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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 11.05.1999
Aktenzeichen: B 13 RJ 71/97 R
Rechtsgebiete: SGB, SGG


Vorschriften:

SGB VI § 43
SGB VI § 44
SGG § 103
Die Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll, ist zu konkretisieren, wenn die ihm zumutbare körperliche leichte Arbeit durch weitere gesundheitliche Beinträchtigungen qualitativ eingeschränkt wird.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 RJ 71/97 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz, Am Alten Viehmarkt 2, 84028 Landshut,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 11. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Henke, die Richter Dr. Loytved und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtlichen Richter Faupel und Dr. Andresen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juli 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der im Jahre 1946 geborene Kläger ist kroatischer Staatsbürger und wohnt in Kroatien. Er hat keinen Beruf gelernt und war in seiner Heimat in der Zeit vom 1. März 1964 bis zum 21. August 1969 als Transportarbeiter beschäftigt. Danach war er bis zum 3. Januar 1992 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig tätig, zuletzt ab 1977 als Holzindustriearbeiter.

Im November 1992 beantragte der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil weder BU noch EU vorliege (Bescheid vom 18. Mai 1993). Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. August 1993, Urteil des Sozialgerichts Landshut <SG> vom 8. Februar 1995, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts <LSG> vom 24. Juli 1996). Die Entscheidung des LSG ist im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Der Kläger sei nach den hier anzuwendenden §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht berufs- und erst recht nicht erwerbsunfähig. Nach dem vom SG eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. Dr. W. sowie dem Gutachten der Ärztin für Sozialmedizin Dr. T. liege beim Kläger insbesondere ein Wirbelsäulenleiden, ein Carpaltunnel-Syndrom, eine chronische Emphysembronchitis, eine Adipositas sowie eine Polyneuropathie und eine Sehbehinderung vor. Durch das Zusammenwirken aller Gesundheitsstörungen komme es jedoch nur zu qualitativen, nicht jedoch zu quantitativen Leistungseinschränkungen. Danach könne der Kläger seit November 1992 noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und in geschlossenen Räumen täglich vollschichtig verrichten. Vermieden werden müßten Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, kniende Arbeiten, Arbeiten unter Einflüssen von Kälte, Nässe und Staub sowie Arbeiten, welche eine besondere Anforderung an das Sehvermögen stellten. Weiter liege ein Defizit im beugeseitigen Hohlhandbereich beidseits vor. Das Einlegen unüblicher Pausen sei nicht erforderlich. Hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte beständen keine Beschränkungen.

Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Holzindustriearbeiter könne der Kläger nicht mehr verrichten. Es bestehe aber Umstellungsfähigkeit auf andere zumutbare Tätigkeiten. Der Kläger sei als ungelernter Arbeiter einzustufen. Er habe nach seinen Angaben keine Berufsausbildung durchlaufen. Sein letzter Arbeitgeber habe mitgeteilt, daß es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Holzarbeiter um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt habe, da er im wesentlichen Holz zugeschnitten und Holzpaletten genagelt habe. Dem entspreche auch die Einstufung des Klägers in die Lohngruppe IV der Lohntabelle für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie (NRW).

Als ungelernter Arbeiter sei der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Bei einem an sich noch gegebenen vollschichtigen Leistungsvermögen seien nur dann Zweifel an der betriebsüblichen Einsetzbarkeit vorhanden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorhanden sei. Die Frage der Betriebsunüblichkeit stelle sich danach nur dann, wenn über die bloße Beschränkung auf leichte Tätigkeiten hinaus noch weitere, erhebliche qualitative Leistungseinschränkungen vorlägen, die zu einem deutlich reduzierten Leistungsbild über die Beschränkung auf leichte Arbeiten hinaus führen würden. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Die vorliegenden Leistungseinschränkungen stellten lediglich eine Umschreibung des Begriffes "leicht" dar. Da der Kläger leichte Arbeiten ohne weitere qualitative Einschränkungen verrichten könne, sei die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens nicht veranlaßt gewesen.

Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 43, 44 SGB VI und des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das Urteil des LSG weiche von der neuesten und auch von der ständigen älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab (Bezug auf Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 31/95 - und BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8). Wegen seiner vielfältigen und erheblichen Leistungseinschränkungen hätte das LSG mindestens eine Verweisungstätigkeit konkret bezeichnen müssen. Er sei den typischen gesundheitlichen Anforderung des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr gewachsen. Das LSG hätte sich deshalb gedrängt fühlen müssen, diesen Punkt durch Einholung eines berufskundlichen Gutachtens gemäß §§ 103, 106 SGG von Amts wegen aufzuklären. Das Urteil beruhe auch auf diesem Verfahrensfehler, weil ein berufskundlicher Sachverständiger mit Sicherheit festgestellt hätte, daß der allgemeine Arbeitsmarkt für ihn verschlossen sei.

Insbesondere die bei ihm vorliegende herabgesetzte Gebrauchsfähigkeit der Hände, das eingeschränkte Sehvermögen und die wirbelsäulenbedingten Beschwerden würden erhebliche Zweifel an einer normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten begründen. Diese Leistungseinschränkungen seien im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht nur eine Umschreibung des Begriffes "leicht". Da er aufgrund seiner Ausbildung darauf angewiesen sei, ausschließlich manuelle Tätigkeiten auszuüben, könne er aufgrund dieser Leistungseinschränkungen nicht mehr vollschichtig leichte Arbeiten verrichten. Auch hätte das LSG die Wertigkeit seines bisherigen Berufs aufklären müssen, da die Beklagte im Gegensatz zum LSG davon ausgegangen sei, daß er, der Kläger, zuletzt eine angelernte Tätigkeit ausgeübt habe. Das Urteil des LSG beruhe auch auf der Abweichung von der Rechtsprechung des BSG und der Verletzung der Amtsermittlungspflicht, weil es im Hinblick auf seine vielfältigen Leistungseinschränkungen keine konkrete Verweisungstätigkeit hätte nennen können.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juli 1996, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Februar 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 1992 Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, zu gewähren.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und mitgeteilt, daß sie eine Stellungnahme zur Revisionsbegründung nicht beabsichtige.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 SGG).

II

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Es bedarf noch weiterer Tatsachenfeststellungen zum Eintritt eines Versicherungsfalls.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU oder EU richtet sich nach den §§ 43, 44 SGB VI, denn sein im November 1992 gestellter Rentenantrag bezieht sich ausschließlich auf Leistungen für die Zeit nach dem 31. Dezember 1991 (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI). Beide Vorschriften setzen zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl § 50 Abs 1, § 51 Abs 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls voraus (vgl § 43 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 und 3, § 44 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muß entweder BU oder EU vorliegen (vgl § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI).

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Hingegen besteht EU bei solchen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (vgl § 44 Abs 2 SGB VI). Da der Versicherungsfall der EU an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der BU, folgt aus der Verneinung von BU ohne weiteres das Fehlen von EU. Insofern ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG zunächst geprüft hat, ob der Kläger berufsunfähig ist.

Bei der Beurteilung von BU hat das LSG zutreffend den bisherigen Beruf des Klägers als Ausgangspunkt genommen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). Es hat insofern auf die vom Kläger zuletzt in Deutschland versicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung als Holzindustriearbeiter abgestellt. Da er diesen Beruf nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, ist er berufsunfähig, es sei denn, er kann noch eine zumutbare Verweisungstätigkeit verrichten.

Soweit es die soziale Zumutbarkeit einer möglichen Verweisungstätigkeit betrifft, ist das LSG davon ausgegangen, daß der Kläger aufgrund der Auskunft des letzten Arbeitgebers und der Einordnung in die Lohngruppe IV der Lohntabelle für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie (NRW) als ungelernter Arbeiter einzustufen und damit sozial zumutbar auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verweisbar sei. Insoweit reichen die vom LSG festgestellten Tatsachen nicht aus. Das LSG hätte näher untersuchen müssen, welche Wertigkeit der bisherige Beruf des Klägers (Holzindustriearbeiter) hatte. Daß der Kläger diesen Beruf nicht erlernt und ihn sein letzter Arbeitgeber als ungelernt bezeichnet hat, läßt nicht von vornherein darauf schließen, daß er im Rahmen der Prüfung von BU als ungelernter Arbeiter einzustufen ist. Die Ausführungen des LSG lassen nicht erkennen, welche zeitliche Geltung der herangezogene Tarifvertrag (der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie - NRW -) hat, wie er strukturiert ist und welchen Merkmalen die zugrunde gelegte Einstufung (Lohngruppe IV der Lohntabelle) entspricht. Eine Bestimmung der Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers ist auf dieser Grundlage nicht nachvollziehbar, zumal mit der Revision gerügt wird, selbst die Beklagte sei bislang davon ausgegangen, daß er, der Kläger, als angelernter Arbeiter einzustufen sei.

Was die Suche nach Verweisungstätigkeiten anbelangt, die den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen, ist nach der vom Großen Senat (GrS) des BSG bestätigten Rechtsprechung davon auszugehen, daß einem Versicherten grundsätzlich zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen ist, die er noch ausüben kann (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Eine derartige Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit ist hingegen in der Regel nicht erforderlich, wenn ein auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbarer Versicherter zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage ist (vgl GrS des BSG aaO). Anders verhält es sich bei Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung (vgl BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Die Entbehrlichkeit der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich mit anderen Worten danach, ob ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt, oder ob ernste Zweifel daran aufkommen, daß der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist (vgl GrS des BSG aaO).

Das Bestehen einer derartigen Bezeichnungspflicht hängt danach in diesem Zusammenhang entscheidend von Anzahl, Art und Umfang der beim Versicherten bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Die Frage, ob diese Einschränkungen die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über das Erfordernis hinaus, die Arbeit müsse körperlich leicht sein, erheblich begrenzen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30; BSGE 81, 15, 18 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23), ist zweckmäßigerweise in zwei Schritten zu klären: Zunächst genügt eine Beurteilung, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw) erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (vgl BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Durch eine derartige Bezeichnung von Tätigkeiten der Art nach werden dem Versicherten allgemein geeignete Tätigkeitsfelder aufgezeigt (vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62; BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R -, Umdr S 5, <zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen>). Diesem ist es dann überlassen darzulegen, daß er die betreffenden Verrichtungen ("Tätigkeiten der Art nach") als solche nicht mehr ausführen kann oder inwiefern diese in der Arbeitswelt nur unter Bedingungen oder verbunden mit weiteren Anforderungen vorkommen, denen er nicht gewachsen ist. Verbleiben insofern Zweifel, folgt die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R -, Umdr S 7).

Der leicht mißverständliche Begriff der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen umschreibt insofern grundsätzlich alle die Einschränkungen, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfaßt werden, also in dieser Hinsicht nicht als "gewöhnlich" angesehen werden können (vgl Loytved, NZS 1999, 276, 278; dazu auch BSG, Beschluß vom 14. Dezember 1998 - B 5 RJ 184/98 B <zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen>). Demzufolge ist näher zu ermitteln, in welchem Umfang sich diejenigen qualitativen Leistungseinschränkungen, die das Feld körperlich leichter Tätigkeiten weiter einengen, zusammengenommen auf die Einsetzbarkeit des Versicherten im Arbeitsleben auswirken (vgl BSGE 81, 15, 18 ff = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23).

Diesen Kriterien werden die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht gerecht. Das LSG hat weder körperliche Verrichtungen oder Tätigkeiten der Art nach aufgezeigt, die für den Kläger in Betracht kommen, noch hat es sich näher mit den Auswirkungen der bei diesem festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen befaßt. Soweit es der Ansicht ist, einer derartigen Prüfung bedürfe es nicht, weil die im Berufungsurteil angegebenen Leistungseinschränkungen lediglich eine Umschreibung des Begriffes "leicht" darstellten, vermag der erkennende Senat ihm nicht zu folgen.

Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Klägers hat das Berufungsgericht festgestellt, daß dieser noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und in geschlossenen Räumen täglich vollschichtig verrichten kann. Vermieden werden müssen Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, kniende Arbeiten, Arbeiten unter Einflüssen von Kälte, Nässe und Staub sowie Arbeiten, welche besondere Anforderungen an das Sehvermögen stellen. Dabei ist berücksichtigt worden, daß der Kläger auf dem linken Augen nach Korrektur nur 10 % und auf dem rechten Auge nur 70 % sieht. Außerdem wurde beim Kläger ein Defizit im beugeseitigen Hohlhandbereich beidseits ermittelt. Jedenfalls die Sehstörung und die Beweglichkeitseinschränkung der Hände hat das LSG unzulässigerweise ohne weiteres zum Bereich der Einschränkungen gerechnet, die bei körperlich leichten Tätigkeiten nicht zum Tragen kommen. Hier wäre zu prüfen gewesen, ob nicht körperlich leichte und fachlich einfache Arbeiten, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeboten werden, häufig die Handhabung kleiner Teile verlangen, was gerade Fingerfertigkeit und exaktes Sehvermögen voraussetzt, welche dem Kläger offenbar fehlen (vgl BSG Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 57/96 -, Umdr S 8; Schimanski, SozVers 1991, 169, 171). Auch die übrigen vom LSG festgestellten Leistungseinschränkungen gehen zum Teil deutlich über den Rahmen hinaus, der begrifflich bei körperlich leichten Tätigkeiten eingehalten wird. Dies gilt namentlich für die Notwendigkeit der Vermeidung bestimmter äußerer Einwirkungen. Leichte Arbeiten sind grundsätzlich auch bei Kälte, Nässe und Staub möglich; ein Ausschluß solcher Umwelteinflüsse bedeutet somit eine zusätzliche Leistungseinschränkung.

Da der erkennende Senat die nach alledem erforderlichen weiteren Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses Gericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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