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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: B 2 U 19/02 R
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 8 Abs 2 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 2 U 19/02 R

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 3. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Burchardt, die Richter Mütze und Kruschinsky sowie die ehrenamtlichen Richter Lasar und Lippert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten wegen der Frage, ob der Unfall des Klägers am 19. Juni 1998 ein Arbeitsunfall (Wegeunfall) ist.

Der im Jahre 1945 geborene und in S wohnhafte Kläger ist in D als Erzieher beschäftigt. Den ca 48 km langen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte legt er gewöhnlich mit seinem PKW oder seinem Motorrad zurück. Am Freitag, dem 19. Juni 1998, hatte der Kläger nach Beendigung der Arbeit gegen 16.00 Uhr die Heimfahrt angetreten. Nach kurzer Zeit bemerkte er, dass das Motorrad beim Anfahren ruckelte und beim Beschleunigen nicht durchzog. Er kehrte daraufhin zu seiner Arbeitsstelle zurück, die bereits geschlossen hatte. Von einer in der Nähe gelegenen Telefonzelle rief er seinen in K bei einer Motorradwerkstatt als Kfz-Meister beschäftigten Schwager F an und erklärte ihm, dass das Motorrad nicht richtig laufe. Nachdem Herr F geäußert hatte, eine Überprüfung des Motorrades ohne Wartezeit sei kurzfristig möglich, fuhr der Kläger auf der Bundesautobahn in Richtung K und erlitt gegen 16.48 Uhr zwischen dem Kreuz K und dem Rastplatz F einen Unfall, indem er mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h auf einen in einem Stau stehenden PKW auffuhr. Der Kläger wurde dabei schwer verletzt.

Mit Bescheid vom 21. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus Anlass des Unfalles ab, da ein Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe sich nicht auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit befunden. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gehöre die Instandhaltung und Reparatur des für den Weg von und zu der Arbeit benutzten Fahrzeugs zu den unversicherten Vorbereitungshandlungen. Ausnahmsweise könne Versicherungsschutz bestehen, wenn der Defekt am Fahrzeug unerwartet eintrete und hierdurch die Beendigung des Weges unmöglich werde. Letzteres sei hier nicht der Fall, wie die Rückkehr des Klägers zu seinem Arbeitsplatz und die anschließende Fahrt nach K belege. Die Fahrt zur Werkstatt in K könne auch nicht als - versicherte - Fahrt zu einem sog dritten Ort gewertet werden. Das sei nur dann möglich, wenn der Aufenthalt dort mindestens zwei Stunden gedauert habe und dieses mit Gewissheit feststehe. Eine derartige Feststellung lasse sich hier aber nicht treffen, weil der Kläger auf dem Weg zur Werkstatt verunglückt sei und nicht geklärt sei, welcher Defekt tatsächlich vorgelegen habe. Ferner sei zweifelhaft, ob die Zwei-Stunden-Grenze überhaupt erreicht worden wäre.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. April 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers dieses Urteil geändert, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 19. Juni 1998 als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 30. Januar 2002). Wie schon in § 550 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beschränke § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Versicherungsschutz nicht auf Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zielort des Rückweges vom Ort der Tätigkeit könne auch ein anderer (dritter) Ort sein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne von einem dritten Ort nur ausgegangen werden, wenn der Weg nach der Handlungstendenz des Versicherten wesentlich dazu diene, nach Beendigung der Tätigkeit in den privaten Bereich zu wechseln und wenn - bei einem Rückweg von der Arbeitsstätte - die Dauer des Aufenthaltes an dem anderen Ort so erheblich sei, dass der weitere Weg zB zur häuslichen Wohnung nicht mehr in rechtlich erheblichem Zusammenhang mit der Beendigung der Arbeit an der Arbeitsstätte stehe. Die notwendige Dauer des Aufenthaltes sei vom BSG mit mindestens zwei Stunden festgelegt worden. Diese Zeitgrenze entspreche der, die das BSG bei einer längeren Unterbrechung auf Wegen von dem Ort der Tätigkeit angenommen habe, die dann für den weiteren Weg zum Verlust des Versicherungsschutzes führe. Hiervon ausgehend habe sich der Kläger im Unfallzeitpunkt bei der Fahrt zu der Motorradwerkstatt in K auf einem Weg zum dritten Ort befunden. Der Kläger habe diesen Weg unternommen, um an diesem Tage - trotz der schon fortgeschrittenen Zeit - in der Werkstatt durch den Zeugen F die technischen Probleme an seinem Motorrad beheben zu lassen. Nach der von der Beklagten eingeholten Auskunft des Herrn F sei dies auch möglich gewesen, weil Motorräder grundsätzlich bis 18.00 Uhr zur Reparatur angenommen würden und eine solche selbst von zwei Stunden auch noch am selben Tage hätte erledigt werden können. Die zwischen dem Kläger und dem Zeugen F telefonisch getroffene Abrede sei daher - auch bei einer aufwändigeren Fehlersuche bzw einem technisch nicht sofort zu behebenden Schaden - durchaus realistisch gewesen. Von daher sei es auch einleuchtend, dass der Kläger noch die an diesem Tage bestehende gute Möglichkeit habe nutzen wollen, den Defekt an seinem Motorrad beheben zu lassen. Es sei auch nicht zu bezweifeln, dass der Kläger sich voraussichtlich mindestens zwei Stunden bis zur Beendigung der Fehlersuche und Reparatur in der Werkstatt in K aufgehalten hätte. Dies folge aus seinen glaubhaften Angaben sowie den Bekundungen des Zeugen F über den notwendigen Umfang der erforderlichen Arbeiten an dem Motorrad, die letztlich auch die Beklagte nicht mehr in Zweifel ziehe. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten komme dem Umstand, dass dem Kläger im Zeitpunkt des Unfalls die voraussichtliche Aufenthaltsdauer in der Werkstatt in K nicht bekannt gewesen sei, rechtlich keine entscheidende Bedeutung zu. Naturgemäß könne bei Unfällen auf Wegen zum dritten Ort nie im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen werden, wie lange der Versicherte sich dort aufgehalten hätte. Dementsprechend habe das BSG schon in einem Urteil aus dem Jahre 1964 auf die beabsichtigte Dauer des privaten Zwecken dienenden Aufenthaltes in der Wohnung der Schwiegereltern des dortigen Versicherten abgestellt. Im Urteil des BSG vom 5. Mai 1998 sei gleichfalls davon die Rede, dass von einem dritten Ort erst dann gesprochen werden könne, wenn sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufhalte bzw aufhalten wolle. Wenn insoweit maßgebend auf die Handlungstendenz des Versicherten abgestellt werde, könne dies hier nicht zur Versagung des Versicherungsschutzes führen, weil der Kläger hinsichtlich der Verweildauer im Unfallzeitpunkt keine konkrete Vorstellung gehabt habe. Der Kläger habe durch die Fahrt nach K und das Aufsuchen der Werkstatt sicherstellen wollen, dass der Defekt an seinem Motorrad umgehend beseitigt werde. Dass man in derartigen Fällen zudem immer mit Wartezeiten rechnen müsse, insbesondere dann, wenn der Fehler erst gesucht werden müsse, um ihn dann zu beseitigen, sei im Übrigen jedem Kraftfahrer bekannt und entspreche damit auch der allgemeinen Lebenserfahrung. Es sei deshalb allein sachgerecht, auf die Aufenthaltsdauer abzustellen, die für die Fehlersuche und Reparatur des Motorrades objektiv erforderlich gewesen wäre. Insoweit könne auch nur der "Wahrscheinlichkeitsnachweis" gefordert werden.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG missachte ua Beweismaßstäbe, wie sie von der Rechtsprechung des BSG zum Nachweis des Versicherungsschutzes bzw des inneren sachlichen Zusammenhanges mit der versicherten Tätigkeit gefordert würden. Zutreffend gehe das LSG mit der Rechtsprechung des BSG davon aus, dass von einem dritten Ort nur dann ausgegangen werden könne, wenn der Weg nach der Handlungstendenz des Versicherten wesentlich dazu diene, nach Beendigung der versicherten Tätigkeit in den privaten Bereich zu wechseln und wenn die Dauer des Aufenthaltes an dem anderen Ort so erheblich sei, dass der weitere Weg zB zur häuslichen Wohnung nicht mehr in rechtlich erheblichem Zusammenhang mit der Beendigung der Arbeit stehe. Die notwendige Dauer des Aufenthaltes am sog dritten Ort betrage nach der Rechtsprechung des BSG zwei Stunden. Das LSG gehe indes nicht von den Beweisanforderungen aus, wie sie Rechtsprechung und Literatur verlangten. Danach müsse die versicherte Tätigkeit mit Gewissheit iS des Vollbeweises bewiesen sein. Die maßgeblichen tatsächlichen Grundlagen des inneren (sachlichen) Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit müssten mit Gewissheit feststehen. Das LSG habe die Prüfung unterlassen, ob die tatsächlichen Grundlagen des inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit, dh insbesondere die von der BSG-Rechtsprechung geforderte Handlungstendenz und die (beabsichtigte) Dauer des Aufenthalts am dritten Ort von mindestens zwei Stunden, mit Gewissheit feststünden. Bei richtiger Prüfung hätte das LSG feststellen müssen, dass sich bereits die Handlungstendenz nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen lasse. Dies ergebe sich bereits aus der Aussage des Klägers vor dem LSG am 5. Dezember 2001, wonach ihm sein Schwager am Telefon nicht gesagt habe, wie viel Zeit die Nachprüfung und ggf erforderliche Reparatur in Anspruch nehmen würden. Er selbst habe den erforderlichen Zeitaufwand nicht einschätzen können. Er habe nur gewusst, dass die Motorrad-Verkleidung und der Tank hätten abmontiert werden müssen. Er habe keine genauen Vorstellungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer in der Motorradwerkstatt gehabt. Das Vorhaben des Klägers sei somit nicht davon geprägt gewesen, von der versicherten Tätigkeit zurückzukehren und in den privaten Bereich hinüberzuwechseln. Vielmehr sei es sein Ziel gewesen, für die Reparatur des Motorrades zu sorgen. Somit sei die von der Rechtsprechung geforderte Handlungstendenz nicht gegeben, auf jeden Fall ließen sich hierfür keine tatsächlichen Grundlagen mit Gewissheit feststellen. Es könne keine Rede davon sein, dass sich der Kläger einen mindestens zweistündigen Aufenthalt am dritten Ort vorgestellt habe.

Es könne zudem nicht überzeugen, wenn das LSG allein auf die Aufenthaltsdauer abstelle, die für die Fehlersuche und Reparatur des Motorrades mit Wahrscheinlichkeit objektiv erforderlich gewesen sei. Insbesondere der Hinweis auf das Urteil des BSG vom 10. Dezember 1964 (- 5 RKn 56/60 - BG 1965, 154) gehe fehl, da dieses Urteil zwar auf die "beabsichtigte" Dauer des Aufenthaltes am dritten Ort abstelle, nicht jedoch auf die wahrscheinlich objektiv erforderliche Aufenthaltsdauer. Im Übrigen hätten in der genannten Entscheidung des BSG keine Beweisanforderungsmaßstäbe zur Debatte gestanden; die beabsichtigte Dauer am dritten Ort sei dort in keiner Weise streitig oder unklar gewesen. Auch der Hinweis auf die Ausführungen von Benz (BG 1983, 721, 723) vermöge die Auffassung des LSG nicht zu tragen, da Benz keinerlei Begründung für einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab angebe und seine Ausführungen aus einer Zeit stammten, in der die genannten Beweisanforderungen zum inneren sachlichen Zusammenhang von der Rechtsprechung des BSG noch nicht entwickelt gewesen seien. Ergänzend sei zu erwähnen, dass selbst wenn eine komplizierte und langwierige Reparatur erforderlich gewesen wäre, dies noch lange nicht bedeute, dass der Kläger mindestens zwei Stunden in der Werkstatt verbracht hätte. Denkbar sei zB auch, dass der Kläger nach relativ kurzer Zeit die Werkstatt verlassen hätte, um sein Motorrad nach Beendigung der Reparatur am nächsten Tag oder an einem anderen Tag abzuholen. Vorstellbar erscheine weiter, dass die Reparaturwerkstatt zB wegen akuter Auslastung die Reparatur an dem betreffenden Tage gar nicht mehr hätte durchführen können, so dass der Kläger deswegen nur kurze Zeit in der Werkstatt hätte verweilen müssen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. April 2000 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger am 19. Juni 1998 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wie in § 550 Abs 1 RVO ist gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist - nach wie vor - gesetzlich nicht festgelegt (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 mwN). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen - rechtlich - zusammenhängt, dh dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII verlangt insoweit ausdrücklich, dass das Zurücklegen des Weges mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 39; SozR 3-2700 § 8 Nr 6). Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens versicherter Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht werden, das Vorhandensein versicherter Tätigkeit also sicher feststehen (vgl BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN), während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl BSGE 58, 80, 82 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf dem Weg vom Ort seiner versicherten Tätigkeit in D nach K zur Motorradwerkstatt der Firma B .

Dass der Kläger diesen Weg nicht unmittelbar nach der Beendigung seiner versicherten Tätigkeit gegen 16.00 Uhr am Unfalltag angetreten hatte, sondern sich zunächst auf den Weg nach Hause begeben hatte und zum Ort der Tätigkeit zurückgekehrt war, schließt den Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nicht aus. Selbst wenn man die erfolglose Fahrt in Richtung S und die Rückkehr nach D vollständig als rein eigenwirtschaftliche Tätigkeit ansähe, wäre, da diese Tätigkeit weit weniger als zwei Stunden in Anspruch genommen hatte, nach den Grundsätzen über die Unterbrechung der versicherten Tätigkeit der Versicherungsschutz in dem Zeitpunkt wieder aufgelebt, in dem sich der Kläger endgültig von dem Ort der Tätigkeit in Richtung K entfernt hatte (vgl BSGE SozR 2200 § 550 Nr 12 und 42; BSGE 55, 141, 143 = SozR 2200 § 550 Nr 55; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 244 ff, 247).

Allein der Umstand, dass der Versicherte den zum Unfall führenden Weg vom Ort der Tätigkeit angetreten hatte, führt indes nicht stets zur Annahme des Versicherungsschutzes. Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein "dritter Ort" der Ausgangspunkt bzw der Endpunkt des nach oder von dem Ort der Tätigkeit angetretenen Weges ist, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten rechtlich wesentlich geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben oder von dieser zurückzukehren (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 mwN). Abgesehen von der - hier erfüllten - Voraussetzung, dass der Weg vom oder zum dritten Ort in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur oder von der Arbeitsstätte zurückgelegten Weg stehen muss (vgl zuletzt BSG aaO), kann Unfallversicherungsschutz auf dem Weg von oder zu einem dritten Ort nur bestehen, wenn der Aufenthalt an dem dritten Ort selbst mindestens zwei Stunden dauerte bzw dauern sollte (BSGE 82, 138, 141 = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 mwN). Diese zeitliche Grenze ist im vorliegenden Fall nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG erreicht. Ereignet sich der zu beurteilende Unfall - wie hier - nicht auf dem Weg von einem dritten Ort zur Arbeitsstätte, sondern auf dem Weg von dem Ort der Tätigkeit, bereitet die Feststellung des - beabsichtigten - zweistündigen Aufenthalts am dritten Ort naturgemäß Schwierigkeiten, weil er sich durch den Unfall nicht realisiert hat. Gleichwohl sind auch in diesem Fall dieselben Beweismaßstäbe anzulegen, die nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für die Feststellung der tatsächlichen Grundlagen für das Vorliegen versicherter Tätigkeit (vgl BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; zuletzt BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 10) erforderlich sind. Für die Absicht des Versicherten, sich für eine gewisse Zeitspanne an dem dritten Ort aufhalten zu wollen, bedeutet dies, dass der Versicherte die Absicht haben muss, an diesem Ort mindestens zwei Stunden zu verweilen. Von dieser Absicht muss sich der Unfallversicherungsträger oder das Tatsachengericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzeugen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es dabei nicht erforderlich, dass der Versicherte selbst eine bestimmte Vorstellung über eine konkrete zeitliche Länge seines Aufenthalts in Minuten oder Stunden haben muss. Es reicht insoweit aus, wenn er konkrete Handlungen (Tun oder Unterlassen) beabsichtigt, die - bei objektiver Überprüfung - einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden in Anspruch genommen hätten. Dass der Versicherte eine konkrete Vorstellung über die zeitliche Länge des beabsichtigten Aufenthaltes in Minuten oder Stunden haben müsste, hat das BSG bisher nicht entschieden, auch nicht in dem von der Beklagten herangezogenen Urteil vom 10. Dezember 1964 (- 5 RKn 56/60 - SozR Nr 56 zu RVO § 543 aF). Dort hat das BSG lediglich von der "beabsichtigten Dauer" des Aufenthalts am dritten Ort gesprochen und diese, weil es sich um die beabsichtigte Einnahme einer Mittagsmahlzeit in der Wohnung der Eltern der Braut des Versicherten handelte, als erheblich angesehen. Abgesehen davon, dass das BSG ohnehin erstmals in seinem Urteil vom 5. Mai 1998 (SozR 3-2200 § 550 Nr 18) eine bestimmte Mindestzeitdauer des Aufenthalts am dritten Ort mit zwei Stunden festgelegt hat, ist dem Urteil vom 10. Dezember 1964 (aaO) nicht zu entnehmen, dass der Versicherte eine konkrete Vorstellung von der zeitlichen Dauer seines beabsichtigten Aufenthalts am dritten Ort haben müsste. Gleiches gilt für das Urteil vom 5. Mai 1998 (aaO). Zwar findet sich darin die Formulierung, dass "sich der Versicherte dort mindestens zwei Stunden aufhält bzw aufhalten will". Dies bedeutet indes nicht, dass er auf dem Weg zum dritten Ort eine konkrete Vorstellung von der genauen zeitlichen Länge seines beabsichtigten Aufenthaltes dort haben müsste. Dies zu fordern, würde im Übrigen wegen der höchst unterschiedlichen Vorstellungen von Menschen über die für ein und dieselbe Verrichtung benötigte Zeit zu zufälligen Ergebnissen bei der Abgrenzung des Versicherungsschutzes auf dem Weg zum dritten Ort führen. Im Sinne einer gleichmäßigen Rechtsanwendung unter abstrakt generellen Maßstäben ist es daher geboten, hinsichtlich der beabsichtigten Dauer des Aufenthalts am dritten Ort darauf abzustellen, dass die konkret beabsichtigten Verrichtungen bei objektiver Betrachtung mindestens zwei Stunden angedauert hätten.

Hiervon ausgehend hat das LSG unter eingehender Auswertung und Erörterung der eigenen Angaben des Klägers und der des Zeugen F festgestellt, dass der Umfang der bevorstehenden Arbeiten an dem Motorrad einen Aufenthalt des Klägers in der Werkstatt in K von mindestens zwei Stunden erforderlich gemacht hätte. Demgegenüber sind die dagegen vorgetragenen Bedenken der Beklagten im Revisionsverfahren Mutmaßungen und stützen sich nicht auf zulässige und begründete Revisionsrügen gegen diese tatsächlichen Feststellungen des LSG.

Wie erforderlich, hat es das LSG auch als sicher feststehend erachtet, dass der Kläger die Werkstatt in K aufsuchen wollte und er die Absicht hatte, sich dort mindestens zwei Stunden aufzuhalten. Das LSG hat zwar in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass, "da es sich um ein hypothetisches Geschehen handelt, auch nur der Wahrscheinlichkeitsnachweis gefordert werden kann". Entgegen der Auffassung der Revision hat das LSG damit aber nicht den Beweisanforderungsmaßstab für die Überzeugung von der rechtlich allein maßgeblichen Handlungstendenz des Versicherten, sich an den dritten Ort begeben und dort mindestens zwei Stunden bleiben zu wollen, gesenkt. Dass bei einem nicht eingetretenen also "hypothetischen" Lebenssachverhalt stets nur von dessen wahrscheinlichem Eintritt für den - ebenfalls nur hypothetischen - Fall des Nichteintritts des Unfalls ausgegangen werden kann, ist selbstverständlich, denn es hätten außer dem Unterbleiben des Unfalls durchaus auch andere Umstände eintreten können, die den Eintritt des Sachverhalts - hier Aufenthalt am dritten Ort - verhindert haben könnten. Das LSG meint insoweit nicht, dass das für die tatrichterliche Feststellung entscheidende Maß an Sicherheit in der Überzeugung von dem - erforderlichen - Maß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf das der bloßen Wahrscheinlichkeit abgesenkt werden sollte, und zwar sowohl in Bezug auf die Feststellung der Absicht des Versicherten, sich überhaupt an einen dritten Ort zu begeben, als auch bezüglich der zeitlichen Länge des beabsichtigten Aufenthaltes am dritten Ort. Hier hat sich das LSG anhand der durch die glaubhaften Angaben des Klägers und des Zeugen F zum Umfang der notwendigen Arbeiten an dem Motorrad und dem dafür erforderlichen Zeitaufwand vollständig davon überzeugt, dass der Kläger die Werkstatt aufsuchen wollte und sein Aufenthalt dort - hätte er stattgefunden - wegen der an dem Motorrad notwendigen Arbeiten mindestens zwei Stunden gedauert hätte. Dies ist erforderlich, reicht aber auch aus, um darauf gestützt den inneren Zusammenhang und damit den Unfallversicherungsschutz auf dem Weg vom Ort der Tätigkeit zum dritten Ort anzunehmen.

Die Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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