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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: B 13 RJ 43/03 R
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 15
SGB VI § 96a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 17. Februar 2005

Az: B 13 RJ 43/03 R

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Terdenge und Dr. Neuhaus sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schneider und Hannig

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist die Rückforderung von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) aufgrund Anrechnung einer an einen früheren selbständigen Vermittler gezahlten Rente wegen BU aus dem Vertreterversorgungswerk (VVW) der Allianz Versicherungs-AG.

Der im Jahre 1945 geborene Kläger war bis Mai 1978 rentenversicherungspflichtig. Ab Juni 1978 leistete er freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Zuletzt war als Vermittler von Versicherungen sowie als Betreiber einer Lotto-Toto-Annahmestelle tätig. Seinen Gewerbebetrieb als Vermittler von Versicherungen meldete er zum 1. Juni 1999 ab.

Im Januar 1997 beantragte er Rente wegen BU/Erwerbsunfähigkeit und legte eine Einkommensschätzung seines Steuerberaters vor, wonach sich sein Jahresgewinn 1997 aus Gewerbebetrieb (Versicherungsvertretungen) voraussichtlich auf DM 13.000,-- belaufen werde. Mit Bescheid vom 19. September 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine voll auszuzahlende Rente wegen BU auf Zeit ab 1. August 1997 bis 31. Dezember 1999.

Im September 1999 legte der Kläger der Beklagten den Einkommensteuerbescheid für 1997 vor, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von DM 35.482,-- auswies. Nach der im März 2000 vorgelegten vorläufigen Berechnung des Steuerberaters würden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1998 voraussichtlich DM 40.664,-- betragen. Mit Bescheid vom 30. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2000 hob die Beklagte nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Bewilligung der Rente wegen BU von August 1997 bis Mai 1999 in voller Höhe auf und stellte eine Überzahlung in Höhe von DM 14.916,88 fest, da alle Hinzuverdienstgrenzen überschritten seien.

Im Widerspruchsverfahren hatte der Kläger ein Schreiben der Allianz Versicherungs-AG vom 16. Dezember 1997 vorgelegt, wonach er ab Dezember 1997 aus deren VVW eine Rente wegen BU in Höhe von DM 1.647,-- monatlich erhalte. Die Allianz Versicherungs-AG teilte der Beklagten ergänzend mit, die Rente wegen BU aus dem VVW sei eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung der Allianz-Gesellschaften; als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit sei sie gemäß § 24 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtig. Weiter hatte der Steuerberater des Klägers mitgeteilt, in dem steuerpflichtigen Betrag von 1998 seien DM 23.058,-- als VVW-Rente enthalten, der Rest von DM 17.606,-- sei Gewinn aus der Lotto-Toto-Annahmestelle; nach dem Einkommensteuerbescheid 1999 belaufe sich das Einkommen aus Gewerbebetrieb auf DM 41.401,--, wobei DM 19.764,-- auf die VVW-Rente entfielen, der Rest stelle Einnahmen aus der Lotto-Toto-Annahmestelle dar.

Das Sozialgericht Landshut (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2002). Im Verfahren über die Berufung der Beklagten haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass der Bescheid vom 25. Oktober 2000 wegen der Überzahlung für den Zeitraum von Juni 1999 bis November 2000 nicht Gegenstand des Verfahrens sein solle. Der Kläger hat weiter erklärt, dass die Anrechnung der Einnahmen aus der Lotto-Toto-Annahmestelle auf die Rente wegen BU nicht im Streit stehe. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat antragsgemäß - unter Klageabweisung im Übrigen - den Gerichtsbescheid des SG insoweit aufgehoben, als darin der Bescheid der Beklagten vom 30. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2000 in vollem Umfang aufgehoben worden ist; es hat diesen Bescheid nur insoweit abgeändert und der Klage dagegen stattgegeben, als er auf die Hinzuverdienstgrenze die Bezüge aus dem VVW anrechnet, und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 8. Juli 2003). Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Die Rückforderung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze aufgrund der Einnahmen aus der Lotto-Toto-Annahmestelle sei rechtmäßig. Dies sei angesichts der im Berufungsverfahren gestellten Anträge auch nicht mehr streitig. Zu Unrecht habe die Beklagte jedoch die Rente wegen BU aus dem VVW auf die Rente wegen BU angerechnet. Die Rente aus dem VVW sei weder Arbeitsentgelt noch -einkommen. Zwar werde in der Literatur die Ansicht vertreten, dass § 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) die volle Parallelität zum Steuerrecht herstellen wolle. Danach wäre die Rente aus dem VVW anzurechnen, weil sie als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 24 EStG versteuert werde. Dieser Ansicht könne aber nicht gefolgt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, der Regelung des § 15 SGB IV könne nicht entnommen werden, dass eine steuerrechtliche Qualifizierung bestimmter Einkünfte als einer der sieben Einkunftsarten des § 2 EStG auch darüber entscheide, ob von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen sei (Bezug auf SozR 3-2400 § 15 Nr 6). Wenn bereits die weiterreichende Anrechnungsvorschrift des § 18a SGB IV Bezüge aus privater Versorgung von der Anrechnung ausnehme, müsse dies umso mehr für § 96a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) gelten. Die Parallelität von steuerrechtlichem Gewinn und Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV setze voraus, dass jemand selbständig tätig sei und aus dieser selbständigen Tätigkeit einen steuerrechtlichen Gewinn erziele. Die von der Allianz Versicherungs-AG gezahlten Versorgungsbezüge resultierten nicht aus einer selbständigen Tätigkeit, sie knüpften vielmehr an die Beendigung dieser selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter an. Einkünfte gefährdeten den Rentenanspruch nicht, wenn sie ihre Grundlage nicht in einer während des Rentenbezugs zeitgleich ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit hätten. Dies gelte insbesondere für Betriebsrenten wie die hier streitige. Auch die Rentenversicherungsträger seien der Auffassung, dass nach Beendigung der selbständigen Tätigkeit noch zufließende Beträge, die bereits während der Ausübung der selbständigen Tätigkeit erwirtschaftet wurden, von der Anrechnung auszunehmen seien. Weshalb Vergleichbares nicht auch für Renten gelten sollte, die auf privatrechtlicher Basis erwirtschaftet würden, sei nicht erkennbar. Die Einkünfte aus dem VVW erhalte der Kläger nicht wegen einer weiteren Erwerbstätigkeit, sondern gerade wegen seiner Erwerbsminderung nach Aufgabe der selbständigen Tätigkeit.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 96a SGB VI iVm § 15 SGB IV. Zur Begründung trägt sie vor: Nach dem im Rahmen des § 96a SGB VI anwendbaren § 15 Abs 1 Satz 2 SGB IV sei aus verwaltungsökonomischen Gründen eine volle Parallelität des Einkommensteuerrechts mit dem Sozialversicherungsrecht beabsichtigt. Auch Sinn und Zweck der Hinzuverdienstgrenze spreche gegen die Rechtsauffassung des LSG. Die Rente wegen BU habe Entgeltersatzfunktion in dem Sinne, dass der durch die Erwerbsminderung eingetretene Einkommensverlust zumindest teilweise ausgeglichen werden solle. Es solle jedoch verhindert werden, dass durch den Bezug von mehreren Einkommensarten mehr Einkommen erzielt werde als vor dem Bezug der Rente wegen BU bei noch nicht eingetretener Erwerbsminderung. Dabei müsse außer Betracht bleiben, ob Einkommen unmittelbar durch die Ausübung der selbständigen Tätigkeit erzielt werde oder mittelbar durch die Leistungen des Versorgungswerks, die als Surrogat des vorher erzielten Einkommens anzusehen seien; entscheidend sei die selbständige Tätigkeit als Anknüpfungspunkt für die erbrachte Rente wegen BU. Die gleiche Wertung treffe das Steuerrecht in § 24 EStG.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 2003 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 14. Juni 2002 auch im Übrigen aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die Revision ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist keine Entscheidung darüber möglich, ob, ggf inwieweit, die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 30. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2000 begründet ist.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist dieser Bescheid nur insoweit, als die Beklagte hiermit die Bewilligung der Zahlung der Rente wegen BU für den Zeitraum von August 1997 bis Mai 1999 auch insoweit aufgehoben und die Überzahlung zurückgefordert hat, als diese aus der Einbeziehung der Rente aus dem VVW des Klägers in die Berechnung des Hinzuverdienstes nach § 96a SGB VI folgt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem entsprechend eingeschränkten Antrag des Klägers im Berufungsverfahren, sondern auch daraus, dass er gegen das (Grund-) Urteil des LSG kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Hinsichtlich der Frage, ob eine nach Betriebsaufgabe an einen früheren Versicherungsvermittler gezahlte VVW-Rente als Hinzuverdienst auf dessen Rente wegen BU anzurechnen ist, stimmt der Senat der Argumentation des LSG im Grundsätzlichen zu.

Die Anrechnung von Hinzuverdienst auf die Rente wegen BU richtet sich im vorliegenden Fall nach § 43 Abs 5 iVm § 96a SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, weil die Rente wegen BU für einen vor diesem Stichtag liegenden Zeitraum betroffen ist.

Durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (SGB VI-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824), in Kraft getreten am 1. Januar 1996 (im Folgenden: SGB VI aF), wurde dem § 43 SGB VI ein Absatz 5 angefügt. Danach wird eine Rente wegen BU abhängig vom erzielten Hinzuverdienst (§ 96a Abs 2 Nr 2) in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet. Nach § 96a Abs 1 Satz 1 und 2 SGB VI aF (ebenfalls eingefügt durch das SGB VI-ÄndG vom 15. Dezember 1995) wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird jedenfalls dann nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt. Die Beklagte ist der Ansicht, bei der VVW-Rente handele es sich insoweit um Arbeitseinkommen.

Da § 96a Abs 1 SGB VI keine nähere Bestimmung darüber enthält, welche Einnahmen als "Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit" zu werten sind, eine solche Definition jedoch in § 15 SGB IV enthalten ist, ist für die nähere Bestimmung dieses Begriffs auf § 15 SGB IV zurückzugreifen, der über § 1 SGB IV auch für die Rentenversicherung gilt. Maßgeblich ist hier die ab 1. Januar 1995 geltende Fassung des § 15 SGB IV idF des Agrarsozialreformgesetzes 1995 vom 29. Juli 1994 (BGBl I S 1890, vgl Art 3 Nr 2). Mit dieser Neufassung wurde unter Beibehaltung des bisherigen § 15 Satz 1 der bisherige § 15 Satz 2 durch den neuen Abs 1 Satz 2 ("Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist") ersetzt und ein - hier nicht weiter interessierender - Absatz 2 angefügt.

Nach diesen Vorschriften ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die steuerrechtliche Zuordnung nicht nur für die Höhe des als Arbeitseinkommen zu wertenden Einkommens, sondern auch für die Bewertung von Einkünften als Arbeitseinkommen (aus selbständiger Tätigkeit) maßgeblich sein soll (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 7. Oktober 2004 - B 13 RJ 13/04 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Zu Recht weist insoweit die Beklagte darauf hin, dass die vom Kläger ab Dezember 1997 bezogene VVW-Rente steuerlich zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG) zählt, die grundsätzlich als Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit iS von § 15 SGB IV zu bewerten sind (vgl Seewald in KasselerKomm, § 15 SGB IV RdNr 3). Dies ergibt sich aus § 24 Nr 2 EStG; hiernach gehören zu den Einkünften iS des § 2 Abs 1 EStG "auch ... Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1 bis 4 EStG". Wie in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, fallen hierunter auch die an frühere selbständige Versicherungsvertreter gezahlten VVW-Renten (Finanzgericht Baden-Württemberg EFG 1998, 363 mwN).

Gleichwohl ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass die Rente aus dem VVW des Klägers kein Hinzuverdienst gemäß § 96a SGB VI, insbesondere kein "Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit" im Sinne des von Abs 1 Satz 2 der Vorschrift ist. Denn insoweit sind nur Einkünfte aus einer steuerlich noch ausgeübten selbständigen Tätigkeit (hier: Gewerbebetrieb) zu berücksichtigen, nicht jedoch nachträgliche Einkünfte aus einer bereits (steuerlich) aufgegebenen Tätigkeit. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Rente wegen BU hat - wie allgemein die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - Entgeltersatzfunktion; diese wird durch die Hinzuverdienstvorschrift des § 96a SGB VI abgesichert (vgl Gürtner in KasselerKomm, § 96a SGB VI RdNr 2; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, § 96a RdNr 1; Brähler in GesamtKomm-SGB VI, § 96a RdNr 45 ff; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 96a SGB VI RdNr 1 ff; VerbandsKomm, SGB VI, § 96a Anm 1.3; Löns in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl 2003 § 96a RdNr 1 f). Die Hinzuverdienstgrenzen sollen nach der amtlichen Begründung (vgl BT-Drucks 13/2590 S 5, 23 <zu § 34 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze>) bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Lohnersatzfunktion stärken und zudem bewirken, dass auch eine Arbeit auf Kosten der Gesundheit für die Ermittlung der Höhe des Hinzuverdienstes berücksichtigt werden muss (vgl auch Achenbach/Haneberg, BABl 1995 Heft 11, S 5, 9). Es sollen jedenfalls keine doppelten Einkünfte aus Erwerbsersatzeinkommen (Rente) und aus Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielt werden. Was insoweit als Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist, soll nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB IV ("Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist") gerade auch zur Verwaltungsvereinfachung in größtmöglicher Parallelität dem Einkommensteuerrecht entnommen werden.

Aus diesen Gründen stellt die Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 27. August 1998 - B 10 LW 8/97 R - , Die Beiträge, Beilage 1999, 195; BSGE 84, 277 = SozR 3-2600 § 34 Nr 2; SozR 4-2400 § 15 Nr 1; Urteil des erkennenden Senats vom 7. Oktober 2004 - B 13 RJ 13/04 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) zu Recht darauf ab, dass für die Feststellung des Arbeitseinkommens als dem "nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte(n) Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit" (§ 15 Abs 1 Satz 1 SGB VI) auch darauf abzustellen ist, ob die selbständige Tätigkeit (steuerlich: die Land- und Forstwirtschaft, der Gewerbebetrieb oder die selbständige Arbeit, § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG) steuerlich ausgeübt wird und nicht etwa ein hiervon abweichender sozialrechtlicher Begriff der selbständigen Tätigkeit zu Grunde gelegt wird. Ansonsten könnten die Betroffenen die jeweils günstigste steuerrechtliche und sozialrechtliche Lösung kombinieren.

Die Parallelität zum Einkommensteuerrecht findet jedoch dort ihre Grenzen, wo auch steuerrechtlich gerade keine selbständige Tätigkeit in Sinne des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 EStG mehr zu Grunde liegt. Denn dann kann die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ihre ureigene Funktion erfüllen, die wegen Einschränkung der Erwerbstätigkeit ausfallenden Einkünfte zu ersetzen. Anders als in den Fallkonstellationen, die den Entscheidungen des BSG vom 27. August 1998 (B 10 LW 8/97 R = Die Beiträge, Beilage 1999, 195), vom 25. Februar 2004 (SozR 4-2400 § 15 Nr 1) und vom 7. Oktober 2004 (B 13 RJ 13/04 R) zu Grunde lagen, liegt es hier auch nicht in der Hand des hinzuverdienenden Rentners, durch eine andere steuerrechtliche oder wirtschaftliche Gestaltung (steuerliche Betriebsaufgabe statt -fortführung; Unterstützung eines Unternehmens durch Darlehen statt durch Beteiligung als Kommanditist) die Besteuerung aus Gewerbebetrieb zu vermeiden. Auch kann er nicht doppelte Vorteile - steuerlich und sozialrechtlich - in Anspruch nehmen. Soweit das Urteil des erkennenden Senats vom 7. Oktober 2004 (B 13 RJ 13/04 R, Umdruck S 10 oben - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) ua ausführt, die Bewertung von "Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit" setze nicht voraus, dass eine eigene (selbständige) Tätigkeit tatsächlich noch ausgeübt werde, bezieht sich dies auf die damals entschiedene Fallkonstellation (Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs), in der steuerrechtlich der Betrieb gerade nicht aufgegeben war; hingegen liegt in den Fällen des § 24 Nr 2 EStG bereits eine steuerliche Betriebsaufgabe vor.

Der erkennende Senat schließt sich insoweit den Erwägungen des Schrifttums und der Rechtsmeinung der Rentenversicherungsträger an. Soweit sich die Literatur mit dieser Fragestellung beschäftigt, will sie - wie hier - nachträgliche Einkünfte aus einer bereits aufgegebenen selbständigen Tätigkeit im Rahmen des § 96a SGB VI unberücksichtigt lassen (so Hase in Wannagat, SGB VI, § 96a RdNr 5 Fn 9, Stand 1997; VerbandsKomm, SGB VI, § 96a Anm 4 S 9, Stand 2003; BfA <Hrsg>, SGB VI, Text und Erläuterungen, 9. Aufl 2003, § 34 Anm 2.1 S 222; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die RV der Arbeiter und der Angestellten, § 34 SGB VI Anm 3b S 5, Stand 2004; Brähler in GesamtKomm SGB VI, § 96a RdNr 72, Stand 2004; ohne Verfasserangabe, LVAMitt 2003, 578, 581). Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsauffassung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger <VDR> (FAVR 1/2000 vom 15. Februar 2000, TOP 10, Beratungsergebnis 2, mit Bindungswirkung nach § 5 Abs 1 VDR-Satzung).

Als Beispiele solcher nachträglicher Einkünfte werden zwar Versorgungszahlungen nicht ausdrücklich genannt, sondern unterschiedliche Leistungen wie Honoraraußenstände, Ausgleichszahlungen an selbständige Handelsvertreter oder Entschädigungen für die Beachtung eines Wettbewerbsverbots. Es ist jedoch kein Differenzierungskriterium ersichtlich, das im Gegensatz zu den genannten Leistungen die Anrechnung der ebenfalls unter § 24 EStG fallenden Rente aus dem VVW verböte. Für ihre Wertung als "nachträgliche Einkünfte" iS dieser Auffassung spricht nicht nur, dass die Rente aus dem VVW teilweise als Ersatz für den Handelsvertreterausgleich nach § 89b des Handelsgesetzbuches gesehen wird (s Finanzgericht Baden-Württemberg EFG 1998, 363), sondern vor allem auch ihr Versorgungscharakter. Diesem entspricht es gerade, sie neben einer Rente wegen BU zu zahlen (vgl auch Tiemann in jurisPR-SozR 35/2004 Anm 4 zum Urteil des BSG vom 25. Februar 2004, BSG SozR 4-2400 § 15 Nr 1).

Der erkennende Senat sieht sich in dieser Hinsicht ebenso im Einklang mit dem 4. Senat des BSG. Dieser hatte im Urteil vom 27. Januar 1999 (SozR 3-2400 § 15 Nr 6) Versorgungszahlungen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an die Witwe eines Gesellschafters nicht als Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV und damit nicht als nach § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI auf eine Hinterbliebenenrente anrechenbares "Einkommen von Berechtigten" behandelt, da diese Einkünfte nicht aus "eigener selbständiger Tätigkeit des Einkommensempfängers selbst" herrührten (auch dieser Rechtsauffassung folgt der VDR für die entschiedene Fallgestaltung: FAVR 1/2000, TOP 9, Beratungsergebnis 2). Die Wertung des § 24 Nr 2 EStG will der 4. Senat innerhalb des § 15 Abs 1 Satz 2 SGB IV nicht berücksichtigen, solange die Witwe selbst keine selbständige Tätigkeit ausübt (SozR aaO S 18 f). Dem entspricht die Lösung des Senats im vorliegenden Fall.

Sie vermeidet auch die ansonsten auftretenden verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (vgl zur Prüfung dieser Vorschrift bei unterschiedlicher Behandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen zB BVerfGE 103, 392, 397, 401 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39), weil eine der Rente aus dem VVW vergleichbare Betriebsrente eines früheren Arbeitnehmers kein Arbeitsentgelt iS des § 96a Abs 1 Satz 2 SGB VI iVm § 14 SGB IV ist und deshalb auf dessen Rente wegen BU nicht anzurechnen ist. Für eine Gleichbehandlung mit der Betriebsrente eines früheren Arbeitnehmers spricht im vorliegenden Fall auch der Umstand, dass ein Versicherungsvermittler sowohl selbständig als auch abhängig beschäftigt sein kann und dass die konkrete Tätigkeit des Klägers, hätte sie über den 1. Januar 1999 angedauert, nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI nF wohl die Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht (eines "arbeitnehmerähnlichen Selbständigen") erfüllen dürfte.

Der nach der Lösung des Senats auf die Rentenversicherungsträger zukommende Verwaltungsmehraufwand hält sich jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden in engen Grenzen, weil insoweit lediglich die Höhe einer monatlich wiederkehrenden Leistung zu ermitteln ist.

Gleichwohl ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatsächlichen Feststellungen des LSG lässt sich der Zeitpunkt der steuerlichen Aufgabe des Gewerbebetriebs "Vermittlung von Versicherungen" nicht entnehmen. Die vom LSG (Bl 2 LSG-Urteil) festgestellte Gewerbeabmeldung nennt als "Datum der Betriebsaufgabe" den 1. Juni 1999. Das LSG geht jedoch gleichzeitig (Bl 8 oben LSG-Urteil) auch von einer Betriebsaufgabe vor dem 1. Dezember 1997 (Beginn der VVW-Rente) aus. Hätte der Kläger sein Gewerbe steuerrechtlich erst zum 1. Juni 1999 aufgegeben, wäre im gesamten hier streitigen Zeitraum bis zum Mai 1999 die Rente aus dem VVW als Hinzuverdienst (Arbeitseinkommen aus einer weiterhin steuerlich ausgeübten selbständigen Tätigkeit) anrechenbar gewesen. Die Gewerbeabmeldung hat steuerlich jedoch nur Indizfunktion (vgl im Einzelnen zB Bundesfinanzhof vom 11. Februar 1999 - III R 112/96 = BFH/NV 1999, 1198 mwN). Das Berufungsgericht wird hier die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben; insoweit könnte es der gesetzgeberischen Wertung des § 15 Abs 1 SGB IV entsprechen, darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt das Finanzamt für die Zwecke der Einkommensteuer eine Betriebsaufgabe angenommen hat.

Sollte sich ergeben, dass der Kläger sein Gewerbe als Versicherungsvermittler vor dem 1. Juni 1999 aufgegeben hat, ist insoweit unschädlich, dass er weiterhin mit seiner Lotto-Toto-Annahmestelle Einkünfte aus (einem anderen) Gewerbebetrieb erzielte. Eine Einzelperson kann mehrere Gewerbe betreiben; steuerlich erfordert eine Betriebsaufgabe iS des § 16 Abs 3 EStG nicht die Aufgabe jeglicher gewerblicher Tätigkeit (BFHE 158, 48).

Zudem wird das LSG ggf zu prüfen haben, ob und inwieweit sich die Aufhebung des Ursprungsbescheides vom 19. September 1997 durch den angefochtenen Bescheid mit dem Verwaltungsverfahrensrecht (insbesondere den §§ 45, 48 SGB X) vereinbaren lässt. Das LSG hat nicht festgestellt, dass sich der Rentenbescheid vom 19. September 1997 in irgendeiner Form - etwa durch einen Rückforderungsvorbehalt - Vorläufigkeit beigemessen hätte. Der Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2000 (der angefochtene Bescheid äußert sich hierzu nicht) sieht die Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des Rentenbescheides in § 48 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 3 SGB X. Auch wenn diese Vorschrift für die ab 1998 erzielten Einkünfte einschlägig sein dürfte, könnte dies für das Jahr 1997 anders zu sehen sein.

Schließlich wird das LSG ggf zu berücksichtigen haben, dass im vorliegenden Fall ein Grundurteil - wie im Berufungsverfahren ergangen - nicht zulässig ist. Das LSG hat im Ergebnis auf die Anfechtungsklage den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufgehoben, "als er auf die Hinzuverdienstgrenze die Bezüge aus dem VVW anrechnet". Nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGG setzt jedoch ein Grundurteil voraus, dass "gemäß § 54 Abs 4 oder 5 (SGG) eine Leistung in Geld begehrt (wird), auf die ein Rechtsanspruch besteht"; ein Grundurteil auf eine reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGG) sieht das SGG nicht vor. Auch im Wege einer Analogie ist die Ausdehnung des Grundurteils auf Fälle einer (reinen) Anfechtungsklage nicht möglich (vgl Oberverwaltungsgericht Hamburg NVwZ 1990, 682). Dies gilt umso mehr, als für entsprechende Fallkonstellationen jedenfalls seit 2. Januar 2002 - durch die mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I S 2144, 2149) eingeführte Möglichkeit im Abs 2 der Vorschrift - ein Zwischenurteil in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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