jeglichem gesetzlichen Hinweis auf eine Übertragung der von der Beklagten zu § 96a SGB VI vorgenommenen Auslegung auf § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI. Wäre eine derartige Beschränkung der Zulässigkeit eines zweimaligen erhöhten Hinzuverdienstes auf Sonderzahlungen (auch) für § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI beabsichtigt gewesen, hätte es einer ausdrücklichen Klarstellung in dieser Vorschrift bedurft.

Die Beklagte stützt sich für ihre Auffassung auch nicht auf den Wortlaut des § 96a SGB VI, sondern auf die Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (so auch Kramer, DAngVers 1998, 158, 170), wonach sich die Neureglung der Erwerbsminderungsrenten unmittelbar auf das bisher geltende Recht zur Berücksichtigung des Hinzuverdienstes bei der Bestimmung der Leistungshöhe einer Erwerbsminderungsrente beziehe. Die Möglichkeit des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze beschränke sich auf Monate mit "Einmalzahlungen" durch Arbeitgeber, wie zB Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, bestehe dagegen nicht bei zusätzlichen Verdiensten für Mehrarbeit (BT-Drucks 13/8011 zu Art 1 Nr 17 <§ 43 SGB VI> zu Abs 2, S 55). Abgesehen davon, dass diese Absicht des Gesetzgebers im Wortlaut des § 96a SGB VI keinen Niederschlag gefunden hat, erscheint die Gesetzesbegründung insoweit in sich nicht stimmig. Wie bereits ausgeführt, kannte das bis zur Einführung des § 96a SGB VI geltende Recht bei der Berücksichtigung von Hinzuverdiensten keine irgendwie geartete Beschränkung auf Sonder- bzw Einmalzahlungen, sodass der Hinweis auf das "bisher geltende Recht" in der Gesetzesbegründung in diesem Punkt keine Basis hat.

Allerdings mag es Gründe für eine solche Einschränkung - auch wenn sie im Gesetzestext nicht zum Ausdruck gekommen sind - in Bezug auf § 96a Abs 1 SGB VI geben, weil nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dass ein über der allgemeinen Grenze des § 96a Abs 2 SGB VI liegender Hinzuverdienst, der auf tatsächlicher Mehrarbeit beruht, eventuell ein Indiz für ein stärkeres Leistungsvermögen sein kann, als bei der Rentengewährung zugrunde gelegt worden ist. Es kann hier dahinstehen, ob dieser Gesichtspunkt für die von der Beklagten zu § 96a Abs 1 SGB VI vertretene Auslegung wirklich tragfähig ist, jedenfalls kann er bei der Auslegung des § 34 Abs 2 SGB VI nicht durchgreifen (s aber Kramer, DAngVers 1998, 158, 170). Nach dem Willen des Gesetzgebers dienen die flexiblen Altersgrenzen zumindest auch dazu, den Versicherten einen gleitenden Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen (so auch Kramer, DAngVers 1990, 58, 64). Gerade die Altersrente für Frauen und die Altersrente wegen vorangegangener Arbeitslosigkeit knüpfen letztlich in keiner Weise an die Erwerbsfähigkeit der Versicherten an. Es bleibt allein deren Entscheidung vorbehalten, ob sie von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen, bereits vor dem 65. Lebensjahr in Ruhestand zu gehen. Mithin kann ein Versicherter, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, Altersrente beziehen, ohne dass es auf die Frage des Leistungsvermögens bzw der Erwerbsfähigkeit ankommt. Die Festsetzung der Hinzuverdienstgrenzen dient bei der vorzeitigen und/oder teilweisen Inanspruchnahme von Altersrente daher im Wesentlichen dazu, eine "Überversorgung" zu verhindern, indem der Versicherte sich entscheiden muss, ob er weiterhin in vollem oder hohem Umfang weiterarbeitet und seinen Unterhalt wesentlich durch Erwerbstätigkeit bestreitet oder von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht, die Erwerbstätigkeit ganz oder in gewissem Umfang zu beenden und eine als Ersatz für das Erwerbseinkommen gedachte Altersrente zu beziehen. Dagegen hat der in seiner Erwerbsfähigkeit geminderte Versicherte in aller Regel nicht diese Entscheidungsfreiheit, da er nur noch im Rahmen seiner Restleistungsfähigkeit erwerbstätig sein kann. Damit geht das auf § 96a SGB VI bezogene Argument, ein Hinzuverdienst bis zum Doppelten, der auf Mehrarbeit beruhe, sei ein Indiz für ein rentenschädliches Leistungsvermögen, hinsichtlich der Hinzuverdienstregelungen bei den Altersrenten fehl.

Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass auch die einerseits mit § 34 Abs 2 und andererseits mit § 96a Abs 1 SGB VI verbundenen Rechtsfolgen unterschiedlich sind, wenn die zulässigen Hinzuverdienstgrenzen überschritten werden. Nach § 34 Abs 2 Satz 1 SGB VI wird hierdurch unmittelbar der Rentenanspruch berührt, während bei der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Hinzuverdienst nur Auswirkungen auf die Rentenhöhe haben kann (Niesel in Kasseler Komm, § 34 SGB VI RdNr 5; Grüner/Dalichau, Gesetzliche Rentenversicherung, § 34 S 2b, 4a; o.V., MittLVA Oberfr 1998, 470, 471; ebenda 2000, 82, 84). Dies spricht ebenfalls gegen eine undifferenzierte Übernahme einer zu § 96a SGB VI gefundenen Auslegung in den Anwendungsbereich des § 34 Abs 2 SGB VI.

Schließlich würde die von der Beklagten vorgenommene Auslegung zu systematischen Brüchen und Konsequenzen führen, die nur schwer mit dem übrigen Regelungsgehalt des § 34 Abs 2 Satz 2, 3, 4 SGB VI zu vereinbaren wären. Während nach § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen hinsichtlich der Hinzuverdienstregelungen gleichbehandelt werden, würde die Möglichkeit des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen in Halbsatz 2 für Selbstständige leer laufen (so aber ausdrücklich Brachmann, RV 1999, 161, 172, der betont, dass die Regelung des § 34 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI grundsätzlich nur für Arbeitnehmer gelte; Gillich, MittLVA Oberfr 2001, 313, 327, 328; o.V., MittLVA Oberfr 2001, 466, 468; Arbeitsanweisung der BfA, § 34 Abs 2 SGB VI Nr 4.2; aA Niesel, aaO, § 34 SGB VI RdNr 27; dagegen wird die Anwendung der Überschreitensregelung auch für Selbstständige bzw durch Arbeitseinkommen ausdrücklich hervorgehoben von Lilge, aaO, § 34 Anm 3c), weil Selbstständige in aller Regel nicht in den Genuss derartiger (tariflicher) Sonderzuwendungen kommen. Genauso gravierend wäre zudem die aus der Auffassung der Beklagten resultierende Ungleichbehandlung solcher Arbeitnehmer, die Anspruch auf Zahlung von Sonderzuwendungen haben, gegenüber denjenigen, die ohne solche Ansprüche zweimal jährlich die regelmäßigen Verdienstgrenzen durch Mehrarbeit überschreiten.

Gegenüber diesen Gesichtspunkten vermag der Gedanke der Verwaltungspraktikabilität nicht durchzugreifen. Dass die gesetzliche Regelung in ihrer praktischen Durchführung erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten kann, ist nachvollziehbar (vgl hierzu schon Kramer, DAngVers 1990, 58, 67). Dagegen ist nicht einsichtig, weshalb die hier vertretene Lösung in der Verwaltungspraxis zu größeren Belastungen führen soll als die Auffassung der Beklagten. Würde ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nur aufgrund von Sonderzuwendungen rentenunschädlich sein, müsste bei jedem Überschreiten der regulären Hinzuverdienstgrenze geprüft werden, ob diesem Mehrverdienst eine Sonderzuwendung zugrunde liegt oder nicht. Jeder auf einer vorübergehenden Erhöhung der Arbeitsstundenzahl beruhende Mehrverdienst könnte damit bereits zum Wegfall der jeweiligen AlR führen. Ist ein zweimaliges Überschreiten durch jede Art von Entgelt zulässig, genügt dagegen die Überprüfung, ob von dem Versicherten die zulässigen Grenzen eingehalten worden sind, ohne zusätzlich klären zu müssen, worauf dieser Mehrverdienst jeweils beruht. Darüber hinaus führt die Ansicht der Beklagten naturgemäß häufiger als die vom Senat vorgenommene Gesetzesauslegung zu Neufeststellungs- und Rückforderungsbescheiden, was ebenfalls mit erhöhtem Verwaltungsaufwand verbunden ist.

Abgesehen davon sind die Rentenversicherungsträger nicht berechtigt, von sich aus die gesetzliche Regelung des § 34 Abs 2 Satz 2 SGB VI in der Rechtsanwendungspraxis zu korrigieren, um den Verwaltungsaufwand zu verringern, auch wenn dieser insbesondere bei der Prüfung der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen bei Selbstständigen erheblich sein kann (vgl aber die Vorschläge zur praktischen Umsetzung der Hinzuverdienstregelung bei Arbeitseinkommen von Selbstständigen bei Kramer, DAngVers 1990, 58, 67; Niesel in Kasseler Komm, § 34 SGB VI RdNr 27; Grüner/Dalichau, Gesetzliche Rentenversicherung <SGB VI>, § 34 S 25; Löns in Kreikebohm, SGB VI, § 34 RdNr 10). Solange das Gesetz ein zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen bis zum Doppelten durch Arbeitentgelt oder Arbeitseinkommen vorsieht, ist es der Verwaltung nicht gestattet, diese Möglichkeit nur auf abhängig Beschäftigte und bei diesen nur auf den Hinzuverdienst durch Sonderzahlungen zu beschränken. Demzufolge ist es der Beklagten auch verwehrt, sich auf einen Beschluss des VDR (s dazu Prestel Nachrichtenbl LVA Baden 2000, 1, 4; vgl insoweit zB auch die Arbeitsanweisung der BfA, SGB VI, § 34 Abs 2 Nr 4.1, 4.2) zu berufen, der eine entsprechende Verfahrensweise vorsieht, "um eine Gleichbehandlung aller Versicherten" zu gewährleisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Ende der Entscheidung

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