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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: B 14 AS 2/08 R
Rechtsgebiete: SGB II, GG


Vorschriften:

SGB II F: 20.07.2006 § 9 Abs 2 S 2
SGB II F: 24.12.2003 § 9 Abs 2 S 2
SGB II F: 20.07.2006 § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c
SGB II F: 20.07.2006 § 7 Abs 3 Nr 4
GG Art 1 Abs 1
GG Art 2 Abs 1
GG Art 3 Abs 1
GG Art 6 Abs 1
GG Art 6 Abs 2 S 1
GG Art 20 Abs 1

Entscheidung wurde am 24.06.2009 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Es ist verfassungsgemäß, dass seit dem 1.8.2006 nach dem SGB II bei der Feststellung des Hilfebedarfs eines Kindes, das mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, auch das Einkommen und Vermögen dessen Partners zu berücksichtigen ist.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 13. November 2008

in dem Rechtsstreit

Az: B 14 AS 2/08 R

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2008 durch den Richter Dr. Spellbrink als Vorsitzender, die Richterinnen Dr. Düring und Krauß sowie den ehrenamtlichen Richter Liedtke und die ehrenamtliche Richterin Hesse

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Im Streit steht die Aufhebung einer Bewilligung von Sozialgeld für die Klägerin mit Wirkung für die Zukunft (zum 1. August 2006) mit der Begründung, von diesem Zeitpunkt an sei ihre Hilfebedürftigkeit wegen der Berücksichtigung des Einkommens des in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners der Mutter entfallen.

Die am 2. Juli 1993 geborene Klägerin ist die Tochter der 1964 geborenen A Kr . Die Klägerin und ihre Mutter leben vom leiblichen Vater der Klägerin getrennt. Die Klägerin konnte Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihrem Vater durchgehend nicht realisieren. Bis November 2005 bezogen sowohl die Klägerin als auch ihre Mutter von der Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Im November 2005 zogen die Klägerin und ihre Mutter zu deren neuen Partner, dem 1962 geborenen F Ke, und dessen am 9. November 1992 geborener Tochter V Ke in eine gemeinsame Mietwohnung. Der Partner erzielte monatlich ein Erwerbseinkommen in Höhe von 1.446,55 Euro netto und erhielt Versorgungsbezüge nach seiner verstorbenen Ehefrau in Höhe von 754,90 Euro. Die Mutter erzielte ein Erwerbseinkommen aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von 154,25 Euro monatlich. Für die Klägerin und die Tochter des Partners wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 154 Euro gezahlt, die Tochter des Partners bezog daneben Waisengeld nach ihrer verstorbenen Mutter in Höhe von 151,23 Euro monatlich. Für die Wohnung waren eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 450 Euro, 65 Euro für eine Heizkostenvorauszahlung und 115 Euro Vorauszahlung für die sonstigen Nebenkosten zu zahlen. Daneben fiel eine monatliche Vorauszahlung an die Stadtwerke für Stromkosten in Höhe von 45 Euro an. Für eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung für sich und die Klägerin als mitversichertes Familienmitglied zahlte die Mutter Beiträge in Höhe von 121,69 Euro monatlich.

Seit dem Einzug in die gemeinsame Wohnung gewährte die Beklagte lediglich der Klägerin Leistungen. Zuletzt bewilligte sie ihr mit Bescheid vom 24. Januar 2006 Sozialgeld in Höhe von 194,50 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. August 2006.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2006, der an die Mutter gerichtet ist, hob die Beklagte den Bescheid vom 24. Januar 2006 "in dem dargestellten Umfang" mit Wirkung vom 1. August 2006 auf, weil in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei (Hinweis auf § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]). Für August 2006 bestehe kein Anspruch auf Leistungen. Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2006 zurück. Der zu beurteilenden Bedarfsgemeinschaft gehörten die Mutter und ihr Partner mit den beiden Töchtern an. Durch das zum 1. August 2006 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - Fortentwicklungsgesetz - vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) sei § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II dahingehend neu gefasst worden, dass bei Kindern, die mit nur einem Elternteil und dessen Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, neben dem Einkommen des Elternteils auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen sei. Das Einkommen des Partners reiche für die Sicherstellung auch des Lebensunterhaltes der Klägerin aus. Da Übergangsregelungen zur Anwendung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II durch das Gesetz nicht vorgesehen seien, sei ab dem Inkrafttreten des Fortentwicklungsgesetzes die Bewilligungsentscheidung rechtswidrig geworden und für die Zukunft aufzuheben gewesen.

Den für die Folgezeit ab dem 1. September 2006 gestellten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2006 ab. Wegen dieser Ansprüche haben die Beteiligten ein Ruhen des Widerspruchsverfahrens vereinbart.

Mit der zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Mutter zunächst beantragt,

ihr unter Änderung des Bescheides vom 22. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2006 für die Klägerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 194,50 Euro zu gewähren. Die Änderung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II sei verfassungswidrig. Ihre Tochter erhalte vom Partner lediglich Kost und Logis. Er komme für ihren Unterhalt im Übrigen nicht auf, was er im Verwaltungsverfahren ausdrücklich erklärt habe. Die Unterhaltsansprüche, die sie gegen ihren leiblichen Vater habe, könne die Klägerin nicht durchsetzen. Es verstoße gegen das Sozialstaatsgebot in Art 20 Grundgesetz (GG) und Art 1 und 2 GG, dass sie in dieser Situation keine Sozialleistungen erhalte.

Auf entsprechende Hinweise des SG in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2007 sind sämtliche Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft als Kläger benannt worden; zugleich ist die Klage auf die Anfechtung des Bescheides vom 22. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2006 beschränkt worden.

Das SG hat mit Urteil vom 12. November 2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zu Recht habe die Beklagte es abgelehnt, den Klägern für den Monat August 2006 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, da diese nicht hilfebedürftig gewesen seien. Ihre Hilfebedürftigkeit sei aufgrund des § 9 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB II in der Fassung des Fortentwicklungsgesetzes entfallen, weil das Einkommen des Partners der Mutter nunmehr auf den Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft anzurechnen sei und diesen vollständig decke. Die Neufassung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II sei nicht verfassungswidrig. Das Argument, § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II greife in verfassungswidriger Weise in die Grundrechte aus Art 2 Abs 1 GG und Art 6 Abs 1 GG ein, überzeuge nicht. Im Übrigen habe der Gesetzgeber bei der Regelung zur Anrechnung von Einkommen von Verwandten oder Verschwägerten, die mit dem Hilfebedürftigen in Haushaltsgemeinschaft leben, die Frage der Unterstützung von der Frage der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht losgelöst sehen wollen. § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II knüpfe für die Gewährung von staatlichen Leistungen zulässigerweise an den sozialtypischen Umstand an, dass auch sog Patchwork-Familien in der Regel "aus einem Topf" wirtschafteten. Mit der Regelung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II werde zwar auf eine öffentlich-rechtliche Einstandspflicht des "Stiefvaters" abgestellt, ihm aber nicht die Unterhaltspflicht für die Kinder (neu) auferlegt und der leibliche Vater daraus entlassen, denn die Regelung verändere vorrangig durchzusetzende zivilrechtliche Ansprüche der Kinder gegen ihre (leiblichen) Eltern nicht. Soweit Ansprüche aus unterschiedlichen Rechtsgebieten (hier zivilrechtliche Unterhaltspflicht und öffentlich-rechtliche Einstandspflicht) inkongruent seien, folge daraus nicht zwingend die Verfassungswidrigkeit solcher neu geschaffenen Rechtsnormen. Dem Gesetzgeber müsse es möglich sein, auf einen entsprechenden gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. Die Neufassung des Gesetzes halte sich damit im Rahmen der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die ihm bei der Ausgestaltung von Anspruchsvoraussetzungen für Sozialhilfeleistungen als staatliche Transferleistungen eingeräumt sei.

Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin weiterhin geltend, § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der Neufassung durch das Fortentwicklungsgesetz sei verfassungswidrig. Die Neuregelung greife auch in Rechte ihrer Mutter und des Partners ein, denn grundsätzlich gehöre es zum Bereich der freien Lebensgestaltung selbst zu entscheiden, welchem Partner man sich zuwenden und für wen man Verantwortung übernehmen wolle. Von dieser Freiheit bleibe nichts übrig, wenn der Partner beim Zusammenziehen verpflichtet werde, das Existenzminimum von Kindern zu sichern, mit denen er nicht verwandt und nicht verschwägert sei. Hierin liege ein Verstoß gegen Art 6 GG und Art 2 GG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. November 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Bei der Neufassung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II habe der Gesetzgeber seinen weiten Gestaltungsspielraum ausgenutzt, ohne dass er die von der Verfassung gesetzten Grenzen außer Acht gelassen habe.

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Sozialgeld mit Wirkung vom 1. August 2006 nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X vorgelegen haben, weil mit Inkrafttreten des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der Fassung des Fortentwicklungsgesetzes eine rechtlich wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Verwaltungsakt, mit dem die Bewilligung von Sozialgeld an die Klägerin auf Grundlage der im Zeitpunkt der Bewilligung geltenden Sach- und Rechtslage dem Grunde nach zunächst zutreffend erfolgt ist, hätte nach der Änderung der Rechtslage nicht mehr ergehen dürfen. Durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bestehen nicht.

1. Die vor dem SG zuletzt als Klägerin zu 2 aufgetretene Klägerin führt die Revision alleine. Die übrigen Mitglieder des Haushalts, die mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft bilden, sind durch die Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung, die ausschließlich die Klägerin begünstigt hatte, nicht im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in eigenen Rechten verletzt und haben folglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, an ihren Revisionen nicht festzuhalten.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich der Bescheid vom 22. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2006. Die Klägerin hat ihre Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausdrücklich auf die Anfechtung dieses Bescheides beschränkt. Den Bescheid vom 24. August 2006 hat sie nicht mit der Klage angefochten und Leistungsanträge nicht gestellt; das SG hat diesen Bescheid zutreffend nicht nach § 96 SGG in das Verfahren einbezogen.

Die vor dem SG erhobene Klage ist zulässig. Der bei Klageerhebung gestellte Klageantrag lässt zwar den Schluss zu, die Mutter habe im eigenen Namen die Rechte ihrer Tochter geltend machen wollen. Insoweit war der Antrag aber nach dem so genannten "Meistbegünstigungsprinzip" (vgl hierzu nur: BSG SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; BSGE 74, 77, 79 = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 mwN; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 16) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens dahin auszulegen, dass die Klage im Namen der Klägerin erhoben worden ist.

Als Minderjährige ist die Klägerin (jedenfalls bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres) nicht prozessfähig (vgl § 71 Abs 1 und 2 SGG) und wird von ihren geschiedenen Eltern, denen das Sorgerecht gemeinsam zusteht, im Grundsatz gemeinschaftlich vertreten, vgl § 1629 Abs 1 Satz 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es kann offen bleiben, ob die Führung des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens allein durch die Mutter, bei der sich die Klägerin gewöhnlich aufhält, zulässig gewesen wäre (vgl § 1687 Abs 1 Satz 2 BGB). Ihr Vater ist im Revisionsverfahren auf entsprechenden Hinweis des Senats mit in das Verfahren eingetreten, hat die dem Anwalt ausgestellte Prozessvollmacht bestätigt und die bisherigen Verfahrenshandlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren genehmigt (vgl zu dieser Möglichkeit BSGE 76, 178, 181 = SozR 3-4100 § 58 Nr 7).

2. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Bescheid vom 22. Juli 2006 nicht zu beanstanden.

aa) Der an die Mutter gerichtete Bescheid ist der Klägerin wirksam bekannt gegeben worden (§§ 37 Abs 1, 39 SGB X). Ist ein Beteiligter nicht handlungsfähig im Sinne des § 11 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB X, ist der Verwaltungsakt seinem gesetzlichen Vertreter bekannt zu geben. Bei minderjährigen Kindern, die von ihren Eltern gemeinschaftlich vertreten werden, genügt dabei die Bekanntgabe an einen der beiden gesetzlichen Vertreter. Dies ist für die Zustellung im Verwaltungsverfahren ausdrücklich geregelt (§ 65 Abs 1 SGB X in Verbindung mit § 6 Abs 3 Verwaltungszustellungsgesetz), für die schriftliche Bekanntgabe durch Aufgabe eines Briefes zur Post gilt nichts anderes (vgl BSGE 82, 283, 295 = SozR 3-5420 § 24 Nr 1). Ob eine wirksame Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides an die Mutter auch wegen der vermuteten Vertretung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft für das vorangegangene Bewilligungsverfahren (§ 38 SGB II) möglich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben.

bb) Es ist dem Bescheid auch noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er für die Klägerin bestimmt ist, sie also Inhalts-Adressatin des Bescheides ist (dazu Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd 2, Stand Mai 2006, § 39 SGB X RdNr 13). Bei der gebotenen Auslegung der Bescheide kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Empfänger selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen muss. Danach folgt hier für die Mutter als Empfängerin, dass sich der Aufhebungsbescheid ausschließlich an die von ihr vertretene Tochter richtet. Es wird im Vergleich mit dem im Aufhebungsbescheid genannten Bewilligungsbescheid vom 24. Januar 2006 erkennbar, dass die beiden anderen in den Bescheiden benannten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft schon mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid keine Leistungen erhalten haben und sich der Aufhebungsbescheid also nicht an sie richtet.

cc) Die Klägerin kann die Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2006 schließlich nicht schon wegen einer Verletzung ihres Anhörungsrechts beanspruchen (§ 42 Satz 2 SGB X). Zwar ist ihr vor Erlass des Bescheides vom 22. Juli 2006 keine Gelegenheit gegeben worden, zu der Aufhebung Stellung zu nehmen (§ 24 Abs 1 SGB X). Die Beklagte konnte jedoch von einer Anhörung absehen, weil sie bei der Entscheidung lediglich die bereits vorliegenden Angaben der Klägerin über das Bestehen der eheähnlichen Gemeinschaft zwischen ihrer Mutter und deren Partner, das in der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stehende laufende Einkommen und die Ausgaben für Unterkunft und Heizung zu Grunde gelegt hat und insoweit nicht zu ihren Ungunsten von diesen Angaben abgewichen ist (§ 24 Abs 2 Nr 3 SGB X).

b) Der ursprüngliche Bescheid vom 24. Januar 2006 war dem Grunde nach rechtmäßig. Ausgehend von der im Zeitpunkt der Bewilligung maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist der Klägerin mit diesem Bescheid zutreffend Sozialgeld bewilligt worden. Ein Leistungsanspruch der Klägerin, die wegen § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II im Jahr 2006 selbst nicht Hauptleistungsberechtigte (erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) war, ergab sich aus § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 28 SGB II. Im Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung waren ihre erwerbsfähige Mutter, die nicht in der Lage war, mit ihrem Einkommen (auch) den Bedarf der Tochter zu decken (vgl § 9 Abs 1 SGB II), und sie hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs 1 und 2 SGB II. Ob dieser Anspruch unter Beachtung der in § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II vorgeschriebenen horizontalen Berechnungsmethode (dazu Urteile des Senats vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R und vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R; jeweils zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) der Höhe nach im Einzelnen zutreffend festgestellt worden ist, kann dahinstehen. § 48 SGB X kann auch bei rechtswidrigem Ausgangsbescheid zur Anwendung kommen (vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47 S 105; BSGE 95, 57, 62 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6 S 10; Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 48 RdNr 6).

Die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 24. Januar 2006 einen Bedarf von (höchstens) 221,75 Euro. Das für sie gezahlte Kindergeld stand (ebenso wie das Einkommen der Tochter des Partners) nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II an und war schon bei der Errechnung des Bedarfs abzusetzen (vgl BSG Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der auf sie entfallende Kopfteil vom Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II, der zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, betrug höchstens 168,75 Euro. Dabei kann offen bleiben, ob die Stromkosten tatsächlich (zumindest teilweise) für die Heizung der Wohnung aufzubringen waren, wie es das SG ohne Begründung angenommen hat (vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 5).

Dieser Bedarf der Klägerin war nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt. Zwar bestand zwischen der Mutter der Klägerin, dem Partner (iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II) und ihren jeweiligen minderjährigen (und nicht erwerbsfähigen) Töchtern (§ 7 Abs 3 Nr 4 SGB II) nach den von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des SG (§ 163 SGG) vom Beginn des Zusammenlebens an eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs 3 SGB II. Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) waren aber "bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, (...) auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen". Bei der Klägerin war also lediglich das Einkommen ihrer Mutter in Höhe von 43,40 Euro (Erwerbseinkommen abzüglich des Betrages nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II und eines weiteren Freibetrages nach § 30 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II) zu berücksichtigen, nicht dagegen das Einkommen des Partners in Höhe von 1.839,76 Euro (Erwerbseinkommen und Witwerversorgung neben Steuern und Sozialabgaben bereinigt um den Freibetrag für Erwerbstätige nach § 30 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB II, die Versicherungspauschale für private Versicherungen nach § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 3 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung und die auf Grundlage des § 11 Abs 2 Nr 3 Buchst a SGB II geltend gemachten Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung).

§ 9 Abs 2 Satz 2 SGB II aF kann nicht über den Wortlaut hinaus dahin ausgelegt werden, dass Einkommen des Partners eines Elternteils wie Einkommen des Elternteils zur Bedarfsdeckung des mit ihm nicht verwandten oder verschwägerten Kindes heranzuziehen ist (so die ganz überwiegende Auffassung der Landessozialgerichte; vgl Thüringer LSG Beschluss vom 8. März 2005 - L 7 AS 112/05 ER - NZS 2005, 662 = Breith 2006, 71; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14. Juli 2005 - L 14 B 48/05 AS ER - ZFSH/SGB 2006, 94 = FEVS 57, 298; LSG Hamburg Beschluss vom 2. August 2005 - L 5 B 186/05 ER AS - NZS 2006, 383 = ZFSH/SGB 2006, 156 = FEVS 57, 62; Hessisches LSG Beschluss vom 20. September 2005 - L 9 AS 38/05 ER - FEVS 57, 456; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 29. November 2005 - L 8 AS 37/05 ER - SozSich 2006, 139; ebenso Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl 2005 § 9 RdNr 26; Brühl in LPK-SGB II, 1. Aufl 2005, § 9 RdNr 27; anders SG Berlin Beschluss vom 11. Mai 2005 - S 37 AS 1607/05 ER - ASR 2005, 62; Hänlein in Gagel SGB III/SGB II, Stand Mai 2005, § 9 SGB II RdNr 31; abweichend auch LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 19. Juni 2008 - L 7 AS 323/07, Revision anhängig unter B 4 AS 5/09 R). Weil mit dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II noch nicht abschließend feststeht, zwischen welchen Personen eine Einkommens- und Vermögensberücksichtigung stattfindet, war eine ausdrücklichen Regelung notwendig, mit der der Gesetzgeber zum Ausdruck bringt, dass eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht lediglich bei dem leiblichen Kind und bei dem Partner, sondern auch bei dessen Kind stattfinden soll. Eine solche Regelung ist erstmals mit dem Fortentwicklungsgesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) zum 1. August 2006 in Kraft getreten. In der Begründung zum Gesetzesentwurf dazu heißt es zwar, es handele sich um eine Klarstellung entsprechend der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers. Zugleich wird aber ausgeführt, dass diese Regelungsabsicht mit dem bisherigen Wortlaut nicht hinreichend deutlich geworden sei und also "bei nicht miteinander verheirateten Partnern das Einkommen des nicht leiblichen Elternteils nicht auf den Bedarf eines nicht leiblichen Kindes angerechnet" werde (BT-Drucks 16/1410 S 20). Damit wird bestätigt, dass sich § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der alten Fassung nur auf das Einkommen und Vermögen der leiblichen Eltern bezieht (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 9 RdNr 95). Nachdem eine entsprechende Regelung bereits für das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vorgesehen war, in den Ausschussberatungen aber keine Mehrheit gefunden hatte, kann die Neuregelung auch von daher nicht lediglich als Klarstellung der bisherigen Rechtslage verstanden werden (vgl Hänlein, aaO, Stand Dezember 2006, § 9 RdNr 49 unter Aufgabe der zuvor vertretenen Auffassung).

c) Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1. August 2006 ist gegenüber den Verhältnissen, die im Zeitpunkt der ursprünglichen Bewilligung maßgeblich waren, eine rechtlich wesentliche Änderung eingetreten. Nach der Neufassung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ist bei der Feststellung des Hilfebedarfs eines (unverheirateten) Kindes, das mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ua auch das Einkommen und Vermögen dessen Partners zu berücksichtigen. Diese Änderung ist ohne Übergangsregelungen in Kraft getreten. In § 69 SGB II, der das Übergangsrecht bei Inkrafttreten des Fortentwicklungsgesetzes regelt, wird die Änderung des § 9 SGB II nicht berücksichtigt. Von § 68 Abs 1 SGB II ist der vorliegende Sachverhalt dem Wortlaut nach zwar erfasst, weil der Bewilligungszeitraum vor dem 1. Juli 2006 begonnen hat. Die Regelung bezieht sich aber schon nach ihrer Überschrift nur auf die vorangegangenen Änderungen ua des § 9 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I 558).

Damit ist vom Zeitpunkt des Inkrafttretens zum 1. August 2006 an in der Bedarfsgemeinschaft, der die Klägerin angehört, der Gesamtbedarf aller Mitglieder von (höchstens) 1.251,77 Euro durch das Einkommen, das dem Partner der Mutter in unveränderter Höhe zufließt, gedeckt. Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehen nicht mehr. Das Gesetz setzt dabei auf der Tatbestandsseite des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ausschließlich das Zusammenleben des Kindes mit dem Partner in einer über den leiblichen Elternteil vermittelten Bedarfsgemeinschaft voraus.

aa) Es ist nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft als Voraussetzung für die Berücksichtigung von Partnereinkommen beim Kind dagegen nicht zu prüfen, ob sich im Verhältnis des Partners zum Kind ein "Einstandswille" im Sinne des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II feststellen lässt, wie er innerhalb einer eheähnlichen Gemeinschaft bestehen muss (so aber LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19. April 2007 - L 3 AS 1740/07 ER-B, ZFSH/SGB 2007, 481 = juris RdNr 8). Eine unmittelbare Übertragung der zur eheähnlichen Gemeinschaft bzw zur Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung entwickelten Kriterien, wann eine solche Gemeinschaft anzunehmen ist, kommt von vornherein nicht in Betracht. Für eine einschränkende Interpretation der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des Kindes zum Partner des Elternteils ist nach den gesetzlichen Vorgaben kein Raum (vgl Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 56). Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sind nicht durch die Annahme eines wechselseitigen, sondern allenfalls eines einseitigen Einstandswillens gekennzeichnet, was schon daraus deutlich wird, dass nach § 9 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II Einkommen und Vermögen der Kinder nicht zur Beseitigung von Hilfebedürftigkeit der Eltern heranzuziehen ist. Die uneingeschränkte Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft um volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zeigt ferner, dass es auf einen gesondert festzustellenden "Einstandswillen" im Verhältnis der Eltern zum Kind nicht ankommen soll (dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 28. Februar 2007 - L 10 B 195/07 AS ER - juris RdNr 16 und vom 8. März 2007 - L 10 B 254/07 AS PKH - juris RdNr 7); soweit die Eltern keine (gesteigerten) unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen mehr treffen, wird ein solcher Einstandswille nicht (mehr) ohne Weiteres unterstellt werden können. Schließlich ist zweifelhaft, ob sich Stiefkindbeziehungen typisierend durch eine "Ausschließlichkeit" der Beziehung kennzeichnen lassen, wie sie in § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II vorausgesetzt wird, und ein "Einstandswille" von daher ein geeignetes Abgrenzungskriterium sein kann.

bb) Bei Anwendung der Regelung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ist für die Bestimmung des Hilfebedarfs der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auch unerheblich, wie Einkommen, das der Bedarfsgemeinschaft zufließt und nach § 9 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II zur Bedarfsdeckung heranzuziehen ist, tatsächlich verteilt wird. Dies gilt für Bedarfsgemeinschaften zwischen Kindern und ihren leiblichen Eltern und Bedarfsgemeinschaften in sog Patchwork-Familien gleichermaßen. Es ist nicht Aufgabe des SGB II, bis in jede Einzelheit für eine Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen (vgl bereits BSGE 97, 242, 253 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 29; BSG Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 39). Für die Leistungsgewährung nach dem SGB II ist deshalb unerheblich, ob und wie Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft realisiert werden. Das macht neben § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II auch § 33 Abs 2 Nr 1 SGB II deutlich, wonach Unterhaltsansprüche innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nicht auf den Träger der Grundsicherung übergehen. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, in der ein Kind gegenüber einem der Partner keine bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüche hat, ist es Aufgabe des leiblichen Elternteils, die Belange des Kindes zu schützen und ihm ausreichende Mittel zukommen zu lassen. Hierzu ist er aus der ihm in Art 6 Abs 2 Satz 1 GG zugewiesenen Elternverantwortung heraus verpflichtet (dazu im Einzelnen unter d).

Dagegen kann aus dem im Sozialhilferecht geltenden sog Faktizitätsprinzip (vgl Eichenhofer in Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, Teil I Kap 1 RdNr 14, und Rothkegel, aaO, Teil II Kap 7 RdNr 17; dazu auch BSG Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 23/06 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 3 RdNr 15, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) nicht abgeleitet werden, dass es innerhalb der Bedarfsgemeinschaft wegen der Hilfebedürftigkeit des einzelnen Mitglieds auf den tatsächlichen Zufluss der Mittel bei ihm, mithin auf die Weitergabe dieser Mittel ankommt (so aber LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 21. Januar 2008 - L 6 AS 734/07 ER - juris RdNr 17; Fahlbusch in Beck'scher Online-Kommentar, SGB II, Stand September 2008, § 9 RdNr 6b). Lediglich wenn zu berücksichtigendes Einkommen schon dem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das es erzielt, nicht ungeschmälert zur Verfügung steht, kann eine Hilfegewährung unter Heranziehung dieses sozialhilferechtlichen Grundsatzes in Betracht kommen (vgl zu möglichen Fallgestaltungen Urteil des Senats vom 19. September 2008 - B 14/7b AS 10/07 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 25 und BVerwGE 21, 208, 211; 38, 307, 308; 55, 148, 152). Bei § 9 Abs 1 und Abs 2 SGB II geht es aber nicht um die Realisierung bestehender Ansprüche gegen Dritte.

d) Die zur Anwendung kommende Regelung ist verfassungsgemäß. Der Senat hält die in der Rechtsprechung (vgl etwa SG Berlin, Beschluss vom 8. Januar 2007 - S 103 AS 10869/06 - info also 2007, 121 = ZFSH/SGB 2007, 290; SG Duisburg Beschluss vom 7. März 2007 - S 17 AS 60/07 ER - juris RdNr 19; die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung sehen ferner SG Berlin Beschluss vom 20. Dezember 2006 - S 37 AS 11401/06 ER - juris RdNr 15 ff; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19. April 2007 aaO; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 21. Januar 2008 aaO; VG Bremen, Urteil vom 27. Februar 2008 - S3 K 3321/06 Juris RdNr 37 ff) und Literatur (Wenner, SozSich 2006, 146, 152; Stephan, Die Ansprüche zusammenlebender Personen nach dem SGB II und dem SGB XII, Berlin 2008, S 225 ff; Labrenz, ZfF 2008, 217) vorgebrachten beachtlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der Fassung des Fortentwicklungsgesetzes im Ergebnis nicht für durchgreifend.

aa) Das Gebot zur Sicherung des Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG wird durch die zur Anwendung kommende Regelung nicht verletzt. Danach ist der Staat verpflichtet, dem mittellosen Bürger die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. Dabei ist dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet (vgl BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5 f; BVerfGE 98, 169, 204 = NJW 1998, 3337; BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; O'Sullivan, SGb 2005, 369, 370). Es ist jedenfalls bezogen auf minderjährige Kinder nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in Ausübung dieses Gestaltungsspielraums davon ausgeht, dass für diese Kinder ausreichende und vorrangige eigene Mittel durch das Zusammenleben mit dem leistungsfähigen Partner des Elternteils zur Verfügung stehen und die Gewährung staatlicher Hilfe zu ihrer Existenzsicherung nicht erforderlich ist (anders Labrenz aaO).

Der Gesetzgeber darf bei der Gewährung von Sozialleistungen unabhängig von bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten die Annahme von Hilfebedürftigkeit davon abhängig machen, ob sich für den Einzelnen typisierend aus dem Zusammenleben mit anderen Personen Vorteile ergeben, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Aus dem das SGB II bestimmenden Grundsatz der Subsidiarität, § 3 Abs 3 SGB II, folgt dementsprechend, dass zur Überwindung einer Notlage zunächst der Partner einer ehelichen oder vergleichbaren Lebensgemeinschaft in Anspruch genommen wird, bevor staatliche Hilfe gewährt wird (vgl BSG Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, juris RdNr 39). Dabei kann allerdings nicht jedes Zusammenleben in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft beachtlich sein. Nur wenn die Partner einer Gemeinschaft sich wechselseitig so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten bzw der eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen Unterhaltsansprüche tatsächlich bestehen, vergleichbar (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3).

Besteht eine solche Gemeinschaft zwischen den Partnern und damit die Erwartung des Wirtschaftens aus einem Topf, durfte der Gesetzgeber daran die weitere Vermutung knüpfen, dieses gemeinsame Wirtschaften beeinflusse auch die tatsächlichen Lebensumstände der Kinder der Partner, schon weil der leibliche Elternteil verpflichtet ist, für sein Kind entsprechend Sorge zu tragen. Der Gesetzgeber hält sich mit dieser Annahme, dass Kinder, die in einem gemeinsamen Haushalt von eheähnlichen Partnern leben, faktisch an den Vorteilen der gemeinsamen Haushaltsführung teilhaben, die sich aus dem Zusammenleben des Elternteils mit einem Partner ergeben, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums. Für "echte" Stiefkinder, deren Eltern miteinander verheiratet sind, ergibt sich das schon daraus, dass der Anspruch auf Familienunterhalt ihrem Elternteil in rechtlich gesicherter Form aus §§ 1360, 1360a BGB gegen den anderen Partner zusteht. Dies gilt aber auch für "faktische" Stiefkinder ohne Selbsthilfemöglichkeiten. Der Gesetzgeber geht hier zulässigerweise davon aus, dass der Elternteil innerhalb einer Gemeinschaft, in der er gleichberechtigt ("aus einem Topf") mit dem Partner über die Ausgaben entscheidet, die Belange des Kindes (in erster Linie durch Gewährleistung des Naturalunterhalts) ausreichend schützen und so seiner Pflicht zur elterlichen Sorge (§§ 1626 ff BGB) nachkommen wird. Die für den Elternteil aus § 9 Abs 1 und Abs 2 SGB II folgende Pflicht, auch in Partnerschaften, in denen der Partner dem Kind nicht nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften unterhaltspflichtig ist, für die Verteilung der Mittel zugunsten seines minderjährigen Kindes zu sorgen, ist eine zulässige Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich in Art 6 Abs 2 Satz 1 GG zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Die elterliche Pflicht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes besteht nicht allein gegenüber dem Staat, der über die Ausübung der Elternverantwortung zu wachen hat. Eltern sind auch - unmittelbar - ihrem Kind gegenüber zu dessen Pflege und Erziehung verpflichtet (vgl im Einzelnen BVerfG Urteil vom 1. April 2008 - 1 BvR 1620/04, NJW 2008, 1287, 1288 = juris RdNr 70 f). Hierauf gründet die nicht zu beanstandende gesetzgeberische Annahme, dass die Elternverantwortung des einen Partners gegenüber dem minderjährigen Kind und das Wissen des anderen Partners um diese Pflicht von vornherein Grundlage des Zusammenlebens der Partner und der Lebensgestaltung in der Bedarfsgemeinschaft sein werden.

Es ist dem Partner allerdings ohne rechtlichen Hinderungsgrund möglich, sein Verhalten zu ändern und sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen zu verwenden. Soweit ein Partner nicht (mehr) bereit ist, die Elternverantwortung des anderen zu berücksichtigen, und er Mittel ausdrücklich nicht zur Verfügung stellt, darf der Gesetzgeber gleichwohl davon ausgehen, dass dieser Konflikt innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ausgetragen und gelöst wird, ohne dass das Kindeswohl gefährdet wird. Aufgrund solcher Konflikte zwischen den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft kann es zwar zur Auflösung der Partnerschaft und damit der Bedarfsgemeinschaft kommen. Diese Konsequenz mag sozialpolitisch nicht wünschenswert sein; damit wird die allgemeine Handlungsfreiheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aber nicht in verfassungswidriger Weise eingeschränkt (dazu unter bb). Vor der (denkbaren) Verletzung des Kindswohls (im Sinne einer Vernachlässigung des Kindes) durch die einseitige Verfolgung allein der Interessen des Elternteils schützt der Staat das Kind in erster Linie durch die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII). Reichen die Leistungen des SGB VIII nicht aus, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, muss ggf - durch das Familiengericht - in das Erziehungsrecht eingegriffen werden. Nicht anders löst die Rechtsordnung derartige Interessenkonflikte, wenn das Kind im Familienverbund mit beiden leiblichen Eltern lebt. Wie oben dargelegt, führt die Verletzung von bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten durch die Eltern auch in diesen Fällen nicht dazu, dass dem Kind (nachrangige) Leistungen nach dem SGB II zu gewähren wären.

bb) Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) ist durch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht verletzt. Art 2 Abs 1 GG schützt die Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne, mithin auch die Möglichkeit Beziehungen frei einzugehen und zu gestalten. Das gilt für die Beziehungen zwischen dem Kind und dem Partner und dem Kind und seinem leiblichen Elternteil ebenso wie für die Beziehungen der Partner untereinander, die insbesondere in ihrem Recht geschützt sind, in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Das Grundrecht auf Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Es wird nach Art 2 Abs 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung und die Rechte anderer beschränkt (vgl BVerfGE 99, 185, 195). Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen ergeben. Der Einzelne hat die Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden. Das vom Gesetzgeber eingesetzte Mittel muss dabei geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Ferner darf der mit der Beschränkung verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen und den Betroffenen nicht übermäßig oder unzumutbar belasten (vgl BVerfGE 96, 56, 61; stRspr). Auch die Belange der Partner, die durch die vorliegende Aufhebungsentscheidung nicht unmittelbar betroffen sind, sind dabei im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Abwägung einzustellen (vgl BVerfGE 113, 29, 47 zu Rechten drittbetroffener Mandanten bei der Beschlagnahme von Datenträgern).

Der mit § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II ausgeübte finanzielle Druck (nämlich der Wegfall eines durch Steuermittel finanzierten Betrages zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes) beeinflusst die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in ihrer gemeinsamen Lebensgestaltung, auch wenn mit der Regelung keine Rechtspflichten zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung statuiert werden. Es werden dabei von der Rechtsordnung Konflikte innerhalb der Bedarfsgemeinschaft in Kauf genommen. Diese Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft durch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II erweist sich aber als verhältnismäßig im dargestellten Sinne.

Die Regelung verfolgt den mit der Gewährung von Fürsorgeleistungen in sachlichem Zusammenhang stehenden Zweck, Personen von der Gewährung staatlicher Hilfen zur Sicherung des Existenzminimums auszuschließen, die dieser Hilfe nicht bedürfen. Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II dabei insbesondere eine zuvor bestehende Schlechterstellung von Ehen gegenüber nichtehelichen Partnerschaften auflösen (BT-Drucks 16/1410 S 20). Da bei einer Heirat der Partner zum nicht leiblichen Kind eine Schwägerschaft entsteht, war in diesem Fall nach dem Rechtszustand vor dem 1. August 2006 gemäß § 9 Abs 5 SGB II vermutet worden, dass das nicht leibliche Kind vom verheirateten Stiefelternteil Leistungen erhält, während in bloß eheähnlichen Partnerschaften eine Berücksichtigung des Einkommens des Partners beim Kind gänzlich ausgeschlossen war. Mit der Änderung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II hat der Gesetzgeber den zulässigen Zweck verfolgt, diese Besserstellung von Kindern in Bedarfsgemeinschaften mit lediglich eheähnlichen Partnern zu beseitigen.

Dabei wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die Anknüpfung an eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen den Partnern gewahrt. Mit den strengen Kriterien, die im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 17. November 1992 (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) von der Rechtsprechung insoweit nachvollzogen worden sind und die in § 7 Abs 3a SGB II in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung unverändert ihren Niederschlag gefunden haben (vgl im Einzelnen Spellbrink aaO § 7 RdNr 44 ff; Hänlein aaO § 7 RdNr 43 ff; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 7 RdNr 67 ff; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 RdNr 47 ff), wird den schützenswerten Bedürfnissen von Paaren Rechnung getragen, nicht ohne Weiteres bereits mit dem Zusammenziehen unübersehbare Pflichten übernehmen zu müssen. Es führt nicht jede Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau (bzw gleichgeschlechtlichen Partnern) zwangsläufig zu einer Einstandspflicht für Kinder aus früheren Beziehungen, mag sie auch auf partnerschaftlicher Hinwendung beruhen und über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus gehen. Erst wenn besondere Bindungen zwischen den Partnern entstanden sind, die ein eheähnliches Zusammenleben und damit auch ein familienähnliches Zusammenleben mit den Kindern des jeweiligen Partners vermuten lassen, geht das Gesetz von einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II mit der Folge der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs 2 SGB II aus.

Die wirtschaftlichen Folgen der Einbeziehung nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft werden dabei durch die Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ausreichend abgemildert. Der Bedarf auch des leistungsfähigen Partners fließt von vornherein in die Berechnungen des Gesamtbedarfs ein. Die Berücksichtigung von Einkommen der Kinder (etwa aus Unterhaltsleistungen des getrennt lebenden Elternteils oder Kindergeld) bereits bei der Errechnung ihres Bedarfs verringert zudem den Gesamtbedarf, dem das Einkommen gegenüberzustellen ist. Soweit der Partner Einkommen erzielt, werden davon die in § 11 Abs 2 Nr 1 bis 8 SGB II genannten Aufwendungen abgesetzt. Insbesondere gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen des Partners sind von seinem Einkommen abzusetzen, sofern sie tituliert sind (vgl § 11 Abs 2 Nr 7 SGB II), sodass deren Vorrang gewahrt bleibt. Daneben wird dem Partner, der Erwerbseinkommen erzielt, ein Freibetrag gemäß § 30 SGB II eingeräumt (vorliegend in Höhe von 210 Euro), der ihm zur freien Verfügung verbleibt.

Die steuerlichen Vorteile aus § 32 Abs 6 Satz 7 Einkommensteuergesetz (EStG) kann zwar nur derjenige wahrnehmen, der mit dem leiblichen Elternteil verheiratet ist. Diese steuerrechtliche Privilegierung von Ehegatten gegenüber Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zulässig (zuletzt BFH Urteil vom 20. April 2004 - VIII R 88/00 - BFH/NV 2004, 1103). Soweit dem steuerpflichtigen Partner die Mittel für die Unterstützung des mit ihm nicht verwandten oder verschwägerten Kind durch die steuerrechtlichen Regelungen, die einen Kinderfreibetrag für "faktische" Stiefkinder nicht vorsehen, entzogen würden (was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist), genügt der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung aus dem Sozialstaatsgebot dadurch, dass er solche Bedarfsgemeinschaften bei Hilfebedürftigkeit unterstützt.

Besonderen finanziellen Härten, die im Einzelfall durch die im SGB II vorausgesetzte Unterstützung der Kinder entstehen und die nicht mehr hinnehmbar erscheinen, kann einfachrechtlich begegnet werden. So sind etwa zur Lösung des Systemkonflikts zwischen vollstreckungsrechtlichem Schuldnerschutz nach §§ 850 ff Zivilprozessordnung und Einstandspflichten in eheähnlichen Gemeinschaften und Patchwork-Familien verschiedene Ansätze denkbar (vgl OLG Frankfurt am Main Urteil vom 4. Juli 2008 - 24 U 146/07 - ZVI 2008, 384 einerseits und LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24. April 2008 - L 28 B 1452/07 AS ER - juris RdNr 21 andererseits). Vorliegend ist ohnehin nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, was auf eine unangemessene, weil wirtschaftlich erdrückende finanzielle Beeinträchtigung des Partners der Mutter hindeutet. Es besteht auch vor dem Hintergrund seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) jedenfalls kein Rechtsanspruch darauf, dass er durch steuerfinanzierte Leistungen von wirtschaftlichen Belastungen freigestellt wird, die auf ihn durch das dauerhafte Zusammenleben mit einer neuen Partnerin mit Kind zukommen können.

cc) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Eine Regelung ist dann mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 116, 229, 238; 112, 368, 401 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 53 f stRspr). Der Gesetzgeber hat auch hier bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4). Es ergeben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl BVerfGE 88, 87, 96; BVerfGE 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 26). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 51). Dabei enthält das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierung, sondern ebenso das Gebot, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl zB BVerfGE 98, 365, 385; 103, 310, 318 stRspr). Gemessen an diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum hier nicht überschritten.

§ 9 Abs 2 Satz 2 SGB II bewirkt, dass bei Kindern, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem leistungsfähigen Partner des leiblichen Elternteils zusammenleben, zur Deckung ihres Bedarfs Einkommen und Vermögen des Partners herangezogen werden, ohne dass entsprechende bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche bestehen. Diese Gleichbehandlung mit Kindern, denen bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche gegenüber dem leistungsfähigen Mitglied in der Bedarfsgemeinschaft zustehen, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Wie bereits dargelegt sind bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit im SGB II die unterhaltsrechtlichen Regelungen nach dem BGB nicht der maßgebliche Anknüpfungspunkt. Eine Differenzierung dahin, die der staatlichen Hilfegewährung vorrangige Einstandspflicht von dem Bestehen von Unterhaltsansprüchen abhängig zu machen, war von Verfassung wegen nicht geboten. Es stand dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums frei, die in der Gesetzesbegründung aufgezeigte Schlechterstellung von Bedarfsgemeinschaften, die auf einer Eheschließung der Partner beruhen, durch eine Änderung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II zu beseitigen. Eine Änderung des § 9 Abs 5 SGB II war jedenfalls nicht die einzig verfassungsrechtliche zulässige Alternative zur Beseitigung der Bevorzugung von eheähnlichen Gemeinschaften im Rahmen des § 9 Abs 5 SGB II (anders offenbar Stephan aaO, S 228). Ausreichend als Differenzierungskriterium ist, dass der Gesetzgeber nur solche Gemeinschaften erfasst, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann.

dd) Die Regelung begegnet auch keinen durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Partner in der Bedarfsgemeinschaft im Hinblick auf Art 6 GG (anders Wenner aaO). Durch die vorliegend zur Überprüfung gestellte Entscheidung sind die Partner ohnehin nur mittelbar betroffen. Es ist mit der angefochtenen Entscheidung der Beklagten lediglich in eine rechtliche Position des Kindes eingegriffen worden, folglich sind die Partner nicht Kläger des vorliegenden Verfahrens. Überdies wollen sie die Ehe nicht eingehen, weil mit der Eheschließung der Verlust der Versorgungsansprüche nach der verstorbenen Ehefrau verbunden wäre. Ihre möglichen Beeinträchtigungen durch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II wären damit in erster Linie an Art 2 Abs 1 GG zu messen.

Ungeachtet dessen ist eine verfassungswidrige Beeinträchtigung der in Art 6 GG geschützten Rechte aber auch im Übrigen nicht erkennbar. Art 6 Abs 1 GG schützt die Freiheit, eine Ehe mit einem selbst gewählten Partner zu schließen (vgl BVerfGE 31, 58, 67; 76, 1, 42). Art 6 Abs 1 GG legt dem Gesetzgeber neben dem Verbot, die Ehe zu schädigen, auf, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen zu schützen und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 6, 55 76, stRspr). Die Regelung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II erschwert weder die Eingehung der Ehe noch die Bildung von Familien. Der Vorrang von Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Kindern ist mit § 11 Abs 2 Nr 7 SGB II gewahrt. Mögliche Elternrechte des neuen Partners aus Art 6 Abs 2 GG sind damit ausreichend geschützt. Durch die Regelung des § 32 Abs 6 Satz 7 EStG ergibt sich für Ehegatten zudem eine erhebliche steuerliche Bevorzugung gegenüber den übrigen Lebensgemeinschaften, die die Folgen der wirtschaftlichen Einbeziehung der Stiefkinder nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II weitgehend abmildert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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