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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 06.05.1998
Aktenzeichen: B 13 RJ 79/97 R
Rechtsgebiete: RVO


Vorschriften:

RVO § 1246
RVO § 1247
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 RJ 79/97 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Landesversicherungsanstalt Schwaben, An der Blauen Kappe 18, 86152 Augsburg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 6. Mai 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Henke, die Richter Dr. Loytved und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtlichen Richter Bartsch und Hannig für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. April 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der 1938 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Seit April 1963 lebt er in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war er ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung in verschiedenen Bereichen als Arbeiter beschäftigt. Nachdem er bis 1980 zuletzt gefertigte Gußteile kontrolliert hatte, war er anschließend - unterbrochen durch eine kurze Beschäftigung im Jahre 1982 - arbeitslos.

Ein erster Rentenantrag des Klägers führte nicht zum Ziel. Im Juni 1986 beantragte er erneut die Gewährung von EU/BU-Rente. Mit Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 1986 wurde auch dieser Antrag abgelehnt, weil der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten könne. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts <SG> Marburg vom 13. Dezember 1988 und des Hessischen Landessozialgerichts <LSG> vom 14. April 1997). Das LSG hat seine Entscheidung hauptsächlich auf folgende Erwägungen gestützt:

Der Kläger sei nicht berufsunfähig. Seine Fähigkeit, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), sei durch verschiedene Gesundheitsbeeinträchtigungen herabgemindert. Er könne nur noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltung, dh ohne Hebe- oder Bückarbeit, ohne Überkopfarbeiten, nicht unter Zeitdruck, nicht auf Leitern und Gerüsten, nur geistig einfache Arbeiten) vollschichtig verrichten. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergebe sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten. Sowohl die Sachverständigen Dr. K. und Prof. Dr. W. als auch der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörte Nervenarzt Dr. B. seien bei Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen zur Annahme eines noch vollschichtigen Leistungsvermögens für zumindest leichte körperliche Tätigkeiten gelangt.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sog Mehrstufenschema der Arbeiterberufe sei der Kläger unter Berücksichtigung der von ihm ausgeführten versicherungspflichtigen Tätigkeiten in die Gruppe der ungelernten Arbeiter, bestenfalls jedoch in die Gruppe der angelernten Arbeiter - nicht im oberen Bereich - einzuordnen. Er verfüge über keine abgeschlossene Berufsausbildung und sei im Hauptberuf zuletzt mit der Kontrolle von gefertigten Gußteilen beschäftigt gewesen. Bei diesem beruflichen Werdegang müsse sich der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, die er gesundheitlich noch verrichten könne. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei insoweit grundsätzlich nicht geboten; denn es gebe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Vielzahl von ungelernten Tätigkeiten, die nur mit leichten körperlichen Anforderungen verbunden seien.

Bei dem Kläger lägen auch keine besonderen Umstände vor, welche die Ausübung von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ungewöhnlicher Weise erschwerten. Insbesondere sei weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine spezifische Leistungsbehinderung festzustellen. Gravierende Einschränkungen in diesem Sinne lägen bei dem Kläger nicht vor. Es ergäben sich keine Hinweise darauf, daß seine Wiedereingliederungs- und Anpassungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt sei. Auch die vom Senat und vom Kläger selbst benannten Sachverständigen hätten anläßlich der Begutachtung keinerlei Anlaß gesehen, eine anderweitige Begutachtung noch zu empfehlen.

Dem noch vollschichtig leistungsfähigen Kläger sei der Arbeitsmarkt auch nicht verschlossen. Etwas anderes könne allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage sei, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande sei, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen. Ein solcher Ausnahmefall könne vorliegend jedoch nicht bejaht werden.

Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht der Kläger im wesentlichen geltend: Dem LSG könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die bei ihm festgestellte niedrige Intelligenz bei verminderter Aufmerksamkeit, vermindertem Gedächtnis, verminderter Konzentrationsfähigkeit und vermindertem Reaktionsvermögen, nicht ohne weiteres der qualitativen Einschränkung "leichte Tätigkeiten" zugeordnet werden könne. Entgegen der Auffassung des LSG liege hier eine spezifische Leistungsbehinderung bzw eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Leichte körperliche Arbeiten, die keine Anforderungen an das Arbeitstempo, die Aufmerksamkeit und das Konzentrationsvermögen stellten, seien den Gewerkschaften nicht bekannt. Gegen deren Vorhandensein spreche die allgemeine Lebenserfahrung. Insofern wäre die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich gewesen. Wenn er abstrakt und pauschal auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verwiesen worden sei, so entspreche dies nicht dem Sinn und Zweck des Sozialrechts (vgl § 2 Abs 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch <SGB I>).

Die Entscheidung könne auch deshalb keinen Bestand haben, weil das LSG sich ohne ausreichende Begründung über einen Beweisantrag hinweggesetzt habe. Insofern liege eine Verletzung von § 103 SGG vor. In der mündlichen Verhandlung habe er hilfsweise beantragt, bei dem Sachverständigen Dr. B. eine ergänzende Stellungnahme dazu einzuholen, was er unter "nur geistig einfachsten Arbeiten ohne jegliche Anforderungen an die geistige Regsamkeit" verstehe, weiterhin hilfsweise, das Landesarbeitsamt Hessen zu befragen, ob und welche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für ihn noch vorhanden seien. Mit dem zuerst gestellten Hilfsantrag habe er den Beweis dazu führen wollen, daß die bei ihm vorliegende Grenzdebilität in derart spezifischer Weise seine allgemeine Einsatzfähigkeit auch für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschränke, daß nicht mehr davon ausgegangen werden könne, es gebe für ihn in ausreichendem Umfang Arbeitsplätze. Insbesondere habe diesbezüglich mit dem zweiten Hilfsantrag geklärt werden sollen, ob ihm entsprechende Arbeitsplätze zugänglich seien.

Aufgrund der Anfrage zu der von dem Gutachter festgestellten Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit hätte dieser ergänzend zu dem Schluß kommen können, daß ihm, dem Kläger, nur noch einzelne unzusammenhängende Arbeitsabläufe zumutbar seien. Dazu hätte die Anfrage beim Landesarbeitsamt ergeben können, daß insoweit keine Arbeitsplätze verfügbar seien. Es sei nicht auszuschließen, daß das LSG im Hinblick darauf zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen LSG vom 14. April 1997 sowie das Urteil des SG Marburg vom 13. Dezember 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 1986 zu verurteilen, ihm Versichertenrente wegen EU, hilfsweise wegen BU, ab 1. Juli 1986 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. April 1997 zurückzuweisen.

Dazu trägt sie ua vor: Aus ihrer Sicht habe das LSG verfahrensfehlerfrei ermittelt, daß der Kläger unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen noch leichte Tätigkeiten, so zB leichte Sortier-, Montier- und Maschinenarbeiten, in Vollschicht verrichten könne.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

II

Die Revision des Klägers ist zulässig und in dem Sinne begründet, daß die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist. Für eine abschließende Entscheidung fehlen noch Tatsachenfeststellungen zum bisherigen Beruf des Klägers sowie zu seiner Verweisbarkeit auf andere Tätigkeiten.

Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der hier entscheidungserhebliche Rentenantrag im Juni 1986, also bis zum 31. März 1992, gestellt worden ist und Rente auch für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 begehrt wird (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch <SGB VI>). Rechtsgrundlagen sind danach die §§ 1246, 1247 RVO in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (zur Anwendbarkeit der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung vgl Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes <ArVNG>). Diese Bestimmungen setzen voraus:

die Erfüllung der Wartezeit (§ 1246 Abs 1 und 3, § 1247 Abs 1 und 3 RVO),

den Eintritt eines Versicherungsfalls der BU oder EU (§ 1246 Abs 1 und 2, § 1247 Abs 1 und 2 RVO) und

die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 1246 Abs 1 und 2a, § 1247 Abs 1 und 2a RVO).

Das LSG hat den Rentenanspruch des Klägers an einer fehlenden BU scheitern lassen. Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte eines körperlich oder geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. EU liegt hingegen vor, wenn der Versicherte aufgrund entsprechender gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (vgl § 1247 Abs 2 Satz 1 RVO). Da der Versicherungsfall der EU mithin an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als derjenige der BU, ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG vorrangig geprüft hat, ob der Kläger berufsunfähig ist.

Ausgangspunkt für die Prüfung der BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). Dieser ist zuerst zu ermitteln; sodann ist zu prüfen, ob ihn der Versicherte ohne wesentliche Einschränkungen weiter ausüben kann. Ist der Versicherte nämlich in seinem Beruf noch ausreichend erwerbsfähig iS des § 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO, so ist er nicht berufsunfähig, ohne daß es auf seine Erwerbsfähigkeit in weiteren sog Verweisungstätigkeiten ankommt (vgl zB BSG SozR 2200 § 1246 Nr 126).

Bisheriger Beruf iS des § 1246 Abs 2 RVO ist, wie das BSG in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen hat (vgl zB SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164), in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies ist auch bei nur kurzfristiger Ausübung jedenfalls dann der Fall, wenn die betreffende Tätigkeit im Berufsleben des Versicherten zugleich die qualitativ höchste gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 66). Bei anderen Fallgestaltungen hat das BSG darauf abgehoben, daß als Hauptberuf nicht unbedingt die letzte, sondern diejenige Berufstätigkeit zugrunde zu legen ist, die der Versicherte bei im wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft eine nennenswerte Zeit ausgeübt hat (vgl SozR 2200 § 1246 Nr 130 mwN). Insbesondere zu den Schwierigkeiten, die sich für die Feststellung des bisherigen Berufs bei einem Wechsel von einer qualitativ höherwertigen zu einer geringerwertigen Tätigkeit ergeben, hat das BSG in einer Reihe von Entscheidungen Stellung genommen (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 158 mwN).

Diesen Grundsätzen ist das LSG nicht gerecht geworden, indem es für den "bisherigen Beruf" des Klägers auf die von ihm bis 1980 ausgeübte Tätigkeit "Kontrolle von gefertigten Gußteilen" abgestellt hat, ohne auf die nach seinen Feststellungen noch im Jahre 1982 (nach Angaben des Klägers bei Rentenantragstellung im Zusatzfragebogen "Berufsbild": vom 7. Juni bis 19. Juli 1985) verrichtete Beschäftigung einzugehen. Allein die Kürze der Beschäftigungsdauer ist kein hinreichender Grund dafür, die letztgenannte Tätigkeit bei der Bestimmung des bisherigen Berufs von vornherein auszuscheiden. Zwar mag es unwahrscheinlich sein, daß es sich dabei im Vergleich zu den bis 1980 ausgeübten Tätigkeiten um eine höherwertige Arbeit gehandelt hat, auszuschließen ist es mangels diesbezüglicher Tatsachenfeststellungen des LSG jedoch nicht. Mithin vermag der erkennende Senat nicht zu beurteilen, welche Art von Tätigkeit als bisheriger Beruf des Klägers anzusehen ist.

Das LSG hat sich auch nicht dazu geäußert, ob der Kläger seinen bisherigen Beruf noch ohne nennenswerte Einschränkungen ausüben kann. Diese Auslassung wäre nur dann unschädlich, wenn feststünde, daß es zumindest eine andere Tätigkeit gibt, die dem Kläger sozial zumutbar ist und die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich zu bewältigen vermag. Dies läßt sich jedoch ohne weitere Ermittlungen nicht sagen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Insoweit hat das LSG den Kläger anhand des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas der Arbeiterberufe (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 138, 140) "bestenfalls" in den unteren Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters eingestuft. Zur Begründung hat es lediglich auf das Fehlen einer abgeschlossenen Berufsausbildung und die Beschäftigung des Klägers mit der Kontrolle von gefertigten Gußteilen verwiesen. Abgesehen davon, daß nicht sicher ist, ob diese Tätigkeit tatsächlich der bisherige Beruf iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO ist, fehlen nähere Ausführungen zu ihrer Wertigkeit. Insbesondere hat das LSG insoweit weder die nach der Rechtsprechung des BSG gebotenen Feststellungen zur Dauer einer etwa erforderlichen Einarbeitungs- oder Anlernzeit getroffen (vgl dazu zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45) noch hat es sich zur tarifvertraglichen Einstufung geäußert (vgl dazu zB BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13, 14, 21). Auf dieser unzulänglichen Tatsachengrundlage kann die vom LSG vorgenommene Bewertung des Berufs des Klägers mithin revisionsgerichtlich nicht bestätigt werden.

Da demnach nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Kläger (zumindest) zum oberen Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters gehört, reicht es nicht aus, daß ihn die Vorinstanz ohne Nennung einer Verweisungstätigkeit pauschal auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen hat. Einem "gehobenen Angelernten" sind nämlich nur solche ungelernten Tätigkeiten sozial zuzumuten, die sich durch Qualitätsmerkmale auszeichnen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45). Folglich bedürfte es in diesem Fall hier der konkreten Bezeichnung mindestens einer Verweisungstätigkeit.

Nach alledem ist für die Entscheidung über den Rentenanspruch des Klägers eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Da der erkennende Senat diese im Revisionsverfahren nicht selbst nachholen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Bei der weiteren Bearbeitung der Sache wird das LSG insbesondere folgendes zu beachten haben: Sollte der Kläger aufgrund der noch anzustellenden Ermittlungen der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters oder dem unteren Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen sein, wird er nicht ohne weiteres pauschal auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden können. Vielmehr wird näher zu prüfen sein, ob hier eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl dazu das Senatsurteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 1/94 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Insoweit kommt es auf die Anzahl, Art und Schwere der beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen sowie auf deren berufliche Auswirkungen an. Dies wird das LSG genauer zu klären haben. Dabei wäre insbesondere festzustellen, ob in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Nervenarztes Dr. B. tatsächlich eine Grenzdebilität anzunehmen ist, die nur "geistig einfachste Arbeiten ohne jegliche Anforderungen an die geistige Regsamkeit und ohne besondere Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration" zuläßt. Gegebenenfalls bedarf es einer weiteren Untersuchung, ob eine solche intellektuelle Einschränkung geeignet erscheint, die Einsetzbarkeit des Klägers gerade auch auf typischen Arbeitsplätzen für körperlich leichte Tätigkeiten deutlich zu verringern (vgl dazu zB Schimanski, SozVers 1991, 169, 171).

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.



Ende der Entscheidung

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