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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 13.03.2001
Aktenzeichen: B 3 P 10/00 R
Rechtsgebiete: SGB XI


Vorschriften:

SGB XI § 36
SGB XI § 37
SGB XI § 38
SGB XI § 39
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 P 10/00 R

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 13. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Udsching und Schriever sowie die ehrenamtliche Richterin Wilkens und den ehrenamtlichen Richter Busch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1999 aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben worden ist.

Insoweit wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren ausschließlich über die Berechnung der Pflegeleistungen im Rahmen einer privaten Pflegeversicherung. Die Klägerin verlangt einen höheren Erstattungsbetrag für die von ihr aufgewendeten Kosten eines ambulanten Pflegedienstes sowie ein höheres anteiliges Pflegegeld. Soweit das Sozialgericht (SG) die Klage auf Gewährung eines weiteren Zuschusses zu den Kosten für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes abgewiesen hat, ist die Entscheidung von der Klägerin nicht angefochten worden und daher rechtskräftig (Ziffer 5 des SG-Urteilstenors).

Der 1991 geborene David A ist durch die Klägerin, seine Mutter, bei dem beklagten Versicherungsunternehmen kranken- und pflegeversichert worden. Er leidet an erheblichen geistigen und körperlichen Behinderungen. Seit September 1996 besucht er von montags 9.00 Uhr bis freitags 14.00 Uhr eine Internatsschule für Sehbehinderte in Friedberg (vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe). An den Wochenenden sowie während der Schulferien hält er sich zu Hause auf, wo er von seinen Eltern und einem ambulanten Pflegedienst betreut und gepflegt wird.

Die Beklagte gewährt seit dem 1. April 1995 Leistungen nach der Pflegestufe III. Dabei beteiligt sie sich an den Kosten der Internatsunterbringung mit einem monatlichen Betrag von 500 DM. Bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs für die Kosten des ambulanten Pflegedienstes geht sie nicht, wie die Klägerin, von einem monatlichen Restbetrag von 2.300 DM (2.800 DM minus 500 DM) aus, sondern von einem Höchstbetrag, der gebildet wird aus einem Tagessatz von 93,33 DM (2.800 DM : 30 Kalendertage), multipliziert mit der Anzahl der Tage, an denen David tatsächlich zu Hause gepflegt wird (zB 10 Tage häusliche Pflege x 93,33 DM = 933,33 DM). Ebenso nimmt die Beklagte bei der Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege eine Quotelung nach Tagen vor und zahlt dementsprechend höchstens 100 DM (2.800 DM : 28 Tage) pro Tag der Verhinderungspflege (Schreiben der Beklagten vom 7. Juli 1997, 17. Juli 1997 und 12. September 1997). Folge dieser unterschiedlichen Berechnung sind auch Differenzen bei der Errechnung des anteiligen Pflegegeldes als Kombinationsleistung. Die Klägerin sieht für Tageshöchstsätze keine vertragliche oder gesetzliche Grundlage.

Das SG hat der Klage insoweit stattgegeben (Urteil vom 18. Oktober 1999). Es teilt die Auffassung, für die Begrenzung der Erstattungsleistungen nach Tagessätzen von 93,33 DM bzw 100 DM gebe es keine Rechtsgrundlage. Das Urteil lautet:

"1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Monate September 1996 bis Juni 1997 ein weiteres Pflegegeld in Höhe von insgesamt 546 DM zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, für den über die Klägerin mitversicherten Sohn David A Pflegesachleistungen bis zum jeweiligen monatlichen Höchstbetrag der bewilligten Pflegestufe zu zahlen, ohne eine anteilige Quotelung für die Tage vorzunehmen, an denen David sich zu Hause bei seinen Eltern aufhält.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, für den über die Klägerin mitversicherten Sohn David A Verhinderungspflege gemäß § 39 SGB XI bzw Teil I § 4 Abs 6 iVm Teil II Ziffer 3 AVB jährlich auf entsprechenden Antrag bis maximal 2.800 DM und maximal 28 Tage, jedoch nicht begrenzt auf 100 DM je Tag, zu zahlen.

4. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu drei Vierteln zu erstatten.

5. Im übrigen wird die Klage abgewiesen."

Mit der Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 36 bis 39 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und der inhaltsgleichen Bestimmungen der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung - Bedingungsteil MB/PPV 1996.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1999 hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 des Tenors zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1 und 165 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des der Klage stattgebenden Teils des erstinstanzlichen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das SG (§ 170 Abs 2 SGG) begründet. Der Anspruch auf höhere Erstattungsleistungen und höheres Pflegegeld ist zwar dem Grunde nach gegeben. Die bisher getroffenen Feststellungen des SG reichen jedoch nicht aus, um zu entscheiden, ob der in Ziff 1 des Urteilstenors festgesetzte Zahlbetrag zutreffend ist. Das SG hat die Beklagte in Ziff 2 und 3 des Urteilstenors außerdem anstatt zur Zahlung zur Anwendung einer bestimmten Berechnungsmethode verurteilt, so daß der Umfang ihrer Leistungspflicht unklar bleibt. Dieser Verfahrensfehler ist von Amts wegen zu beachten und führt ebenfalls zur Rückverweisung.

I. Zahlungsklage über weitere Leistungen für die Zeit bis Juni 1997 (Ziffer 1 des Tenors).

1. Die Klage ist insoweit zulässig.

Die hier erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) ist die zulässige Klageart. Einer zusätzlichen Anfechtungsklage bedurfte es nicht. Die Beklagte ist als privates Versicherungsunternehmen nicht befugt, zur Regelung der zwischen ihr und ihren Versicherten bestehenden Rechtsverhältnisse Verwaltungsakte zu erlassen. Demgemäß hat die Beklagte die Ablehnung der Leistung in der begehrten Höhe zu Recht auch nur durch eine schriftliche Mitteilung, nicht aber durch einen förmlichen Bescheid (Verwaltungsakt) ausgesprochen. Die Klagefrist ist eingehalten. Nach § 12 Abs 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vom 30. Mai 1908 (RGBl S 263) idF des Gesetzes vom 21. Juli 1994 (BGBl I S 1630) und der inhaltsgleichen Regelung des § 17 Abs 1 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung/Bedingungsteil MB/PPV 1996, die unverändert auch in dem hier ebenfalls maßgeblichen Jahr 1997 galten, ist eine Klagefrist von sechs Monaten nach Ablehnung des Leistungsantrags einzuhalten. Das letzte Ablehnungsschreiben der Beklagten datiert vom 12. September 1997. Am 19. Dezember 1997 ist die Klage beim SG eingegangen.

2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf eine Leistung der privaten Pflegeversicherung zugunsten ihres schwerstpflegebedürftigen Sohnes. Dieser Leistungsanspruch steht nicht ihrem Sohn als eigenes Recht zu. Rechtsinhaberin ist nur die Klägerin selbst. Dies ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag iVm § 178a Abs 1 und Abs 3 Satz 1 VVG. Danach stehen die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag allein dem Versicherungsnehmer zu, auch wenn es nicht um einen ihn selbst betreffenden Versicherungsfall geht, sondern um einen Versicherungsfall einer dritten Person, auf die der Versicherungsnehmer die Krankenversicherung oder die - hier fragliche - "Pflegekrankenversicherung" (§ 178b Abs 4 VVG) "genommen" hat. Die Stellung einer lediglich mitversicherten Person unterscheidet sich daher in der privaten Pflegeversicherung von der in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 25 SGB XI sind in der sozialen Pflegeversicherung der Ehegatte und die Kinder unter den dort genannten Voraussetzungen im Wege der Familienversicherung versichert und besitzen bei Eintritt eines Versicherungsfalls einen eigenen Leistungsanspruch. Der Umstand, daß § 110 Abs 1 Nr 2f und Abs 3 Nr 6 SGB XI für die private Pflegeversicherung die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder des Versicherungsnehmers unter denselben Voraussetzungen vorschreibt, wie sie in § 25 SGB XI festgelegt sind, bewirkt lediglich eine Verpflichtung zur Gleichstellung der Kinder in der sozialen und privaten Pflegeversicherung bezüglich des Beitragsrechts und des materiellen Leistungsrechts (vgl dazu auch § 23 Abs 1 SGB XI), läßt jedoch die Stellung des Versicherungsnehmers als alleinigen Anspruchsberechtigten in der privaten Pflegeversicherung unberührt (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 17. Mai 2000 - B 3 P 9/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 3).

3. Der Anspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Er folgt aus dem Versicherungsvertrag (§ 4 MB/PPV 1996) iVm § 178b Abs 4 VVG. In der Pflegekrankenversicherung haftet der Versicherer gemäß § 178b Abs 4 VVG im Fall der Pflegebedürftigkeit in dem vereinbarten Umfang für Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen (Pflegekostenversicherung) oder er leistet das vereinbarte Tagegeld (Pflegetagegeldversicherung). Der Leistungsumfang der hier vorliegenden Pflegekostenversicherung bestimmt sich demgemäß nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen. Für die "Leistungen der häuslichen Pflege" ist die Regelung des § 4 MB/PPV 1996 maßgeblich. Nach dem Tarif PV beträgt die Erstattungsleistung in der Pflegestufe III monatlich höchstens 2.800 DM (Nr 1); das Pflegegeld beläuft sich auf höchstens 1.300 DM (Nr 2). Im Fall der Verhinderungspflege ist die Erstattung auf 2.800 DM je Kalenderjahr begrenzt (Nr 3).

a) Die zum Vertragsinhalt gewordene Regelung des § 4 MB/PPV 1996 ist gesetzeskonform. Nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI muß ein Vertrag der privaten Pflegeversicherung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht (hier: 1. April 1995) für den Versicherungsnehmer und seine Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 SGB XI eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels (§§ 28 bis 45 SGB XI) gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI). Diesen Bedingungen werden die Regelungen des § 4 MB/PPV 1996 gerecht. Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs sind hier die §§ 36 bis 39 SGB XI idF des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes (nF) vom 14. Juni 1996 (BGBl I S 830), das am 25. Juni 1996 in Kraft getreten ist (Art 8 Abs 1 1. SGB XI-ÄndG). Ein Vergleich der Regelungen des § 4 MB/PPV 1996 mit den §§ 36 bis 39 SGB XI zeigt, daß die Leistungsansprüche der privaten Pflegeversicherung in diesem Bereich denen der sozialen Pflegeversicherung entsprechen.

b) Nach § 4 Abs 1 MB/PPV 1996 kann die Klägerin die Erstattung der Kosten der von ihr in Anspruch genommenen Leistungen des ambulanten Pflegedienstes bis zu 2.300 DM je Kalendermonat beanspruchen, wenn sich die Beklagte in dem jeweiligen Monat mit 500 DM an den Kosten der Internatsunterbringung des Sohnes gemäß § 43a SGB XI beteiligt hat. Ergibt sich im Einzelfall (zB in Ferienmonaten), daß der Zuschuß von 10 vH des vereinbarten Heimentgelts (§ 43a SGB XI iVm § 93 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz <BSHG>) den Höchstbetrag von monatlich 500 DM nicht erreicht, so erhöht sich der Höchstbetrag der Erstattungsleistung entsprechend (zB 2.800 DM minus 450 DM Zuschuß nach § 43a SGB XI = 2.350 DM).

aa) Die Erstattung ist nicht, wie die Beklagte meint, in der Pflegestufe III auf einen Tagessatz von 93,33 DM (2.800 DM : durchschnittlich 30 Kalendertage) begrenzt. Zwar sieht das Gesetz in § 36 SGB XI eine Beschränkung der Sachleistungen bei häuslicher Pflege auf 2.800 DM je Kalendermonat vor (so auch § 4 Abs 1 MB/PPV 1996). Daraus kann jedoch nicht auf einen gesetzlichen Tageshöchstsatz von 93,33 DM geschlossen werden. Die gesetzliche Regelung ist so zu verstehen, daß die Sachleistungen bei häuslicher Pflege - ohne oder mit Unterbrechungen - an allen Tagen eines Kalendermonats (Durchschnitt 30 Tage) nach dem jeweiligen Pflegebedarf in Anspruch genommen werden können, die Pflegekasse dafür aber höchstens bis zum Werte von 2.800 DM einzustehen hat. Dies bedeutet, daß die Versicherungsleistungen nicht für den ganzen Monat reichen, wenn die Aufwendungen vor Ablauf des Kalendermonats bereits den Betrag von 2.800 DM erreicht haben. Mit der Einführung von anteiligen Tageshöchstsätzen ließe sich diese Folge zwar vermeiden; die zusätzliche Begrenzung auf einen Tagessatz von 93,33 DM läßt sich aber weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Auch § 55 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in seiner bis zum 31. März 1995 gültigen Fassung, dem § 36 SGB XI nachgebildet ist, enthielt einen zeitlich-sachlichen (monatlich bis zu 25 Pflegeeinsätze mit maximal einer Stunde Dauer) und einen wertmäßigen Rahmen (750 DM je Kalendermonat), nicht aber einen Tageshöchstsatz. Ein Regelungsbedarf dafür ist nicht erkennbar geworden. Hätte der Gesetzgeber für die Sachleistungen der häuslichen Pflege erstmalig einen solchen Tagessatz vorsehen wollen, hätte er dies zusätzlich ausdrücklich in die Vorschrift des § 36 SGB XI aufgenommen, weil er sich nicht aus sonstigen Vorschriften konkludent ableiten läßt. Eine zeitanteilige Kürzung ist zwar beim Pflegegeld in § 37 Abs 2 SGB XI angeordnet; diese Regelung läßt sich aber nicht sinngemäß in der Weise auf die Sachleistungen der häuslichen Pflege übertragen, daß daraus ein Tageshöchstsatz folgt. Die anteilige Kürzung beim Pflegegeld ist Folge des Grundgedankens, daß nur solche Tage vergütet werden, an denen Pflege tatsächlich geleistet wird. Die Regelung ist hier erforderlich, weil das Pflegegeld im übrigen pauschal ohne Kostennachweis gezahlt wird. Die Pflege durch Mitarbeiter von Pflegediensten verlangt demgegenüber einen Tätigkeitsnachweis für erbrachte Pflegeleistungen und einen Kostennachweis für die jeweils entstandenen Aufwendungen, so daß die Ausgangslage nicht vergleichbar ist.

bb) Ein Tageshöchstsatz für die Leistungen nach § 36 SGB XI von 93,33 DM in der Pflegestufe III läßt sich auch nicht aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit ableiten, dem die Pflegekassen, die Pflegebedürftigen und die Leistungserbringer gleichermaßen verpflichtet sind (§§ 4 Abs 3 und 29 Abs 1 SGB XI). Der Gesetzgeber ist möglicherweise davon ausgegangen, daß die häusliche Pflege in der Pflegestufe III im Durchschnitt mit 93,33 DM pro Tag jedenfalls in der Regel für den ganzen Monat sichergestellt werden kann. Er hat es aber jedem Pflegebedürftigen selbst überlassen (vgl auch § 2 Abs 2 SGB XI), in welcher Art und Weise und zu welchem Preis er seine häusliche Pflege sicherstellt. Der Höchstbetrag von 2.800 DM in der Pflegestufe III ist ein ausreichender Schutz gegen wirtschaftlich unvernünftige Verhaltensweisen der Pflegebedürftigen oder überhöhte Forderungen der Pflegedienste. Eines weitergehenden Schutzes vor "überhöhten" Forderungen der Versicherten bzw der Pflegedienste bedarf es nicht.

c) Die Klägerin kann gemäß § 4 Abs 5 MB/PPV 1996 für die häusliche Pflege ihres Sohnes anteiliges Pflegegeld verlangen, soweit die Erstattungsleistungen der Beklagten (Kostenbeteiligung nach § 43a SGB XI sowie Erstattung der Kosten des ambulanten Pflegedienstes) den monatlichen Höchstbetrag von 2.800 DM nicht erreichen.

aa) § 4 Abs 5 MB/PPV 1996 entspricht inhaltlich der Regelung des § 38 SGB XI. Danach erhält ein Pflegebedürftiger anteiliges Pflegegeld (§ 37 SGB XI), wenn er die ihm nach § 36 Abs 3 und 4 SGB XI zustehende Sachleistung nur teilweise in Anspruch nimmt (Satz 1). Dabei wird das Pflegegeld um den Vomhundertsatz vermindert, in dem der Pflegebedürftige Sachleistungen in Anspruch genommen hat (Satz 2). An die Entscheidung, in welchem Verhältnis er Geld- und Sachleistungen in Anspruch nehmen will, ist der Pflegebedürftige für die Dauer von sechs Monaten gebunden (Satz 3). Für die Kombination von Sachleistungen in Form von teilstationärer Pflege (§ 41 SGB XI) und Pflegegeld wegen häuslicher Pflege (§ 37 SGB XI) gilt eine entsprechende Regelung (vgl § 41 Abs 3 SGB XI).

Eine dem § 38 SGB XI bzw dem § 41 Abs 3 SGB XI entsprechende Regelung fehlt im Rahmen des § 43a SGB XI. Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe auf eine solche Regelung bewußt verzichtet, sind den Gesetzesmaterialien (BR-Drucks 228/96; BT-Drucks 13/4521) nicht zu entnehmen. Eine solche Regelung wäre nicht von vornherein überflüssig; denn der Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege ist nur solange ausgeschlossen, wie der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe (§§ 43a, 71 Abs 4 SGB XI) tatsächlich dauert (vgl § 34 Abs 2 SGB XI). Pflegegeld ist also zu zahlen, wenn dieser Aufenthalt unterbrochen wird, um zB die Wochenenden und Ferienzeiten zu Hause zu verbringen, und dort häusliche Pflege erfolgt (so bereits das Urteil des Senats vom 17. Mai 2000 - B 3 P 2/99 R - SozR 3-3300 § 37 Nr 2; ebenso Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, § 43a RdNr 5).

bb) Nach Sinn und Zweck ist bei der Berechnung des anteiligen Pflegegeldes die Regelung des § 38 Satz 2 SGB XI auf den Fall der Kombination von Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe und häuslicher Pflege entsprechend anzuwenden. Über den reinen Wortlaut hinaus erfaßt § 38 Satz 2 SGB XI, wie auch die inhaltsgleiche Bestimmung des § 41 Abs 3 SGB XI mit ihrer Verweisung auf § 38 Satz 2 SGB XI zeigt, jede Kombination von pflegerischer Sachleistung und Geldleistung, soweit die Sachleistung - wie bei der vollstationären Pflege in Pflegeheimen (§§ 43, 71 Abs 2 SGB XI) - die Möglichkeit häuslicher Pflege und damit den Bezug von Pflegegeld nicht von vornherein ausschließt. Die Anwendung des § 38 Satz 2 SGB XI ist hier auch von der Sache her zulässig und geboten, weil die Leistung nach § 43a SGB XI eine "Sachleistung" der sozialen Pflegeversicherung darstellt. Der Wortlaut der Vorschrift ("für Pflegebedürftige ... übernimmt die Pflegekasse ...") läßt zwar nicht ohne weiteres erkennen, wer anspruchsberechtigt sein soll und um welche Art von Leistung (Geld- oder Sachleistung) es sich handelt (vgl Udsching aaO § 43a RdNr 3; Rehberg in Hauck/Wilde, SGB XI, § 43a RdNr 3; Leitherer in Kasseler Kommentar, SGB XI, § 43a RdNr 4). Aus dem Begriff der "Übernahme" von Aufwendungen, den das Gesetz im Rahmen der Leistungsansprüche bei stationärer Pflege auch in allen anderen Vorschriften verwendet, die Sachleistungsansprüche der Pflegebedürftigen normieren (§§ 41 Abs 2, 42 Abs 2, 43 Abs 2, 3 und 5 SGB XI), läßt sich ableiten, daß dies auch hier gelten soll. Zudem läßt sich die Einordnung als Sachleistung auch auf die Regelung stützen, daß die Pauschalzahlung von 10 vH des vereinbarten Heimentgelts, maximal aber monatlich 500 DM, "zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen", also für die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen für die soziale Betreuung sowie die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erfolgt, und die Leistungen im Rahmen vollstationärer Pflege in Pflegeheimen (§§ 43, 71 Abs 2 SGB XI) ebenfalls als Sachleistung erbracht werden (so auch Leitherer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 4 Pflegeversicherungsrecht, S 826 RdNr A 45). Es handelt sich bei der Leistung nach § 43a SGB XI also - anders als zB der Zuschuß zu den Kosten für eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs 4 SGB XI (Urteil des Senats vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 1/00 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) - nicht um einen Geldleistungsanspruch des Versicherten; die Geldleistung kann nur der Heimträger als Entgelt für die Pflegeleistungen verlangen.

cc) Für den hier interessierenden Bereich der privaten Pflegeversicherung, der Sachleistungen in dieser Form nicht kennt und dafür eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung vorsieht (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI), ergeben sich für die Berechnung des Pflegegeldes keine Abweichungen, obwohl es ausnahmslos um Zahlungsansprüche des Versicherten geht, die innerhalb eines Kalendermonats für verschiedene Arten der Pflege zusammentreffen. Maßgeblich ist hier der unterschiedliche Zweck der Geldleistungen, nämlich einerseits die Erstattung der Kosten des ambulanten Pflegedienstes (§ 36 SGB XI) und der Heimunterbringung (§ 43a SGB XI) - anstelle der Sachleistungen der sozialen Pflegeversicherung - und andererseits das Pflegegeld (§ 37 SGB XI), das in der sozialen wie in der privaten Pflegeversicherung gleichermaßen als Geldleistung gezahlt wird. Daraus folgt, daß die Kostenerstattung nach § 43a SGB XI bei der Berechnung des anteiligen Pflegegeldes nach § 38 SGB XI ebenso wie die Kostenerstattung für Leistungen des ambulanten Pflegedienstes (§ 36 SGB XI) wie Sachleistungen zu berücksichtigen sind.

dd) Ergibt sich danach in der Pflegestufe III beispielsweise ein Erstattungsbetrag von monatlich 2.520 DM (500 DM Kostenbeteiligung am Heimentgelt, 2.020 DM Erstattung der Kosten des ambulanten Pflegedienstes), also 90 vH von 2.800 DM, so steht für das anteilige Pflegegeld noch ein Betrag von 130 DM zur Verfügung, nämlich 10 vH von 1.300 DM (§ 38 SGB XI iVm § 4 Abs 5 MB/PPV 1996). Dabei beträgt das tägliche Pflegegeld nach § 37 Abs 2 SGB XI 43,33 DM (1.300 DM : 30 Kalendertage). Dieses Pflegegeld kann für jeden Tag der häuslichen Pflege beansprucht werden, wobei die Zwölf-Uhr-Grenze maßgebend ist (vgl Urteile des erkennenden Senats vom 29. April 1999 - B 3 P 11/98 R - und 30. März 2000 - B 3 P 10/99 R - nicht veröffentlicht). Wenn der Sohn der Klägerin also, wie vorgetragen, an den Wochenenden zwischen Freitag nach 14.00 Uhr und Montag vor 9.00 Uhr zu Hause ist, so steht der Klägerin unter vorgenannten Voraussetzungen anteiliges Pflegegeld für den Samstag und Sonntag (nicht aber für den Freitag und Montag) in Höhe von jeweils 43,33 DM zu, insgesamt aber begrenzt auf monatlich 130 DM. Soweit die Klägerin in einem Monat die häusliche Pflege ihres Sohnes an den schulfreien Tagen allein durchführen, also auf die Unterstützung durch einen Pflegedienst verzichten sollte, ergäbe sich folgende Berechnung des Pflegegeldes: Da lediglich 500 DM wie eine Sachleistung zu berücksichtigen wären, also rund 18 vH von 2.800 DM, stünden 82 vH von 1.300 DM, also rund 1.066 DM, für das Pflegegeld zur Verfügung. Dies entspräche 24 Tagen häuslicher Pflege (43,33 DM x 24 Tage = 1.039,92 DM), und für den 25. Tag stünden noch rund 26 DM zur Verfügung. Bei zB nur zehn Tagen häuslicher Pflege könnte der Betrag dann nicht ausgeschöpft werden, weil sich lediglich ein Pflegegeldanspruch von 433,33 DM (43,33 DM x 10 Tage) ergäbe.

Das SG wird nach diesen Kriterien zu ermitteln haben, ob der Klägerin für die Zeit von September 1996 bis Juni 1997 weiteres Pflegegeld in Höhe von 546 DM zusteht. Die bisher getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob dieser Anspruch der Höhe nach begründet ist.

II. Feststellungsklage über die Berechnung der Erstattungsleistungen bei häuslicher Pflege durch Pflegedienste ab Juli 1997 (Ziffer 2 des Tenors).

Die Klage ist in der vorliegenden Form unzulässig, was ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten ist (vgl BSGE 10, 218, 219; 42, 212, 215).

1. Die Feststellungsklage ist auch im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber einer Leistungsklage grundsätzlich subsidiär (BSGE 43, 150; 46, 81; 57, 184; 58, 153; vgl auch Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 55 RdNr 19). Ist eine Leistungsklage möglich, ist in der Regel das Feststellungsinteresse (§ 55 SGG) zu verneinen. Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt allerdings nicht bei Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts, weil angenommen werden kann, daß diese die Leistungsberechtigten angesichts ihrer in der Verfassung verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen werden (BSGE 10, 24; 12, 46; 36, 71, 115; Meyer-Ladewig aaO § 55 RdNr 19b mwN). Allerdings gilt diese Ausnahme auch nur dann, wenn zu erwarten ist, daß der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt wird, die Gerichte also nicht noch einmal mit der Sache befaßt werden müssen, um über weitere streitige Punkte zu entscheiden, die von der begehrten Feststellung nicht erfaßt werden (BGH NJW 1984, 1119; BAG JZ 1990, 194; Meyer-Ladewig aaO § 55 RdNr 19a mwN). Auf diese Einschränkungen des Subsidiaritätsgrundsatzes kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht berufen. Zum einen richtet sich die Feststellungsklage nicht gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern gegen eine juristische Person des Privatrechts. Die Klägerin nimmt innerhalb eines zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses ein Unternehmen (AG) der privaten Pflegeversicherung in Anspruch. Für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts gilt die Durchbrechung des Subsidiaritätsgrundsatzes im allgemeinen nicht (BGHZ 28, 126; BAG NJW 1962, 270). Außerdem ist nicht auszuschließen, daß bei der begehrten Feststellung der Berechnungsmethode für das anteilige Pflegegeld ein weiterer Streit über die Höhe des jeweiligen monatlichen Pflegegeldes entsteht. Denn es muß im einzelnen festgestellt werden, an welchen Tagen der Sohn der Klägerin zu Hause gepflegt worden ist und welche dieser Tage dabei unter Berücksichtigung der erwähnten Zwölf-Uhr-Grenze auch in Ansatz gebracht werden dürfen. Da die Feststellungsklage somit gegenüber der Leistungsklage subsidiär ist, hätte die Klägerin ihren Leistungsanspruch nicht nur für die Zeit bis Juni 1997, sondern - durch Klageerweiterung (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG) - bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem SG (18. Oktober 1999) beziffern und in Form der Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend machen müssen (vgl BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1).

Der Senat hat trotz dieser Bedenken davon abgesehen, die Feststellungsklage insoweit schon als unzulässig abzuweisen, weil es dem SG oblegen hätte, auf die Konkretisierung bzw Umstellung des Antrags und die Ergänzung des Tatsachenvortrags hinzuwirken (§§ 106 Abs 1, 112 Abs 2 SGG). Dieser Verfahrensmangel kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, zumal bei Abweisung der Klage als unzulässig nicht auszuschließen wäre, daß eine dann zu erhebende Leistungsklage jedenfalls zu einem Teil an der Klagefrist des § 12 Abs 3 VVG bzw § 17 Abs 1 MB/PPV 1996 scheitern könnte. Der Mangel muß in der erneuten Verhandlung vor dem SG behoben werden. Der Leistungsanspruch ist dabei bis zum Zeitpunkt der erneuten Verhandlung zu beziffern.

2. Die Feststellungsklage ist auch unzulässig, soweit die Feststellung einer bestimmten Methode der Leistungsberechnung für die Zeit nach der erneuten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (also den nicht von der Leistungsklage umfaßten Zeitraum) begehrt wird. Zwar fehlt es insoweit an der Möglichkeit einer Leistungsklage. Die Frage der Art und Weise der Leistungsberechnung wird aber bereits im Rahmen des Leistungsurteils inzident beantwortet. Für eine zusätzliche formelle Feststellung der anzuwendenden Methode der Leistungsberechnung fehlt schon daher das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 55 SGG). Außerdem ist zu berücksichtigen, daß bei streitigen Leistungsansprüchen innerhalb zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse grundsätzlich nur ein Rechtsschutzinteresse für gerichtliche Entscheidungen mit vollstreckungsfähigem Inhalt zu bejahen ist. Für Entscheidungen, die - wie hier - lediglich ein Element über die Berechnung dieser Leistungsansprüche klären, ansonsten aber die Möglichkeit weiteren Streits über die Höhe der Ansprüche offenlassen, fehlt das Rechtsschutzinteresse. Es erschien dem Senat aber entbehrlich, die Unzulässigkeit der Klage in diesem Punkt ausdrücklich in den Tenor aufzunehmen.

III. Feststellungsklage über die Berechnung der Erstattungsleistungen im Falle der Verhinderungspflege (Ziffer 3 des Tenors).

Auch diese Klage ist in der vorliegenden Form unzulässig. Es hat vor der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18. Oktober 1999 bereits Zeiten der Verhinderungspflege gegeben (zB im Juli und August 1997), die mit täglich 100 DM von der Beklagten abgegolten worden sind. Daraus sich ergebende weitere Zahlungsansprüche hätten daher mit der Leistungsklage geltend gemacht werden müssen. Der Mangel muß in der erneuten Verhandlung vor dem SG behoben werden.

Für eine zusätzliche, in die Zukunft gerichtete Feststellungsklage ist, wie zu II ausgeführt, auch hier kein Raum. Daß im Bereich der Verhinderungspflege ein Tageshöchstsatz von 100 DM (2.800 DM : 28 Tage) weder in der sozialen Pflegeversicherung (§ 39 SGB XI) noch in der privaten Pflegeversicherung (§ 4 Abs 6 MB/PPV 1996) vorgesehen oder zulässig ist, hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 P 9/99 R - SozR 3-3300 § 39 Nr 3).

Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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