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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 01.08.2002
Aktenzeichen: B 3 SF 1/02 R
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 51
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

Az: B 3 SF 1/02 R

in dem Rechtsstreit

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 1. August 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage sowie die Richter Prof. Dr. Udsching und Schriever

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2002 wird zurückgewiesen.

Kosten sind in beiden Beschwerdeinstanzen nicht zu erstatten.

Gründe:

Der klagende Verein betreibt in Köln unter der Bezeichnung "Caritas-Pflegestation Köln-Innenstadt" eine gemäß § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) durch Versorgungsvertrag vom 18. Dezember 1995 zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung (Pflegedienst), die seit dem 25. März 1999 die Rentnerin F. J. in ihrer Wohnung pflegt. Frau J. ist von der Pflegekasse der AOK Rheinland in die Pflegestufe I eingestuft. Die Pflegekasse trägt die Kosten der Pflegeeinsätze in Höhe von monatlich 750 DM (ab Januar 2002: 384 Euro); die restlichen Kosten trägt jeweils die beklagte Stadt als Sozialhilfeträger. Grundlage für die Modalitäten der Abrechnung der Pflegeleistungen und die Höhe der Vergütung gegenüber den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern sind der Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB XI) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1995 sowie die Entscheidung der Schiedsstelle vom 28. Februar 1996 (§ 89 iVm § 85 Abs 5 SGB XI) über die Vergütungen für die ambulante Pflege. Das Leistungsmodul 7 "Lagern/Betten" ist dort mit "(1) Richten des Bettes, (2) Wechseln der Bettwäsche, (3) körper- und situationsgerechtes Lagern, (4) Vermittlung von Lagerungstechniken, ggf Einsatz von Lagerungshilfen" beschrieben. Es ist mit 100 Punkten gewichtet und wurde bis 2001 mit 7,80 DM pro Einsatz vergütet.

Der Kläger hat wesentlich häufiger das Leistungsmodul 7 (im Rahmen der dieses Modul mitumfassenden Leistungsmodule 18 für die Große Grundpflege und 20 für die Kleine Grundpflege) abgerechnet, als die Beklagte es für gerechtfertigt hielt. Im Laufe der Zeit ergab sich durch die von der Beklagten vorgenommenen Streichungen in den monatlichen Abrechnungen ein Differenzbetrag von (jetzt noch) 1.719,30 DM, den der Kläger mit der beim Sozialgericht (SG) Köln im September 2001 eingereichten Klage geltend gemacht hat.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht (VG) Köln verwiesen (Beschluss vom 7. Dezember 2001). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen (Beschluss vom 18. März 2002). Es hält das VG für zuständig, weil der eingeklagte Zahlungsanspruch auf einem von der Beklagten als Sozialhilfeträger erteilten Auftrag ("Zahlungsmitteilung" vom 15. März 2000 über die Gewährung ambulanter pflegerischer Versorgung nach den §§ 68, 69 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - ab 1. April 1999) beruhe, dessen Vergütung sich nach § 93 Abs 7 BSHG richte. Für Vergütungsansprüche eines Leistungserbringers aus einem sozialhilferechtlichen Rechtsverhältnis sei nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Mit der vom LSG gemäß § 17a Abs 4 Satz 4 und 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zugelassenen weiteren Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das VG. Er hält das SG nach § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für zuständig, weil sich die Modalitäten der Leistungsabrechnung und die Höhe der Vergütung aus nach pflegeversicherungsrechtlichen Vorschriften entstandenen und die Sozialhilfeträger unmittelbar bindenden Regelungen (Verträge nach §§ 72 und 75 SGB XI, Schiedsspruch nach § 89 SGB XI) ergäben, der Streit also über eine "Angelegenheit nach dem SGB XI" (§ 51 SGG) geführt werde.

Die weitere Beschwerde des Klägers ist zulässig.

Sie ist kraft Zulassung durch das LSG statthaft. An die Zulassung ist das Bundessozialgericht (BSG) gebunden (§ 17a Abs 4 Satz 6 GVG).

Auch die weiteren Zulässigkeitsanforderungen für die nach § 17a Abs 4 Satz 3 und 4 GVG vorgesehene sofortige Beschwerde sind erfüllt. § 17a Abs 4 Satz 3 GVG enthält keine eigenständige Regelung des Beschwerdeverfahrens, sondern verweist auf die Vorschriften über die sofortige Beschwerde der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung. Da das SGG die sofortige Beschwerde nicht kennt, tritt an deren Stelle die Beschwerde nach § 172 SGG (BSG SozR 3-8570 § 17 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15, 19, 24).

Der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Kläger das Rechtsmittel innerhalb der Monatsfrist des § 173 SGG nicht beim LSG, sondern - entsprechend der vom LSG erteilten Rechtsmittelbelehrung - beim BSG eingelegt hat; denn von der entsprechenden Heranziehung des § 173 SGG ist in Rechtswegverfahren insoweit abzusehen, als dieser Vorschrift zu entnehmen ist, dass die Beschwerde ausschließlich bei dem Gericht einzulegen ist, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Dies folgt bereits daraus, dass bei der Rechtswegbeschwerde § 174 SGG keine Anwendung findet (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15, 19, 21 und 24) und demzufolge das SG bzw das LSG nicht zu prüfen hatte, ob es der Beschwerde bzw der weiteren Beschwerde abhilft (vgl im Einzelnen BSG, Beschluss vom 12. Mai 1998 - B 11 SF 1/97 R - SozR 3-1500 § 51 Nr 24). Dem Betroffenen steht also ein Wahlrecht zu, ob er die Beschwerde gegen eine erstinstanzliche Rechtswegentscheidung beim SG selbst oder beim LSG bzw die weitere Beschwerde, falls sie vom LSG zugelassen worden ist (§ 17a Abs 4 Satz 4 und 5 GVG), beim LSG selbst oder beim BSG einlegt. Von diesem - in der Rechtsmittelbelehrung allerdings nicht zum Ausdruck gebrachten - Wahlrecht hat der Kläger fristgerecht Gebrauch gemacht.

Die weitere Beschwerde ist aber in der Sache unbegründet.

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs 1 VwGO eröffnet ist. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind für einen Rechtsstreit der vorliegenden Art nicht zuständig. Maßgebend ist die Regelung des § 51 Abs 2 Satz 2 SGG in ihrer bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung (aF) durch Art 33 Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014), nach der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten entscheiden, die "in Angelegenheiten nach dem SGB XI entstehen". Diese zum 2. Januar 2002 durch § 51 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG idF des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) abgelöste alte Fassung ist hier anzuwenden, weil die Klage noch im Jahre 2001, also unter der Geltung des § 51 SGG aF, rechtshängig geworden ist. Aber auch nach der Neuregelung des § 51 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG, nach der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind für "öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (SGB XI), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden", wäre für den vorliegenden Rechtsstreit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Es handelt sich hier weder um eine "Angelegenheit nach dem SGB XI" noch um eine "Angelegenheit der sozialen oder privaten Pflegeversicherung" iS des § 51 SGG.

Die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist nur dann gegeben, wenn das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird, dem SGB XI unterfällt (BSG, Beschluss vom 31. Januar 2000 - B 3 SF 1/99 R - SozR 3-1500 § 51 Nr 25; stRspr). Das ist hier nicht der Fall. Der Vergütungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus dem Sachleistungs-Auftrag über die regelmäßige Erbringung sozialhilferechtlicher Pflegeleistungen (§§ 68, 69 BSHG) leitet sich allein aus § 93 Abs 7 Satz 1 BSHG ab. Es handelt sich damit um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis aus dem Bereich des Sozialhilferechts. Dafür sind nach § 40 Abs 1 VwGO die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig.

Unerheblich ist demgegenüber, dass sich hier die Modalitäten der Leistungsabrechnung und die Höhe der Vergütung aus Regelungen ergeben, die in Ausführung von Vorschriften der sozialen Pflegeversicherung (§§ 72, 75, 89 SGB XI) geschaffen worden sind und die Sozialhilfeträger als Kostenträger der sozialhilferechtlichen Pflegeleistungen ebenso wie die Pflegekassen binden. Die Bestimmungen der Verträge vom 12. Oktober 1995 und 18. Dezember 1995 (§§ 72, 75 SGB XI) sowie des Schiedsspruchs vom 28. Februar 1996 (§ 89 SGB XI) sind trotz dieser Bindung keine Grundlage für den Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die erbrachten Pflegeleistungen. Sie sind lediglich kraft Verweisung in § 93 Abs 7 Satz 1 BSHG auf den vorliegenden Fall anwendbar und stellen bloße Abrechnungsregelungen für Leistungen dar, die der Kläger insoweit nicht als pflegeversicherungsrechtlicher, sondern als sozialhilferechtlicher Leistungserbringer ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG aF (zur Anwendbarkeit des bis zum 1. Januar 2002 geltenden Rechts auf bis dahin anhängig gewordene Klagen von Leistungserbringern gegen Leistungsträger vgl BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 12/01 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei hat der Senat auch die vom LSG unterlassene Kostenentscheidung für das dort geführte Beschwerdeverfahren von Amts wegen nachholen dürfen (BSG SozR 3-1500 § 140 Nr 2).

In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541; BVerwGE 103, 26, 32). Die Regelung des § 17b Abs 2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht, hier dem SG, entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht, hier dem VG, behandelt werden, und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des - nun zwangsläufig - gemeinsamen ersten Rechtszugs (Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl 2002, § 17b GVG RdNr 4; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl 2002, § 17b GVG RdNr 5; Gummer in Zöller, ZPO, 23. Aufl 2002, § 17b GVG RdNr 4 und § 281 ZPO RdNr 22). Sie findet - unabhängig vom Inhalt der Entscheidung - keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Vorab-Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541; BVerwGE 103, 26, 32).

Die vom LSG für den Verzicht auf eine eigene Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren herangezogene Entscheidung des BSG vom 31. Januar 2000 - B 3 SF 1/99 R - (SozR 3-1500 § 51 Nr 25) ist hier nicht einschlägig. Auf Grund der dort im Einzelnen dargestellten Besonderheiten der Kostenberechnung im sozialgerichtlichen Verfahren betrifft sie nur den Fall, dass der vom Kläger beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in einem Beschwerdeverfahren bestätigt wird, der Rechtsstreit also - anders als hier - nicht an ein Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen wird, demgemäß also die außergerichtlichen Kosten für den gesamten Rechtsstreit nach der Sonderregelung des § 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) zu berechnen sind, wobei ausschließlich die Rahmengebühren gemäß § 116 Abs 1 BRAGO zur Anwendung kommen. Auch dies trifft hier nicht zu. Beide Beschwerdeverfahren haben erst im Jahre 2002 begonnen. Die Beteiligten gehören nicht zu dem von § 183 SGG nF erfassten Personenkreis. Da der Kläger schon bei der Einlegung der Rechtsmittel anwaltlich vertreten war, sind die Kosten beider Verfahren insoweit nach § 116 Abs 2 BRAGO in seiner ab 2. Januar 2002 geltenden Fassung des Art 15 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144), also streitwertabhängig, zu berechnen (vgl § 134 Abs 1 Satz 2 BRAGO).



Ende der Entscheidung

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