Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: B 3 KR 9/08 R
Rechtsgebiete: SGB V, GG


Vorschriften:

SGB V § 27a
GG Art 2 Abs 1
GG Art 2 Abs 2
GG Art 3 Abs 1
GG Art 6 Abs 1
GG Art 14 Abs 1
GG Art 20 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 25.06.2009

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 9/08 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Hambüchen, die Richter Schriever und Dr. Schütze sowie die ehrenamtliche Richterin Grützmacher und den ehrenamtlichen Richter Busch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2008 werden zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.

Die am 30.11.1973 geborene Klägerin zu 1) und der am 13.9.1972 geborene Kläger zu 2) sind verheiratet und bei der beklagten Krankenkasse versichert. Bei dem Kläger besteht eine subtotale Azoospermie. Die Beklagte übernahm wegen des bis dahin unerfüllten Kinderwunsches zunächst die Kosten von zwei 2003 in Deutschland durchgeführten In-Vitro-Fertilisationen mit Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Ebenfalls übernommen wurden auf Widerspruch der Kläger gegen die ursprüngliche Ablehnungsentscheidung der Beklagten die Kosten für eine dritte Maßnahme zur künstlichen Befruchtung mittels ICSI, die nach deren Wunsch im Dezember 2003 in Österreich durchgeführt wurde und wie die vorangegangenen Behandlungsversuche nicht zu einer Schwangerschaft führte.

Ein erstmals im Dezember 2005 gestellter und im April 2006 unter Vorlage eines Behandlungsplanes wiederholter Antrag der Kläger, im Hinblick auf eine Eileiterschwangerschaft als Folge einer von ihnen selbst finanzierten vierten Maßnahme erneut die anteiligen Kosten weiterer Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung zu übernehmen, blieb ohne Erfolg. Die Beklagte lehnte dies ab, weil bereits dreimal erfolglos Maßnahmen durchgeführt worden seien. Eine Eileiterschwangerschaft führe lediglich dazu, dass diese nicht auf die Höchstzahl der Versuche angerechnet werde. Jedoch lebe der Anspruch auf weitere ICSI-Maßnahmen nicht wieder auf, wenn es nach einer Maßnahme zur künstlichen Befruchtung zu einer Eileiterschwangerschaft gekommen sei (Bescheid vom 9.1.2006, Widerspruchsbescheid vom 8.3.2006 und weiterer Bescheid vom 2.5.2006). Daraufhin ließen die Kläger im Mai 2006 eine weitere Maßnahme zur künstlichen Befruchtung vornehmen, die zu einer Schwangerschaft führte. Dafür sind ihnen Behandlungskosten in Höhe von 4.098,83 Euro in Rechnung gestellt worden, deren hälftige Erstattung sie von der Beklagten beanspruchen.

Klage (Urteil des Sozialgerichts vom 10.1.2007) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts [LSG] vom 18.3.2008) sind erfolglos geblieben: Ein Anspruch auf - hälftige - Kostenerstattung in Höhe von 2.048,92 Euro sei nicht gegeben, weil auch kein entsprechender Sachleistungsanspruch zu erfüllen gewesen wäre. Die zum 1.1.2004 eingetretene Rechtsänderung habe die vormals bestehende Möglichkeit eines vierten Versuchs beseitigt. Der Umstand, dass unter Geltung des neuen Rechtszustandes eine vierte ICSI-Maßnahme zu einer Eileiterschwangerschaft geführt habe, rechtfertige keinen Anspruch auf weitere Behandlungen. Verfassungsrechtlich sei das nicht zu beanstanden.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 27a SGB V sowie von Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 und 2 GG sowie Art 6 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG. Die Leistungsbeschränkung auf drei Versuche sei nicht rechtens. Der Anspruch lebe nach einer Schwangerschaft oder - wie hier - einer Eileiterschwangerschaft wieder auf. Ohnehin sei der in Österreich durchgeführte dritte Versuch nicht berücksichtigungsfähig, weil er nicht in einer Einrichtung mit einer Genehmigung nach § 121a SGB V durchgeführt worden sei. Das sei aber nach § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V Leistungsvoraussetzung. Im Übrigen sei die Anspruchsbegrenzung auf drei Versuche willkürlich. Ihnen würden zu Unrecht die Leistungen versagt, die zur Behandlung einer Krankheit ansonsten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beansprucht werden könnten. Rechtfertigende Gründe dafür bestünden nicht. Hierdurch seien auch das Sozialstaatsprinzip sowie das Recht Verheirateter auf Familiengründung und die Eigentumsgarantie verletzt.

Die Kläger beantragen,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2008 und des Sozialgerichts Detmold vom 10. Januar 2007 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. März 2006 sowie den weiteren Bescheid vom 2. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen 2.048,92 Euro nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revisionen sind unbegründet. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch besteht nicht. Ihm steht die von Verfassungs wegen nicht zu beanstandende Anspruchsbegrenzung auf drei Behandlungszyklen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch § 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V entgegen; dies hat das LSG zutreffend entschieden. Offen bleiben kann deshalb, ob vor Behandlungsbeginn eine den Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V genügende Beratung stattgefunden hat.

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1, 2. Alternative SGB V (hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - [SGB IX] Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse "eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Der Anspruch reicht aber nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12 - jeweils RdNr 11 mwN; zuletzt Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R - RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19; vgl zum Ganzen: Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung - Band 1, 19. Aufl, Stand: 1.9.2008, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Kostenerstattung können die Kläger deshalb nur beanspruchen, wenn im Zeitpunkt der Leistungsverschaffung alle Voraussetzungen für Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vorgelegen haben. Das ist nicht der Fall.

2. Rechtsgrundlage eines Anspruchs auf Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der Leistungsverschaffung im Mai 2006 ist § 27a SGB V in der am 1.1.2004 in Kraft getretenen Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190). Leistungsvoraussetzung ist danach neben einer obligatorischen Beratung durch einen die Maßnahme nicht durchführenden Arzt (§ 27a Abs 1 Nr 5 SGB V) ua die hinreichende Erfolgsaussicht von medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 1 SGB V). Letzteres beurteilt sich ua anhand der Zahl der Behandlungszyklen, die durchgeführt worden sind, ohne dass es zu einer Schwangerschaft gekommen ist. Insoweit galt seit der Einführung von Ansprüchen auf Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung zu Lasten der GKV durch Art 2 Nr 2 des KOV-Anpassungsgesetzes 1990 (KOVAnpG 1990) vom 26.6.1990 (BGBl I 1211) zunächst eine widerlegliche Regelvermutung, wonach eine hinreichende Erfolgsaussicht "in der Regel" nicht mehr bestand, wenn die Maßnahme "viermal" ohne Erfolg durchgeführt worden ist (§ 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V idF des KOVAnpG 1990). Diese Regelvermutung ist durch das GMG abgelöst worden, nunmehr gilt nach § 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V: "Eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist." Danach wird unwiderleglich vermutet, dass die nach § 27a Abs 1 Nr 2 SGB V für die Leistungsgewährung vorausgesetzte Erfolgsaussicht nicht mehr besteht, wenn drei Behandlungszyklen durchgeführt worden sind, ohne dass es zu einer Schwangerschaft gekommen ist. Hieran scheitert der Kostenerstattungsanspruch für den im Mai 2006 abgeschlossenen Behandlungszyklus, nachdem im Jahre 2003 bereits drei Behandlungszyklen ohne Erfolg geblieben sind.

Die Wirkung der hierdurch begründeten unwiderleglichen Vermutung fällt nicht deshalb ganz oder teilweise fort, weil es bei einem vierten Versuch zu einer Eileiterschwangerschaft gekommen oder ein Versuch in Österreich durchgeführt worden ist (dazu unter 3.). Auf die Frage, ob vor Durchführung der Maßnahmen eine Beratung nach den Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V stattgefunden hat, kommt es demnach nicht an (dazu unter 4.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vermutungsregelung des § 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V bestehen nicht (dazu unter 5.).

3. Die unwiderlegliche Vermutungswirkung von drei erfolglos durchgeführten ICSI-Maßnahmen ist nicht deshalb unbeachtlich, weil im Anschluss daran ein vierter Versuch zu einer Eileiterschwangerschaft geführt hat. Maßgebend für die Begrenzungswirkung des § 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V ist nur, dass drei Behandlungszyklen durchgeführt worden sind, ohne dass es zu einer Schwangerschaft gekommen ist. Offen bleiben kann insoweit, ob hierbei auch solche Versuche einzubeziehen sind, an deren Kostentragung die Krankenkasse nicht beteiligt war. Jedenfalls wird die Erfolglosigkeit künftiger weiterer Behandlungsversuche unwiderleglich vermutet, sobald drei unter Kostenbeteiligung der Krankenkasse und in Ausübung der Wahlrechte nach §§ 76 Abs 1 Satz 1, 39 Abs 2 SGB V durchgeführte Behandlungszyklen ohne Erfolg geblieben sind. Ob diese Behandlungszyklen aufeinander folgen oder ein Zyklus zwischendurch erfolgreich ist, hat dafür keine Bedeutung. Demgemäß kann nach einer erfolgreichen Maßnahme zur künstlichen Befruchtung ein Anspruch auf Finanzierung weiterer Behandlungszyklen bestehen, solange nur die Zahl von drei erfolglosen Versuchen nicht erreicht ist. Der Anspruch kann jedoch nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht neu entstehen, sobald - wie hier - nach drei erfolglosen Versuchen ein weiterer Versuch zu einer Schwangerschaft oder auch nur zu einer Eileiterschwangerschaft geführt hat. Dies ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu § 27a SGB V zu entnehmen. Hiernach besteht zwar "nach Geburt eines Kindes ... erneut ein Anspruch auf Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung", allerdings nur "sofern die sonstigen Voraussetzungen nach diesen Richtlinien gegeben sind" (Ziffer 2 Satz 3 der GBA-Richtlinien über künstliche Befruchtung, hier idF vom 14.8.1990, BArbl 1990, Nr 12; zuletzt geändert am 19.10.2004, BAnz 2004, Nr 243 S 24 522). Wie bereits ausgeführt, gehört zu diesen Voraussetzungen, dass die Zahl von drei erfolglosen Behandlungszyklen (noch) nicht erreicht ist.

Dieser für das Erlöschen ihres Leistungsanspruchs maßgeblichen Anzahl erfolgloser Behandlungsversuche ist entgegen der Auffassung der Kläger auch der ihrem Wunsch gemäß in Österreich durchgeführte Behandlungszyklus zuzurechnen. Dem steht nicht entgegen, dass Anspruch auf Leistungen nach § 27a SGB V ua nur besteht, wenn der Einrichtung eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist (§ 27a Abs 1 Nr 5 SGB V). Ob der von ihnen gewählten Einrichtung - wie nunmehr vorgetragen wird - eine diesen Anforderungen genügende Genehmigung nach österreichischem Recht nicht erteilt war und wie eine solche Genehmigung zu bewerten wäre, kann insoweit offen bleiben, denn darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, dass die Beklagte den Klägern Kostenerstattung für die dort durchgeführte Maßnahme gewährt hat. Damit steht im Verhältnis der Beteiligten zueinander fest, dass der Sitz der Einrichtung in Österreich dem Leistungsanspruch aus § 27a SGB V nicht entgegenstand und ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die dort durchgeführte Behandlung bestanden hat. Diese für die Kläger (damals) positive Entscheidung entfaltet einerseits Bindungswirkung zu Lasten der beklagten Krankenkasse, die zB nicht ohne förmliche Aufhebung ihrer Bewilligungsentscheidung die Rückgewähr der bewirkten Leistungen mit der Behauptung verlangen könnte, dies sei rechtswidrig gewesen (§ 45 SGB X). Umgekehrt müssen andererseits die Kläger die Leistung als rechtmäßig erbracht gegen sich gelten lassen, solange die Entscheidung nicht korrigiert - und in der Folge entsprechend rückabgewickelt - worden ist (§§ 44, 50 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ungeachtet dessen ist im Übrigen nichts dafür vorgetragen, dass der Versorgungsstandard in Österreich den für Deutschland geltenden Maßstäben nicht entsprechen würde; dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich.

4. Ob der Kostenerstattungsanspruch auch deshalb nicht besteht, weil vor Beschaffung der Leistungen keine unabhängige und hinreichend zeitnahe Beratung unter Beachtung der förmlichen Anforderungen des § 27a Abs 1 Nr 5 SGB V durchgeführt worden ist (zu deren Bedeutung vgl BSGE 88, 62, 63 f und 71 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 23 f und 32), kann offen bleiben. Ob es daran fehlt, ist vom LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht festgestellt worden. Auch dies würde zwar ebenfalls einem Kostenerstattungsanspruch entgegenstehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 18); für eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung besteht jedoch kein Anlass, weil der Kostenerstattungsanspruch schon aus anderen Gründen nicht besteht (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

5. Die dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Leistungsanspruchs nach § 27a SGB V gezogenen Grenzen sind durch die Beschränkung des Leistungsanspruchs auf maximal drei erfolglose Versuche nicht verletzt. Hierdurch sehen sich die Kläger zwar in ihren Grundrechten insbesondere aus Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1, Art 2 Abs 1 und 2 sowie Art 6 Abs 1 und Art 14 Abs 1 GG verletzt. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.

§ 27a SGB V regelt - wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BSG anerkannt ist (vgl BVerfGE 117, 316, 325 f = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34; BSGE 88, 62, 64 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13 mwN) - keinen Kernbereich der Leistungen der GKV, sondern begründet einen eigenständigen Versicherungsfall, vor dem Maßnahmen der Krankenbehandlung Vorrang haben. Der Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung knüpft nicht an den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares an. Vorausgesetzt wird allein, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung erfolgversprechend sind. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bilden den Versicherungsfall des § 27a SGB V (stRspr; vgl BVerfGE 117, 316, 325 f = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13 mwN; BSGE 88, 62, 64 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24). Anders könnte es etwa liegen, wenn zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vor der Befruchtung zB chirurgische Eingriffe, die Verordnung von Medikamenten oder eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich sind; dann könnte die Notwendigkeit einer Krankenbehandlung zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit bestehen (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KOVAnpG 1990, BT-Drucks 11/6760 S 14 zu Nr 2). Solche Maßnahmen haben Vorrang vor einer medizinischen Maßnahme nach § 27a SGB V (vgl BT-Drucks, aaO, S 14 f). Ein derartiger Fall liegt hier indes nicht vor.

Im Unterschied zu Leistungen zur Krankenbehandlung ist bei der Leistung nach § 27a SGB V ein Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen betroffen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der GKV nicht von vornherein veranlasst ist. In derartigen Fällen hat der Gesetzgeber grundsätzlich die Freiheit, selbst die Voraussetzungen zur Gewährung dieser Leistungen in der GKV näher zu bestimmen (vgl BVerfGE 115, 25, 45 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 26 ff; BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 35). Lediglich in Ausnahmekonstellationen bei lebensbedrohenden, regelmäßig tödlich verlaufenden oder wertungsmäßig damit vergleichbaren Krankheiten gebietet es Art 2 Abs 2 Satz 1 GG, unter verfassungskonformer Auslegung von Rechtsnormen des SGB V eine Leistungspflicht der Krankenkassen für bestimmte Behandlungsmaßnahmen zu bejahen (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Jenseits der Regelung der Kernleistungen der GKV überschreitet der Gesetzgeber sein Gestaltungsermessen indes nicht, wenn er im Hinblick auf die begrenzten finanziellen Mittel und zur Sicherung einer "Vollversicherung" bei Fällen schwerer Krankheiten Leistungsansprüche in weniger dringlichen Fällen beschränkt oder gar nicht erst vorsieht. Sind aber schon Leistungsbegrenzungen in Fällen der Krankenbehandlung möglich, gilt das erst recht bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung generell und speziell bei idiopathischer Sterilität, die nicht einmal der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden, sondern vom Gesetz mit einer Eigenbeteiligung der Versicherten kombiniert sind.

Der hierdurch eröffnete Gestaltungsrahmen ist auch durch die Ausgestaltung der Leistungsvoraussetzungen des § 27a SGB V im Einzelnen nicht verletzt. Das haben BVerfG und BSG mehrfach entschieden (vgl BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 - Beschränkung des Leistungsanspruchs auf Eheleute; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 - Altersgrenze für Männer; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 - Begrenzung der Leistungspflicht auf die Hälfte der Kosten [Verfassungsbeschwerde hiergegen nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.2.2009, NJW 2009, 1733]; BSG, Urteil vom 3.3.2009 - B 1 KR 12/08 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Dies gilt auch für die Beschränkung des Leistungsanspruchs auf nicht mehr als drei erfolglose Versuche; auch hierdurch sind Grundrechte nicht verletzt. Insoweit gewähren nach der Rechtsprechung des BVerfG weder Art 2 Abs 1 und 2 noch Art 6 Abs 1 GG einen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, die Entstehung einer Familie mit den Mitteln der GKV zu fördern; vielmehr handelt es sich um eine im Ermessen des Gesetzgebers stehende Leistung (vgl BVerfGE 117, 316, 329 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 40 ff). Zudem greift der Gesetzgeber mit Neuregelungen nicht unzulässig in durch Art 14 GG bestehende Rechte ein, sondern er nimmt eine zulässige Ausgestaltung der Rechtslage für zukünftige Leistungsfälle vor (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.2.2009, aaO, S 1734).

Hiervon ausgehend liegt es ebenfalls im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, die Grenze zu bestimmen, ab der bei erlaubter (vgl BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 13) typisierender Betrachtung von einer hinreichenden Erfolgsausicht von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nicht mehr ausgegangen werden kann. Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern (BVerfGE 96, 1, 6; 99, 280, 290; BVerfGE 105, 73, 127 = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 185). Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfGE 78, 214, 226 f; 82, 126, 151 f; 99, 280, 290; 105, 73, 127; vgl auch BVerfGE 96, 1, 6). So darf er grundsätzlich auch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten im Einzelfall gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen (vgl BVerfGE 84, 348, 359; 99, 280, 290; 105, 73, 127). Auch bei der Ausgestaltung von Ansprüchen gegen die GKV ist der Gesetzgeber zur Typisierung und Pauschalierung von Sachverhalten berechtigt, ohne dabei für jeden Einzelfall Ausnahmen vorsehen zu müssen (stRspr; vgl BVerfGE 77, 308, 338; 80, 109, 118; BVerfGE 87, 234, 255 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 30; BVerfGE 99, 280, 290). Dies gilt entsprechend, wenn der Gesetzgeber die Grenzen von Ansprüchen neu gestaltet (BVerfG SozR 3-2500 § 48 Nr 7; vgl auch Schlegel, VSSR 2004, 313, 315, 321 f), und erst recht dann, wenn - wie hier - gerade nicht der Kernbereich des GKV-Leistungsspektrums betroffen ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 4 RdNr 13 mwN). Dass der Gesetzgeber die Grenzen seines Einschätzungs- und Gestaltungsermessens mit der unwiderleglichen Regelvermutung nach § 27a Abs 1 Nr 2 Halbsatz 2 SGB V verfehlt haben könnte, vermag der Senat nicht festzustellen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

Zurück